TE Vfgh Erkenntnis 2007/2/28 V97/06 ua

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Veröffentlicht am 28.02.2007
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Index

55 Wirtschaftslenkung
55/01 Wirtschaftslenkung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
AMA-G §1, §2, §3, §21d, §21e, §27, §32
BGBlG §2 Abs1 litf

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit eines als Verordnung einzustufenden Schreibens desBundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt undWasserwirtschaft und einer Information der Agrarmarkt Austria (AMA)betr Agrarmarketing-Beiträge für Wein mangels gehöriger Kundmachungeinerseits im Bundesgesetzblatt andererseits im Verlautbarungsblattder AMA

Spruch

1. Die Verordnung (Schreiben) des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 22. Dezember 2003, Zl. 12.830/519-I/2/03 und

2. die Verordnung (Information) der Agrarmarkt Austria betreffend den Beitragsgegenstand Weinhandel auf Grund des Schreibens des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 22. Dezember 2003 mit Wirkung ab 1. Jänner 2004

werden als gesetzwidrig aufgehoben.

Die aufgehobenen Bestimmungen sind nicht mehr anzuwenden.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B568/05 und B3123/05 Verfahren über die Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft anhängig, mit denen Berufungen, welche sich gegen die bescheidmäßige Vorschreibung von Agrarmarketing-Beiträgen für das Inverkehrbringen von Wein durch die Agrarmarkt Austria richteten, abgewiesen wurden. Die beschwerdeführenden Gesellschaften behaupten unter anderem die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz und bringen ferner vor, dass Grundlage der (von ihnen ausführlich dargestellten) Ungleichbehandlung das Schreiben des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 22. Dezember 2003 bzw. "der Erlass der AMA" seien.

II. Aus Anlass dieser Beschwerdeverfahren sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der im Spruch genannten und vorläufig als Verordnungen qualifizierten Erledigungen entstanden.

1. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Mit §2 des Bundesgesetzes über die Errichtung der Marktordnungsstelle "Agrarmarkt Austria" (AMA-Gesetz 1992), BGBl. 376/1992 (im Folgenden: AMA-G), wurde unter der Bezeichnung "Agrarmarkt Austria" (AMA) eine juristische Person öffentlichen Rechts eingerichtet. Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen erlassene Verordnungen Aufgaben an die AMA übertragen werden, können diese Angelegenheiten gemäß der Verfassungsbestimmung des §1 AMA-G idF BGBl. I 154/1999 von der AMA unmittelbar als Bundesbehörde "versehen" werden.

Zu den Aufgaben der AMA zählen unter anderem Maßnahmen zur Qualitätssteigerung agrarischer Produkte und die Förderung des Agrarmarketings (§3 AMA-G).

1.1 Gemäß §21c Abs1 Z9 AMA-G idF BGBl. 664/1994 ist neben anderen Fällen bei "erstmaligem Inverkehrbringen von Wein in Behältnissen mit einem Inhalt bis zu 50 Litern" ein Beitrag an die AMA zu entrichten. Durch das Bundesgesetz BGBl. I 154/1999 wurde die Beitragspflicht auf Behältnisse über 50 Liter erweitert, soweit diese außerhalb des Bundesgebietes verbracht werden. Beitragsschuldner ist gemäß §21e Abs1 Z9

"für Wein hinsichtlich des Flächenbeitrags der Bewirtschafter der Weingartenflächen, die je Bewirtschafter ein Gesamtausmaß von 0,3 ha übersteigen, sowie hinsichtlich des Beitrags auf die abgefüllte Menge die Winzergenossenschaft oder der Inhaber des Handelsbetriebs, die (der) Wein, der in Behältnissen mit einem Inhalt bis zu 50 Litern abgefüllt ist, erstmals in Verkehr bringt oder in Behältnissen mit einem Inhalt über 50 Liter außerhalb des Bundesgebietes verbringt."

§21d Abs3 AMA-G, BGBl. 664/1994, lautete:

"§21d.

...

(3) Der Beitrag beträgt für Wein 750 S je Hektar Weingartenfläche sowie 0,15 S je Liter Wein."

Durch das Euro-Umstellungsgesetz Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft - EUG-LFUW (BGBl. I 108/2001) wurde diese Bestimmung geändert und lautet nunmehr:

"§21d.

...

(3) Der Beitrag beträgt für Wein 54,50 € je ha Weingartenfläche sowie 1,09 € je 100 l Wein."

Im Falle der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung des Beitrages ist eine Erhöhung vorgesehen. §21g Abs3 AMA-G idF BGBl. I 108/2001 lautet:

"§21g.

...

(3) Stellt die AMA fest, dass der Beitrag nicht oder nicht in der richtigen Höhe entrichtet wurde, kann sie eine Erhöhung bis zum Zweifachen des Beitrags vorschreiben. Bei der Festsetzung dieser Erhöhung ist zu berücksichtigen, inwieweit dem Beitragsschuldner bei Beachtung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes das Erkennen der Beitragsschuld zugemutet werden konnte und die Nichtentrichtung oder nicht richtige Entrichtung erstmalig oder wiederholt erfolgt ist. Bei verspäteter Entrichtung kann die AMA, soweit es im Einzelfall keine unbillige Härte bedeutet, Verzugszinsen vorschreiben, deren Höhe den Diskontsatz der Oesterreichischen Nationalbank um 3 vH übersteigt."

Der Beitrag für Wein stellt einerseits auf die Weingartenfläche (so genannter Flächenbeitrag) und andererseits auf die Menge des in den Verkehr gebrachten Weines (so genannter Flaschenbeitrag oder Literbeitrag) ab (§21d Abs3 AMA-G).

1.2 Die §§27 und 32 AMA-G lauten samt Überschrift folgendermaßen:

"Weisung

§27. Soweit dies zur gesetzesgemäßen Erfüllung der Aufgaben der AMA erforderlich ist, hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft der AMA Weisungen zu erteilen.

[...]

Verlautbarungen

§32. (1) Die AMA hat Verordnungen in den von ihr herauszugebenden Verlautbarungsblättern kundzumachen. Die AMA hat für die Abgabe der Verlautbarungsblätter den Ersatz der Versandkosten sowie einen kostendeckenden Druckkostenbetrag zu verlangen. Formblätter und sonstige Bekanntmachungen können durch die AMA im Verlautbarungsblatt kundgemacht oder in elektronischer Form zur Abrufbarkeit über Internet bereitgestellt werden.

(2) Verordnungen gemäß Abs1 treten am Tag nach ihrer Kundmachung in Wirksamkeit, sofern nicht darin ein anderer Wirksamkeitsbeginn festgesetzt ist."

1.3 Zur Einhebung des AMA-Beitrages im Bereich des Weinhandels hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft am 22. Dezember 2003 das folgende Schreiben an die AMA gerichtet:

"Zur Einhebung des AMA-Beitrages im Weinbereich ist seitens des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Folgendes auszuführen:

Beitragsschuldner hinsichtlich des Beitrages auf die abgefüllte Menge ('Literbeitrag') gemäß §21e Z9 AMA-Gesetz sind die Winzergenossenschaft oder der Handelsbetrieb, die oder der Wein in Behältnissen mit einem Inhalt über 50 Liter zukaufen oder aus zugekauften Trauben Wein erzeugen und diesen in Behältnisse mit einem Inhalt unter 50 Liter abfüllen.

Hierbei ist folgendes zu berücksichtigen:

Bei der Vermarktung von im Weinbaubetrieb abgefüllten Eigenbauweinen durch Vinotheken oder andere Handelsbetriebe fällt kein Flaschenbeitrag an.

Bei Betrieben, die sowohl Weingartenflächen bewirtschaften als auch Wein oder Trauben zukaufen (Betriebe mit angeschlossenem Handelsbetrieb; "Produzentenhändler"), fällt für den auf den eigenen Flächen produzierten Wein lediglich eine einfache Belastung an. Der Betrieb kann von der errechneten Summe (eigener Wein/Trauben plus zugekaufter Wein/Trauben incl. des Weines der z.B. im Buschenschank offen oder in Flaschen ab Hof verkauft wird) des Literbeitrages den nachweislich bereits entrichteten Flächenbeitrag abziehen. Die Differenz ergibt den zu entrichtenden Literbeitrag. Die Betriebe haben der AMA die produzierte und zugekaufte Weinmenge mittels Erntemeldung, Bestandsmeldung und Unterlagen über den Zukauf nachzuweisen. Die Entrichtung des Flächenbeitrages ist mittels Zahlschein nachzuweisen.

Diese Vorgangsweise erfolgt auch bei gewerberechtlich befreiten Zukäufen.

Im Fall der Vermarktung der gesamten Ernte eines Produktionsbetriebes durch einen Gewerbebetrieb, kann der Flächenbeitrag für diese Ernte ebenfalls abgezogen werden, wenn die maßgeblichen Personen dieser beiden Betriebe identisch oder nahe Verwandte sind.

Trauben oder Wein, der ausschließlich von Genossenschaftsflächen stammt, gilt als Eigenproduktion, sofern die Genossenschaftsanteile auf der gezeichneten Rebfläche basieren. Die Genossenschaftsmitglieder überweisen der Genossenschaft den Beleg über den Flächenbeitrag (gegebenenfalls incl. der nicht gezeichneten Flächen) Die Genossenschaft kann von der errechneten Summe für den Literbeitrag den Beitrag für die gezeichneten Flächen abziehen. Im Fall von Genossenschaften ohne Bindung an konkrete Flächen gilt der Genossenschaftswein als zugekauft.

Für den Bundesminister:

R A G G A M"

Auf Grund dieses Schreibens verfasste die AMA ein Informationsblatt folgenden Inhalts:

"Informationen der Agrarmarkt Austria (AMA) betreffend den Beitragsgegenstand Weinhandel aufgrund des Schreibens des BMLFUW vom 22.12.2003 mit Wirkung ab 01.01.2004

Bei der Einhebung und der Entrichtung des Agrarmarketingbeitrages für das erstmalige in Verkehr bringen von Wein und bei der Bewirtschaftung von Weingartenflächen gemäß §21c Z9 AMA-Gesetz i.d.g.F., sowie beim Ausfüllen der jeweiligen Beitragserklärungen haben die Beitragsschuldner die anschließenden Erläuterungen verbindlich zu beachten.

1. Beitragsschuldner für das erstmalige in Verkehr bringen von Wein sind Winzergenossenschaften oder die Inhaber von Handelsbetrieben, die Wein in Behältnissen über 50 Liter zukaufen, diesen in Behältnissen bis zu 50 Liter abfüllen und erstmals in Verkehr bringen bzw. bei Verbringung außerhalb des Bundesgebietes in Behältnissen über 50 Liter.

2. Wird aus zugekauften Trauben Wein erzeugt und dieser in Behältnissen unter 50 Liter abgefüllt ist für die Entstehung der Beitragsschuld ebenso das erstmalige in Verkehr bringen von aus den zugekauften Trauben hergestellten Wein ausschlaggebend, nicht hingegen der Zeitpunkt des Zukaufes.

Grafisch lässt sich der Agrarmarketingbeitrag für Weinhandel folgend darstellen:

Zukauf von Wein in Behältnissen über 50 Liter und / oder

Zukauf von Trauben und aus diesen hergestellten Wein

     Erstmaliges in Verkehr            Verbringung außerhalb des

  bringen von abgefülltem Wein        Bundesgebietes von Wein in

     in Behältnissen bis zu 50         Behältnissen über 50 Liter

              Liter.                             abgefüllt.

Da für die Entstehung der Beitragsschuld oben genannte Bestimmungen ausschlaggebend sind, besteht die Möglichkeit einer einfachen Belastung durch den Agrarmarketingbeitrag, da die selbst (siehe Unterpunkte 4.1 und 4.2) bewirtschafteten Weingartenflächen ab 01.01.2004 entsprechend folgender Formel in Abzug gebracht werden dürfen.

3. Für die Anwendung ist folgende Berechnung Voraussetzung:

Benötigt wird das Ergebnis aus der Flächensumme der bewirtschafteten Weingartenfläche multipliziert mit dem Hektarsatz von EUR 54,50 = der bereits entrichtete Agrarmarketingbeitrag für die Bewirtschaftung von Weingartenflächen. Sodann wird folgende Formel angewandt:

Summe Liter Wein erstmalig in Verkehr gebracht (eigener1 und zugekaufter2 Wein)3 x EUR 1,09 /100

= vorläufiger Agrarmarketingbeitrag für Weinhandel in EUR - entrichteter Beitrag für die Bewirtschaftung von

Weingartenflächen in EUR

= Agrarmarketingbeitrag für Weinhandel in EUR

Der Agrarmarketingbeitrag für die Bewirtschaftung von Weingartenflächen darf in Abzug gebracht werden, wenn die Beitragserklärung eingebracht und der Agrarmarketingbeitrag bezahlt wurde (Fälligkeit 28./29. 02).

4. Unter welchen Voraussetzungen sind Beitragsschuldner berechtigt den Agrarmarketingbeitrag für die Bewirtschaftung von Weingartenflächen Agrarmarketingbeitrages für Weinhandel in Abzug zu bringen?

4.1 Inhaber von Weinhandelsbetrieben, die Trauben und/oder Wein zukaufen, die als Winzer Weingartenflächen bewirtschaften und somit eigenen Wein produzieren (sog. 'Produzentenhändler').

4.2 Inhaber von Weinhandelsbetrieben, die die Ernte von nahe Verwandten vermarkten. Als nahe Verwandte verstehen sich Gatten, die Eltern und die Kinder des Inhabers eines Weinhandelbetriebes, die Weingartenflächen bewirtschaften. Nicht hingegen ist der Abzug gerechtfertigt bei einem Verwandtschaftsverhältnis wie Großeltern, Enkelkinder und im Rahmen der Schwägerschaft.

4.3 Genossenschaften mit Genossenschaftsanteilen der Winzer in Form von gezeichneten Weingartenflächen mit Lieferpflicht der gesamten auf diesen Flächen geernteten Trauben sind berechtigt, den Agrarmarketingbeitrag nur für die gezeichneten Weingartenflächen abzuziehen. Um dies zu ermöglichen sind die Winzer verpflichtet eine Beitragserklärung zu erstellen und einen Nachweis der Zahlung des Agrarmarketingbeitrags für die Bewirtschaftung von Weingartenflächen (Fälligkeit 28./29. 02) den Genossenschaften zu übermitteln. Auch wenn der Nachweis natürlich die gesamte Weingartenfläche umfasst sind nur die gezeichneten Flächen abzugsfähig.

5. Im Gegensatz zu oben angeführten Genossenschaften mit auf Rebflächen basierenden Anteilen, sind Genossenschaften ohne Bindung an konkrete (gezeichnete) Flächen nicht berechtigt die Höhe des Agrarmarketingbeitrages für die Bewirtschaftung von Weingartenflächen durch Winzer in Abzug zu bringen.

6. Um die bisher angeführten Informationen zu veranschaulichen und darzulegen wie der Agrarmarketingbeitrag betreffend die auszufüllenden Beitragserklärungen der jeweiligen Quartale zu berechnen ist, folgen zwei Musterbeispiele:

6.1      Inhaber eines Weinhandelsbetriebes (Sohn) der die Ernte

eines in Punkt 4.2 angeführten nahen Verwandten (Vater) vermarktet:

Summe Liter Wein erstmalig in Verkehr gebracht    15.000 Liter x

EUR 1,09/100 Liter

= vorläufiger AMB für Weinhandel in EUR            =163,50 EUR

- entrichteter AMB für Weingartenflächen *         - 87,20 EUR

= Quartalsergebnis Weinhandel in EUR               = 76,30 EUR

positives Quartalsergebnis: 76,30 EUR

Umrechnung in Liter (: 1,09 x 100)=7.000 Liter

Einzahlung des AMB und keine Eintragung im Feld 'entrichteter AMB für Weingartenflächen in EUR' in den nächsten Quartalen des laufenden Jahres.

* Nebenrechnung: vom Vater bewirtschaftete Weingartenfläche:

1,60 ha

1,60 ha x EUR 54,50/ha = EUR 87,20

entsprechende Beitragserklärung gelegt und Zahlung bereits

geleistet

Bei negativem Quartalsergebnis Vorgangsweise wie bei Genossenschaftsbeispiel Pkt. 6.2:

6.2     Genossenschaft mit Genossenschaftsanteilen der Winzer in

Form von gezeichneten Weingartenflächen:

Summe Liter Wein erstmalig in Verkehr gebracht     30.000 Liter

x EUR 1,09/100 Liter

= vorläufiger AMB für Weinhandel in EUR             =327,00 EUR

- entrichteter AMB der Winzer für gezeichnete

  Flächen*                                          -545,00 EUR

= Quartalsergebnis Weinhandel in EUR              = -218,00 EUR

negatives Quartalsergebnis: - 218,00 EUR

Abzug bei der Beitragserklärung des nächsten Quartals in dem Feld 'entrichteter AMB für Weingartenflächen in EUR'.

* Nebenrechnung: gezeichnete Weingartenflächen: 10 ha 10 ha x EUR 54,50/ha = EUR 545,00

entsprechender Nachweis bereits geleistet

Beitragserklärung des darauf folgenden Quartals des laufenden

Jahres:

Summe Liter Wein erstmalig in Verkehr gebracht     45.000 Liter

x EUR 1,09/100 Liter

= vorläufiger AMB für Weinhandel in EUR             =490,50 EUR

- entrichteter AMB der Winzer für gezeichnete

  Flächen                                           -218,00 EUR

= Quartalsergebnis Weinhandel in EUR                =272,50 EUR

positives Quartalsergebnis: 272,50 EUR

Umrechnung in Liter (: 1,09 x 100)= 25.000 Liter

Einzahlung des AMB und keine Eintragung im Feld 'entrichteter AMB für Weingartenflächen in EUR' in den nächsten Quartalen des laufenden Jahres.

Agrarmarketingbeitrag für 'Euroblend'

Der Agrarmarketingbeitrag für Weinhandel betreffend den Anteil von österreichischem Wein bei Verschnitt von Wein aus Ländern der Europäischen Gemeinschaft ist gemäß dem Schreiben des BMLFUW vom 18.08.2004 ab 01.07.2004 zu entrichten.

Die Beitragsschuld entsteht für den Anteil von österreichischem Wein bei Verschnitt von Wein aus Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Winzergenossenschaften oder die Inhaber von Handelsbetrieben, die Wein in Behältnissen über 50 Liter, diesen in Behältnissen bis zu 50 Liter abfüllen und erstmals in Verkehr bringen bzw. bei Verbringung außerhalb des Bundesgebietes in Behältnissen über 50 Liter.

Wird aus zugekauften Trauben Wein erzeugt, dieser mit Wein aus Ländern der Europäischen Gemeinschaft verschnitten und in Behältnissen unter 50 Liter abgefüllt, ist für die Entstehung der Beitragsschuld ebenso das erstmalige in Verkehr bringen von aus den zugekauften Trauben hergestellten Wein ausschlaggebend, nicht hingegen der Zeitpunkt des Zukaufes."

2. Die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Schreibens des Bundesministers vom 22. Dezember 2003 sowie des mit "Information" übertitelten Schreibens der AMA sind im Prüfungsbeschluss wie folgt formuliert:

"1. Die belangte Behörde beruft sich im zu B568/05 angefochtenen Bescheid auf den Erlass der AMA, womit offenbar die oben genannte 'Information' gemeint ist. Dieser Erlass basiere auf dem Schreiben des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 22. Dezember 2003. Auch mit dem zu B3123/05 angefochtenen Bescheid dürfte die Behörde den Erlass der AMA angewendet haben.

Das genannte Schreiben des Bundesministers, mit dem das Gesetz in einem bestimmten Sinn ausgelegt wird, scheint eine Verordnung zu sein, da zur Berechnung des AMA-Beitrags angeordnet wird, dass 'Folgendes zu berücksichtigen' ist. Es ist offenbar intendiert, nicht bloß der AMA eine Weisung zur Verordnungserlassung zu erteilen, sondern sie zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen und damit auch das Verhalten der Normunterworfenen zu gestalten. Aus dem 'Folgenden' geht hervor, dass bei Vermarktung von in Weinbaubetrieben abgefüllten Eigenbauweinen kein Flaschenbeitrag anfällt. Dann wird die Vorgangsweise im Einzelnen dargetan. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass das Schreiben imperative Anordnungen trifft, die sich auch an die Beitragsschuldner richten. Das Schreiben hat auch - wie der vorliegende Fall zeigt - eine gewisse Publizität erlangt, sodass es als Verordnung zu qualifizieren ist.

2. Auf Grund des Schreibens des Bundesministers verfasste die AMA ein als 'Information' bezeichnetes Schriftstück, das offenbar an eine Vielzahl von Personen versandt wurde. Wie schon der Einleitungssatz zeigt ('...haben die Beitragsschuldner die anschließenden Erläuterungen verbindlich zu beachten'), trifft die 'Information' auch für Beitragsschuldner verbindliche Anordnungen. In der Folge wird die Vorgangsweise bei der Berechnung des AMA-Beitrags an Hand von Beispielen erörtert, wobei auch klar gestellt wird, dass Flaschenbeitrag und Flächenbeitrag nicht kumulativ zu bezahlen sind. Der Verfassungsgerichtshof wertet diese 'Information' ebenfalls als Verordnung.

3. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig auch davon aus, dass die belangte Behörde die genannten Schriftstücke, auf die sie sich beruft, denkmöglich angewendet hat.

4. Jede der beiden Enuntiationen enthält Anordnungen, die eine Gesamtheit bilden und anscheinend nicht nach einzelnen Anordnungen getrennt werden können, sodass der Verfassungsgerichtshof vorläufig die beiden zunächst als Verordnungen zu qualifizierenden Enuntiationen zur Gänze in Prüfung zieht.

5. Im Verordnungsprüfungsverfahren wird zu prüfen sein, ob die Annahmen des Verfassungsgerichtshofes zutreffen, dass beide Enuntiationen Verordnungen sind und dass sie auch präjudiziell sind.

6. Beide vorläufig als Verordnungen zu wertende Enuntiationen scheinen nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden zu sein.

Verordnungen eines Bundesministers sind im Bundesgesetzblatt II kundzumachen (§4 BGBlG, BGBl. I Nr. 100/2003). Dies scheint unterblieben zu sein. Eine gesetzliche Bestimmung, die für Verordnungen des Inhaltes des im Spruch genannten Schreibens eine andere Form der Kundmachung vorschreibt, scheint nicht zu existieren."

Ferner ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass die AMA ihre "Information" nicht in den Verlautbarungsblättern iSd §32 Abs1 AMA-G kundgemacht haben dürfte.

III. 1. Die AMA trat den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes in ihrer Äußerung mit der Auffassung entgegen, dass das Schreiben des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 22. Dezember 2003 als eine Weisung iSd §27 AMA-G zu qualifizieren sei. Da die Beitragshöhe für Wein in §21d Abs3 AMA-G normiert sei, bestehe eine Kompetenz der AMA für die Festsetzung der Beitragshöhe durch Verordnung nur für die in §21d Abs2 AMA-G genannten landwirtschaftlichen Erzeugnisse, nicht aber für die Festsetzung der Beitragshöhe für Wein. Deshalb habe die ministerielle Weisung vom 22. Dezember 2003 auch nicht als Verordnung der AMA iSd §21d Abs1 AMA-G umgesetzt werden können. Das Informationsblatt sei in Folge dessen an die betreffenden Beitragsschuldner zu deren Information über die auf Grund der Weisung der belangten Behörde geänderte abgabenbehördliche Praxis versandt worden.

2. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft erstattete ebenfalls eine Äußerung. Darin führte er zu den Bedenken des Gerichtshofes aus, dass sich die Strukturen in der Weinwirtschaft in einem Ausmaß geändert hätten, das Klarstellungen zum Gesetzestext für den Vollzug in bestimmten (sodann näher dargestellten) Fällen erforderlich gemacht habe. Das vorläufig als Verordnung gewertete Schreiben des Bundesministers enthalte somit eine Zusammenfassung von Fallkonstellationen, die im Rahmen der Gesetzesvollziehung aufgetreten seien und einer sowohl gesetzeskonformen als auch sachgerechten Lösung zugeführt worden seien. Auch auf eine Verordnungserlassung durch die AMA habe das Schreiben nicht abgezielt.

Im Übrigen seien die beschwerdeführenden Gesellschaften als Weinhändler nicht vom Schreiben betroffen und daher auch nicht beschwert. Eine allfällige Aufhebung der geprüften Schreiben würde an der grundsätzlichen Beitragspflicht der beschwerdeführenden Gesellschaften nichts ändern. Soweit Normunterworfene vom Schreiben berührt werden, erfolge dies zu ihren Gunsten. Im Falle einer Rücknahme des Schreibens würden diese Vorteile wegfallen.

Auch seien weder das ministerielle Schreiben noch die Information der AMA als Verordnung gewertet worden: Aus der Formulierung "Hierbei ist Folgendes zu berücksichtigen" sei nicht zwingend ein Verordnungscharakter abzuleiten, sondern vielmehr lediglich die Vorgangsweise, die im Vorfeld mit den betroffenen Organisationseinheiten bzw. Interessenvertretungen abgesprochen worden sei. Bei dieser Mitteilung handle es sich somit eher um eine Weisung iSd §27 AMA-G.

IV. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist zulässig. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes sind auch begründet:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine verbindliche Äußerung der Behörde, auch wenn sie formell nur an die unterstellten Behörden adressiert ist, als Rechtsverordnung anzusehen, wenn sie der Sache nach die Rechtssphäre eines unbestimmten Kreises von Betroffenen gestaltet. Für die Qualifikation als Verordnung kommt es auch nicht auf die Bezeichnung einer behördlichen Enunziation, sondern deren Inhalt an. Eine rechtsgestaltende Außenwirkung ist gegeben, wenn zum imperativen Inhalt ein solches Maß an Publizität hinzutritt, dass der betreffende Akt Eingang in die Rechtsordnung gefunden hat (vgl. insb. VfSlg. 13.331/1993, 13.632/1993, 14.154/1995 15.189/1998 mwN).

Sowohl das Schreiben des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 22. Dezember 2003 als auch die im Spruch genannte "Information" der AMA sind Verordnungen iSd Art139 B-VG:

2. Wie der Inhalt des Schreibens vom 22. Dezember 2003, vor allem aber die Wortfolge "Hierbei ist folgendes zu berücksichtigen:" zeigt, ist dieses nicht bloß eine Weisung an die AMA, sondern es sollte zu einem bestimmten Verhalten veranlasst werden, die Rechtsstellung der Rechtsunterworfenen in einer bestimmten Weise zu gestalten. So wird etwa in diesem Schreiben erwähnt, welche Belege die Genossenschaftsmitglieder vorzulegen haben und wie sie die Beiträge zu berechnen haben.

Dass das Schreiben in die Rechtsordnung Eingang finden sollte und auch gefunden hat, zeigt schon der Umstand, dass der Bundesminister sich in den in den Anlassfällen erlassenen Bescheiden selbst auf sein Schreiben beruft.

Es handelt sich also bei dem in Prüfung gezogenen Schreiben um eine Rechtsverordnung eines Bundesministers, die im Bundesgesetzblatt kundgemacht hätte werden müssen (§2 Abs1 litf BGBlG). Sie ist daher mangels gehöriger Kundmachung als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Die im Spruch genannte "Information" richtet sich an einen nach generellen Merkmalen umschriebenen Adressatenkreis, nämlich die Beitragsschuldner, die in imperativer Weise angewiesen werden, "die anschließenden Erläuterungen verbindlich zu beachten".

Verordnungen der AMA sind in deren Verlautbarungsblatt kundzumachen (§32 Abs2 AMA-G). Da dies unterblieben ist, ist die in Prüfung gezogene Vorschrift mangels gehöriger Kundmachung als gesetzwidrig aufzuheben.

Dass die AMA - wie sie ferner vorbringt - zur Erlassung von Verordnungen betreffend die Festsetzung der Beitragshöhe für Wein gar nicht berechtigt sei, hindert im vorliegenden Fall nicht die Qualifikation als Verordnung. §32 AMA-G geht jedenfalls davon aus, dass die AMA als Bundesbehörde (§1 AMA-G) im Prinzip zur Erlassung von Verordnungen berechtigt ist. Sollte - wie die AMA ausführt - für die Erlassung der konkreten Verordnung die gesetzliche Grundlage fehlen, so könnte dies bloß ein weiterer Grund für die Rechtswidrigkeit der Verordnung sein.

V. Nach Art139 Abs3 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof nicht nur die präjudiziellen Teile einer Verordnung, sondern die ganze Verordnung aufzuheben, wenn er unter anderem zur Auffassung gelangt, dass die ganze Verordnung gesetzwidrig kundgemacht wurde (litc).

Der Ausspruch über die Nichtanwendung stützt sich auf Art139 Abs6 zweiter Satz B-VG, jener über die Kundmachung auf Art139 Abs5 B-VG.

Schlagworte

Marktordnung, Weinrecht, Verordnungsbegriff, Weisung, VerordnungKundmachung, RechtsV, VerwaltungsV

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:V97.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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