TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/22 93/04/0209

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Veröffentlicht am 22.02.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52 Abs2;
AVG §53a Abs1;
AVG §76 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde des G in T, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. August 1993, Zl. 92703/35-IX/2/93, betreffend Vorschreibung von Barauslagen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Anbringen vom 31. Oktober bzw. 22. Dezember 1989 beantragte der Beschwerdeführer die "Verleihung der Berechtigung zur Ausstellung von Zeugnissen mit Urkundencharakter auf Grund des Gesetzes vom 9. September 1910, RGBl. Nr. 185". Mit "Teilbescheid" vom 8. Jänner 1991 räumte die belangte Behörde im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz gemäß den §§ 1 und 2 des Gesetzes vom 9. September 1910, RGBl. Nr. 185 betreffend das technische Untersuchungs-, Erprobungs- und Materialprüfungswesen über Antrag vom 31. Oktober 1989 dem Beschwerdeführer das Recht ein, über das Ergebnis der durchgeführten Untersuchungen, Erprobungen und Materialprüfungen auf den Fachgebieten "1. Luftreinhaltung, Umwelttechnik-Meßwertermittlung und fachliche Beurteilung und

2. Lärmschutz in bezug auf Umwelttechnik, ausgenommen bauakustische Messungen", Zeugnisse auszustellen, welche als öffentliche Urkunden anzusehen sind.

Mit Schreiben vom 24. April 1990 wurde Dipl.Ing. R von der belangten Behörde im gegenständlichen Autorisationsverfahren für das Fachgebiet "Gas- und Feuerungstechnik" als "unbefangener Amtssachverständiger" bestellt. Mit Schreiben gleichen Datums teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit:

"In Verfolg des ho. Schreibens vom 10.1.1990, Zl. 91927/2-IX/1a/89, teilt das BMwA. mit, daß für das Fachgebiet "Gas- und Feuerungstechnik" durch Verhinderung von OK. DI. M nunmehr Herr DI. R von der Versuchsanstalt für Gas- und Feuerungstechnik der Wiener Stadtwerke-Gaswerke als unbefangener Amtssachverständiger für das ggstl.

Ermittlungsverfahren bestellt wurde."

Mit Schreiben vom 24. Oktober 1990 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde folgendes mit:

"Als von Ihnen bestellter Sachverständiger und Gutachter in o. e. Angelegenheit war Herr Dipl.-Ing. R, Angestellter der Wiener Stadtwerke, mit Datum vom 18. Oktober 1990 in meiner Kanzlei, um eine Befundung durchzuführen. Auf Grund von offensichtlichen Interessenskollisionen sehe ich mich leider gezwungen, die Objektivität von Herrn Dipl.-Ing. R als Sachverständigen anzuzweifeln und darf Ihnen dazu die folgende Sachverhaltsdarstellung übermitteln.

Zur Erklärung muß ich dabei erwähnen, daß ich selbst die Zusammenhänge erst durch persönliche Äußerungen von Herrn Dipl.-Ing. R bei dessen Besuch in meiner Kanzlei erkannte. Wären mir die nachstehend beschriebenen Umstände schon vorher in dieser Art bekannt gewesen, hätte ich einen Besuch von Herrn Dipl.-Ing. R in meiner Kanzlei von vorneherein ablehnen müssen.

...

Nunmehr war derselbe Gutachter als von Ihnen beauftragter Sachverständiger in meiner Kanzlei, um eine Befundung hinsichtlich der Eignung als autorisierte Prüfanstalt durchzuführen. Zweck und Ziel einer derartigen Befundung sollte normalerweise die Erstellung eines objektiven Gutachtens sein, das vor allem unabhängig und frei von jeglichem Konkurrenzdenken verfaßt wird. Leider mußte ich auf Grund einer sehr voreingenommenen und einseitigen Befragung durch Herrn Dipl.-Ing. R immer mehr den Eindruck gewinnen, daß der Auftraggeber des Sachverständigen nicht das Ministerium ist, sondern die ÖVGW, bzw. die Wiener Stadtwerke-Gaswerke als Konkurrenzunternehmen. In diesem Zusammenhang muß auch noch festgehalten werden, daß der Gutachter es nicht für notwendig empfand, alle Räumlichkeiten, vor allem Archive und Werkstätte, zu besichtigen.

..."

Auf Grund dieser Mitteilung bestellte die belangte Behörde mit Schreiben vom 7. November 1990 in gegenständlicher Verwaltungsangelegenheit als "Amtssachverständigen" für das Fachgebiet Gas- und Feuerungstechnik Dipl.Ing. S. Das mit 25. Oktober 1990 datierte Gutachten des Dipl.Ing. R langte bei der belangten Behörde am 12. November 1990 ein. An Sachverständigengebühren wurden unter dem Titel "Zeitaufwand für Begutachtung" gleichzeitig geltend gemacht: Anforderung und Durchsicht der Unterlagen 3 Stunden, Vorbereitung des Lokalaugenscheines und des entsprechenden Konzeptes 8 Stunden, An- und Abreise 8 Stunden, Lokalaugenschein 9 Stunden, Erstellung des Begutachtungsberichtes 15 Stunden. Die belangte Behörde brachte am 18. Dezember 1990 auf Grund dieser Honorarnote einen Betrag von S 43.976,40 an den Sachverständigen Dipl.Ing. R zur Überweisung. Mit Bescheid vom 14. Jänner 1993 schrieb die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß den §§ 57 und 76 AVG den Ersatz von Barauslagen in der Höhe von S 43.976,40 für die Tätigkeit eines Sachverständigen der Versuchsanstalt für Gas- und Feuerungstechnik der Wiener Stadtwerke-Gaswerke vor und trug dem Beschwerdeführer auf, den vorgeschriebenen Betrag binnen 14 Tagen nach Erhalt dieses Bescheides zu überweisen. In ihrer Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, für die Tätigkeit des Sachverständigen Dipl.Ing. R seien ihr Barauslagen im Sinne der im Spruch zitierten Gesetzesstelle erwachsen, für die im konkreten Fall die Partei, die um die Amtshandlung angesucht habe, aufzukommen habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 76 Abs. 1 AVG zum Teil statt und schrieb dem Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 1 AVG "den Ersatz von Barauslagen in der Höhe von S 28.635,79 für die Tätigkeit eines Sachverständigen der Versuchsanstalt für Gas- und Feuerungstechnik der Wiener Stadtwerke-Gaswerke" vor. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des oben wiedergegebenen Sachverhaltes aus, Voraussetzung für die Verpflichtung zum Kostenersatz sei, daß die Vornahme der Amtshandlung kausal sei, sowie, daß die von Amts wegen angeordnete kostenverursachende Maßnahme zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes erforderlich gewesen sei. Da nach Kenntnis des Vorbringens des Beschwerdeführers vom 24. Oktober 1990 (Beschwerde wegen Befangenheit) und der nachfolgenden Entscheidung der Bestellung eines neuen Sachverständigen (7. November 1990) die Erstellung des Gutachtens nicht mehr zweckmäßig gewesen sei, könnten auf Grund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Kosten der Tätigkeit der Erstellung des Gutachtens (15 Stunden) dem Beschwerdeführer nicht zugerechnet werden. Hingegen seien die auf seinen Antrag hin vorgenommenen Vorbereitungshandlungen des Dipl.Ing. R, das seien alle aufgezählten Handlungen bis zur Erstellung des Gutachtensberichtes, dem Antragswerber als in seinem Interesse erforderlich zuzurechnen. Demnach sei der Vorstellung insofern Rechnung getragen worden, als die Forderung des Kostenersatzes von 15 Stunden für den Gutachtensbericht als nicht rechtmäßig festgestellt worden sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich seinen Beschwerdeausführungen zufolge in dem Recht verletzt, daß ihm entgegen § 76 AVG der Ersatz von Barauslagen in der Höhe von S 28.635,79 aufgetragen worden sei. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer vor, daß Dipl.Ing. R für seine Tätigkeit überhaupt kein Honorar zustehe, da er bereits bei Beauftragung wissen hätte müssen, daß er mit dem Beschwerdeführer und dessen Prüfanstalt in einem Konkurrenzverhältnis stehe. Deshalb hätte der Sachverständige von sich aus sofort selbst eine Befangenheit der Behörde gegenüber kundtun müssen.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Gemäß § 75 Abs. 1 AVG sind die Kosten für die Tätigkeit der Behörden im Verwaltungsverfahren, sofern sich aus den Bestimmungen der §§ 76 bis 78 nichts anderes ergibt, von Amts wegen zu tragen. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Heranziehung der Beteiligten zu anderen als den in den §§ 76 bis 78 vorgesehenen Leistungen, unter welchem Titel immer, unzulässig.

Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür gemäß § 76 Abs. 1 AVG, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese von Amts wegen zu tragen sind, im allgemeinen die Partei aufzukommen, die um die Amtshandlung angesucht hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen.

Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind gemäß § 52 Abs. 1 AVG die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung kann die Behörde aber ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige heranziehen, wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist.

Gemäß § 53a AVG haben nichtamtliche Sachverständige und nichtamtliche Dolmetscher Anspruch auf Gebühren unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Ausmaß wie Sachverständige (Dolmetscher) im gerichtlichen Verfahren. Umfang und Höhe dieser Gebühren sind von der Behörde, die den Sachverständigen oder Dolmetscher in Anspruch genommen oder die Beweisaufnahme veranlaßt hat, festzusetzen.

Gemessen an diesen gesetzlichen Tatbeständen weist - mangels erkennbarer entgegenstehender Bescheidausführungen - die vordargestellte behördliche Vorgangsweise darauf hin, daß Dipl.Ing. R unabhängig von der Bezeichnung "unabhängiger Amtssachverständiger" im Schreiben vom 24. April 1990 als nichtamtlicher Sachverständiger gemäß § 52 Abs. 2 AVG herangezogen wurde. Die im § 76 Abs. 1 AVG angeordnete Möglichkeit der Überwälzung der Sachverständigengebühren der nichtamtlichen Sachverständigen auf die antragstellende Partei setzt aber voraus, daß die Einholung des Sachverständigengutachtens notwendig war und kein Amtssachverständiger zur Verfügung stand (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. Juni 1957, Slg. N.F. Nr. 4.369/A, vom 5. Juli 1977, Slg. N.F. Nr. 9.370/A und vom 11. Februar 1993, Zl. 92/06/0234). Der Begründung des angefochtenen Bescheides läßt sich nun nicht in einer für den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner nachprüfenden Kontrolle schlüssig nachvollziehbaren Weise entnehmen, warum die mit dem angefochtenen Bescheid zum Ersatz vorgeschriebenen Sachverständigengebühren im Sinne der vordargestellten hg. Rechtsprechung notwendig waren und damit rückersatzfähig im Sinne des § 76 Abs. 1 AVG sind. Einer weiteren Begründung der Ersatzpflicht hätte es auch deshalb bedurft, weil die belangte Behörde - offensichtlich ausgehend vom Vorliegen eines Ablehnungsgrundes im Sinne des § 53 Abs. 1 letzter Satz AVG - vor Erstellung des Gutachtens durch Dipl.Ing. R für dasselbe Fachgebiet einen anderen (nichtamtlichen) Sachverständigen zur Beweisaufnahme gemäß § 52 Abs. 2 AVG beigezogen hat. Davon, daß die Auslagen der Behörde für Dipl.Ing. R durch ein Verschulden des Beschwerdeführers herbeigeführt worden wären, kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die belangte Behörde den Auslagenersatz nicht auf den Verschuldenstatbestand abgestellt hat und auch die Begründung des Becheides keine diesbezüglichen Ausführungen enthält.

Indem die belangte Behörde aus den oben dargelegten Gründen die Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen näher einzugehen war, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Der Schriftsatzaufwand wurde im verzeichneten Umfang zuerkannt. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den über das gesetzliche Ausmaß geltend gemachten Aufwand für Stempelgebühren und Barauslagen.

Schlagworte

Gebühren Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993040209.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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