TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/31 92/10/0041

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Veröffentlicht am 31.01.1994
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Index

L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §8;
NatSchG Tir 1991 §1 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §27 Abs2 lita Z2;
NatSchG Tir 1991 §27 Abs2;
NatSchG Tir 1991 §30;
NatSchG Tir 1991 §34 Abs7;
NatSchG Tir 1991 §34 Abs8;
NatSchG Tir 1991 §9;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §48 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des A in J, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 18. Dezember 1991, Zl. U-12.336/3, betreffend Versagung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die vom Tiroler Landesumweltanwalt eingebrachte Gegenschrift und das entsprechende Kostenbegehren werden zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat im Herbst 1990 auf dem Grundstück X in der KG St. Jakob i.H. teilweise Aufschüttungen vorgenommen. Mit Eingabe vom 16. November 1990 ersuchte er bei der Bezirkshauptmannschaft (BH) um die nachträgliche naturschutzrechtliche Genehmigung für die vorgenommenen Schüttungsarbeiten und um die Genehmigung für die Fertigstellung.

Der naturschutzfachliche Amtssachverständige erstattete ein negatives Gutachten. Er verwies dabei auf den Umstand, daß das gegenständliche Grundstück bereits ca. zur Hälfte aufgeschüttet worden sei; die Aufschüttungen seien in einer Beilage zum Gutachten flächenmäßig in etwa dargstellt. Die gegenständlichen Flächen lägen im bzw. am Rande des Moorkomplexes St. Jakob, das im Biotopinventar 1989, Abteilung Umweltschutz, als Niedermoor (Flachmoor) in Hangverflachung angegeben werde. Dieses Moor werde auch in dem vom Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz herausgegebenen Moorschutzkatalog erwähnt. Die Fläche werde von einer Reihe (im einzelnen aufgezählter) Pflanzen bewachsen, die nach dem Tiroler Naturschutzgesetz sowie nach den Roten Listen der gefährdeten Pflanzenarten Österreichs als schützenswert hervorgehoben würden. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, daß der gesamte Bereich um St. Jakob sowie auch um den Pillersee als bevorzugtes Erholungs- und Wandergebiet einzustufen sei. Im Hinblick auf die Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren bedeute der bereits getätigte sowie der vorgesehene Eingriff in Form einer Überschüttung der Flächen eine starke Beeinträchtigung, da wiederum große Flächen von Pfeifengraswiesen direkt zerstört würden. Moore, wie das gegenständliche Durchströmungsmoor, seien naturnahe Landschaften, die alle Voraussetzungen für gute Erholungsgebiete aufwiesen; außerdem seien sie Lebens- und Überlebensraum zahlreicher gefährdeter Pflanzen- und Tierarten. Neben der direkten Zerstörung von Pflanzen und damit einhergehend auch speziell angepaßten Tierarten, sei die Zerstörung von Moorflächen ausschlaggebend dafür, daß Niederschlagsspitzen stärker ins Gewicht fielen. Aus naturschutzfachlicher Sicht sei insbesondere unter Berücksichtigung der Beeinträchtigung des Naturhaushaltes, der Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren, aber auch des Landschaftsbildes sowie des Erholungswertes, der gegenständliche Antrag zur Aufschüttung abzulehnen. Die bereits getätigten Schüttungen seien zu entfernen.

Der landwirtschaftliche Sachverständige erstattete ein betriebswirtschaftliches Gutachten, in dem er

- zusammenfassend - die beantragte Aufschüttung im Zusammenhang mit der Erhaltung des Betriebes des Beschwerdeführers als Vollerwerbsbetrieb als Agrarstrukturverbesserung im öffentlichen Interesse beurteilte. Der Beschwerdeführer habe das gegenständliche Grundstück unter dem Aspekt der möglichen Nutzungsverbesserung erworben und dafür Fremdkapital eingesetzt, dessen Refinanzierung über die verbesserten Erträge erfolgen solle. Durch die Aufschüttung entstehe eine für den Maschineneinsatz brauchbare Fläche, wodurch zusätzlich auch die Wertigkeit des Nachbargrundstückes spürbar verbessert werde. Durch die Kultivierung könne auch ein Teil der gepachteten Nutzflächen (ca. 1 ha) ersetzt werden, womit auch ein Teil der Transport- und Fahrtzeiten eingespart würde. Eine Weiterbewirtschaftung der gegenständlichen Parzelle in der bisherigen Form sei aus agrarstruktureller Sicht (Verhältnis von Arbeitseinsatz zu Ertrag) eher fraglich. Der Betrieb des Beschwerdeführers werde im Vollerwerb geführt; zum landwirtschaftlichen Einkommen kämen nur geringe Nebeneinnahmen aus der bäuerlichen Zimmervermietung. Die Vollerwerbsbetriebe stellten das Gerüst des Tiroler Bauernstandes dar. Die Verhinderung eines weiteren Rückganges der Vollerwerbsbetriebe im Interesse der Erhaltung einer landwirtschaftlichen Kernschicht sei ein zentrales agrarstrukturelles Ziel.

Vom Landesumweltanwalt wurde dazu vorgebracht, daß sich durch eine Intensivierung einer Fläche im Ausmaß von 3.536 m2 kaum eine nennenswerte Verbesserung in der Bewirtschaftung ergeben werde.

Der Beschwerdeführer nahm das Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen zustimmend zur Kenntnis.

Mit Bescheid der BH vom 3. Oktober 1991 wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 9 lit. g, 27 Abs. 2 lit. a Z. 2, Abs. 3 und 4, und 40 Abs. 1 des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 29 (in der Folge: TNSchG 1991), die naturschutzrechtliche Bewilligung zur Aufschüttung des Grundstückes Nr. 72 in der KG St. Jakob i.H. im Ausmaß von

3.536 m2 unter Vorschreibung weiterer Auflagen und Bedingungen erteilt. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens und der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen vertrat die BH im wesentlichen die Auffassung, daß auf Grund der Ausführungen des naturschutzfachlichen Amtssachverständigen zweifelsfrei feststehe, daß durch die beantragte Aufschüttung zumindest die festgestellten wertvollen Lebensgemeinschaften von Pflanzen sowie der Naturhaushalt nachhaltig zerstört bzw. beeinträchtigt werde, weshalb eine naturschutzrechtliche Bewilligung nur erteilt werden könne, wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung das öffentliche Interesse an der Vermeidung einer Beeinträchtigung der Natur überwiegen würden. Als derartige öffentliche Interessen könnten jene an der Agrarstrukturverbesserung bzw. der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes angesehen werden. Unter diesem Gesichtspunkt habe sich der landwirtschaftliche Amtssachverständige in seinem Gutachten schlüssig und nachvollziehbar für die Durchführung der beantragten Aufschüttung ausgesprochen. Den diesbezüglichen - nicht auf der selben fachlichen Ebene vorgetragenen - Einwendungen des Landesumweltanwaltes könne dagegen nicht gefolgt werden. Nach Abwägung sämtlicher besonderer Umstände des vorliegenden Falles ergebe sich daher für die Behörde, daß das langfristige öffentliche Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen (Vollerwerbs-)Bauernstandes die Interessen an der Vermeidung von Beeinträchtigungen der Natur überwiege. Nach Auffassung der Behörde könne auch der angestrebte Zweck nicht mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg vertretbaren Aufwand auf eine andere Weise erreicht werden (§ 27 Abs. 3 TNSchG 1991). Der Ankauf einer mindestens gleich großen landwirtschaftlichen Fläche in Hofnähe zu den üblichen Preisen erscheine - abgesehen von der Verfügbarkeit derartiger Flächen - wegen der dadurch für den Beschwerdeführer entstehenden Kosten nicht vertretbar.

Der Landesumweltanwalt erhob Berufung, in der er im wesentlichen die Auffassung vertrat, daß das öffentliche Interesse an der Vermeidung einer Beeinträchtigung der Natur bei weitem das öffentliche Interesse an der Erteilung der Bewilligung übersteige. Seiner Ansicht nach bringe eine Intensivierung der Nutzung einer Fläche im Ausmaß von

3.536 m2 kaum eine nennenswerte Verbesserung in der Bewirtschaftung des Betriebes des Beschwerdeführers mit sich.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Landesumweltanwaltes teilweise Folge gegeben und hinsichtlich des noch zu schüttenden Teiles des gegenständlichen Grundstückes im Ausmaß von ca. 1.765 m2 die naturschutzrechtliche Bewilligung versagt (Spruchpunkt I). Hinsichtlich des bereits aufgeschütteten Teiles im Ausmaß von ca. 1.765 m2 wurde die Berufung des Landesumweltanwaltes als unbegründet abgewiesen und der Spruch des Bescheides der BH unter Vorschreibung einiger Nebenbestimmungen bestätigt (Spruchpunkt II). Dabei wurde hinsichtlich des genauen Grenzverlaufes zwischen der bereits geschütteten und der noch zu schüttenden Fläche auf den beiliegenden Plan verwiesen, der einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bilde.

In ihrer Begründung zu Spruchpunkt I verwies die belangte Behörde zunächst darauf, daß der Betrieb des Beschwerdeführers aus 12 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche, 26 ha Wald und 28 ha Almflächen bestehe. Die Aufschüttungsfläche habe ein Ausmaß von 3.536 m2, wobei davon bereits ca. die Hälfte dieser Fläche aufgeschüttet worden sei. Setze man die verbleibende Hälfte von ca. 1.750 m2 in bezug zur gesamten, vom Betrieb des Beschwerdeführers genutzten Fläche, so komme die belangte Behörde zwangsläufig zu dem Ergebnis, daß die durch die Aufschüttung gewonnene zusätzliche Fläche eine in der Bewirtschaftung untergeordnete bzw. vernachlässigbare Größe darstelle. Darüber hinaus sei in der Aufschüttung des in einem hochwertigen Moorschutzgebiet liegenden Grundstückteiles kein öffentliches Interesse von langfristiger Dauer zu ersehen. Der angestrebte Zweck einer zusätzlichen Nutzfläche könne im übrigen auch im Sinne des § 27 Abs. 3 TNSchG durch Anpachtung anderer Nutzungsflächen erreicht werden.

Die Bewilligung der bereits erfolgten teilweisen Aufschüttung der gegenständlichen Grundfläche (Spruchpunkt II) begründete die belangte Behörde im wesentlichen damit, daß an sich auf Grund der Beeinträchtigung der Naturschutzinteressen die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes auf Kosten des Beschwerdeführers aufgetragen werden müßte. Dies würde den Beschwerdeführer in seiner wirtschaftlichen Existenz stark beeinträchtigen. Die belangte Behörde gehe auch davon aus, daß der Beschwerdeführer die Aufschüttung im guten Glauben auf deren Rechtmäßigkeit vorgenommen habe. Die Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes liege im langfristigen öffentlichen Interesse. Dieses übersteige im Beschwerdefall das öffentliche Interesse an der Vermeidung einer Beeinträchtigung der Natur, weshalb wie in Spruchpunkt II zu entscheiden gewesen sei.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie der Landesumweltanwalt - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 9 lit. g TNSchG 1991 bedürfen in Feuchtgebieten Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen sowie jede sonstige Veränderung der Bodenoberfläche einer Bewilligung.

Gemäß § 27 Abs. 2 lit. a TNSchG 1991 darf eine naturschutzrechtliche Bewilligung für Vorhaben nach § 9 nur erteilt werden, wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt (Z. 1) oder wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erhaltung der Bewilligung das öffentliche Interesse an der Vermeidung einer Beeinträchtigung der Natur überwiegen (Z. 2).

Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid ausdrücklich lediglich hinsichtlich seines Spruchpunktes I, also insofern, als eine naturschutzrechtliche Bewilligung hinsichtlich des noch zu schüttenden Teiles im Ausmaß von ca.

1.765 m2 des verfahrensgegenständlichen Grundstückes Nr. 72 in der KG St. Jakob i.H. versagt worden ist. Der angefochtene Bescheid ist damit im Hinblick auf die Trennbarkeit des Abspruches hinsichtlich seines Spruchpunktes II in Rechtskraft erwachsen und einer Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof entzogen.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt der Beschwerdeführer zunächst vor, daß das verfahrensgegenständliche Grundstück ein Gesamtausmaß von

3.536 m2 aufweise. Die belangte Behörde habe jedoch nur über ein Flächenausmaß von 3.530 m2 in der Form entschieden, daß hinsichtlich 1.765 m2 die naturschutzrechtliche Bewilligung versagt (Spruchpunkt I) und betreffend eines Teiles von

1.765 m2 die naturschutzrechtliche Bewilligung erteilt werde (Spruchpunkt II). Hinsichtlich einer Restfläche (von 6 m2) liege somit keine Erledigung vor. Der Spruch des angefochtenen Bescheides habe deshalb die in der Verhandlung stehende Angelegenheit nicht deutlich genug erledigt.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, daß die noch zu schüttende Teilfläche (bzw. die bereits aufgeschüttete Teilfläche) jeweils mit "ca."

1.765 m2 im Spruch des angefochtenen Bescheides umschrieben wird. Im Beschwerdefall kann daher keine Rede davon sein, daß die "in Verhandlung stehende Angelegenheit nicht deutlich genug erledigt" worden ist. Im gesamten Verwaltungsverfahren war im übrigen nie strittig, daß das beschwerdegegenständliche Grundstück bereits "ca. zur Hälfte" aufgeschüttet worden ist (vgl. dazu etwa das in den Verwaltungsakten erliegende Gutachten des naturschutzfachlichen Amtssachverständigen).

Was den Grenzverlauf zwischen den beiden Teilflächen anlangt, so ist auf den dem angefochtenen Bescheid in Beilage angeschlossenen Plan zu verweisen, der einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildet. Diesem Plan ist mit hinreichender Deutlichkeit der Grenzverlauf zwischen der bereits aufgeschütteten und der noch zu schüttenden Fläche des Grundstückes Nr. 72 zu entnehmen. Aus diesem Plan geht im übrigen auch hervor, daß das Grundstück innerhalb eines Feuchtgebietes im Sinne des Tiroler Naturschutzgesetzes liegt. Dem Beschwerdeführer kann deshalb auch nicht gefolgt werden, wenn er behauptet, es sei nicht nachvollziehbar, ob die noch zu schüttende Grundfläche innerhalb bzw. am Rande des Moorkomplexes St. Jakob liege.

Der Beschwerdeführer ist auch mit seinem Vorbringen nicht im Recht, die Tiroler Landesregierung hätte gemäß § 30 TNSchG 1991 die in Rede stehende Fläche durch Verordnung unter Schutz stellen müssen, damit dieser die Qualifikation eines Feuchtgebietes zukomme.

Der Schutz von Feuchtgebieten ist in § 9 TNSchG 1991 geregelt; eine nähere Begriffsbestimmung enthält § 3 Abs. 7 leg. cit. Ein Feuchtgebiet ist dabei ein vom Wasser geprägter, in sich geschlossener und vom Nachbargebiet abgegrenzter Lebensraum mit den für diesen charakteristischen Pflanzen- und Tiergemeinschaften. Dazu gehören insbesondere auch Flach- und Zwischenmoore. Der vom Beschwerdeführer zitierte § 30 TNSchG sieht vor, daß die Landesregierung jeweils mit der Erlassung einer Verordnung nach den §§ 10, 11, 13 und 21 zur Sicherung des jeweiligen Schutzzweckes der Unterschutzstellung ein Naturinventar zu erstellen hat. Eine Unterschutzstellung mit Verordnung ist danach für die in § 9 leg. cit. geregelten Feuchtgebiete nicht vorgesehen.

Dem Beschwerdeführer ist allerdings zuzustimmen, daß dem Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz nicht zu entnehmen ist, welche Tiere im gegenständlichen Bereich überhaupt vorkommen. Eine Beeinträchtigung der Lebensgemeinschaft von Tieren ist daher nicht nachvollziehbar. Dieser Verfahrensmangel ist allerdings nicht wesentlich, da eine Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 TNSchG 1991 nicht erfordert, daß die dort genannten Beeinträchtigungen kumulativ auftreten. Daß im Beschwerdefall durch die beantragte Aufschüttung jedenfalls eine Beeinträchtigung des Artenreichtums der Pflanzenwelt (§ 1 Abs. 1 lit. c) zu erwarten ist, durfte die belangte Behörde auf Grund des insofern mängelfreien Sachverständigengutachtens frei von Rechtsirrtum annehmen.

Der Beschwerdeführer bringt ferner vor, daß die belangte Behörde im Rahmen der Interessenabwägung nach § 27 Abs. 2 Z. 2 TNSchG 1991 das Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen einerseits dahin wertete, daß andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung ("Verbesserung der Agrarstruktur") das öffentliche Interesse an der Vermeidung einer Beeinträchtigung der Natur überwiegen (nämlich im Rahmen der nachträglichen Bewilligung für die bereits erfolgte Aufschüttung laut Spruchpunkt II), andererseits (nämlich im Rahmen der Versagung der Bewilligung für die noch zu schüttende Teilfläche laut Spruchpunkt I) solche langfristigen öffentlichen Interessen jedoch auf Grund desselben landwirtschaftlichen Gutachtens verneinte.

Der behauptete Widerspruch in der Interessenabwägung liegt allerdings nicht vor, weil die belangte Behörde bei Spruchpunkt II. mit dem Interesse an der Vermeidung existenzbedrohender WIEDERHERSTELLUNGSKOSTEN - ob zu Recht oder nicht, ist hier nicht zu prüfen - argumentierte.

Was die Interessenabwägung im Rahmen des Spruchpunktes I anlangt, so ist darauf zu verweisen, daß die Entscheidung nach § 27 Abs. 2 TNSchG 1991 in der Regel eine Wertentscheidung sein muß, da die konkurrierenden Interessen meist nicht bewertbar und damit berechen- und vergleichbar sind. Dieser Umstand erfordert es, die für und gegen ein Vorhaben sprechenden Argumente möglichst umfassend und präzis zu erfassen und einander gegenüberzustellen, um die Wertentscheidung transparent und nachvollziehbar zu machen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 28. Juni 1993, Zl. 93/10/0019). Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Ausmaß des öffentlichen Interesses an der Vermeidung einer Beeinträchtigung der Natur höher bewertete als etwaige andere mit der Aufschüttung verbundene langfristige öffentliche Interessen. Als ein solches "anderes langfristiges öffentliches Interesse" an der Erteilung der Bewilligung kann auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die Verbesserung der Agrarstruktur ins Treffen geführt werden. Zu diesem - z.B. auch in § 17 Abs. 3 des Forstgesetzes ausdrücklich verwendeten - Begriff hat der Verwaltungsgerichtshof etwa die Auffassung vertreten, daß ein in der Agrarstrukturverbesserung begründetes öffentliches Interesse u.a. dann vorliegt, wenn die Frage, ob die beantragte Bewilligung eine Maßnahme darstellt, deren nachhaltige Notwendigkeit für die Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebes des Antragstellers, insbesondere unter dem Aspekt der Sicherung der Existenz des Betriebes, zu bejahen ist (vgl. das Erkenntnis vom 30. März 1987, Zl. 87/10/0041). Daß diese Voraussetzung im Beschwerdefall gegeben ist, ist weder dem von der Behörde erster Instanz eingeholten landwirtschaftlichen Gutachten zu entnehmen, noch wurde dieses vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren behauptet. Daß die zu tätigende Aufschüttung "zur Rettung des Hofes beiträgt" wird erstmals und ohne nähere Begründung in der Beschwerde behauptet, weshalb auf dieses Vorbringen wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehenden Neuerungsverbotes (§ 41 VwGG) nicht weiter einzugehen war.

Da im Beschwerdefall mit Spruchpunkt I die beantragte Ausnahmebewilligung versagt wurde, war auch nicht weiter zu prüfen, ob der angestrebte Zweck mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg vertretbaren Aufwand auf eine andere Weise erreicht werden kann, durch die die Natur nicht oder nur in einem geringeren Ausmaß beeinträchtigt wird. Eine solche Überprüfung nach § 27 Abs. 3 TNSchG 1991 hat nur dann zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen nach Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 Z. 2 leg. cit. vorliegen. Ob der angestrebte Zweck durch Anpachtung zusätzlicher Nutzungsflächen erreicht werden kann - wie die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides gemeint hat -, war daher im Beschwerdefall nicht zu prüfen.

Für die vom Beschwerdeführer schließlich ohne jede Begründung aufgestellte Behauptung, daß der den angefochtenen Bescheid unterfertigende Beamte nicht approbationsbefugt sei, fehlt im Beschwerdefall jeder Anhaltspunkt.

Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Tiroler Landesumweltanwalt ist nach § 34 Abs. 7 TNSchG 1991 zur Wahrnehmung der Interessen des Naturschutzes berufen. Er ist jedoch nicht Träger subjektiv öffentlicher Rechte, weshalb er auch nicht als Mitbeteiligter im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auftreten kann. Der Umstand, daß er in der Verfügung über die Einleitung des Vorverfahrens als Mitbeteiligter bezeichnet wurde, vermag weder seine rechtliche Stellung als Mitbeteiligter im Sinne des § 21 Abs. 1 VwGG noch einen Anspruch auf Aufwandersatz zu begründen. Seine Gegenschrift und das entsprechende Aufwandersatzbegehren waren daher zurückzuweisen (vgl. das Erkenntnis vom 28. September 1992, Zlen. 91/10/0206, 92/10/0048).

Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Verfahrensrecht Weisungen Führung der Verwaltung öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992100041.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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