TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/24 93/16/0163

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Veröffentlicht am 24.03.1994
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §303 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des T in R, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 6. August 1993, Zl. 410-4/1993, betreffend Wiederaufnahme eines Grunderwerbsteuerverfahrens mit erhöhter Festsetzung der Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der am 29. November 1989 beim Finanzamt Feldkirch eingereichten Abgabenerklärung gab der Beschwerdeführer unter Anschluß des Kaufvertrages vom 9. November 1989 den Erwerb von 162/764 Anteilen des Grundstückes Nr. 7340/4, EZ 1780, KG Rankweil, um einen Kaufpreis von S 199.482,-- zzgl. S 10.000,-- Vertragserrichtungskosten bekannt, worauf das Finanzamt mit Bescheid vom 18. Dezember 1989 ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 209.482,-- Grunderwerbsteuer festsetzte.

Am 13. Mai 1992 richtete das Finanzamt an die ursprüngliche Verkäuferin der Liegenschaft, die Geschw.

Sargant-Wohnbaugesellschaft m.b.H., das Ersuchen um Vorlage sämtlicher Unterlagen zum Zwecke der Überprüfung der Voraussetzungen für das Vorliegen der Bauherreneigenschaft der Errichtergemeinschaft.

Aus den daraufhin dem Finanzamt vorgelegten Urkunden ergab sich folgendes:

Die Marktgemeinde Rankweil hatte schon über Ansuchen der Verkäuferin vom 20. März 1989 dieser die baubehördliche Bewilligung zum Bau einer Wohnanlage, bestehend aus sechs Mehrwohnungshäusern und zwei Einfamilienwohnhäusern (darunter die Kaufliegenschaft) mit Bescheid vom 24. Juli 1989 erteilt. Zugleich mit dem Kaufvertrag war zwischen dem Beschwerdeführer und der Verkäuferin am 9. November 1989 eine Vereinbarung abgeschlossen worden, die für die Errichtung der Wohnung Top 6 im Hause 7 einen bis zum 31. Dezember 1989 garantierten Fixpreis von S 1,618.120,-- und für die Errichtung des Einstellplatzes in der Tiefgarage einen bis zum 31. Dezember 1989 gültigen Fixpreis von S 127.135,-- festgelegt hatte. Zufolge von Eigenleistungen und sonstigen Gutschriften wurden die genannten Preise vorläufig mit S 1,192.682,64 festgesetzt.

Das Finanzamt nahm daraufhin mit Bescheid vom 6. November 1992 gemäß § 303 Abs. 4 BAO das Verfahren von Amts wegen wieder auf, verneinte die Bauherreneigenschaft des Beschwerdeführers und setzte ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 1,402.164,-- (Grundanteil, Errichtungskosten und Vertragserrichtungskosten) die Grunderwerbsteuer vorläufig mit S 49.076,-- fest.

Dagegen berief der Beschwerdeführer im wesentlichen mit der Begründung, es seien keine Tatsachen neu hervorgekommen, sondern habe nur eine Änderung der Rechtsmeinung des Finanzamtes stattgefunden. Die Verkäuferin der Liegenschaftsanteile habe vor Verfassung der Verträge mit den Wohnungseigentümern ihren Steuerberater damit betraut, die steuerlichen Aspekte abzuklären. R, ein Mitarbeiter des Steuerberaters, habe sich mit dem Finanzamt Feldkirch in Verbindung gesetzt und im Rahmen einer mündlichen Besprechung bei Mag. A dargelegt, welche Vorgangsweise die Verkäuferin bei der Errichtung der Eigentumswohnungen vorgesehen habe, nämlich:

Planung der Wohnanlage, Verkauf des dem Nutzwert der jeweiligen Wohnung entsprechenden Grundstücksanteils sowie Entgegennahme eines Auftrages des Wohnungswerbers zur Errichtung der Wohnung. Mag. A habe Herrn R dabei mitgeteilt, daß zweifelsohne der Verkauf der Grundstücksanteile der "Grundsteuer" (richtig wohl: Grunderwerbsteuer), jedoch nicht der Mehrwertsteuer unterläge und daß die Verkäuferin die Gesamtkosten der jeweiligen Wohnung zzgl. 20 % Mehrwertsteuer dem Wohnungswerber in Rechnung zu stellen und die Mehrwertsteuer an das Finanzamt abzuführen habe. Diese Vorgangsweise sei in der Folge auch gewählt worden. Nachdem aber Herrn R ein Verwaltungsgerichtshoferkenntnis, das dieser Rechtsmeinung zu widersprechen schien, zur Kenntnis gelangt sei, habe er dies dem Finanzamt mitgeteilt und um einen Besprechungstermin zur Erörterung ersucht. In einer Besprechung mit den Herren L und S am 20. März 1992 sei ihm bekanntgegeben worden, daß zweifellos die ursprünglich genannte Rechtsmeinung richtig sei und daß die Verkäuferin die Mehrwertsteuer für die Errichtungskosten der Wohnanlage bzw. Eigentumswohnung abzuführen habe, hingegen die von den Wohnungseigentümern erworbenen Grundanteile nur auf Basis der Kaufpreise für den Grundstücksanteil grunderwerbsteuerpflichtig seien. In der Folge habe sich in der Grunderwerbsteuerabteilung aus nicht näher bekannten Gründen aber die Auffassung durchgesetzt, daß diese Rechtsmeinung doch nicht richtig sei. Allein diese Meinungsänderung stelle aber keinen tauglichen Wiederaufnahmsgrund dar.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 8. März 1992 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Es führte dazu unter anderem folgendes aus:

Ursprünglich sei dem Finanzamt nur der Kaufvertrag über den Erwerb des Anteils von Grund und Boden angezeigt worden. Erst in späterer Folge sei dem Finanzamt bekannt geworden, daß mit dem Kaufvertrag über die Grundstücksanteile gleichzeitig eine separate Vereinbarung über den Erwerb der entsprechenden Wohneinheit mit Fixpreisvereinbarung abgeschlossen worden sei. Diese zusätzliche Vereinbarung sei dem Finanzamt nicht angezeigt worden. Bei Überprüfung des Sachverhaltes habe sich in eindeutiger und fundierter Weise herausgestellt, daß die Bauherreneigenschaft der Grundstückserwerber nicht gegeben gewesen sei. Diese Tatsachenfeststellung sei anläßlich einer Besprechung am 9. September 1992 im Einverständnis mit Peter Sargant von der Verkäuferin und R vom Steuerberatungsbüro sowie dem Abteilungsleiter Dr. Blecha und den zwei Gruppenleitern Jehle und Rehlendt von der Gebührenabteilung des Finanzamtes Feldkirch allseits in völliger Übereinstimmung der zugrundeliegenden rechtlichen Situation getroffen worden. Sowohl Herr Sargant als auch Herr R hätten sich auf Grund der diesbezüglich vorhanden Rechtsprechung damit einverstanden erklärt, daß die Bauherreneigenschaft für die Grundstückserwerber im gegenständlichen Fall nicht gegeben sei. Um bei den Grundstückserwerbern keine Unruhe aufkommen zu lassen, habe Peter Sargant darum ersucht, alle Bescheide zu Handen der Verkäuferin zuzustellen, damit im Gegenzug die von den Grundstückserwerbern bisher bezahlte Grunderwerbsteuer bei der bevorstehenden steuerlichen Rückabwicklung verrechnet werden könne.

Das Berufungsvorbringen, die steuerlichen Aspekte seien durch Herrn R mit Mag. A, Herrn L und Herrn S von der Veranlagungsabteilung in einer eigenen Besprechung abgeklärt worden, entspreche laut Aussage "obiger Herren" nicht den Tatsachen. Eine zwischen Tür und Angel Herrn R in allgemein gehaltener Form erteilte Auskunft über "Bauherrenmodelle und Bauherreneigenschaften", die ja unter Umständen gegeben sein könnten, sei für das gegenständliche Verfahren irrelevant und in keiner Weise verbindlich. Bei einer persönlichen Vorsprache in der Gebührenabteilung habe sich Herr R vom Inhalt der gegenständlichen Berufung distanziert und mitgeteilt, daß der Vertreter des Berufungswerbers, Dr. H, zu keiner Zeit vor Einbringung der Berufung Kontakt mit dem Steuerberatungsbüro aufgenommen habe.

Gründe für das Bestehen einer Bauherreneigenschaft der Grundstückserwerber seien vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht worden.

Sollte sich die Bemessungsgrundlage auf Grund von Mehr- bzw. Minderleistungen noch ändern, so werde dies nach Vorlage der Endabrechnung durch die Geschw. Sargant Wohnbaugesellschaft m. b.H. mittels des noch zu erlassenden endgültigen Bescheides berücksichtigt werden.

Daraufhin stellte der Beschwerdeführer ohne weitere Ausführungen den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab, wobei sie die Meinung vertrat, nach der Aktenlage habe das Finanzamt erst nach der Erlassung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 18. Dezember 1989 Kenntnis von dem Umstand erlangt, daß nicht dem Beschwerdeführer, sondern der Verkäuferin die Bauherrschaft zukomme. Es entspreche keineswegs der Aktenlage, daß das Finanzamt zunächst dem Steuerberater der Verkäuferin die Bauherreneigenschaft der jeweiligen Wohnungskäufer bestätigt und in der Folge lediglich seine Rechtsansicht geändert habe. Die belangte Behörde verwies in diesem Zusammenhang zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich auf die Begründung der Berufungsvorentscheidung und betonte, es wäre Sache des Beschwerdeführers gewesen, sich im Vorlageantrag mit den in der Berufungsvorentscheidung enthaltenen Ergebnissen der Ermittlungen der Abgabenbehörde erster Instanz auseinanderzusetzen. Der Beschwerdeführer habe überdies gegen seine Pflicht verstoßen, alle für die Abgabenbemessung bedeutungsvollen Umstände bekanntzugeben, weil er lediglich den Erwerb der Grundstücksanteile angezeigt habe. Die Wiederaufnahme des Verfahrens sei daher nicht rechtswidrig erfolgt, die Erhebung der Grunderwerbsteuer dem Grunde und der Höhe nach sei unangefochten geblieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Abgabenverfahren sowie darauf verletzt, daß die Wiederaufnahme mit erhöhter Festsetzung der Grunderwerbsteuer nicht durchgeführt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Strittig ist im Beschwerdefall allein die Frage, ob die Abgabenbehörde erster Instanz - wie der Beschwerdeführer behauptet - bereits auf Grund der Vorsprache eines Mitarbeiters des Steuerberaters der Verkäuferin zur Zeit der Erlassung des Bescheides vom 18. Dezember 1989 über alle maßgeblichen Fakten informiert war oder erst im Zuge der Erhebungen im Jahr 1992 die entsprechenden Sachinformationen erhielt. Mit Rücksicht darauf, daß der Beschwerdeführer den in der Berufungsvorentscheidung erwähnten (und oben im Detail wiedergegebenen) Fakten im Verwaltungsverfahren mit keinem Wort entgegengetreten ist, was der Nichtbeantwortung eines Vorhaltes gleichzusetzen ist (vgl. z.B. Stoll, BAO-Handbuch 416 Abs. 1), war die belangte Behörde nicht gehalten, den in der Berufung - ausdrücklich nur für den Fall, daß es die Berufungsbehörde für erforderlich halten sollte - angebotenen Zeugenbeweis durchzuführen, weil sie davon ausgehen konnte, daß der Beschwerdeführer dem Ergebnis der von der Abgabenbehörde erster Instanz auf Grund der Berufung angestellten Ermittlungen nichts mehr entgegenzusetzen hat.

Auf Basis der solcherart in einem einwandfreien Verfahren getroffenen Tatsachenfeststellungen, daß vor Erlassung des Bescheides vom 18. Dezember 1989 dem Mitarbeiter des Steuerberatungsbüros der Verkäuferin in einem Gespräch "zwischen Tür und Angel" nur in allgemein gehaltener Form "Auskünfte über Bauherrenmodelle und Bauherreneigenschaften" erteilt wurden und daß die maßgeblichen Umstände erst im Jahr 1992 bekannt wurden, erweist sich die amtswegig vorgenommene Wiederaufnahme samt Festsetzung der Grunderwerbsteuer ausgehend von einer erhöhten Bemessungsgrundlage (gegen die sich auch die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde im Detail nicht ausspricht) als frei von inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Dem Beschwerdeargument, es seien betreffend das gegenständliche Objekt nicht nur (wie im Beschwerdefall) vorläufige, sondern auch bereits endgültige Bescheide erlassen worden und ergebe sich daraus, daß bezüglich der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes bei den Abgabenbehörden "Uneinigkeit" bestanden habe, kann in diesem Zusammenhang deshalb keine Bedeutung zukommen, weil die Erlassung eines vorläufigen Bescheides gemäß § 200 Abs. 1 BAO im Beschwerdefall - wie in der Berufungsvorentscheidung ebenfalls im einzelnen und vom Beschwerdeführer unwidersprochen dargelegt wurde - mit Rücksicht darauf dem Gesetz entsprach, daß sich auf Grund allfälliger Mehr- oder Minderleistungen die Bemessungsgrundlage noch ändern könne, was erst nach Vorliegen der Endabrechnungen durch die Bauführerin ergeben wird.

Schließlich muß auch das Argument des Beschwerdeführers versagen, er habe seine Offenlegungspflicht nicht verletzt, weil er keinen plausiblen Grund dafür vorbringen konnte, warum es ihm nicht möglich gewesen wäre, schon im Zuge der Abgabenerklärung vom 29. November 1989 zugleich mit dem Kaufvertrag die am selben Tag wie dieser (nämlich am 9. November 1989) unterfertigte Vereinbarung über die Errichtung einer Wohneinheit samt Planungsunterlagen der Abgabenbehörde vorzulegen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei mit Rücksicht auf die besonders einfache Rechtsfrage die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden konnte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993160163.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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