TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/10 94/19/0871

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Veröffentlicht am 10.03.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnB litb;
FlKonv Art32;
FlKonv Art33;
Rechtsstellung der Flüchtlinge Protokoll 1974;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des T in R, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Jänner 1994, Zl. 4.343.809/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist vom folgenden Sachverhalt auszugehen:

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Jänner 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen Ghanas, gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Jänner 1994 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 3. Jänner 1994 vor dem Bundesasylamt angegeben, er habe im Jahre 1989 während seines Studiums gegen die Regierung Ghanas demonstriert; er sei daraufhin für ca. drei Monate ab Jänner 1989 inhaftiert gewesen. Danach sei er nach Deutschland ausgereist und hätte dort Asyl beantragt, sei aber am 22. Jänner 1993 wieder nach Ghana abgeschoben worden. In Ghana sei er verhaftet und in der Folge sieben Monate inhaftiert worden. Der Vater des Beschwerdeführers habe Aufseher bestochen, sodaß der Beschwerdeführer frei gekommen sei und nach England hätte reisen können. Dort habe er um Asyl angesucht; das entsprechende Verfahren sei aber noch nicht abgeschlossen. Der Beschwerdeführer habe in Liverpool bzw. London gelebt und über Vermittlung von Freunden einen Paß Ghanas erhalten, von dem er nicht gewußt habe, daß dieser ge- bzw. verfälscht worden sei. Am 9. Dezember 1993 habe er Freunde in Wien besucht und sei bei dem Versuch, nach Passau auszureisen, wegen dieses ge- bzw. verfälschten Passes an der deutschen Grenze zurückgewiesen worden. Sowohl 1989 wie heute liege die Macht in Ghana bei Rawlings; dieser gehöre einem anderen Stamm an. Der Beschwerdeführer trete dafür ein, daß Adu Boahen an die Macht komme; er gehöre zu den Ashanti. In diesem Falle würde der Beschwerdeführer sofort zurückkehren. Im Falle seiner (derzeitigen) Rückkehr würde der Beschwerdeführer festgenommen werden und hätte mit dem Tode zu rechnen. Der Beschwerdeführer sei wegen kriminalrechtlicher Delikte in seiner Heimat nicht vorbestraft und werde auch nicht gesucht.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer im wesentlichen vorgebracht, daß er ein Anführer bei der Studentendemonstration im Jahr 1989 gewesen und bereits 1989 auf illegale Weise aus dem Gefängnis gelangt sei.

Die Abweisung der Berufung wurde von der belangten Behörde damit begründet, das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Aufgrund der niederschriftlichen Einvernahme sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich in einem Drittland keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und nicht habe befürchten müssen, ohne Prüfung der Fluchtgründe in sein Heimatland bzw. in einen Verfolgerstaat abgeschoben zu werden. Ein bewußtes Zusammenwirken zwischen der Person des Asylwerbers und den Behörden des Drittstaates sei zur Erfüllung dieses Tatbestandes nicht notwendig; es müßten nur die rechtlichen Voraussetzungen für den geforderten Schutz und tatsächlich die Möglichkeit bestanden haben, ihn durch oder bei Kontaktaufnahme mit der Behörde zu aktualisieren, was der Beschwerdeführer in Deutschland und England auch getan habe. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer - falls er tatsächlich im Jahre 1989 infolge einer Studentendemonstration festgenommen worden sei - nicht behauptet, daß dies widerrechtlich geschehen wäre; er habe auch erst in der Berufung dargetan, nach den von ihm erwähnten drei Monaten Haft auf widerrechtliche Weise aus dem Gefängnis gelangt zu sein. Auch für den Fall, daß Strafvorwürfe zu Unrecht erhoben würden, begründe dies allein noch nicht die Annahme eines politischen Aspektes des Verfahrens; es sei vielmehr dem Betroffenen auch in diesem Falle zuzumuten, sich dem Gericht zu stellen und die erhobenen Vorwürfe zu entkräften. Es sei weiters für die belangte Behörde "absolut unglaubwürdig", daß es dem Beschwerdeführer zweimal gelungen sein sollte, ein Gefängnis in Ghana illegal zu verlassen, insbesondere dann, wenn tatsächlich ernsthafte Anschuldigungen oder ernsthafte Verfolgungsabsichten - aus welchen Gründen auch immer - vorgelegen hätten. Überdies seien die politischen Ansichten des Beschwerdeführers darauf beschränkt, daß er eine andere Person als Staatspräsidenten bevorzugen würde. Im Hinblick auf die heutigen Zustände in Ghana sei es unglaubwürdig, daß der Beschwerdeführer im Falle seiner Heimkehr "sicherlich zu Tode käme, zumal dies bereits nach der Abschiebung aus Deutschland den Behörden möglich gewesen wäre".

Dem hält der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, daß er in keinem anderen Land außerhalb Österreichs vor Verfolgung sicher gewesen sei, insbesondere nicht in Deutschland und England. Aus Deutschland sei er trotz Asylantragstellung abgeschoben worden; alleine dieser Umstand zeige, daß in Deutschland keine Verfolgungssicherheit bestanden habe. Auch in England habe er nicht verbleiben können und habe dort auch kein ausreichender Rückschiebungsschutz bestanden.

Die Festnahme im Jahre 1989 sei wegen seiner Teilnahme an einer Studentendemonstration erfolgt und damit offensichtlich politisch motiviert gewesen. Überdies sei diese Festnahme jedenfalls widerrechtlich gewesen, da er bei der Demonstration keinerlei kriminelle Handlungen begangen habe, sondern nur von seinem Recht auf Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht habe. Der Beschwerdeführer habe auch glaubhaft dargelegt, daß er nur durch Bestechung aus dem Gefängnis gelangen habe können. Ein rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechendes Strafrechtswesen existiere in Ghana nicht; gerade bei politisch motivierten Delikten finde ein faires rechtsstaatliches Strafverfahren nicht statt, sodaß es dem Beschwerdeführer keinesfalls zumutbar gewesen sei, sich diesem Strafverfahren zu stellen. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, daß es absolut unglaubwürdig sei, zweimal ein Gefängnis in Ghana illegal zu verlassen, da dies dem Beschwerdeführer tatsächlich gelungen sei.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften führt der Beschwerdeführer weiters aus, daß nähere Ausführungen der belangten Behörde über dauernde Umstände seines Aufenthalts in England und in Deutschland fehlten, sodaß aufgrund der Beweisergebnisse nicht beurteilt werden könne, ob er in diesen Ländern tatsächlich vor Verfolgung sicher gewesen sei; wären hiezu entsprechende Sachverhaltsfeststellungen getroffen worden, hätte sich ergeben, daß er in keinem der genannten Länder vor Rückschiebung in sein Heimatland sicher gewesen sei. Weiters fehlten Sachverhaltsfeststellungen zur rechtstaatlichen Qualität des Strafverfahrens in Ghana bei politisch relevanten Strafvorwürfen. Auch habe die belangte Behörde den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt, da sie auf die Änderung der politischen Verhältnisse in Ghana Bezug genommen habe und hiezu offensichtlich Sachverhaltsfeststellungen getroffen worden seien, zu denen er, der Beschwerdeführer, im Berufungsverfahren nicht gehört worden sei.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 (vgl. das Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0743) ist Verfolgungssicherheit anzunehmen, wenn der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte. Dabei kommt es nicht darauf an, wie lange sich der Beschwerdeführer in diesem Drittstaat aufgehalten hat, welche Absichten er dabei verfolgt hat und ob sein Aufenthalt den dortigen Behörde bekannt und von diesen geduldet war. Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland ist Mitglied sowohl der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. Nr. 55/1955) wie auch des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. Nr. 78/1974), wobei das Vereinigte Königreich zur Genfer Flüchtlingskonvention die Erklärung im Sinne des Art. 1 Abs. B lit. b abgegeben hat (BGBl. Nr. 55/1955).

Der Beschwerdeführer, der sich nach seinen eigenen Angaben unmittelbar vor der Einreise nach Österreich im Gebiet des Vereinigten Königreiches aufgehalten hat, hat dort um Asyl angesucht. In diesem Fall kann in der Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei dort sicher gewesen, kein Rechtsirrtum erblickt werden, zumal der Beschwerdeführer nicht ausführt, warum das Vereinigte Königreich im Falle eines positiven Abschlusses seines dort anhängigen Asylverfahrens seinen Verpflichtungen gemäß Art. 32 oder Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht ensprechen sollte. Im Falle eines negativen Abschlusses des Asylverfahrens wäre dem Beschwerdeführer gemäß § 2 Abs. 3 AsylG 1991 in Österreich kein Asyl zu gewähren.

Da schon aus diesem Grunde dem Beschwerdeführer gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 in Österreich kein Asyl gewährt werden kann, war auf das übrige Beschwerdevorbringen nicht weiter einzugehen, zumal der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht angibt, welche Umstände die belangte Behörde hätte ermitteln sollen, um zum Schluß zu kommen, daß der Beschwerdeführer im Vereinigten Königreich nicht vor Verfolgung sicher gewesen sei.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190871.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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