TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/8 92/08/0155

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Veröffentlicht am 08.03.1994
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §1151;
ASVG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des Österreichischen Rundfunks in Wien, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 21. Mai 1992, Zl. 120.025/25-7/91, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mP:

1. Marina G, 2. Monika S, 3. Margit W, 4. Wiener Gebietskrankenkasse, 5. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 6. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Vorgeschichte des Verfahrens auf das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1990, Zlen. 85/08/0151, 86/08/0193, verwiesen.

Mit dem angefochtenen (Ersatz-)Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der viertmitbeteiligten Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge und stellte in Abänderung des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien fest, daß die erst- bis drittmitbeteiligten Parteien in bestimmten genannten Zeiträumen der Voll- und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen seien.

In der Bescheidbegründung wird nach zusammenfassender Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens, Zitierung der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und Anführung der Beweismittel ausgeführt, daß sich folgender Sachverhalt ergebe:

Die erst-, zweit- und drittmitbeteiligten Parteien seien auf der Grundlage eines mit dem Beschwerdeführer abgeschlossenen Vertrages als Programmkontrollorinnen (AKM-LM-Prüferinnen) beschäftigt gewesen. Der Beschwerdeführer habe mit dem jeweiligen Programmprüfer jeweils für ein Jahr einen Werkvertrag mit folgendem wesentlichen Inhalt abgeschlossen:

"1. Wir bestellen bei Ihnen und Sie übernehmen in der Zeit vom 1. Jänner ... bis zum 31. Dezember ... das Abhören von Sendungen des Fernsehens und das (handschriftliche) Zusammenstellen der entsprechenden Daten in Kontrollisten. Dazu zählt auch die zeitgemäße Kontrolle der Sendungen mittels Stoppuhren.

2. Diese Arbeiten werden im Durchschnitt fünfmal wöchentlich anfallen. Die entsprechenden Aufträge erhalten Sie von der Abteilung FS-Sendeleitung.

3. Bei Erbringung Ihrer Leistungen sind Sie an keinen bestimmten Arbeitsplatz gebunden.

4. Für die ordnungsgemäße Erfüllung dieses Vertrages erhalten Sie jeweils am Letzten jedes Monates ein Pauschalentgelt in der Höhe von S ... bezahlt. Mit diesem Pauschalentgelt sind gleichzeitig alle Barauslagen, die im Zusammenhang mit der vertragsgegenständlichen Tätigkeit auflaufen, wie z.B. Telefonkosten oder Fahrtkosten usw., abgegolten.

5. Die Vertragsteile räumen einander wechselseitig das Recht ein, diesen Vertrag unter Einhaltung einer 14-tägigen Kündigungsfrist jeweils am Monatsende ohne Angabe von Gründen aufzukündigen.

6. Da es sich bei Vorliegendem um einen Werkvertrag handelt, erfolgt weder ein Abzug von Lohnsteuer noch eine Anmeldung zur Sozialversicherung. Die auf das Einkommen gemäß vorliegenden Vertrag entfallenden Steuern und Abgaben, z.B. Einkommensteuer, Umsatzsteuer, werden Sie selbst entrichten."

Die zu verrichtende Tätigkeit habe darin bestanden, daß die auf den Programmblättern von der zuständigen Bereichsleiterin eingetragenen Sendungen auf ihren Musik- bzw. Wortanteil mit einer Stoppuhr zu überprüfen und diese Daten handschriftlich in eine Liste einzutragen gewesen seien. Diese Programmblätter seien einmal pro Woche zu einem festgesetzten Termin im ORF abzuholen bzw. die ausgefüllten Programmblätter abzugeben gewesen. Neben diesen Programmblättern habe der Beschwerdeführer als Arbeitsunterlagen Stoppuhren und Schreibmaterial, der Drittmitbeteiligten auch einen Fernsehapparat zur Verfügung gestellt. Es sei sowohl ein sogenannter "Fünf-Tage-Vertrag" als auch ein sogenannter "Drei-Tage-Vertrag" möglich gewesen. Bei ersterem seien im sogenannten "Radldienst" Sendungen für fünf Tage der Woche zum Stoppen eingeteilt worden, beim anderen nur für drei Tage.

Die Erstmitbeteiligte habe vom Anbeginn ihrer Tätigkeit an fünf Tagen pro Woche und zwar mit einer monatlichen Stundenzahl von ca. 35 gearbeitet. Für die "spätere Zeit", als sie Kinder gehabt habe, sei sie auf eine dreitägige Beschäftigung umgestiegen.

Die Zweitmitbeteiligte habe zu Beginn ihrer Tätigkeit an drei Tagen der Woche mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 7 - 8 gearbeitet, zumindest ab 1984 an fünf Tagen.

Die Drittmitbeteiligte habe am Beginn ihrer Tätigkeit eine Fünf-Tage-Beschäftigung ausgeübt, während später eine Sieben-Tage-Beschäftigung gefordert worden sei.

Unter der Vorgesetzten B habe die Drittmitbeteiligte die Daten für die "Zeit im Bild"-Sendung des Vortages täglich telefonisch durchgeben müssen. Auch die Erstmitbeteiligte habe von einer Pflicht, Daten zwischen den Abgabeterminen telefonisch durchzugeben, gesprochen. Im Hinblick auf die rechtlichen Erwägungen erscheine jedoch die genaue Feststellung der wöchentlichen Arbeitsstundenanzahl entbehrlich.

Die wöchentliche Abholung sei grundsätzlich persönlich erfolgt. Der Urlaub habe innerhalb einer bestimmten Frist vor Antritt gemeldet werden müssen, die entsprechenden Sendungen seien auf die übrigen Programmkontrollore verteilt worden. Eine Erkrankung sei unverzüglich zu melden gewesen. In diesem Fall sei die Arbeit auf die anderen Programmkontrollore verteilt worden.

Welche Sendungen zu stoppen gewesen seien, sei von der jeweiligen Leiterin der AKM-Stelle bestimmt worden. Diese habe das Recht gehabt, die Sendungen einzuteilen, je nach persönlichem Entgegenkommen habe über die Einteilung am Abholtag gesprochen und diese abgeändert werden können. Im Falle eines Urlaubes oder einer Erkrankung sei das zu kontrollierende Programm durch einen Anruf unter der Woche geändert worden.

Die Entlohnung habe auf einer Pauschalannahme der monatlich zu stoppenden Stunden basiert und sei in der Höhe eines Pauschalbetrages gewährt worden.

Vor der Aufnahme als Programmkontrollorinnen hätten sich die Erst- bis Drittmitbeteiligte bei der Abteilungsleitung vorgestellt, die die erforderlichen Qualifikationen (entsprechende Allgemeinbildung, Musikverständnis, etc.) überprüft habe.

Zu Beginn ihrer jeweiligen Tätigkeit seien die Programmkontrollorinnen davon ausgegangen, daß sie ihre Arbeit persönlich zu verrichten hätten. Eine ausdrückliche Vereinbarung zu dieser Frage anläßlich der Einstellung habe es nicht gegeben. Im Laufe der Beschäftigung sei seitens der Personalabteilung der Abteilung Sendeleitung mitgeteilt worden, daß auf die persönliche Mitarbeit kein Wert gelegt werde. Diese Meinungsäußerung habe in der faktischen Gestaltung der Tätigkeit keine Auswirkung gehabt. Die Erst- und Zweitmitbeteiligte hätten diese ausschließlich persönlich verrichtet, die Drittmitbeteiligte habe sich im Falle plötzlicher Erkrankungen oder kurzfristiger Verhinderungen durch ihren Mann vertreten lassen. Sie habe allerdings auch in diesem Falle die Daten selbst handschriftlich in das Formblatt eingetragen. Diese kurzzeitigen Vertretungen seien einer Referatsleiterin, die die Qualifikationen des Gatten der Drittmitbeteiligten gekannt habe, bekannt gewesen. Der Nachfolgerin der Referatsleiterin sei dies nicht bekannt gewesen.

Dieser Sachverhalt sei wie folgt rechtlich zu würdigen:

Eine generelle Vertretungsbefugnis im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei ausgeschlossen gewesen; die sogenannte Vertretung im Urlaub- und Krankheitsfalle habe mit einer generellen Vertretungsbefugnis nichts zu tun. Auch die auf begründete Einzelfälle beschränkte Vertretung von der Drittmitbeteiligten durch ihren Gatten, die im übrigen zumindestens von der Referatsleiterin genehmigt worden war, schließe die persönliche Arbeitspflicht nicht aus. Als Argument für die persönliche Arbeitspflicht sei auch das Verhalten der Drittmitbeteiligten, daß sie trotz Erfassung der Daten durch ihren Mann diese selbst in die Listen eingetragen habe, zu sehen. Auch die Tolerierung der Vertretung der Drittmitbeteiligten durch ihren Gatten deute in diese Richtung.

Zur Frage der Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit durch die Beschäftigung stehe fest, daß durch die tolerierte und auch genutzte Möglichkeit, die zu stoppenden Sendungen auf Video aufzunehmen und zu einem anderen als den Sendezeitpunkt zu kontrollieren, eine gewisse Verfügungsberechtigung über die Arbeitszeit eingetreten sei. Diese Berechtigung sei allerdings dadurch beschränkt gewesen, daß einerseits (die Programmblätter) einmal pro Woche, unter einer Referatsleiterin, sogar täglich Ergebnisse hätten abgeliefert werden müssen und daß andererseits das bei der Abholung gelieferte Programm durch Weisungen seitens des Beschwerdeführers habe abgeändert werden können und auch geändert worden sei. Durch die Befugnis der Referatsleitung, Änderungen im Arbeitspensum nach eigener Entscheidung auf die anderen Programmkontrollorinnen zu verteilen, ergebe sich ein Weisungsrecht des Beschwerdeführers gegenüber den Programmkontrollorinnen. Diese seien auch nicht berechtigt gewesen, die Änderungen des Arbeitspensums abzulehnen. Die zeitliche Inanspruchnahme der Programmkontrollorinnen durch diese Tätigkeit sei von der jeweils eingegangenen Arbeitsverpflichtung geprägt gewesen. Nach Auffassung der belangten Behörde schließe jedoch bei Teilzeitbeschäftigten die aufgrund der nicht vollen Arbeitsverpflichtung bestehende größere Dispositionsmöglichkeit die persönliche Abhängigkeit nicht aus, da diese immer im Hinblick auf das vereinbarte Maß der Überlassung der Arbeitskraft von einem Dienstgeber zu prüfen sei. Die faktisch praktizierte persönliche Abholung habe die Verfügung ebenfalls beschränkt, wenn auch in geringem Maße. Der Arbeitsort erscheine auf den ersten Blick variabel, sei aber doch im Hinblick auf die Notwendigkeit der Eignung zu einer sehr konzentrierten Tätigkeit beschränkt gewesen. Gegenstand der Programmblätter sei eine mehrspaltige Liste, die im Kopf Datum, Beginn und Titel der Sendung beinhaltet habe, gewesen.

Zusammenfassend sei von einem deutlichen Überwiegen der Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit auszugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber ebenso wie die mitbeteiligten Parteien (mit Ausnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse) von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer vertritt sowohl unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften die Auffassung, daß die nunmehr getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen. Es sei ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß es auf die Vertretungsmöglichkeit ankomme und diese ein Dienstverhältnis ausschließe, wobei es nicht darauf ankomme, ob von dieser Möglichkeit häufig, selten oder nie Gebrauch gemacht werde. Das tatsächliche Beschäftigungsbild sei keineswegs mit der faktischen Nichtinanspruchnahme gleichzusetzen, sondern sei wohl als faktische Vertretungsbefugnis zu verstehen. Das Ergebnis, daß die Drittmitbeteiligte generell durch ihren Mann vertreten worden sei, dürfe nicht übersehen werden. Selbst wenn man von der Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung ausgehe, so sei die Bestimmungsfreiheit der Programmhelfer während der zur Ausführung notwendigen Arbeitszeit aus den Gründen der variablen Arbeitszeit keineswegs ausgeschaltet gewesen.

Die Beschwerde erweist sich im Ergebnis als berechtigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem eingangs genannten Vorerkenntnis ausgesprochen, daß für das von der belangten Behörde (auch im Ersatzbescheid) vertretene Subsumtionsergebnis von entscheidender Bedeutung ist, ob die Fremdbestimmung der mitbeteiligten Programmkontrollorinnen hinsichtlich der vereinbarten Arbeitszeit überhaupt bestand bzw. von solchem Gewicht war, daß von einem Überwiegen dieses Merkmales zugunsten der Annahme einer Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit gesprochen werden konnte (Pkt. 2.4.3.). Diese Frage, so das genannte Erkenntnis, könne nicht beantwortet werden, weil die belangte Behörde weder nach den einzelnen mitbeteiligten Programmprüferinnen noch nach den einzelnen Zeitabschnitten ihrer Beschäftigung (z.B. Übergang von zunächst drei Wochentagen auf fünf Wochentage) noch nach der stundenweisen Lagerung der zu beobachtenden Sendungen differenziert und diesbezügliche Feststellungen getroffen habe.

Auch die nunmehr getroffenen - oben wiedergegebenen - Feststellungen der belangten Behörde reichen nicht aus, um eine Bindung der erst-, zweit- und drittmitbeteiligten Partei an Ordnungsvorschriften über die Arbeitszeit anzunehmen. Ausgehend von diesen Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Programmkontrollorinnen weitgehend in der Disposition über ihre Arbeitskraft frei waren oder nicht: Dazu wäre es erforderlich, die Dauer der zu beobachtenden Sendungen, deren tage- und stundenweise Lagerung und den Zeitpunkt der Ablieferung der sogenannten Programmblätter festzustellen. Auch eine genaue Festlegung der wöchentlichen (zwischen den einzelnen Abgabeterminen gelegenen) Arbeitsstundenanzahl ist im Hinblick auf die Vereinbarung über den Umfang der Arbeit - Fünf-Tage-, Drei-Tage-Vertrag - unumgänglich. Erst genaue Feststellungen über diese Leistungszeit im Zusammenhang mit dem vereinbarten Abgabetermin der Programmblätter lassen eine abschließende Beurteilung zu, ob die Beschäftigung wegen ihres zeitlichen Ausmaßes oder wegen sehr enger Zeitvorgaben den Beschäftigten keine Möglichkeit ließ, die Arbeitszeit frei einteilen zu können.

Die Teilzeitbeschäftigte betreffenden rechtlichen Erwägungen der belangten Behörde sind nämlich auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Erst-, Zweit- und Drittmitbeteiligte haben ihre Leistungen ohne Bindung an einen bestimmten Arbeitsort erbracht. Der zeitlichen Inanspruchnahme der so Beschäftigten und ihrer allfälligen Beeinflussung durch den Arbeitgeber im arbeitsbezogenen Verhalten kommt daher - im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung - entscheidungswesentliche Bedeutung zu. War die zeitliche Inanspruchnahme der Erst-, Zweit- und Drittmitbeteiligten während einer Periode (Woche/Monat) im Verhältnis zur Normalarbeitszeit nur gering, so ist dies im vorliegenden Fall ein gewichtiges Indiz für die persönliche Unabhängigkeit der so Beschäftigten. Bei zunehmender zeitlicher Inanspruchnahme oder gar einer (direkten oder indirekten) Festlegung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber wird hingegen der selbständigen Wahl des Arbeitsortes kein so großes Gewicht zukommen. Ausreichende Feststellungen dazu fehlen im angefochtenen Bescheid. So wird lediglich bezüglich der Erst- und Zweitmitbeteiligten eine zeitliche Inanspruchnahme von ungefähr 35 Stunden monatlich bzw. 7-8 Stunden wöchentlich angenommen, während für die Drittmitbeteiligte dazu überhaupt keine Feststellungen getroffen wurden. Daß wegen der Beeinflussung im arbeitsbezogenen Verhalten die allfällige Selbstbestimmung bezüglich der Lagerung der Arbeitszeit in den Hintergrund trete, kann den Feststellungen ebenfalls nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden: Die (gegenüber dem Vorerkenntnis) neue Feststellung, daß eine Verpflichtung zur telefonischen Durchgabe von Daten zwischen den Ablieferungszeiten bestanden habe, zeigt lediglich das Bestehen einer Weisungsbefugnis in bezug auf das Arbeitsverfahren. Die nunmehr festgestellte Änderung der zu kontrollierenden Sendungen zwischen den Ablieferungsterminen bei Urlaub oder Krankheit macht - abgesehen davon, daß unklar bleibt, ob es dadurch zu einer erhöhten Arbeitszeit der einzelnen Mitbeteiligten kommt - schon wegen des vorübergehenden Charakters dieser Maßnahme die fehlenden Feststellungen nicht entbehrlich. Auch das im angefochtenen Bescheid angenommene Recht des Bereichsleiters, die Sendungen einzuteilen ("je nach persönlichem Entgegenkommen konnte über die Einteilung am Abholtag gesprochen und geändert werden") spricht nicht gegen das Erfordernis dieser Feststellungen, weil es sich dabei offensichtlich um eine Befugnis zur Umverteilung bei gleichbleibendem Arbeitsumfang handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1989, Zlen. 88/08/0312, 89/08/0025) schließt die Berechtigung eines Beschäftigten, die übernommene Arbeitspflicht generell durch Dritte vornehmen zu lassen, - unabhängig davon, ob er von dieser Berechtigung auch tatsächlich Gebrauch macht - wegen des in dieser Berechtigung zum Ausdruck kommenden Fehlens der für die persönliche Abhängigkeit wesentlichen (grundsätzlich) persönlichen Arbeitspflicht und damit der Ausschaltung seiner Bestimmungsfreiheit durch die übernommene Arbeitspflicht seine persönliche Abhängigkeit vom Empfänger der Arbeitsleistung und damit ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG aus. Es ist unmaßgeblich, daß der Beschäftigte nur geeignete Dritte als Vertreter stellig machen darf, weil es ja bei der Vertretungsberechtigung immer um eine solche in bezug auf eine übernommene Arbeitspflicht und daher durch eine Person geht, die in der Lage ist, diese Arbeitspflicht gegenüber dem Empfänger der Arbeitsleistung zu erfüllen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1990, Zl. 88/08/0200). Von einer generellen Vertretungsbefugnis kann aber nur dann gesprochen werden, wenn der Beschäftigte berechtigt ist, jederzeit (wenn auch "nach Rücksprache" oder - unter bestimmten eingeschränkten Umständen - sogar nach Zustimmung des Empfängers der Arbeitsleistung) und nach Gutdünken (d.h. ohne bestimmten Grund) irgendeinen geeigneten Vertreter zur Erfüllung der von ihm übernommenen Arbeitspflicht heranzuziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/08/0154).

Die belangte Behörde hat die Annahme, eine generelle Vertretungsbefugnis habe nicht bestanden, damit begründet, daß die Beschäftigten nach Qualifikation ausgesucht worden seien. Sie hat es dabei andererseits als durchaus glaubwürdig angesehen, daß "im Laufe der Beschäftigung" der Vertreter des Beschwerdeführers zu dieser Frage der Abteilung Sendeleitung mitgeteilt habe, daß eine Vertretung sehr wohl möglich sei. Weiters ist der Bescheidbegründung zu entnehmen, daß diese Erklärung nach einer Diskussion zwischen der Referatsleiterin und den Programmkontrollorinnen abgegeben worden sei. Wem gegenüber sie allerdings abgegeben worden ist, kann dem angefochtenen Bescheid nicht mit der erforderlichen Klarheit entnommen werden.

Die belangte Behörde hat sich mit der in Rede stehenden "Meinungsäußerung" des Vertreters des Beschwerdeführers sowohl im Rahmen der Feststellungen als auch wiederholt im Rahmen der Beweiswürdigung befaßt. Die Ausführungen dazu sind jedoch jeweils ergänzungsbedürftig, weil offen gelassen wird, ob es sich um ein Angebot auf Vertragsänderung oder um die Annahme eines Vertragsänderungswunsches der Programmkontrollorinnen handelt. Ob im ersten Fall die Erklärung den Programmkontrollorinnen überhaupt zugekommen ist und wie sie darauf reagierten, kann dem angefochtenen Bescheid nicht mit der erforderlichen Klarheit entnommen werden. In Richtung der zweiten Möglichkeit deuten zwar die Ausführungen in Seite 13 des angefochtenen Bescheides; das Vorliegen einer Vertragsergänzung oder Änderung kann aber auch daraus nicht mit der entsprechenden Klarheit abgeleitet werden.

Die belangte Behörde hätte in diesem Zusammenhang auch zu klären gehabt, welchen Zweck die Verpflichtung der Programmkontrollorinnen hatte, die Eintragungen handschriftlich vorzunehmen. Hätte eine solche Verpflichtung auch nach diesem Gespräch bestanden, so könnte darin ein Indiz für eine weiterhin bestehende persönliche Arbeitsverpflichtung gesehen werden. Im übrigen ist in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen im Vorerkenntnis, Pkt. 2.6.2. (insbesonders Seite 15) zu verweisen.

Daraus folgt, daß in der Frage der Befugnis der mitbeteiligten Programmkontorllorinnen, sich nach eigenem Gutdünken vertreten zu lassen, sekundäre wesentliche Verfahrensmängel unterlaufen sind.

Primär jedoch hat die belangte Behörde aus den oben dargelegten Erwägungen den angefochtenen Bescheid in bezug auf eine allfällige Bindung der Mitbeteiligten an Ordnungsvorschriften über die Arbeitzeit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992080155.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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