TE Vfgh Beschluss 1991/10/9 G254/91

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Veröffentlicht am 09.10.1991
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Index

L5 Kulturrecht
L5050 Schulbau, Schulerhaltung

Norm

B-VG Art14 Abs6
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
SchulorganisationsG §4
Pflichtschulerhaltungs-GrundsatzG §13 Abs6
Stmk PflichtschulerhaltungsG 1970 §23
Stmk PflichtschulerhaltungsG 1970 §35

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Stmk Pflichtschulerhaltungsgesetzes bezüglich der Verweigerung der Aufnahme eines nicht dem Schulsprengel angehörigen Schulpflichtigen in eine Volksschule; Zumutbarkeit der Anfechtung des die Aufnahme des Sohnes als Gastschüler abweisenden Bescheides; kein Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Erziehungsberechtigten durch die ausschließlich das Verhältnis zwischen gesetzlichem Schulerhalter und Wohnsitzgemeinde betreffende Regelung über die Bezahlung von Beiträgen für Gastschüler

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Einschreiter begehren mit einer als "Beschwerde gemäß Art140 B-VG" bezeichneten, als auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützter (Individual-)Antrag zu wertenden Eingabe an den Verfassungsgerichtshof mit näherer Begründung, in §23 Abs2 des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 1970, LGBl. 70 (im folgenden: StPSEG), den zweiten Satz und in §35 StPSEG "zumindest" die Worte "wenn sich diese vor Aufnahme der Gastschüler schriftlich zur Beitragsleistung verpflichtet hat" als verfassungswidrig aufzuheben.

2. §23 StPSEG, der sich im III. Abschnitt ("Schulsprengel") des Gesetzes findet, hat folgenden Wortlaut:

"§23

Verpflichtung zur Aufnahme

(1) Jeder Schulpflichtige ist in die für ihn nach der Schulart in Betracht kommende Schule, deren Schulsprengel er angehört, aufzunehmen.

(2) Die Aufnahme eines dem Schulsprengel nicht angehörigen Schulpflichtigen bedarf der Zustimmung des gesetzlichen Schulerhalters. Dieser kann die Aufnahme ohne Angabe von Gründen verweigern, soweit Abs3 nicht anders bestimmt.

(3) Der gesetzliche Schulerhalter darf die Aufnahme jedoch nicht verweigern, wenn es sich um Schulpflichtige handelt, die bisher dem Schulsprengel einer von ihm erhaltenen Pflichtschule angehört haben, nunmehr aber dem Schulsprengel einer anderen Pflichtschule angehören und an dieser Schule die für sie in Betracht kommenden Klassen noch nicht geführt werden."

§35 StPSEG, der sich im IV. Abschnitt ("Erhaltung von Pflichtschulen") des Gesetzes findet, hat folgenden Wortlaut:

"§35

Beiträge für Gastschüler

(1) Für Schüler, die nicht im Schulsprengel wohnen (Gastschüler), hat der gesetzliche Schulerhalter der Gemeinde des Wohnsitzes Beiträge vorzuschreiben, wenn sich diese vor Aufnahme der Gastschüler schriftlich zur Beitragsleistung verpflichtet hat.

(2) Die Beiträge für einen Gastschüler werden ermittelt, indem die Gesamtsumme des ordentlichen Schulsachaufwandes durch die Gesamtschülerzahl (einschließlich der Gastschüler) geteilt wird."

3. Die Antragsteller, die dem Antrag zufolge als Eltern eines Sohnes Erziehungsberechtigte eines schulpflichtigen Kindes sind, bringen zur Begründung ihrer Antragslegitimation iS des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG - zusammengefaßt - folgendes vor:

Sie hätten ihren Wohnsitz im Sprengel der Volksschule der Marktgemeinde Deutschfeistritz. Da in dieser Volksschule nur "im traditionellen Unterrichtsstil unterrichtet" werde, in der Volksschule der benachbarten Gemeinde Übelbach aber auch eine Klasse eingerichtet sei, in der auf Grund der vergleichsweise geringen Anzahl von Schülern "die Durchführung eines offenen Unterrichtes" (der dem Unterricht nach der "Montessori-Methode" sehr nahe komme) möglich und dadurch überdies eine - der weltanschaulichen Überzeugung der Antragsteller entsprechende - "gewaltfreie Erziehung" gewährleistet sei, hätten die Antragsteller am 21. März 1991 bei der Marktgemeinde Deutschfeistritz "um Übernahme des Schulgeldes für den Besuch der Volksschule Übelbach" angesucht. Dieses Ansuchen sei sowohl vom Gemeindevorstand als auch vom Gemeinderat der Marktgemeinde Deutschfeistritz abgelehnt worden, weshalb in der Folge die Marktgemeinde Übelbach als gesetzlicher Schulerhalter der Volksschule Übelbach die Aufnahme des Sohnes der Antragsteller als Gastschüler in die Volksschule Übelbach abgelehnt habe. Infolge der Verweigerung der Bezahlung des "Schulgeldes" durch die Marktgemeinde Deutschfeistritz und die dadurch bedingte Ablehnung der Aufnahme des Sohnes der Antragsteller als Gastschüler in die Volksschule Übelbach seien die bekämpften Bestimmungen des StPSEG für die Antragsteller wirksam geworden.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Frage der Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Anfechtungsberechtigt ist also von vornherein nur ein Rechtsträger, an oder gegen den sich das anzuwendende Gesetz wendet (s. zB VfSlg. 8040/1977; s. etwa auch VfSlg. 8009/1977, 8060/1977, 9469/1982, 11012/1986). Zudem ist es notwendig, daß unmittelbar durch das Gesetz selbst - tatsächlich - in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird. Dies ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn der Eingriff nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen der betroffenen Person nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrigkeit zur Verfügung steht (s. zB VfSlg. 9084/1981, 10251/1984, 10273/1984, 10481/1985). Dabei ist von jenen Wirkungen der Norm auszugehen, durch die sich der Antragsteller beschwert erachtet (s. etwa VfSlg. 8594/1979, 9185/1981, 10353/1985).

2. a) Nach Art14 Abs3 litb B-VG fällt die äußere Organisation (Aufbau, Organisationsformen, Errichtung, Erhaltung, Auflassung, Sprengel, Klassenschülerzahlen und Unterrichtszeit) der öffentlichen Pflichtschulen hinsichtlich der Gesetzgebung über die Grundsätze in die Zuständigkeit des Bundes, hinsichtlich der Erlassung von Ausführungsgesetzen und der Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder.

Für die (Ausführungs-)Gesetzgebung der Länder auf dem Gebiet der Errichtung, Erhaltung, Auflassung und der Sprengel der öffentlichen Pflichtschulen wurden durch das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, BGBl. 163/1955, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. 160/1987, Grundsätze aufgestellt. Sie wurden für das Land Steiermark durch das StPSEG ausgeführt.

Zu den öffentlichen Pflichtschulen iS dieser Gesetze gehören auch die vom gesetzlichen Schulerhalter errichteten und erhaltenen Volksschulen (§1 Abs1 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, §1 Abs2 StPSEG). Gesetzlicher Schulerhalter der öffentlichen Volksschulen ist die Gemeinde (§6 StPSEG). Als dem gesetzlichen Schulerhalter einer Volksschule obliegen der Gemeinde deren Errichtung (§6 StPSEG), Erhaltung (§25 StPSEG) und Auflassung (§41 Abs2 StPSEG). Unter Erhaltung ist in diesem Zusammenhang (insbesondere) die Bereitstellung und Instandhaltung der Schulgebäude und der übrigen Schulliegenschaften, deren Reinigung, Beleuchtung und Beheizung, die Anschaffung und Instandhaltung der Einrichtung und Lehrmittel, die Deckung des sonstigen Sachaufwandes sowie die Bestellung des zur Betreuung der Schulgebäude und der übrigen Schulliegenschaften allenfalls erforderlichen Hilfspersonals zu verstehen (§24 StPSEG). Als gesetzlicher Schulerhalter hat die Gemeinde für die Kosten der Errichtung, Erhaltung und Auflassung der Volksschulen aufzukommen (§27 StPSEG;

s. auch §8 Abs1 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz; zur sachlichen Unbedenklichkeit dieser Regelung s. VfSlg. 6206/1970, 362). Die durch Verordnung der Landesregierung (§20 Abs1 StPSEG) nach den in den §§15 und 16 StPSEG umschriebenen Kriterien festzusetzenden (s. dazu etwa VfGH 14.3.1991 B242/89) Sprengel der öffentlichen Volksschulen bilden deren Einzugsgebiet; durch sie wird der räumliche Umfang der Schulerhaltungspflicht des gesetzlichen Schulerhalters begrenzt (§14 Abs1 StPSEG). Sprengelangehörig sind jene Schulpflichtigen, die im Schulsprengel, wenn auch nur zum Zwecke des Schulbesuches, wohnen (§21 Abs1 StPSEG).

Nach §23 Abs1 StPSEG ist jeder Schulpflichtige in die für ihn nach der Schulart in Betracht kommende Schule, deren Sprengel er angehört, aufzunehmen. Mit dieser Vorschrift ist dem Grundsatz der allgemeinen Zugänglichkeit öffentlicher Schulen Rechnung getragen, der in Art14 Abs6 B-VG ohne Unterschied der Geburt, des Geschlechtes, der Rasse, des Standes, der Klasse, der Sprache und des Bekenntnisses, im übrigen im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen festgelegt ist (vgl. die im wesentlichen gleichlautende Vorschrift des §4 Abs1 erster Satz des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. 242/1962, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. 467/1990, die gemäß §4 Abs4 dieses Gesetzes für öffentliche Pflichtschulen, die keine Übungsschulen sind, als Grundsatzbestimmung gilt; s. dazu auch die diesem Prinzip entsprechende grundsatzgesetzliche Vorschrift des §13 Abs6 erster Satz Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz; s. in diesem Zusammenhang auch die Bestimmung des §5 Abs7 des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. 472/1986, aus der zu ersehen ist, daß ua. für die Aufnahme in die 1. Stufe der Volksschule das Pflichtschulerhaltungsgesetz des betreffenden Bundeslandes gilt; vgl. schließlich §6 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. 76, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. 161/1987, der die Aufnahme in die Volksschule zu Beginn der Schulpflicht regelt).

b) §23 Abs2 StPSEG regelt - in Ausführung der grundsatzgesetzlichen Vorschrift des §13 Abs6 zweiter Satz Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und im Einklang mit §4 Abs2 litb Schulorganisationsgesetz, wonach die Aufnahme eines Schülers in eine öffentliche Schule (nur) abgelehnt werden darf, wenn der Schüler dem für die Schule vorgesehenen Schulsprengel nicht angehört -, die Aufnahme von Gastschülern, das sind nach der Legaldefinition in §35 Abs1 StPSEG Schüler, die nicht im Schulsprengel wohnen. Danach bedarf die Aufnahme eines dem Sprengel nicht angehörigen Schulpflichtigen der Zustimmung des gesetzlichen Schulerhalters; dieser kann die Aufnahme ohne Angabe von Gründen verweigern, soweit §23 Abs3 StPSEG (auf den im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter einzugehen ist) "nicht anders bestimmt".

c) Im vorliegenden Fall bildet die Möglichkeit, den die Aufnahme ihres Sohnes in die Volksschule Übelbach abweisenden Bescheid im Instanzenzug und nach dessen Ausschöpfung mit Beschwerde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes anzufechten, für die Antragsteller einen zumutbaren Weg zur Geltendmachung der von ihnen behaupteten Verfassungswidrigkeit des zweiten Satzes in §23 Abs2 StPSEG. Es ist ihnen damit die Möglichkeit geboten, sämtliche gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung sprechenden Bedenken darzulegen und die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof von Amts wegen bzw. die Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 Abs1 B-VG durch den Verwaltungsgerichtshof anzuregen (vgl. dazu etwa VfSlg. 8652/1979, 10356/1985, 10856/1986, 11045/1986).

Es kann daher die Frage auf sich beruhen, ob die von den Antragstellern angefochtene Vorschrift des §23 Abs2 zweiter Satz StPSEG in deren Rechtssphäre eingreift.

d) §35 Abs1 StPSEG ermächtigt den gesetzlichen Schulerhalter, für Gastschüler der Gemeinde ihres Wohnsitzes Beiträge vorzuschreiben. Diese Ermächtigung ist an die Voraussetzung gebunden, daß sich die Gemeinde des Wohnsitzes vor Aufnahme der Gastschüler schriftlich zur Beitragsleistung verpflichtet hat. Angesichts des insoweit klaren Wortlautes des §35 Abs1 StPSEG bedarf es keiner näheren Begründung, daß diese Rechtsvorschrift nur das Verhältnis zwischen dem gesetzlichen Schulerhalter und der Wohnsitzgemeinde der Gastschüler betrifft. Es ist demnach offenkundig, daß diese Rechtsvorschrift ausschließlich diese beiden Rechtsträger, nicht aber auch die (Gast-)Schüler und deren Erziehungsberechtigte zu Adressaten hat. Damit aber ist es von vornherein ausgeschlossen, daß §35 Abs1 StPSEG die Rechtssphäre der Antragsteller tatsächlich, also nicht bloß behauptetermaßen berührt. Schon aus diesem Grund fehlt den Antragstellern hinsichtlich dieser Vorschrift die Antragslegitimation (vgl. etwa VfSlg. 8187/1977, 9761/1983, 10251/1984, 544, 11056/1986, 11369/1987; VfGH 11.6.1990 V167/90;

s. weiters zB VfSlg. 9275/1981).

3. Der Antrag ist demnach mangels Legitimation der Antragsteller gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Schulen, Pflichtschulen, Gastschüler, Beiträge (Gastschüler)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:G254.1991

Dokumentnummer

JFT_10088991_91G00254_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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