TE Vfgh Beschluss 1991/10/17 V478/90

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Veröffentlicht am 17.10.1991
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81 Wasserrecht, Wasserbauten
81/01 Wasserrechtsgesetz 1959

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
WRG 1959 §4 Abs2 lite idF ArtI Z1 WRG-Nov 1990
WRG 1959 §4 idF ArtI Z1 WRG-Nov 1990
WRG 1959 §8 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Reitverboten mangels Legitimation; keine Einräumung von Benutzungsrechten an öffentlichem Wassergut durch das Wasserrechtsgesetz

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Antragsteller begehrt mit seinem auf Art139 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten (Individual-)Antrag mit näherer Begründung, folgende Bestimmungen der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg über Wirtschaftsbeschränkungen im Bereiche des Rheinvorlandes sowie der Rheindämme und Rheinwuhre, LGBl. 58/1988, "wegen Gesetzes- und Verfassungswidrigkeit" aufzuheben:

-

die Wendung "und Reitverbot" in der Überschrift des §1 sowie die Worte "und Reiten" in §1;

-

§2 Abs1 litc;

-

die Wendung "und Reitverbot" in §2 Abs2.

2. Die hier bedeutsamen Bestimmungen der §§1 und 2 der unter Berufung auf §48 Abs2 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. 215 (im folgenden: WRG 1959), erlassenen Verordnung haben folgenden Wortlaut:

"§1

Allgemeines Fahr- und Reitverbot

Auf den Hochwasserdämmen und den Mittelgerinnewuhren sowie im Bereiche der Vorländer (zwischen Hochwasserdamm und Mittelgerinnewuhre) des Rheines von der Illmündung bis zum Bodensee ist das Fahren und Reiten, soweit im §2 nichts anderes bestimmt ist, verboten.

§2

Ausnahmen

(1) Das Verbot nach §1 gilt nicht

...

c) für das Reiten auf den als Reitwege behördlich besonders gekennzeichneten Strecken.

(2) Durch die im Abs1 vorgesehenen Ausnahmen vom allgemeinen Fahr- und Reitverbot werden diesbezügliche Regelungen anderer Art nicht berührt."

3. Zur Antragslegitimation wird dem Sinne nach im wesentlichen folgendes vorgebracht:

Der in der Gemeinde Sulz wohnhafte Antragsteller besitze ein Reitpferd, mit dem er unter anderem im "Überschwemmungsgebiet" des Rheines ("Rheinvorland") ausreite ("Wanderreiten"). Er sei somit unmittelbarer Adressat der bekämpften Verordnungsbestimmungen, die dieses Verhalten ausdrücklich untersagen. Der Antrag sei zulässig, da dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des dadurch bewirkten aktuellen und rechtswidrigen Eingriffes in seine Rechtsposition nicht zur Verfügung stehe, zumal nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes das Provozieren eines Verwaltungsstrafverfahrens keinen zumutbaren Weg zur Herantragung von Normbedenken an den Verfassungsgerichtshof darstelle.

4. Der zur Äußerung eingeladene Landeshauptmann von Vorarlberg vertrat die Auffassung, daß dem Antragsteller die Antragslegitimation fehle, und verteidigte im übrigen die Gesetzmäßigkeit der bekämpften Verordnungsbestimmungen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzmäßigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Anfechtungsberechtigt ist also nur der Normadressat, in dessen Rechtssphäre in einer nach Art und Ausmaß im Gesetz eindeutig bestimmten Weise nicht bloß potentiell, sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit nicht zur Verfügung steht (vgl. etwa VfSlg. 8009/1977, 10511/1985, 11726/1988). Dabei ist von jenen Wirkungen der Norm auszugehen, durch die sich der Antragsteller beschwert erachtet (vgl. VfSlg. 8060/1977, 8553/1979, 8984/1980, 10883/1986).

2. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß gemäß §4 WRG 1959 (idF des ArtI Z1 der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, BGBl. 252) iVm dem Anhang A zum Wasserrechtsgesetz die von der gegenständlichen Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg erfaßten Bereiche des Rheinvorlandes, der Rheindämme und Rheinwuhre öffentliches Wassergut sind.

Der vom Antragsteller behauptete, seiner Auffassung nach durch die bekämpften Verordnungsbestimmungen bewirkte Eingriff in ein ihm "nach dem Wasserrechtsgesetz garantiertes Benützungsrecht" liegt nicht vor, weil keine ein derartiges Benützungsrecht konstituierende Rechtsnorm besteht.

Die Vorschrift des §4 Abs2 lite WRG 1959 (idF des ArtI Z1 der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990), wonach das öffentliche Wassergut unter Bedachtnahme auf den Gemeingebrauch (unter anderem) der Erholung der Bevölkerung dient, begründet kein subjektives Recht.

Nach dem - unwidersprochen gebliebenen - Vorbringen des Landeshauptmannes von Vorarlberg ist der Antragsteller mangels Einwilligung des Grundeigentümers nicht befugt, die Bereiche des öffentlichen Wassergutes, auf die sich das in Rede stehende (Fahr- und) Reitverbot erstreckt, auf die von ihm gewünschte Art zu benutzen.

Wenn es - was hier dahingestellt bleiben kann - zuträfe, daß die Benützung des (gemäß §4 Abs1 WRG 1959 zum öffentlichen Wassergut gehörenden) Hochwasserabflußgebietes (§38 WRG 1959) unter den in §8 Abs1 WRG 1959 geregelten Gemeingebrauch an öffentlichen Gewässern fällt, ergäbe sich daraus keine rechtlich geschützte Interessensphäre des Antragstellers, weil nach übereinstimmender Rechtsprechung (s. etwa VwSlg. 3521 A/1954, 5028 A/1959; vgl. auch VfSlg. 4330/1962, 5891/1969) und Lehre (s. zB Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz (1962), 50; Feil, Wasserrechtsgesetz 1959 (1987), 34 f.; Kaan, Wasserrechtsgesetz 19592 (1990), 30 f.; Rossmann, Wasserrecht (1990), 28) auf den ungehinderten Gemeingebrauch an einem öffentlichen Gewässer niemandem ein subjektives öffentliches Recht zusteht.

Das Vorliegen besonderer Umstände, die es erlauben würden, einen aktuellen Eingriff in eine rechtlich geschützte Interessensphäre anzunehmen (wie etwa in den den Erkenntnissen VfSlg. 8984/1980 und 9089/1981 zugrundeliegenden Fällen), hat der Antragsteller nicht behauptet (s. in diesem Zusammenhang etwa VfSlg. 9309/1981, 9741/1983; vgl. auch VfSlg. 10096/1984, 10302/1984).

Da keine Rechtsvorschrift dem Antragsteller eine Rechtsposition einräumt, eine solche somit durch die bekämpften Verordnungsbestimmungen nicht berührt wird, fehlt ihm die Legitimation zur Anfechtung dieser Bestimmungen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VfSlg. 8670/1979, 8757/1980, 10491/1985, 11623/1988).

3. Der Antrag ist daher mangels Legitimation des Antragstellers gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, VfGH / Individualantrag, Wasserrecht, Wasserbenutzung, Reitverbot, Rechte subjektive, Gemeingebrauch (Wasserrecht)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:V478.1990

Dokumentnummer

JFT_10088983_90V00478_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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