TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/23 93/09/0094

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Veröffentlicht am 23.03.1994
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

HDG 1985 §23;
HDG 1985 §64 Abs1;
HDG 1985 §64 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des P in N, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission für Unteroffiziere und Chargen beim Militärkommando Burgenland vom 26. Jänner 1993, Zl. 5/1-DKUOChB/92, betreffend Disziplinarsache (Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Beschluß der Disziplinarkommission für Unteroffiziere und Chargen beim Militärkommando Burgenland vom 26. Jänner 1993 wurde ausgesprochen, es werde a) gemäß § 68 Abs. 1 Heeresdisziplinargesetz 1985 (HDG) gegen den Beschwerdeführer ein Disziplinarverfahren eingeleitet und b) gemäß § 71 Abs. 1 leg. cit. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung angeordnet. Der Beschwerdeführer werde beschuldigt, er habe während seines Auslandseinsatzes auf Zypern in der Zeit vom 10. März bis 25. November 1992 seine dienstlichen Aufgaben als Wirtschafts- bzw. Kanzleiunteroffizier nicht wahrgenommen (im einzelnen sind hier fünf Vorkommnisse geschildert) und Soldaten beschimpft (zwei näher beschriebene Vorfälle vom 9. und 11. September 1992). Aufgrund dieses Verhaltens bestehe der Verdacht, daß der Beschwerdeführer verschiedene Bestimmungen des BDG 1979, der ADV und des WG verletzt und damit eine Pflichtverletzung im Sinne des § 2 Abs. 1 HDG begangen habe. In der Begründung wird u.a. darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer am 25. September 1992 schriftlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst beantragt habe. Durch den Disziplinarvorgesetzten sei am 22. Oktober 1992 die Disziplinaranzeige erstattet worden.

Die erwähnte Selbstanzeige hatte folgenden Wortlaut:

"P, Vzlt

geb. 18 05 57

WiUO

2. JgKp/UNAB/UNFFICYP DHERINIA, 25 09 92 Einleitung eines DiszVerfahrens;

Bitte

Kommandanten

2. JgKp/UNAB

Command Post

DHERINIA

Gemäß § 64, Abs. 2 des HDG, beantrage ich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen mich, da mir bekannt wurde, daß mir von einigen Untergebenen bzw. Ranghöheren der Vorwurf der

-

persönlichen Beleidigung und

-

die mangelnde bzw. Nichterfüllung meiner Dienstobliegenheiten zur Last gelegt wird.

(P, Vzlt)"

In einer schriftlichen Stellungnahme des Kompaniekommandanten vom 20. Oktober 1992 zur Selbstanzeige des Beschwerdeführers ist u.a. davon die Rede, daß gegen den Beschwerdeführer schwere Anschuldigungen betreffend seines Dienstes erhoben worden seien und der Kompaniekommandant dadurch verhalten gewesen sei, dementsprechende Erhebungen durchzuführen. Noch während dieser Recherchen sei vom Beschwerdeführer Selbstanzeige gemäß § 64 Abs. 2 HDG erstattet und diese vom Kompaniekommandanten am 25. September 1992 zur Kenntnis genommen worden. Gleichzeitig sei der Beschwerdeführer vom Kompaniekommandaten von der Einleitung des Disziplinarverfahrens mündlich in Kenntnis gesetzt worden.

Die Selbstanzeige wurde vom Kompaniekommandanten an den Bataillonskommandanten (Disziplinarvorgesetzten) und von diesem an die zuständige Disziplinarkommission weitergeleitet.

Mit einem an den Beschwerdeführer gerichteten - formlosen - Schreiben vom 7. Mai 1993 stellte der Kompaniekommandant "mit Bezug auf Ihre Selbstanzeige, die ich am 25.9.1992 zur Kenntnis genommen habe und die in weiterer Folge an die Disziplinarkommission für Unteroffiziere und Chargen beim MilKdo Burgenland übermittelt wurde" das gegen den Beschwerdeführer anhängige Kommandantenverfahren ein.

In der gegen den Verhandlungsbeschluß eingebrachten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er sei durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf, daß gegen ihn ein Disziplinarverfahren gemäß § 68 Abs. 1 HDG nicht eingeleitet werde, durch unrichtige Anwendung dieser Norm, sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 23 HDG ist das Disziplinarverfahren als Kommandantenverfahren (§§ 55 bis 63) oder als Kommissionsverfahren (§§ 64 bis 74) durchzuführen.

Nach dem Beschwerdevorbringen sei es für die Durchführung des Disziplinarverfahrens entscheidend, durch wen das Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei. Gemäß § 57 HDG habe der Einheitskommandant, wenn ihm der Verdacht von Pflichtverletzungen zur Kenntnis komme, den Sachverhalt zu prüfen. Lägen die Voraussetzungen für das Kommandantenverfahren vor, so sei dieses durch mündliche oder schriftliche Mitteilung an den Beschuldigten einzuleiten. Im gegenständlichen Fall seien dem Einheitskommandanten Anschuldigungen gegen den Beschwerdeführer bekannt geworden und dieser habe in Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften Erhebungen durchgeführt und am 25. September 1992 mündlich gegen ihn das Kommandantenverfahren eingeleitet. Seit diesem Tag sei daher gegen ihn ein Disziplinarverfahren in Form des Kommandantenverfahrens anhängig gewesen. Der Sachverhalt, aufgrund dessen das Kommandantenverfahren eingeleitet worden sei, sei derselbe, aufgrund dessen der angefochtene Bescheid erlassen worden sei. In ein und derselben Sache könnten jedoch nicht zwei Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Vorrang habe das zuerst am 25. September 1992 eingeleitete Verfahren, sodaß das Kommissionsverfahren mit dem angefochtenen Bescheid nicht hätte eingeleitet werden dürfen. Daran ändere auch nichts, daß er am 25. September 1992 "gemäß § 64 Abs. 2 HDG" die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich beantragt habe. Nach dieser Gesetzesstelle könnten die im Abs. 1 Z. 1 und 2 genannten Personen bei ihrem Disziplinarvorgesetzten schriftlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst beantragen. Dieser Antrag sei unverzüglich der zuständigen Disziplinarkommission und dem Disziplinaranwalt zu übermitteln und wie eine Disziplinaranzeige zu behandeln. Im gegenständlichen Fall habe der Beschwerdeführer die Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht beim Disziplinarvorgesetzten, sondern bei seinem Einheitskommandanten beantragt. Seines Erachtens sei dieser trotz Unzuständigkeit zur Entscheidung über seinen Antrag nach der vorzitierten Bestimmung nicht daran gehindert gewesen, aufgrund eigener Beurteilung amtswegig das Kommandantenverfahren einzuleiten. Jedenfalls habe der Einheitskommandant das getan und dies habe auch voll und ganz seinen Intentionen entsprochen. Er habe die Einleitung eines Kommandantenverfahrens angestrebt und dies durch die Adressierung des Antrages zum Ausdruck gebracht. Dem Beschwerdeführer sei nicht bewußt gewesen, daß ein Antrag nach § 64 Abs. 2 HDG an die höhere Ebene des Disziplinarvorgesetzten zu richten gewesen sei; hätte er das gewußt, so hätte er nicht einen auf diese Norm bezugnehmenden Antrag gestellt, sondern dem Einheitskommandanten (informell) sein Anliegen auf Einleitung eines Kommandantenverfahrens durch ihn zur Kenntnis gebracht. Infolge der Einleitung des Kommandantenverfahrens sei jedenfalls bereits ein Disziplinarverfahren anhängig und damit sein Antrag auf Einleitung eines solchen Verfahrens als erledigt bzw. gegenstandslos anzusehen gewesen; auch die Weiterleitung des Antrages habe daran nichts geändert und könne die Einleitung eines zweiten Disziplinarverfahrens in derselben Sache nicht rechtfertigen.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zu einem Erfolg zu führen.

Gemäß § 64 Abs. 1 HDG hat der Disziplinarvorgesetzte, wenn ihm der Verdacht einer Pflichtverletzung 1) eines Soldaten, der dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehört, oder 2) einer Berufsmilitärperson des Ruhestandes zur Kenntnis gelangt und wenn im Falle der Z. 1 die Voraussetzungen für das Kommandantenverfahren nicht vorliegen, nach Durchführung der erforderlichen Erhebungen zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes die Disziplinaranzeige an den Vorsitzenden der zuständigen Disziplinarkommission zu erstatten. Gleichzeitig hat er je eine Abschrift der Disziplinaranzeige dem Disziplinaranwalt sowie dem Beschuldigten zu übermitteln. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen haben die im Abs. 1 Z. 1 und 2 genannten Personen das Recht, bei ihrem Disziplinarvorgesetzten schriftlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst zu beantragen. Dieser Antrag ist unverzüglich der zuständigen Disziplinarkommission und dem Disziplinaranwalt zu übermitteln und wie eine Disziplinaranzeige zu behandeln.

Ausgehend von der dargestellten Gesetzeslage ergibt sich zunächst die Unzulässigkeit des im HDG vorgesehenen Kommandantenverfahrens bei Vorliegen einer Disziplinaranzeige, wie dies kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung insbesondere auch für den Fall der "Selbstanzeige" im Sinne des § 64 Abs. 2 HDG zutrifft, wonach der Antrag vom Disziplinarvorgesetzten unverzüglich der zuständigen Disziplinarkommission und dem Disziplinaranwalt zu übermitteln und wie eine Disziplinaranzeige zu behandeln ist (siehe das hg.Erkenntnis vom 10. Dezember 1987, 87/09/0210).

Der Beschwerdeführer hat mit seinem Schriftsatz vom 25. September 1992 unmißverständlich einen Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 HDG gestellt. Die Adressierung an die unzuständige Person (an den Einheitskommandanten anstelle des Disziplinarvorgesetzten) änderte daran nichts, zumal diese ohnedies nach § 6 Abs. 1 AVG (diese Bestimmung ist nach § 24 Z. 1 HDG auch im Kommandanten- und Kommissionsverfahren anzuwenden) verpflichtet war, die Anzeige an die zuständige Stelle weiterzuleiten.

Aufgrund des Antrages nach § 64 Abs. 2 HDG war die Fortführung des Kommandantenverfahrens - entgegen der in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachten Ansicht - unzulässig. Diesem Umstand hat der Einheitskommandant schließlich auch mit dem Schreiben vom 7. Mai 1993 Rechnung getragen und das anhängige Kommandantenverfahren eingestellt. Damit war ohnedies nur mehr ein Disziplinarverfahren, nämlich das aufgrund der Rechtslage des § 64 Abs. 2 HDG zwingende Kommissionsverfahren, anhängig. Ob den Intentionen des Beschwerdeführers ein Kommandantenverfahren eher entsprochen hätte, ist bei dieser Rechtslage und der Unzweifelhaftigkeit des erklärten Willens im Anbringen vom 25. September 1992 nicht von Bedeutung. Es liegt demnach auch kein wesentlicher Verfahrensmangel vor, wenn im angefochtenen Bescheid die Einleitung des Kommandantenverfahrens nicht erwähnt und die Einleitung des "weiteren" Disziplinarverfahrens nicht weiter begründet wird; ebenso ist keine Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör erkennbar.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers

BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993090094.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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