TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/29 93/04/0257

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Veröffentlicht am 29.03.1994
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §83 idF 1988/399;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 30. Juli 1993, Zl. 315.432/1-III/A/2a/92, betreffend Verfahren gemäß § 83 GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. Dezember 1990 erteilte der Magistrat der Stadt Wien der "X-Gesellschaft m.b.H.", welcher mit Bescheid vom 15. April 1913 am Standort Wien, A-Gasse 15, eine Betriebsanlage zur Ausübung des Gewerbes "Chemischputzer gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 8 GewO 1973" genehmigt worden sei, gestützt auf § 83 GewO 1973 folgende Aufträge:

"1.) Über den Verbleib der in der Betriebsanlage vorhanden gewesenen Reinigungsmittel und halogenhaltigen Sonderabfälle (wie Kontaktwasser, Destillationsschlamm und dgl.) sind dem MBA 12 Aufzeichnungen, wie z.B. Entsorgungs- und Übernahmebestätigungen, vorzulegen.

2.) Im ehemaligen Aufstellungsbereich der Chemisch-Reinigungsmaschinen einerseits, den Lederbehandlungstrommeln andererseits, sowie im Freien, in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Aufstellungsortes der Sammelgefäße für halogenhältige Sonderabfälle, ist je eine Einrichtung zur Absaugung der Bodenluft herzustellen. Die Bodenluft ist abzusaugen und von einem hiezu befugten Fachunternehmen, einem befugten Sachverständigen, oder einer autorisierten Untersuchungsanstalt, auf ihre Konzentration an chlorierten organischen Lösungsmittel untersuchen zu lassen. Die Meßergebnisse sind dem MBA 12 binnen zwei Monaten zu übermitteln.

3.) Ergeben die Messungen der Bodenluft, daß die zulässige Konzentration von 100 mg chlorierten organischen Lösungsmittel/m3 Bodenluft gemäß § 3 Abs. 4 CKW-Anlagen Verordnung, BGBl. Nr. 27/1990, überschritten werden, so sind geeignete Maßnahmen zur Reinigung des Bodens durchzuführen. Diese Maßnahmen sind binnen zwei Monaten nach Befunderstellung in Angriff zu nehmen. Die Maßnahmen sowie der Beginn der Durchführung sind dem MBA 12 schriftlich bekanntzugeben."

Der Versuch, diesen Bescheid der X-Gesellschaft m.b.H. an dem genannten Standort zuzustellen, blieb erfolglos, weil nach dem Bericht des Zustellers der Empfänger verzogen war. Der Bescheid wurde daraufhin der "X-Gesellschaft m.b.H. z.Hd. Herrn P, W", (durch Ersatzzustellung) zugestellt.

Im Verwaltungsakt findet sich sodann unter dem Datum 10. Jänner 1991 folgender Aktenvermerk:

"Laut Auskunft des ZGR ist die X ... mit Beschluß vom 15.1.1990 mit der Ing. G-Ges.m.b.H. verschmolzen worden und mit diesem Zeitpunkt somit untergegangen."

Die von der G-Ges.m.b.H. gegen den Bescheid vom 10. Dezember 1990 eingebrachte Berufung wurde vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 17. Jänner 1991 mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, die Berufungswerberin sei nicht Partei des Verwaltungsverfahrens.

Nach Durchführung eines gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer gerichteten Ermittlungsverfahrens erließ der Magistrat der Stadt Wien gegenüber "P als Eigentümer der Liegenschaft in Wien, A-Gasse 15", einen mit 9. Jänner 1992 datierten Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Das Magistratische Bezirksamt hat mit Bescheid vom 15. April 1913, samt Folgebescheiden die Betriebsanlage der X-Gesellschaft m.b.H. zur Ausübung des Gewerbes:

Chemischputzer gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 8 GewO 1973 im Standort Wien, A-Gasse 15, rechtskräftig genehmigt.

Auf Grund des § 83 GewO 1973 werden die folgenden Aufträge erteilt:

1) Über das Ausmaß der Verunreinigung des Bodens mit chlorierten Kohlenwasserstoffen (CKW) im Bereich des ehemaligen Putzereibetriebes der X-Gesellschaft m.b.H. in Wien, A-Gasse 15, ist ein dreidimensionales Schadensbild und ein Gutachten über die Beschaffenheit des Bodens erstellen zu lassen.

2) Auf Grund des vorgefundenen Schadensbildes ist ein Sanierungsplan über die Reinigung des Bodens von chlorierten Kohlenwasserstoffen zu erstellen.

3) Das dreidimensionale Schadensbild, das Gutachten über die Bodenbeschaffenheit und der Sanierungsplan sind in Kopie binnen einer Frist von sechs Monaten ab Rechtskraft des Bescheides dem Magistratischen Bezirksamt zu übermitteln.

4) Die gesamte abgesaugte Bodenluft (Abluft) muß über eine Abluftreinigungsanlage gereinigt werden. Die Konzentration an chlorierten Kohlenwasserstoffen (CKW) in der gereinigten Abluft darf nicht mehr als 50 mg/m3 Abluft betragen. Ab einer Konzentration von 5 ppm CKW in der abgesaugten, ungereinigten Bodenluft darf die CKW-Konzentration der gereinigten Abluft nach der Abluftreinigungsanlage nicht größer sein als die der ungereinigten Abluft unmittelbar vor der Abluftreinigungsanlage.

5) Entsprechend dem Sanierungsplan sind in regelmäßigen Zeitabständen, mindestens jedoch in Abständen von längstens einer Woche Messungen der abgesaugten Bodenluft vor und nach der Abluftreinigungsanlage durchzuführen.

6) Über die Reinigung des Bodens ist ein Betriebstagebuch zu führen. In das Betriebstagebuch sind jedenfalls die Messungen CKW-Konzentration der ungereinigten und gereinigten Abluft, die abgesaugte Abluftmenge, die wöchentliche Dichtheitskontrolle, die Regenerierung der Abluftreinigungsanlage, die Menge an anfallenden gefährlichen Sonderabfällen und CKW, die Wartung (einschließlich Wasserabscheider), die Taktzeiten, etc., die besonderen Vorkommnisse und die technischen Angaben zur Abluftreinigungsanlage, zum Adsorbens und zum Bodensanierungsgerät einzutragen. Das Betriebstagebuch muß so geführt sein, daß die gesamte Bodensanierung schlüssig und vollständig nachvollziehbar ist. Das Betriebstagebuch ist auf Verlangen den Organen der Behörde zur Einsichtnahme vorzulegen.

7) Die Reinigung des Bodens ist so lange durchzuführen, bis die Messungen der abgesaugten Bodenluft ergeben, daß die Konzentration von 5 mg CKW/m3 angesaugte Bodenluft unterschritten wird. Nach Unterschreiten dieser Konzentration ist die Bodensanierung auf einen Zeitraum von mindestens vier Wochen zu unterbrechen. Anschließend daran muß eine Kontrollmessung der Bodenluft durchgeführt werden. Ergibt diese Messung einen Wert von weniger als 5 mg CKW/m3 abgesaugte Bodenluft, so kann die Bodensanierung eingestellt werden. Ein Verdünnen der Bodenluft z.B. durch Mitansaugen von Raumluft über die Bodensonde zur Erreichung der Konzentration von 5 mg/m3 ist verboten.

8) Mindestens zwei Wochen vor der Durchführung der abschließenden Messungen ist die zuständige Behörde (Betriebsanlagenreferat des Magistratischen Bezirksamtes) davon in Kenntnis zu setzen.

9) Eine Kopie des vollständigen Betriebstagebuches ist dem Magistratischen Bezirksamt innerhalb von zwei Wochen nach durchgeführter abschließender Messung der Bodenluft zu übermitteln.

10) Die Einrichtungen zur Absaugung der Bodenluft (Bodensonden) müssen nach der letzten Kontrollmessung noch mindestens weitere drei Monate für eine allfällige weitere Messung der Bodenluft installiert bleiben und sind nach Beendigung der Bodensanierung dicht zu verschließen. Die Sonden müssen während dieser Zeit für die Vertreter der Behörde zugänglich sein.

11) Das Schadensbild, der Sanierungsplan über die Reinigung des Bodens und die Abschlußmessungen der Bodenluft sind von einer staatlichen oder staatlich autorisierten Anstalt, von einem Zivilingenieur oder von einem technischen Büro jeweils im Rahmen ihrer Befugnisse zu erstellen bzw. durchzuführen. Die Konzentrationsmessungen sind nach den anerkannten Regeln der Technik messen zu lassen. Die Meßergebnisse sind unter Angabe des Datums und der Uhrzeit der Messung oder der Probennahme, des Betriebszustandes der Anlage während der Messung oder Probennahme sowie der Meßmethode in das Betriebstagebuch einzutragen."

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 5. Mai 1992 wies der Landeshauptmann von Wien die vom Beschwerdeführer dagegen eingebrachte Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde von diesem mit Beschluß vom 30. November 1993, Zl. B 1789/93-5, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, nicht mit Maßnahmen im Sinne des § 83 GewO 1973 belastet zu werden. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes macht der Beschwerdeführer u.a. geltend, der Erlassung des angefochtenen Bescheides stehe im Hinblick auf den gegenüber der X-Gesellschaft m.b.H. erlassenen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 10. Dezember 1990 das Hindernis der entschiedenen Sache entgegen. Auch habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid ihm gegenüber in seiner Eigenschaft als Eigentümer erlassen. Der Eigentümer sei aber nicht zwingend auch Inhaber einer Sache. Im konkreten Fall seien (namentlich genannte) andere Rechtspersonen Inhaber der Liegenschaft gewesen.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Gemäß § 83 GewO 1973 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung anzuwendenden, durch die Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, unberührt gebliebenen Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988 hat, wenn Anlagen im Sinne des § 74 Abs. 2 oder Teile solcher Anlagen aufgelassen werden, der Inhaber der Anlage die zur Vermeidung einer von der aufgelassenen Anlage oder dem aufgelassenen Teil der Anlage ausgehenden Gefährdung, Belästigung, Beeinträchtigung oder nachteiligen Einwirkung im Sinne des § 74 Abs. 2 notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Er hat die Auflassung und seine Vorkehrungen anläßlich der Auflassung der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Reichen die angezeigten Vorkehrungen nicht aus, um den Schutz der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen zu gewährleisten, oder hat der Inhaber der Anlage anläßlich der Auflassung die zur Erreichung dieses Schutzes notwendigen Vorkehrungen nicht oder nicht vollständig getroffen, so hat ihm die zur Genehmigung der Anlage zuständige Behörde die notwendigen Vorkehrungen mit Bescheid aufzutragen. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der gänzlich oder teilweise aufgelassenen Anlage wird die Wirksamkeit dieses bescheidmäßigen Auftrages nicht berührt.

Nach dem klaren Wortlaut dieser Gesetzesstelle ist Normadressat sowohl für die Einhaltung der ex lege bestehenden Gebote als auch eines bescheidmäßigen Auftrages nach dieser Gesetzesstelle (jedenfalls nur) der "Inhaber" der Anlage, auf den die Tatbestandsmerkmale des § 83 GewO 1993 zutreffen. Entgegen der Rechtslage vor der Gewerberechtsnovelle 1988 kann als solcher nach der seit dieser Novelle geltenden Fassung dieser Gesetzesstelle infolge des eindeutig darauf hinweisenden Normeninhaltes aber nur jener Inhaber angesehen werden, der eine Auflassungshandlung gesetzt hat. Dies ergibt sich insbesondere auch aus dem mit der erwähnten Novelle angefügten letzten Satz. Denn nach dem Gesamtzusammenhang dieser Gesetzesstelle folgt aus der Perpetuierung der Wirksamkeit eines einmal erlassenen Bescheides nach § 83 leg. cit. auch für den Fall des Inhaberwechsels die weiter bestehende Zulässigkeit der Erlassung eines solchen Bescheides gegenüber jenem Inhaber, der eine Auflassungshandlung setzte, selbst wenn dieser zwischenzeitig die Position eines Inhabers der Betriebsanlage verlor.

Insofern betraf die im hg. Erkenntnis vom 5. November 1985, Slg. N.F. Nr. 11.932/A, ausgedrückte gegenteilige Rechtsansicht eine anders geartete Rechtslage.

Die belangte Behörde verkannte daher die Rechtslage, wenn sie dem Beschwerdeführer, ohne die die Rechtsfigur des Inhabers bestimmenden Tatbestandsmerkmale des § 83 leg. cit. zu prüfen, die in Rede stehenden Aufträge in seiner Eigenschaft "als Eigentümer" der fraglichen Liegenschaft erteilte.

Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, weshalb es sich erübrigt, auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993040257.X00

Im RIS seit

24.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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