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L9 Sozial- und GesundheitsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung zweier Individualanträge auf Aufhebung verschiedener Bestimmungen im Tir RettungsG mangels Legitimation; Antragsteller nicht Normadressaten der bekämpften NormenSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Den Antragsausführungen zufolge verfügt der Antragsteller zu G196/91 (künftig als "Erstantragsteller" bezeichnet) am Standort Tux über mehrere Konzessionen zur Ausübung des Mietwagengewerbes, wobei einige auf die Durchführung von Krankentransporten mit einem entsprechend ausgestatteten Krankentransportwagen eingeschränkt sind. Er hat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tiroler Rettungsgesetzes, LGBl. 40/1987, (1. Oktober 1987) regelmäßig Leistungen iS des §2 Abs1 leg.cit. (Text s.u. I.4.) für die Gemeinde erbracht.
Der Antragsteller zu G195/91 (künftig als "Zweitantragsteller" bezeichnet) - der Sohn des Erstantragstellers - ist gewerberechtlicher Geschäftsführer im oben erwähnten Betrieb. Auch er besitzt eine Mietwagenkonzession, hat jedoch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tiroler RettungsG keine Krankentransporte durchgeführt.
2. Die beiden Genannten beantragen gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG, §2 Abs2 letzter Satz, §3, §8 Abs2 zweiter Satz und §19 des Tiroler RettungsG (kostenpflichtig) als verfassungswidrig aufzuheben.
Die Anträge enthalten nähere Ausführungen zur Legitimation (s.u. I.5.) und begründen eingehend die Behauptung, die angefochtenen landesgesetzlichen Bestimmungen seien verfassungswidrig.
3. Die Tiroler Landesregierung erstattete Äußerungen, in denen sie primär begehrt, die Anträge zurückzuweisen; in eventu tritt sie für die Abweisung der Anträge ein.
4. Das Tiroler RettungsG lautet auszugsweise (die angefochtenen Gesetzesstellen sind hervorgehoben):
"§2
Örtlicher Rettungsdienst
(1) Aufgabe des örtlichen Rettungsdienstes ist es,
a) Personen, die wegen einer Verletzung oder einer Gesundheitsstörung Erster Hilfe bedürfen, diese zu leisten und sie unter fachgerechter Betreuung mit geeigneten Krankentransportfahrzeugen ärztlicher Versorgung zuzuführen und
b) Personen, denen wegen ihres Gesundheitszustandes oder ihres körperlichen Zustandes die Benützung eines allgemeinen Verkehrsmittels nicht möglich oder aus medizinischen Gründen nicht zumutbar ist, unter fachgerechter Betreuung mit geeigneten Krankentransportfahrzeugen von ihrer Unterkunft in eine Krankenanstalt oder in eine Arztordination oder umgekehrt oder von einer Krankenanstalt in eine andere zu befördern.
(2) Die Gemeinde hat als Trägerin von Privatrechten dafür zu sorgen, daß die Erfüllung der Aufgaben des örtlichen Rettungsdienstes in ihrem Gebiet gewährleistet ist. Sie kann diese Aufgaben selbst besorgen oder deren Besorgung nach Maßgabe des §3 einer Rettungsorganisation übertragen.
§3
Besorgung des örtlichen Rettungsdienstes
durch Rettungsorganisationen
(1) Die Gemeinde kann die Besorgung der Aufgaben des örtlichen Rettungsdienstes durch schriftlichen Vertrag einer Rettungsorganisation übertragen, die
a) ihren Sitz in Tirol hat und deren satzungsmäßiger Zweck die Erbringung von Leistungen im Sinne des §2 Abs1 umfaßt,
b) gemeinnützig ist und ihre Aufgaben überwiegend mit ehrenamtlich tätigen Personen besorgt,
c) über eine ausreichende Anzahl von Personen, die für die Leistung Erster Hilfe ausgebildet sind, sowie über eine ausreichende Anzahl von geeigneten Krankentransportfahrzeugen und über das für deren Einsatz erforderliche Fahr- und Begleitpersonal verfügt und
d) über eine Einsatzstelle verfügt, die über eine Fernsprechanlage und überörtlich über Funk ständig erreichbar ist.
(2) In einem Vertrag nach Abs1 sind auch die Entgelte festzulegen, die die Rettungsorganisation für ihre Leistungen im Sinne des §2 Abs1 verlangen darf. Dies gilt nur für jene Entgelte, die vom Leistungsempfänger, von seinem Nachlaß oder von demjenigen, der für den Leistungsempfänger unterhaltspflichtig ist, geleistet werden müssen.
(3) Der Beschluß des Gemeinderates über den Abschluß eines Vertrages nach Abs1 ist durch öffentlichen Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde während eines Zeitraumes von zwei Wochen und in sonst ortsüblicher Weise kundzumachen.
(4) Die Bezirksstellen des Österreichischen Roten Kreuzes erfüllen jedenfalls die Voraussetzungen nach Abs1.
...
§7
Überörtlicher Rettungsdienst
Der überörtliche Rettungsdienst umfaßt:
a) den allgemeinen überörtlichen Rettungsdienst und
b) die Landesrettungsleitstelle.
§8
Allgemeiner überörtlicher Rettungsdienst
(1) Aufgabe des allgemeinen überörtlichen Rettungsdienstes ist es, die Leistungen im Sinne des §2 Abs1 in jenen Fällen sicherzustellen, in denen solche Leistungen in einem Ausmaß erforderlich sind, das die Leistungsfähigkeit des Trägers des örtlichen Rettungsdienstes übersteigt.
(2) Das Land hat als Träger von Privatrechten dafür zu sorgen, daß die Erfüllung der Aufgaben des allgemeinen überörtlichen Rettungsdiensts im gesamten Landesgebiet gewährleistet ist. Das Land kann die Besorgung der Aufgaben des allgemeinen überörtlichen Rettungsdienstes durch schriftlichen Vertrag Rettungsorganisationen übertragen, die
a) ihren Sitz in Tirol haben und deren satzungsmäßiger Zweck die Erbringung von Leistungen im Sinne des §2 Abs1 umfaßt,
b) gemeinnützig sind und ihre Aufgaben überwiegend mit ehrenamtlich tätigen Personen besorgen und
c) über eine ausreichende Anzahl von Personen, die für die Leistung Erster Hilfe ausgebildet sind, sowie über eine ausreichende Anzahl von geeigneten Krankentransportfahrzeugen und über das für deren Einsatz erforderliche Fahr- und Begleitpersonal, ferner über eine ausreichende Anzahl von Rettungsgeräten und Versorgungseinrichtungen verfügen.
(3) ...
...
§19
Übergangsbestimmung
Abweichend von §2 Abs2 zweiter Satz kann die Gemeinde die Besorgung der Aufgaben des örtlichen Rettungsdienstes durch schriftlichen Vertrag dem Inhaber einer Konzession für das Mietwagen-Gewerbe übertragen, wenn dieser
a) die Voraussetzungen nach §3 Abs1 litc und d erfüllt und
b) die Leistungen im Sinne des §2 Abs1 bereits beim Inkrafttreten dieses Gesetzes in einer Gemeinde regelmäßig erbracht hat.
In einem solchen Fall gelten §3 Abs2 und 3, §5, §6 Abs1 und §10 sinngemäß.
§20
Inkrafttreten
(1) Dieses Gesetz tritt mit 1. Oktober 1987 in Kraft. ..."
5. Die Antragsteller begründen ihre Legitimation wie folgt:
Nach den Übergangsbestimmungen des §19 Tiroler RettungsG dürfe der Erstantragsteller zwar Verträge mit der Gemeinde iS des §2 Abs2 und §3 leg. cit. abschließen; es sei ihm aber verwehrt, das Krankentransportunternehmen auf Dritte, insbesondere seinen Sohn zu übertragen. Mit dem Land als Träger des überörtlichen Rettungsdienstes könne er (der Erstantragsteller) keine Verträge gemäß §8 leg. cit. abschließen.
Für den Zweitantragsteller sei es aufgrund der angefochtenen Bestimmungen ausgeschlossen, im Rahmen seines Gewerbebetriebes Leistungen auf dem Gebiet des örtlichen oder überörtlichen Rettungsdienstes zu erbringen.
Sowohl der Gemeinde als auch dem Land und damit auch den Antragstellern werde durch die angefochtenen Bestimmungen verwehrt, Verträge abzuschließen, mit denen den Antragstellern Aufgaben des örtlichen und überörtlichen Rettungsdienstes übertragen werden können. Da es sich hiebei um privatrechtliche Vorgänge handle, die durch die gesetzliche Regelung gehindert werden, sohin in keiner Form irgendeine bescheidmäßige Erledigung vorgesehen sei, werde in die Rechte der Antragsteller direkt eingegriffen.
Die Rechtslage führe dazu, daß gewerbliche Unternehmen im Rahmen des Krankentransportes so weitgehend eingeschränkt würden, daß sich diese Rechtslage als absolut prohibitiv auswirke und diejenigen Unternehmer, welche auf Grund der Übergangsbestimmungen noch berechtigt sind, mit den Gemeinden entsprechende Verträge abzuschließen und damit das Gewerbe des Krankentransportes weiterzuführen, nicht mehr in der Lage seien, ihr Unternehmen auf eine sinnvolle Art und Weise zu veräußern.
II. Die Anträge sind unzulässig:
1.a) Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988).
b) Der Inhalt des Tiroler RettungsG erschöpft sich im gegebenen Zusammenhang darin, die Tiroler Gemeinden und das Land Tirol als Träger von Privatrechten zu verpflichten, dafür zu sorgen, daß die Erfüllung der Aufgaben des örtlichen oder des überörtlichen Rettungsdienstes gewährleistet ist; sie können diese Aufgaben entweder selbst besorgen oder durch Vertrag jemand anderem, der bestimmten Anforderungen entspricht, übertragen. Normadressaten des Gesetzes sind also in diesem Zusammenhang lediglich die erwähnten Gebietskörperschaften, nicht aber andere Personen, etwa jene, die faktisches Interesse daran haben mögen, daß die Gebietskörperschaft mit ihnen einen Vertrag abschließt. Diesen anderen Personen wird durch das Gesetz nichts geboten oder verboten. Obgleich sich für sie wirtschaftliche Reflexwirkungen ergeben können, greift doch das Gesetz in ihre Rechtssphäre nicht ein.
c) Die Anträge waren daher mangels Legitimation zurückzuweisen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, RettungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:G195.1991Dokumentnummer
JFT_10088993_91G00195_00