TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/23 93/01/1519

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Veröffentlicht am 23.02.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des U in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juli 1993, Zl. 4.316.708/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, der am 19. Mai 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. Juli 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Ankennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 14. Juli 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und verweigerte die Gewährung von Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer im Sachverhalt nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien am 1. Juli 1991 angegeben, er sei als Student in der Türkei laufend von der Polizei kontrolliert und belästigt worden; dies hätte nicht nur ihn, sondern alle anderen Studenten auch betroffen. Zu Beginn des Jahres 1990 sei er gemeinsam mit mehreren Studienkollegen bei einem Freund gewesen, wo sie gemeinsam gelernt hätten. Plötzlich sei die Polizei erschienen und hätte ihn und seine Kollegen zur Polizeistation gebracht. Warum diese Festnahme erfolgt sei, wüßte er nicht. Er sei lediglich befragt worden, was er und seine Freunde noch zu später Stunde gemacht hätten. Man hätte ihnen nicht geglaubt, daß sie sich nur auf eine Prüfung vorbereitet hätten, weshalb die Festnahme erfolgt sei. Nach einigen Stunden seien er und seine Kollegen wieder entlassen worden. In weiterer Folge sei er öfters vorgeladen worden, wüßte jedoch nicht, warum dies geschehen sei. Vor der Universität seien Studenten laufend kontrolliert worden. Am 1. Mai 1991 sei es zu einem Vorfall gekommen, bei dem ein Student verletzt worden sei. Sonstige Angaben könne er nicht machen.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter in der Sache selbst ausgeführt, er habe in seiner Heimat Probleme bekommen, weil er sich mit Studentenkollegen in verbotener Weise politisch betätigt habe. So habe er verbotene Zeitschriften und Flugblätter verteilt. Infolge der von ihm weiters behaupteten Verständigungsschwierigkeiten anläßlich seiner Ersteinvernahme führte die belangte Behörde ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch, in dessen Verlauf der Beschwerdeführer des weiteren angab, er habe illegal eine Zeitschrift, "YENI DEMOKRASIE", sowie Flugzettel illegal in Umlauf gebracht. Inhaltlich hätten sich diese Flugzettel mit den Rechten der Arbeiter und der Kurden auseinandergesetzt und es sei die Gründung eines proletarischen Staates darin gefordert worden. Er sei zwar nie Mitglied irgendeiner Gruppierung gewesen, doch habe er bei der jeweiligen Organisation mitgetan, die die Übernahme der Regierungsmacht durch das Proletariat zum Ziele habe. Er habe bei einem Gesinnungsgenossen gewohnt und oft bis zwei Uhr nachts gelernt oder diskutiert. Im März 1990 sei während einer Diskussion die Polizei gekommen, man hätte ihn verhaftet und eine Woche festgehalten. Er sei nach seinen Zielen befragt worden und es sei ihm vorgehalten worden, daß er gegen den Staat arbeite und daher als Verräter zu betrachten sei. Die Polizei habe erreichen wollen, daß er und seine Kollegen zugäben, bei einer bestimmten Organisation tätig gewesen zu sein.

Die belangte Behörde hat dieses im Ergänzungsverfahren erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft beurteilt, weil es in bezug auf seine politische Betätigung und die Dauer seiner angeblichen Haft sich im Verhältnis zu seinem bisherigen Vorbringen "gesteigert" habe, ging aber in der Folge auf dieses "gesteigerte" Vorbringen doch inhaltlich ein und kam zum Schluß, es läge infolge des Mangels eines zeitlichen Konnexes zwischen der vom Beschwerdeführer behaupteten Inhaftierung im März 1990 und der im Mai 1991 erfolgten Ausreise aus seinem Heimatstaat den von ihm geschilderten Vorfällen keine asylrechtliche Relevanz (mehr) zu.

Greift der Beschwerdeführer nun in der Beschwerde neuerlich allfällige in erster Instanz unterlaufene Verfahrensfehler, nämlich Mängel bei seiner Einvernahme infolge sprachlicher Verständigungsschwierigkeiten, auf, so ist ihm entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde, die gemäß § 25 Abs. 2 AsylG 1991 dieses Gesetz bei Erlassung ihres Bescheides bereits anzuwenden hatte, da diese Asylsache an dem im Gesetz genannten Stichtag, dem 1. Juni 1992, anhängig gewesen war, eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens angeordnet und durchgeführt hat. Sie setzt sich dementsprechend mit den im Ergänzungsverfahren vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptungen auch rechtlich auseinander, wobei ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann, wenn sie der Tätigkeit des Beschwerdeführers im Rahmen einer verbotenen Organisation, der Teilnahme an offenbar untersagten Demonstrationen jedenfalls aber dem Verteilen verbotener Zeitschriften und Flugblätter und den sich an diese Aktivitäten knüpfenden Maßnahmen staatlicher Organe die asylrechtliche Relevanz im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 abgesprochen hat. Die vom Beschwerdeführer nun als Anlaß für seine Flucht bezeichneten Ereignisse vom 1. Mai 1991 können nicht als wohlbegründete Furcht im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 erkannt werden, weil die von ihm vorgebrachte Verletzung eines Studenten bei einer Demonstration noch keinen Schluß auf eine, konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung zuläßt. Den Darlegungen des Beschwerdeführers in der Beschwerde kann auch nicht entnommen werden, daß er wegen seiner Tätigkeit in einer verbotenen Organisation - abgesehen von wiederkehrenden Befragungen - mit Maßnahmen zu rechnen hätte, die derart schwerwiegenden Charakters sind, daß sie als Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anzusehen wären.

Die behauptete Inhaftierung im März 1990 war im vorliegenden Fall nicht mehr zu berücksichtigen, da diese nicht in einem solchen zeitlichen Zusammenhang zur Ausreise des Asylwerbers aus seinem Heimatland steht, daß sie als Fluchtgrund im Sinne der Konvention anerkannt hätte werden können, wie dies die belangte Behörde bereits zutreffend ausgesprochen hat (vgl. u.a. auch das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 92/01/0086). Gegen die diesbezüglichen Ausführungen bringt der Beschwerdeführer lediglich vor, in der Zwischenzeit "immer wieder von der Polizei unterdrückt" worden zu sein, was aber - wiederum ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers, "auch die übrigen Studenten und nicht nur speziell die Person des Beschwerdeführers" zu erdulden hatten. Darin allein ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann aber auch eine konkrete, gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung nicht erblickt werden.

Da bereits aus diesem Grunde erkennbar ist, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, kommt es auch auf die weitere Begründung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, für den Beschwerdeführer habe auch eine inländische Fluchtalternative bestanden, nicht mehr an.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzung nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993011519.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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