TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/23 93/09/0404

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Veröffentlicht am 23.02.1994
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der K-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 27. August 1993, Zl. IIc 6702 B, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die in Wien am Karmelitermarkt einen Stand für orientalische Speisen betreibt, stellte am 18. Jänner 1993 beim Arbeitsamt Persönliche

Dienste - Gastgewerbe den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den türkischen Staatsbürger T.F. als Fleischhauer, wobei für die zu besetzende Arbeitsstelle türkische Sprachkenntnisse sowie Versiertheit in der Herstellung orientalischer Speisen, insbesondere auch im Hinblick auf religiöse Speisevorschriften, gefordert wurden. Auf Grund einer ihm anderweitig erteilten Beschäftigungsbewilligung sei T.F. in der Landeshöchstzahl für 1992 bereits enthalten gewesen.

Diesen Antrag lehnte das Arbeitsamt mit Bescheid vom 8. April 1993 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG mit der Begründung ab, daß der Vermittlungsausschuß die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet und darüber hinaus "das Ermittlungsverfahren" ergeben habe, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG geforderten Voraussetzungen vorliege.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung wies die Beschwerdeführerin noch einmal auf ihr Antragsvorbringen hin und ergänzte, daß die Nichterteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung für sie existenzbedrohend wäre. Es sei keine geeignete Ersatzkraft vermittelbar gewesen. Das Arbeitsamt hätte beurteilen müssen, ob T.F. als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer oder aus anderen besonders wichtigen Gründen beschäftigt hätte werden müssen, wobei die diesbezügliche Aufzählung im § 4 Abs. 6 AuslBG keine taxative sei. Im Falle der Durchführung eines Beweisverfahrens hätte das Arbeitsamt zu einer gegenteiligen Entscheidung gelangen müssen.

Aus den vorgelegten Akten des Berufungsverfahrens geht nur hervor, daß das Arbeitsamt in der Folge an die Beschwerdeführerin ein Schreiben vom 26. April 1993 gerichtet hat, in welchem der Beschwerdeführerin mitgeteilt wurde, das Arbeitsamt könne ihr aus seinem Stand an arbeitslos vorgemerkten Personen Arbeitskräfte anbieten, die für die Bedürfnisse der Beschwerdeführerin zur Verfügung stünden. Eine Reaktion der Beschwerdeführerin auf dieses Schreiben ist nicht aktenkundig.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. August 1993 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 1 und Abs. 6 sowie § 13a AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der dafür maßgebenden Gesetzesstellen zu § 4 Abs. 1 AuslBG aus, eine Überprüfung auf dem verfahrensgegenständlichen Arbeitsmarkt habe ergeben, daß derzeit für die konkret beantragte Beschäftigung geeignete Ersatzkräfte zur Verfügung stünden, die zur Vermittlung vorgemerkt seien und die - anders als T.F. - dem nach § 4b AuslBG begünstigten Personenkreis angehörten. Dazu komme, daß T.F. über eine aufrechte Beschäftigungsbewilligung mit Gültigkeitsdauer bis 30. April 1994 bei einem anderen Unternehmen verfüge. Zu § 4 Abs. 6 AuslBG stellte die belangte Behörde fest, daß die mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales für 1993 festgesetzte Landeshöchstzahl seit Beginn dieses Kalenderjahres weit überschritten sei. Es seien aber weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung der Beschwerdeführerin Gründe vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG idF gemäß der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe würde die Abweisung der Beschwerde rechtfertigen.

Zu § 4 Abs. 1 AuslBG:

Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber in der Regel einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer einen Befreiungsschein oder eine Arbeitserlaubnis besitzt. Die Beschäftigungsbewilligung ist nach § 4 Abs. 1 AuslBG im allgemeinen zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Nach der Anordnung des § 4b AuslBG läßt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 4 Abs. 1 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine der dort taxativ aufgezählten und vorrangig zu behandelnden Arbeitskräfte (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung etc.) vermittelt werden können. Diese Bestimmung bezweckt einen Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung. Diesem Zweck würde es widersprechen, wenn entgegen der allgemeinen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen wäre, weil z.B. der einzelne ausländische Arbeitnehmer einen zu seiner Einstellung bereiten Arbeitgeber gefunden hat. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluß auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0179, u.v.a.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 23. April 1993, Zl. 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben. Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein und unbegründet abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, und vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164).

Eine solche Ablehnung kann der Beschwerdeführerin auf Grund ihres aus den vorgelegten Akten ersichtlichen Verhaltens im Verwaltungsverfahren nicht unterstellt werden. Eine entsprechende negative Stellungnahme der Beschwerdeführerin liegt nicht vor. Die belangte Behörde ist auch im angefochtenen Bescheid gar nicht von einer unbegründeten Ablehnung einer Ersatzkraftstellung ausgegangen, sie hat sich vielmehr auf die Ergebnisse einer Überprüfung der Arbeitsmarktlage berufen, über die allerdings nachvollziehbare Unterlagen in den Verwaltungsakten ebenso wie überprüfbare Feststellungen im angefochtenen Bescheid fehlen. Es ist daher die entscheidungswesentliche Frage ungeprüft geblieben, welche Ersatzkräfte der Beschwerdeführerin konkret zur Verfügung gestellt wurden, ob diese dem von der Beschwerdeführerin zulässigerweise geforderten Anforderungsprofil (Sprach- und Zubereitungskenntnisse unter Beachtung religiöser Vorschriften) entsprochen hätten und ob es zu einer Ablehnung solcher Ersatzkräfte aus von der Beschwerdeführerin zu vertretenden oder aus anderen Gründen gekommen ist. Erst auf Grund von Feststellungen darüber, aus welchen Gründen allenfalls eine Beschäftigung von Ersatzkräften durch die Beschwerdeführerin nicht zustandegekommen ist, kann aber einwandfrei beurteilt werden, ob für die konkrete Beschäftigung tatsächlich iS des § 4b AuslBG begünstigte Ersatzkräfte für die Arbeitsstelle bei der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehen.

Welchen rechtlichen Einfluß auf den Antrag der Beschwerdeführerin die bloße Tatsache haben soll, daß einem anderen Arbeitgeber eine Beschäftigungsbewilligung für T.F. erteilt worden ist, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen.

Zu § 4 Abs. 6 AuslBG:

§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1.

bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2.

die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a)

als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b)

in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c)

als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d)

im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3.

öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4.

die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Die belangte Behörde ist vom Vorliegen einer Überschreitung der Landeshöchstzahl ausgegangen, wobei für den angefochtenen Bescheid mit Rücksicht auf seine Erlassung im Jahre 1993 die Überschreitung der Landeshöchstzahl für dieses Kalenderjahr maßgebend war. Die beschwerdeführende Partei hat gegen die Annahme des Vorliegens der Anwendungsvoraussetzungen für das erschwerte Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG nur auf die in Niederösterreich einem anderen Arbeitgeber erteilte Beschäftigungsbewilligung für T.F. hingewiesen, die auf die hier maßgebende Landeshöchstzahl für Wien keine Rückwirkungen hatte. Die Beschwerdeführerin ist aber im Verwaltungsverfahren ihrer Pflicht, Gründe vorzubringen, die für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 6 AuslBG maßgebend sein könnten, nachgekommen. Damit bestand jedoch die Verpflichtung der belangten Behörde, sich mit allen vorgebrachten Gründen auseinanderzusetzen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1993, Zl. 92/09/0362 und die dort zitierte Vorjudikatur). Die belangte Behörde hat sich jedoch mit keinem der in der Berufung vorgebrachten Gründe näher auseinandergesetzt, sondern sich mit der formelhaften Feststellung begnügt, wonach weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung vorgebracht worden seien, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde. Bereits das Vorliegen einer der im § 4 Abs. 6 Z. 1 bis 4 AuslBG alternativ geregelten Voraussetzungen genügt, um die erschwerten Bedingungen im Landeshöchstzahlüberschreitungsverfahren zu erfüllen. Es kann daher im Beschwerdefall nicht davon ausgegangen werden, die Versagung der Beschäftigungsbewilligung hätte sich auf § 4 Abs. 6 AuslBG stützen können.

Der Sachverhalt bedarf daher sowohl hinsichtlich des Ablehnungsgrundes nach § 4 Abs. 1 als auch hinsichtlich jenes nach § 4 Abs. 6 AuslBG noch in wesentlichen Punkten der Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993090404.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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