TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/10 94/19/0803

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Veröffentlicht am 10.03.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. September 1993, Zl. 4.337.275/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist vom folgenden Sachverhalt auszugehen:

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. September 1993, wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. Mai 1992, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe anläßlich seiner niederschriftlichen Vernehmung bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 20. März 1992 angegeben, am 22. Februar 1992 sei sein Schwager, der Vorsitzender des Gemeindeamtes Oredo gewesen sei, im eigenen Arbeitszimmer ermordet worden. Zwei Nigerianer hätten ihn in den Hals bzw. in das Genick geschossen. Er, der Beschwerdeführer, sei bei diesem Vorgang Augenzeuge gewesen und hätte deshalb die Täter eindeutig erkennen können. Unmittelbar nach dem Mord sei er aus dem Gemeindeamt geflüchtet und habe sich bei einem Freund in Benin-City versteckt gehalten. Es sei ihm nicht möglich gewesen, die Polizeistation zu erreichen, da die Mörder ihn verfolgt hätten. Nach einer Nächtigung bei seinem Freund habe er sich in die Kirche von Oredo begeben und dort drei Tage lang aufgehalten. In dieser Zeit sei er sowohl von Einzelpersonen als auch von Gruppen mit dem Umbringen bedroht worden, falls er Anzeige gegen die beiden Täter erstatten sollte. Der Pfarrer habe ihm dann geraten, sich in das Ausland abzusetzen, da er seines Lebens nicht mehr sicher gewesen sei. Im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria, das er am 3. März 1992 auf dem Luftweg verlassen habe, habe er mit dem sicheren Tod zu rechnen.

In seiner Berufung gegen den bereits erwähnten erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer im wesentlichen weiter vorgebracht, daß sein Bruder Mitglied des neuen ins Amt gewählten NRC (National-Republikanischer-Convent) gewesen und in Opposition zur Regierung von Benin-City gestanden sei. Weiters habe der Beschwerdeführer eine Kopie eines Schreibens vorgelegt, in dem der Sachverhalt seiner Verfolgung dokumentiert würde, sowie die Kopie eines Artikels aus einer Zeitung vom 29. Februar 1992, der die Angaben über den erschossenen Bruder bestätigen sollte. (In der Beschwerde geht der Beschwerdeführer auch wieder davon aus, daß der angeblich Ermordete sein Schwager Mitglied des neu ins Amt gewählten NRC gewesen sei.)

Die Abweisung der Berufung wurde von der belangten Behörde im wesentlichen damit begründet, daß eine allfällige Bedrohung der Person des Beschwerdeführers durch die Mörder seines Bruders (Schwagers) nicht als asylbegründende mittelbare staatliche Verfolgung gewertet werden könnte. Derartige Übergriffe von Einzelpersonen indizierten noch keine systematische Verfolgung des Asylwerbers im Falle einer Rückkehr in seinen Heimatstaat. Der Beschwerdeführer hätte auch, um den Angriffen und Drohungen der Mörder zu entgehen, sich in einen anderen Landesteil Nigerias begeben können.

Dem hält der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, daß er Augenzeuge eines offensichtlich politischen Attentates geworden sei; der Mord an dem Schwager (Bruder) könne keinesfalls, unter Bedachtnahme auf die politische Situation des Landes, als Übergriff von Einzelpersonen ohne jeglichen politischen, religiösen oder ethnischen Hintergrund dargestellt werden. Dies ergebe sich auch aufgrund der politischen Position des Ermordeten und der Einstellung der gesamten Familie. Da der Ermordete wie auch die gesamte Familie dem "feindlichen politischen Lager" angehörten, sei das Schutzinteresse des Staates nicht gegeben. Auch in einem anderen Landesteil Nigerias sei der Asylwerber nicht sicher gewesen.

Weder aus dem - unbestritten gebliebenen - Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren selbst noch aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer Verfolgungshandlungen durch staatliche Behörden seines Heimatlandes ausgesetzt gewesen wäre, die auf seine politische Gesinnung oder auf einen anderen der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründe zurückzuführen gewesen wären. Der Beschwerdeführer war nach seinen eigenen Angaben Zeuge eines - allenfalls politisch motivierten - Mordes und danach als SOLCHER der Verfolgung durch die Mörder ausgesetzt. Im Zuge dieser Verfolgung gelang es ihm nicht, die Polizeistation zu erreichen, sodaß er sich bei einem Freund verstecken mußte. Damit führt der Beschwerdeführer selbst aus, daß der von ihm (zunächst) angestellte Versuch, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, nur wegen der Verfolgung durch die Mörder, nicht aber deshalb unterblieben ist, weil staatliche Behörden ihm Schutz verweigert hätten oder es von vornherein aufgrund der politischen Lage aussichtslos gewesen wäre, solchen Schutz in Anspruch zu nehmen.

Was die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit anlangt, ist den Ausführungen in der Beschwerde somit entgegenzuhalten, daß sich der angefochtene Bescheid völlig im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes befindet, wonach eine nicht von staatlichen Stellen des Heimatlandes eines Asylwerbers ausgehende Verfolgung nur dann von Bedeutung ist, wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, diese Verfolgung hintanzuhalten (vgl. nur das hg. Erkenntnis vom 10. März 1993, Zl. 92/01/1090). Soweit der Beschwerdeführer in Ausführung des Beschwerdegrundes der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, die belangte Behörde hätte Ermittlungen durch "ein Amtshilfeersuchen an die zuständige Behörde in Nigeria" unterlassen, ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde in Anwendung des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen hatte. Da aufgrund der eindeutigen Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Vernehmung in erster Instanz klar war, daß er gar keinen (der Behörde in Nigeria zur Kenntnis gekommenen) Versuch unternommen hat, in seiner Heimat staatlichen Schutz zu suchen, kann der belangten Behörde keine Unterlassung der Wahrnehmung eines offenbaren Verfahrensmangels im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vorgeworfen werden. Dazu kommt, daß auch in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde keineswegs dezidiert behauptet wird, der Beschwerdeführer habe tatsächlich ohne Erfolg den Schutz der Behörden seiner Heimat gesucht bzw. dies von vornherein unterlassen, weil die Behörden seines Heimatlandes ihn nicht hätten schützen können oder wollen. In der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde werden diesbezüglich nämlich nur Vermutungen angestellt und wird die Einholung von Erkundungsbeweisen gefordert. Selbst dann also, wenn man einen erstinstanzlichen Verfahrensmangel annehmen wollte, den die belangte Behörde nicht aufgegriffen hätte, wäre daraus mangels zur Darstellung gebrachter Relevanz für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über einen Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190803.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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