TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/4 93/02/0219

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Veröffentlicht am 04.02.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §82 Abs1;
StVO 1960 §82 Abs3 litc;
StVO 1960 §82 Abs5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Bernard, Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 22. Juni 1993, Zl. MA 64-BE 146/92, betreffend Bewilligung gemäß § 82 StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Gemeinde) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 8. Juli 1992, Zl. MA 35-G/1-1601/91, wies der Magistrat der Stadt Wien u.a. das Ansuchen des Beschwerdeführers "um Bewilligung eines Straßenverkaufes vor seinem Lokal auf dem Gehsteig" ab; bei der am 22. Juni 1992 abgehaltenen Augenscheinsverhandlung sei von den Vertretern der Magistratsabteilung 46 und des Bezirkspolizeikommissariates Innere Stadt "festgestellt" worden, daß die Gehsteigbreite in der derzeitigen Form gerade noch für die hohe Fußgängerfrequenz ausreichend sei. Eine Einengung durch Personen, die sich vor dem Lokal im Zuge des Straßenverkaufes anstellen, würde zu einer erheblichen Behinderung des Fußgängerverkehrs führen. Die im Sinne des § 82 Abs. 1 StVO erforderliche Bewilligung habe daher nicht erteilt werden können.

Vor Ergehen der Berufungsentscheidung durch die belangte Behörde erließ der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nach der Gewerbeordnung einen mit 13. Jänner 1993 datierten Bescheid, mit dem die Auflage 16 des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 24.4.1992 behoben wurde. Durch diese Auflage war der nunmehrige Beschwerdeführer verhalten worden, "die Fenster des Gastraumes, insbesondere das Ausgabefenster" (für den beabsichtigten Straßenverkauf) "während der Betriebszeit geschlossen zu halten".

Entgegen den Vorinstanzen gelangte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten nach Durchführung eines Augenscheines und Einholung eines Gutachtens eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen zu dem Ergebnis, daß bei einem Gassenverkauf durch das offene Ausgabefenster die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Fußgängerverkehrs auf dem Gehsteig im Normalfalle nicht beeinträchtigt werde. Bei großem Andrang (Reisegruppen, Schulklassen, etc.) könnten kurzfristige "Fußgängerstaus" auftreten. Eine Gefährdung oder wesentliche Behinderung des Verkehrs sei aber auch dabei nicht zu erwarten. Die Auflage, das Ausgabefenster geschlossen zu halten, sei daher im Sinne des § 81 iVm § 74 Abs. 2 Z. 4 der Gewerbeordnung nicht notwendig, um die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu gewährleisten.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde den eingangs genannten erstinstanzlichen Bescheid vom 8. Juli 1992 in Ansehung des von der Beschwerde erfaßten Abspruches nach der StVO.

Aufgrund der eigenen Sachverhaltsermittlung kam die belangte Behörde zu dem rechtlichen Schluß, daß der Verkauf aus dem Ausgabefenster der Betriebsanlage auf die Straße eine wesentliche Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Fußgängerverkehrs verursache und aus diesem Grunde die Bewilligung im Sinne des § 82 StVO nicht erteilt werden könne.

Eine Bewilligung nach der Straßenverkehrsordnung sei erforderlich, da der Gassenverkauf - insbesondere zur Mittagszeit und am frühen Abend - Menschenansammlungen herbeiführe. Die Bestimmung des § 82 Abs. 3 lit. c StVO komme hier deshalb nicht zum Tragen, da sie nicht auf Tätigkeiten abstelle, die ihrem Wesen nach in der Betriebsanlage selbst ausgeübt würden; der Pizzaverkauf bzw. der Verkauf von Speisen seien jedoch Tätigkeiten, die ihrem Wesen nach in der Betriebsanlage ausgeführt würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 82 Abs. 1 StVO ist für die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, z.B. zu gewerblichen Tätigkeiten, unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften eine Bewilligung erforderlich. Das gleiche gilt für Tätigkeiten, die geeignet sind, Menschenansammlungen auf der Straße herbeizuführen oder die Aufmerksamkeit der Lenker von Fahrzeugen zu beeinträchtigen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß er eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, die zumindest abstrakt geeignet ist, Menschenansammlungen auf der Straße herbeizuführen. Er wendet sich aber unter Berufung auf das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des Abs. 3 lit. c des § 82 StVO (Betriebsanlagengenehmigung, die auch den Gassenverkauf, nämlich den Verkauf durch das geöffnete Ausgabefenster auf die Rotenturmstraße, einschließe) gegen die Annahme der belangten Behörde, die in Rede stehende Tätigkeit unterliege der Bewilligungspflicht nach § 82 Abs. 1 StVO.

§ 82 Abs. 3 lit. c sieht vor, daß eine Bewilligung nach Abs. 1 des § 82 StVO für eine gewerbliche Tätigkeit, die ihrem Wesen nach auf der Straße ausgeübt wird und deren Betriebsanlage genehmigt ist, nicht erforderlich ist.

Dem Beschwerdeführer kann nicht gefolgt werden, wenn er unter Berufung auf diesen Ausnahmetatbestand von der Bewilligungspflicht des § 82 Abs. 1 StVO den Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bekämpft: Der Verkauf aus dem Lokal auf die Straße hinaus ist keine gewerbliche Tätigkeit, die IHREM WESEN NACH AUF DER STRAßE ausgeübt wird, wie etwa der Betrieb einer Tankstelle oder Ladetätigkeiten an einer Laderampe (vgl. 240

Blg. Nr. IX GP, 13; Dittrich-Veit, StVO3, Rz. 22 zu § 82; Benes-Messiner, StVO8, Anm. 8 zu § 82). Dies gilt selbst dann, wenn eine Änderung der bestehenden Betriebsanlage im Sinne des § 81 GewO im Hinblick (unter anderem) auf den beabsichtigten Straßenverkauf Gegenstand des gewerbebehördlichen Verfahrens war.

Auch soweit der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde geltend macht, kann ihm nicht gefolgt werden:

§ 82 Abs. 5 StVO lautet:

"Die Bewilligung nach Abs. 1 ist zu erteilen, wenn durch die Straßenbenützung die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht wesentlich beeinträchtigt wird oder eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Lärmentwicklung nicht zu erwarten ist. Wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs erfordert, ist die Bewilligung bedingt, befristet oder mit Auflagen zu erteilen; die Bewilligung ist zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung weggefallen sind."

Unter "Verkehr", dessen Sicherheit und Flüssigkeit im Sinne des § 82 Abs. 5 StVO zu schützen ist, ist auch der Fußgängerverkehr zu verstehen; diesbezüglich hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nachvollziehbar dargelegt, warum sie dem Gutachten des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 46 folgt, das sich mit der örtlichen Situation und den zu erwartenden Verkehrsbeeinträchtigungen in diesem Bereich befaßt und auch tatsächliche Feststellungen zugrunde legt. Im übrigen ist auch dem Gerichtshof die Örtlichkeit bekannt. Die Annahme der belangten Behörde, die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Tätigkeit werde hier zu einer wesentlichen Beeinträchtigung (zumindest) des Fußgängerverkehrs führen, die auch durch Vorschreibungen nicht hintangehalten werden kann, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Es kann nämlich keineswegs ausgeschlossen werden, daß es durch die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Tätigkeit vor allem während der Touristensaison zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Verkehrs durch Stauungen der Fußgänger auf dem Gehsteig, die sogar ein Ausweichen derselben auf die Fahrbahn befürchten lassen (und damit - abgesehen von der dadurch eintretenden Gefährdung - auch den Fahrzeugverkehr in erhebliche Mitleidenschaft ziehen würde), kommen würde; dies auch bei der vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Abstellung eines weiteren Verkäufers.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993020219.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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