TE Vfgh Erkenntnis 1991/11/25 B834/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.11.1991
beobachten
merken

Index

54 Außenhandel
54/02 Außenhandelsgesetz 1984

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
AußenhandelsG §8
AVG §58 Abs2
AVG §60

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht infolge krasser Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides; Verweigerung einer Einfuhrbewilligung unter bloßer Bezugnahme auf §8 AußenhandelsG und dem behaupteten Vorliegen "wirtschaftspolitischer Gründe"; kein Begründungswert der Ausführungen des Bescheides

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft die mit S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft begehrte unter Verwendung des hiefür vorgesehenen Formblattes eine Einfuhrbewilligung für Tafeläpfel der Ernte 1991, der Sorte Granny Smith, Qualitätsklasse extra und I., in einer Menge von 10.000 kg netto.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gab diesem Antrag in "Abänderung" der begehrten Menge mit Bescheid vom 5. Juni 1991 (welcher auf dem Antragsformular ausgefertigt wurde) teilweise statt und erteilte die Bewilligung zur Einfuhr von 500 kg Äpfel.

Der Bescheid wurde wie folgt begründet:

"Die Ablehnung der über die bewilligte Menge hinausgehenden Teilmenge erfolgt aus wirtschaftspolitischen Gründen gem. §8, AHG 1984, BGBl. Nr. 184/1984."

2. Dieser Bescheid ist Gegenstand der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde, in welcher die beschwerdeführende Gesellschaft die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums rügt.

Die belangte Behörde habe "den angefochtenen Bescheid mit Ausführungen begründet, denen kein Begründungswert zukommt" und habe willkürlich gehandelt, weil sie "offensichtlich auch nicht bemüht (war), den wahren Sachverhalt zu ermitteln, ...". Weiters sei der angefochtene Bescheid nicht nach Maßgabe der im §8 Abs1 Außenhandelsgesetz 1984 genannten "übergeordneten volkswirtschaftlichen Interessen", wie z.B. die Lager- und Transportkapazität, die flächendeckende, effiziente und preisgünstige Versorgung erlassen worden, sondern unter Einschränkung durch "in der Verwaltungspraxis willkürlich festgesetzte Menge(n) für sogenannte Newcomer-Kontingente".

Im Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums sei sie insofern verletzt, als die "Kontingentsverteilungskriterien auf der Produzentenseite zusätzlich die am Markt befindlichen Anbieter gegenüber Newcomern bei der Verteilung der `Protektionsrente'" privilegieren. Diese Eigentumsbeschränkung liege "nicht mehr im Allgemeininteresse, da es sich dabei nur um die wirtschaftliche Besserstellung einzelner handelt".

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie begründend ausführt, daß

... "in wiederholten Telefonaten ... die Vorgangsweise des

Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft bei der Zuteilung

von Kontingenten dargelegt wurde" und "aus diesem Grunde ... auf

eine ausführliche schriftliche Begründung des nur zum Teil dem Begehren der Partei stattgebenden Bescheides verzichtet" wurde.

Weiters seien "in der Vergangenheit immer wieder andere Kriterien als der Vorbezug als Basis für Importkontingente diskutiert" worden. Mangels Praktikabilität der Berücksichtigung anderer Kriterien werde aber in langjähriger Verwaltungspraxis die Vorbezugsregelung angewandt.

II. Die - zulässige - Beschwerde ist berechtigt.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das Gleichheitsrecht insbesondere dadurch verletzt, daß die Behörde bei der Erlassung des Bescheides Willkür übt; dies ist ihr (u.a.) vorzuwerfen, wenn der angefochtene Bescheid wegen des gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (z.B. VfSlg. 9024/1981). Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem, ebenfalls einen Bescheid gemäß §8 Außenhandelsgesetz 1984 betreffenden Erkenntnis VfSlg. 10057/1984 dazu schon ausgesprochen, daß eine in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit eines Bescheides dann vorliegt, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen kein Begründungswert zukommt, wenn etwa eine Einfuhrbewilligung aus "handelspolitischen Gründen" verweigert wird. Ein derartiger Fall ist auch hier gegeben.

Die belangte Behörde verstieß nicht nur gegen ihre aus den §§58 Abs2, 60 AVG 1950 erfließende verfahrensrechtliche Verpflichtung, "die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen", sie unterließ es vielmehr im Bescheid schlechthin, der antragstellenden Gesellschaft gegenüber auch nur anzudeuten, in welchem Umstand das der begehrten Bewilligung entgegenstehende materielle Hindernis überhaupt liegen könnte. Die bloße Bezugnahme auf §8 des Außenhandelsgesetzes 1984 iZm dem behaupteten Vorliegen "wirtschaftspolitischer Gründe" erlaubt nämlich keinen Rückschluß auf die für die negative Entscheidung maßgeblichen Beweggründe der Behörde, weil die angeführte Gesetzesbestimmung mehrere für die Versagung der Bewilligung in Betracht kommende Tatbestände umfaßt und die dem Gesetzeswortlaut fremde Wendung "wirtschaftspolitische Gründe" keineswegs eindeutig zuordenbar ist.

Die eben aufgezeigte krasse Mangelhaftigkeit des Bescheides kann auch weder dadurch beseitigt werden, daß - wie die belangte Behörde vorbringt - "in wiederholten Telefonaten die Vorgangsweise ... dargelegt" wurde, noch dadurch, daß die belangte Behörde ihre Gründe in der Gegenschrift ausführte. Die Begründung des Bescheides muß nämlich aus diesem selbst hervorgehen.

2. Der angefochtene Bescheid war sohin wegen der Verletzung des Gleichheitsrechtes aufzuheben, sodaß es sich erübrigte, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

3. Der Kostenzuspruch stützt sich auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.500,-- enthalten.

Schlagworte

Bescheidbegründung, Außenhandel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B834.1991

Dokumentnummer

JFT_10088875_91B00834_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten