TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/17 90/14/0046

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Veröffentlicht am 17.03.1994
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §114;
FinStrG §29 Abs3;
FinStrG §29 idF 1975/335;
FinStrG §29;
FinStrG §80;
FinStrG §81;
FinStrG §82 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde der D in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 28. Dezember 1989, Zl. 819/1-2/Z-1989, betreffend Einleitung des Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 22. August 1989 leitete die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Finanzstrafverfahren gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 83 Abs. 1 Finanzstrafgesetz ein, weil der Verdacht bestehe, daß sie als Angestellte eines Vereines vorsätzlich dazu beigetragen habe, daß

1.) die abgabenrechtliche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht dadurch verletzt worden sei, indem Einnahmen aus Gewerbebetrieb nicht vollständig erklärt und Betriebsausgaben unrichtig geltend gemacht worden seien und dadurch in den Jahren 1983 bis März 1986 eine Verkürzung an Umsatzsteuer, Abgabe von alkoholischen Getränken, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer in noch zu bestimmender Höhe bewirkt worden sei;

2.) unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von - dem § 76 des EStG 1972 entsprechenden - Lohnkonten eine Verkürzung an Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag in noch zu bestimmender Höhe in den Jahren 1979 bis März 1986 bewirkt worden sei und sie dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten habe.

Die Beschwerdeführerin habe hiemit die Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1, § 33 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit § 11 dritte Alternative, Finanzstrafgesetz begangen. Zur Begründung führte die Strafbehörde an, daß sich bei Einvernahmen durch die Kriminalpolizei, den Journalrichter des Landesgerichtes und die Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos vom 14. Mai 1989 und ff herausgestellt habe, daß Betriebseinnahmen des Vereines nicht vollständig erklärt und Betriebsausgaben in unrichtiger Höhe geltend gemacht, sowie Löhne teilweise "schwarz" ausbezahlt worden seien.

Am 21. Juni 1989 hatte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin beim Finanzamt für diese Selbstanzeige gemäß § 29 Finanzstrafgesetz erstattet. In der darüber aufgenommenen Niederschrift ist davon die Rede, daß die Beschwerdeführerin vom 1. Dezember 1977 bis 30. Juni 1986 Dienstnehmerin des Vereines gewesen sei. Ab Jänner 1984 sei sie mit der Führung der Kassa dieses Vereines betraut gewesen. Im Zusammenhang mit Veruntreuungshandlungen des Vereinsobmannes habe sie mindestens 24, möglicherweise aber auch 27 Monate lang 5.000 Schilling monatlich ausbezahlt erhalten, die weder vom Dienstgeber noch von der Beschwerdeführerin versteuert worden seien. Darüber hinaus habe sie vom Vereinsobmann einmal im Jahr 1984 S 16.000,-- und einmal S 60.000,-- erhalten; anläßlich des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis habe ihr der Vereinsobmann als Schweigegeld S 200.000,-- bezahlt. Der ihr damit zugekommene Gesamtbetrag von S 396.000,-- sei nicht versteuert worden, einen Betrag von S 296.000,-- habe sie am 17. Mai 1989 an den Verein zurückgezahlt.

Das Finanzamt ersuchte laut Niederschrift um Vorlage einer detaillierten Aufstellung der bezogenen Gelder.

In einem als "Selbstanzeige" bezeichneten Schriftsatz vom 22. Juni 1989 stellte daraufhin die Beschwerdeführerin nochmals den Sachverhalt bezüglich der ihr unversteuert zugeflossenen Beträge in den Jahren 1984 bis 1986 in Höhe von insgesamt S 396.000,-- dar. Ergänzend schilderte die Beschwerdeführerin, daß sie mit Wirkung vom 1. Jänner 1984 die Leiterin des Büros der Küchen- und Restaurantbetriebe des Vereines geworden sei. Nach der Übernahme dieser neuen Funktion habe sie bemerkt, daß der Erlös aus dem Verkauf von Zigaretten nicht in der Buchhaltung des Vereines enthalten gewesen sei. Ergebnis eines Gespräches mit dem Vereinsobmann sei gewesen, daß diese Praxis beibehalten werde und die Beschwerdeführerin aus dem Erlös für den Zigarettenverkauf einen monatlichen Pauschalbetrag von S 5.000,-- als "Entgeltung für Mehrleistung" unversteuert erhalten solle (insgesamt seien dies 1984 und 1985 S 120.000,-- gewesen). Die Einmalzahlungen von S 16.000,-- im Jahr 1983 bzw. S 60.000,-- im Jahr 1985 hätten offensichtlich ebenfalls aus diesen unversteuerten Zigarettenverkäufen gestammt. Auch sei ihr bekannt, daß die Erlöse aus den Zigarettenverkäufen zumindest teilweise für Einkäufe für den Verein verwendet worden seien. Schließlich hielt die Beschwerdeführerin fest, daß sie hiemit der Behörde alle für die Feststellung der Verkürzung bedeutsamen Umstände offengelegt habe und die notwendigen Abgabenerklärungen erstatten werde.

Mit Schreiben des Landesgendarmeriekommandos (Kriminalabteilung) vom 2. August 1989 brachte dieses dem Finanzamt einen Sachverhalt im Sinne des Finanzstrafgesetzes zur Kenntnis. Im Zuge von Ermittlungen gegen Bedienstete des Vereines sei seitens dieser Bediensteten angegeben worden, daß in den genannten Betrieben laufend Abgaben verkürzt worden seien. Die mit den Auskunftspersonen und Verdächtigen aufgenommenen Niederschriften könnten bei der Dienststelle eingesehen werden, bei der auch Kassabelege mit Hinweisen auf Erlösverkürzungen verwahrt seien.

Im Verwaltungsakt befinden sich sodann insgesamt drei Niederschriften über Aussagen der Beschwerdeführerin, die diese vor dem Untersuchungsrichter bzw. verschiedenen Erhebungsbeamten des Landesgendarmeriekommandos am 14. und 17. Mai sowie am 13. Juni 1989 gemacht hatte. In diesen schilderte die Beschwerdeführerin - nach anfänglichem Leugnen - mehr oder minder (auch betragsmäßig) detailliert die nicht zuletzt auf ihren Manipulationen beruhenden Umstände im Zusammenhang mit nicht erklärten Umsätzen des Vereines (hauptsächlich aus Zigarettenerlösen) und nicht deklarierten (Lohn)zahlungen an sie, aber auch an andere (namentlich bezeichnete) Bedienstete. Unter anderem war dabei auch von jenen Beträgen die Rede, die die Beschwerdeführerin später im Rahmen der Selbstanzeige als ihr selbst zugeflossene Zahlungen dem Finanzamt bekannt gab.

Gegen den Einleitungsbescheid vom 22. August 1989 erhob die Beschwerdeführerin eine Administrativbeschwerde. Wegen der rechtzeitigen und umfassenden Selbstanzeige, die durch den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin eingebracht worden sei, erscheine die bescheidmäßige Einleitung des Strafverfahrens unbegründet. In der Selbstanzeige vom 22. Juni 1989 sei auch festgehalten, daß offensichtlich Erlöse aus dem Verkauf von Zigaretten nicht verbucht und somit in den späteren von der Beschwerdeführerin persönlich nicht abzugebenden Steuererklärungen nicht enthalten gewesen seien. Aus den weiteren Ausführungen der Selbstanzeige gehe auch hervor, daß pauschale Mehrleistungsabgeltungen für Dienstnehmer nicht der Lohnabgabenverrechnung unterzogen worden seien. Mit der ausführlichen Darlegung des Sachverhaltes in der Selbstanzeige seien auch "gegebenenfalls" die in der bescheidmäßigen Einleitung des Finanzstrafverfahrens zur Last gelegten Tatbestände als mögliche Beitragstäterin umfaßt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Die Selbstanzeige könne nicht strafbefreiend wirken, da im Sinne des § 29 Abs. 3 lit. b Finanzstrafgesetz die Tat zum Zeitpunkt der Selbstanzeige bereits entdeckt und dies der Anzeigerin bekannt gewesen sei. Gemäß § 81 Finanzstrafgesetz seien alle Dienststellen der Gebietskörperschaften mit behördlichem Aufgabenbereich verpflichtet, die entweder von ihnen selbst wahrgenommenen oder sonst zu ihrer Kenntnis gelangten Finanzvergehen der nächsten Finanzstrafbehörde erster Instanz mitzuteilen. Die entdeckende Behörde (Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos) habe durch zahlreiche Einvernahmen genaue Kenntnis der Tathandlung gehabt, und dies sei der Beschwerdeführerin auch bekannt gewesen.

In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin werde in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Straffreiheit im Falle einer Selbstanzeige gemäß § 29 Finanzstrafgesetz verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wer sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, wird nach § 29 Abs. 1 Finanzstrafgesetz insoweit straffrei, als er seine Verfehlung der zur Handhabung der verletzten Abgaben- oder Monopolvorschriften zuständigen Behörde oder einer sachlich zuständigen Finanzstrafbehörde darlegt (Selbstanzeige). War mit der Verfehlung eine Abgabenverkürzung oder ein sonstiger Einnahmenausfall verbunden, so tritt nach Abs. 2 dieser Bestimmung die Straffreiheit nur insoweit ein, als der Behörde ohne Verzug die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls bedeutsamen Umstände offengelegt und die sich daraus ergebenden Beträge, die der Anzeiger schuldet oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann, den Abgaben- oder Monopolvorschriften entsprechend entrichtet werden. Nach § 29 Abs. 3 tritt Straffreiheit u.a. dann nicht ein, wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3) gegen den Anzeiger, gegen andere an der Tat Beteiligte oder gegen Hehler gesetzt waren (lit. a des Abs. 3 leg. cit.) oder wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat bereits ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt bzw. die Entdeckung einer Tat, durch die Zollvorschriften verletzt wurden, unmittelbar bevorstand und dies dem Anzeiger bekannt war (lit. b des Abs. 3 leg. cit.).

Für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens genügt es, wenn Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß der Verdächtige als Täter eines Finanzvergehens in Betracht kommt. Die Feststellung, ob der Verdächtige das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, ist dem weiteren Verfahren nach den §§ 114 ff Finanzstrafgesetz vorbehalten. Das Vorliegen genügender Verdachtsgründe im dargelegten Sinn ist im Beschwerdeverfahren nicht strittig; die Beschwerdeführerin vertritt jedoch die Auffassung, es dürfe gegen sie im Hinblick auf ihre Selbstanzeige kein Strafverfahren eingeleitet werden. Dazu ist festzuhalten, daß im Rahmen jenes Prüfungsmaßstabes, der im Verfahren über die Einleitung des Finanzstrafverfahrens maßgeblich ist, eine Selbstanzeige der Einleitung nur dann entgegensteht, wenn ihre strafbefreiende Wirkung zweifelsfrei feststeht (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 29. September 1993, 89/13/0159, und vom 17. Dezember 1993, 93/15/0098). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein:

Die Annahme der belangten Behörde, Straffreiheit wegen Tatentdeckung sei nach § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG ausgeschlossen, ist stichhältig. Der Verwaltungsgerichtshof teilt in diesem Zusammenhang die von Tanzer (Die "Entdeckung der Tat" als Ausschlußgrund für die strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 29 Abs. 3 FinStrG, in: ÖStZ 1993, S. 302 ff) vertretene Auffassung, wonach als "Entdecker" i.S.d.

§ 29 Abs. 3 lit. b FinStrG nicht nur die Finanzstrafbehörden, sondern auch die in den §§ 80 und 81 FinStrG "in Pflicht" genommenen Behörden in Betracht kommen (siehe Tanzer, a.a.O., S. 304 mit weiteren Literaturhinweisen z.B. auf Sommergruber-Reger, Das Finanzstrafgesetz-mit Kommentar, Eisenstadt 1990, S. 196). Nach § 81 sind dies alle Dienststellen der Gebietskörperschaften mit behördlichem Aufgabenbereich, die nach dieser Bestimmung verpflichtet sind, die entweder von ihnen wahrgenommenen oder sonst zu ihrer Kenntnis gelangten Finanzvergehen der nächsten Finanzstrafbehörde erster Instanz mitzuteilen. Die Angaben der Beschwerdeführerin vor dem Untersuchungsrichter bzw. den Erhebungsorgangen des Landesgendarmeriekommandos ließen somit "rechtszwangmäßig" eine Befassung der zuständigen Finanzstrafbehörde erwarten, sodaß Tatentdeckung i.S.d. § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG gegeben war. Der in der Beschwerde vertretenen Auffassung, wonach nur die im § 89 Abs. 2 FinStrG angeführten Behörden (und auch diese nur bei "Gefahr in Verzug") als "Entdecker" in Betracht kämen, kann nicht gefolgt werden. Die Beschwerdeausführungen, die sich mit dem Verlust der Straffreiheit unter dem Aspekt des § 29 Abs. 3 lit. a leg. cit. (Verfolgungshandlungen) beschäftigen, gehen ins Leere, weil die belangte Behörde diesen Tatbestand nicht zur Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogen hat.

Im übrigen ist auch eine für das Wirksamwerden einer Selbstanzeige erforderliche Offenlegung im Sinne des § 29 Abs. 2 erster Satz FinStrG nicht erfolgt.

Die Einleitung des Strafverfahrens erfolgte wegen Verdachtes der Beteiligungstäterschaft an Abgabenverkürzungen des Vereines hinsichtlich Umsatzsteuer, Abgabe von alkoholischen Getränken, Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie wegen Verkürzung von Lohnabgaben (unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von ordnungsgemäßen Lohnkonten), jeweils in noch zur bestimmender Höhe (bezüglich der Umsatz- und Ertragsteuern für die Jahre 1983 bis März 1986, bezüglich der Lohnabgaben für die Jahre 1979 bis März 1986).

Außer Angaben über selbst erhaltene Beträge sind in den Selbstanzeigen keine substantiierten Offenlegungen der insgesamt den Gegenstand des Einleitungsbescheides bildenden Vorwürfe erfolgt, die der Abgabenbehörde ohne Verzug die richtige Entscheidung in der Sache selbst ermöglicht hätten. Nicht einmal jener Sachverhalt wurde der Finanzstrafbehörde zur Kenntnis gebracht, der gegenüber den Organen des Gerichts bzw. der Gendarmerie bekannt gegeben worden war. Damit fand aber keine für eine Selbstanzeige notwendige Offenlegung der Verfehlungen statt (zu deren Erfordernissen siehe z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1985, 84/14/0072), sodaß auch aus diesem Grund die in der Beschwerde behauptete Rechtsverletzung nicht gegeben ist.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte nach § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1990140046.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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