TE Vwgh Erkenntnis 1994/4/21 94/19/0185

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Veröffentlicht am 21.04.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. September 1993, Zl. 4.343.265/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste am 31. Mai 1993 in das Bundesgebiet ein und stellte am 21. Juni 1993 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am selben Tag führte er im wesentlichen aus, er habe seine Heimat wegen der politischen Situation verlassen. Sein 1991 verstorbener Vater sowie sein Onkel und er selbst seien politisch sehr aktiv gewesen; sein Vater sei Gründungsmitglied der "NRC (National Republican Convention)" gewesen. Diese Partei sei 1988 gegründet worden. Nach dem Tod des Vaters des Beschwerdeführers habe dessen Onkel die Geschäfte des Vaters übernommen und sei im November 1991 Obmann dieser Partei geworden. Im März 1993 habe es Wahlen zum Nationalkongreß gegeben. Es habe sich dabei um Wahlen gehandelt, die über richterliche Anordnung wegen Manipulation der Wahlen vom Juli 1992 wiederholt worden seien. Auch diese wiederholten Wahlen habe die "NRC" gewonnen. Die Mitglieder der "SDP (Social Democratic Party)" seien jedoch der Ansicht gewesen, daß die Wahlen wieder manipuliert gewesen wären und hätten das Ergebnis nicht anerkannt. Der Beschwerdeführer sei seit 1992 Jugendführer der "NRC" gewesen; er habe sein Büro in der Parteizentrale gehabt. Am 5. April 1993 seien 50 bis 60 Mitglieder der "SDP" in diese Parteizentrale gekommen und hätten dort randaliert. Dabei sei das Haus bis auf die Grundmauern niedergebrannt worden. Als das Haus "gestürmt" worden sei, sei der Beschwerdeführer aus dem Fenster seines im ersten Stock gelegenen Büros gesprungen. Die Eindringlinge seien mit Messern und Schlagstöcken bewaffnet gewesen. Der Beschwerdeführer sei in das etwa 2 km entfernte Haus des Obmanns geflüchtet. Bei dem Überfall seien 5 Mitglieder der Partei des Beschwerdeführers durch den Brand gestorben und viele verletzt worden. Erst nach etwa vier Stunden sei die Polizei gekommen und habe den Obmann und den Sekretär der "SDP" verhaftet. Die im Hause des Obmannes der "NRC" versammelten Mitglieder dieser Partei hätten sich gesagt, "daß wir uns rächen müßten". Sie seien zum Haus der "SDP" gegangen, das sich in der selben Straße befunden habe. Sie seien etwa 1.200 Leute gewesen. Mit mitgebrachtem Kerosin sei das Haus der "SDP" angezündet worden. Sie hätten auch Schlagstöcke mitgehabt. Er selbst habe den Leuten mittels Lautsprecher gesagt, daß sie niemanden und auch sich selbst nicht verletzen sollten. Zu diesem Zeitpunkt seien etwa "85 SDP-Anhänger" im Hause gewesen, da diese schon mit "unserer Rache" gerechnet hätten. Er könne nicht sagen, ob alle geflüchtet seien, doch habe es keine Toten gegeben. Erst nach etwa drei Stunden sei die Polizei gekommen, da die Polizeizentrale etwa 15 km entfernt gewesen sei und es keine Telefonverbindungen gegeben habe. Als die Polizei gekommen sei, habe er rechtzeitig in sein Haus flüchten können. Sechs Stunden später seien etwa "25 SDP-Anhänger" gekommen, hätten das Auto des Beschwerdeführers angezündet und seinen Hund getötet. Sie seien in die Wohnung des Beschwerdeführers eingedrungen und hätten dort teilweise die Einrichtung zerstört. Der Beschwerdeführer habe aus dem Fenster springen wollen und sei von einem Angreifer mit einem Messer an der linken Hand verletzt worden. Da die Nachbarn geschrieen hätten, hätten die Angreifer die Wohnung wieder verlassen. Der Beschwerdeführer sei zur Polizei gegangen, um dort den Vorfall zu melden, jedoch mit der Begründung inhaftiert worden, daß er als Jugendführer der "NRC" die Unruhen verursacht hätte. Er sei drei Tage inhaftiert gewesen und dabei siebenmal für ca. fünf Minuten mit Elektroschocks an den Füßen und am Geschlechtsteil mißhandelt worden. Die Haft habe vom 20. bis 25. April 1993 gedauert. Über Vorhalt, daß der Beschwerdeführer zuerst angegeben habe, nur drei Tage inhaftiert gewesen zu sein, führte der Beschwerdeführer aus, daß er das nie gesagt habe; er habe auch nie ein Datum erwähnt, gebe aber jetzt an, daß sich der geschilderte Vorfall am 19. April 1993 ereignet habe.

In der Haft sei dem Beschwerdeführer ein Schreiben des Gouverneurs gezeigt worden, in dem geschrieben gestanden habe, daß er im Gefängnis sterben solle. Der Beschwerdeführer habe sich in einer Einzelzelle befunden und sei am 25. April 1993 vom Pfarrer der St. Peter-Kirche besucht worden; dieser habe durch die Gitterstäbe der Zelle gesehen, daß die Elektroden gerade an den Füßen des Beschwerdeführers angeschlossen gewesen seien. Der Pfarrer sei in der Folge zum Obmann der "NRC" gegangen, der dem Pfarrer geraten habe, zu Gericht zu gehen. Das Gericht habe jedoch die Beschwerde abgewiesen. Am 25. April 1993, also noch am selben Tage, gegen 21.00 Uhr sei der Pfarrer gekommen, um dem Beschwerdeführer Lebensmittel zu bringen. Als die Zelle geöffnet worden sei, habe ihm der Pfarrer gedeutet, daß er davonlaufen solle. Die Polizei habe ihn daran nicht gehindert. Der Beschwerdeführer sei gleich in die Kirche St. Peter gelaufen, wohin der Pfarrer nachgekommen sei. Der Pfarrer habe ihm daraufhin gesagt, daß der Beschwerdeführer "Enugu-State" verlassen müsse. Deshalb sei der Beschwerdeführer am Morgen des 26. April 1993 mit dem Autobus nach Lagos gefahren und dort bis zum 30. Mai 1993 geblieben. In Lagos habe sich der Beschwerdeführer an den Obmann der "NRC" gewandt, der ihn in einer Kirche untergebracht habe. Dort sei er mit Essen und Gewand versorgt worden. Im Radio habe er Durchsagen gehört, daß er von der Polizei im gesamten Lande gesucht werden würde. Da sich aus seiner Studienzeit in Lagos noch sein Reisepaß dort befunden habe, sei er mit seinem Reisepaß in der Folge von Lagos am 30. Mai 1993 mit einem gültigen Visum für Österreich ausgereist. Den Reisepaß mit dem Visum habe er vom Pfarrer der Kirche, in der er versteckt gewesen sei, erhalten. Wie das Visum in den Paß gekommen sei, wisse er nicht. Solange die derzeitige Regierung an der Macht sei, wolle der Beschwerdeführer nicht in seine Heimat zurückkehren; es würde ihn dort lebenslange Haft oder die Todesstrafe erwarten, weil die Regierung davon überzeugt sei, daß der Beschwerdeführer die Unruhen verursacht habe.

Mit Bescheid vom 22. Juni 1993 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Asyl ab. In seiner Berufung gegen diesen Bescheid unternahm der Beschwerdeführer den Versuch, die ihm anläßlich seiner Ersteinvernahme vorgehaltenen, oben angeführten zeitlichen Widersprüche im wesentlichen durch Übersetzungsfehler zu erklären. Im übrigen berief er sich auf ein im Akt erliegendes, im Auftrag des Bundesasylamtes erstattetes medizinisches Sachverständigengutachten, datiert mit 8. Juli 1993. Aus diesem ergäben sich insbesondere Einzelheiten hinsichtlich der erlittenen Folterungen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Der Beschwerdeführer habe eine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes 1991 insofern nicht glaubhaft machen können, als die von ihm behaupteten Angriffe den Anhängern der gegnerischen Partei und somit Privatpersonen zuzurechnen seien, nicht aber staatlichen Behörden. Auch die Verhaftung des Beschwerdeführers sei unter dem Verdacht erfolgt, als Jugendführer der "NRC" für die Unruhen verantwortlich zu sein. Es sei daher anzunehmen, daß seine Festnahme nicht aus einem der im § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe erfolgt sei, sondern wegen des Verdachtes, sich in strafrechtlich relevanter Form an den erwähnten Vorfällen beteiligt zu haben. Überdies seien die Angaben des Beschwerdeführers über seine Verhaftung und die Folterungen aus den näher einzeln angeführten Gründen nicht glaubhaft. Selbst dann, wenn diese Folterungen jedoch dem Verfahren zugrundegelegt werden sollten, sei nicht zu erkennen, daß es sich dabei um politisch, religiös oder ethnisch motivierte, vom Staat initiierte oder geduldete Verfolgung gehandelt habe.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer nunmehr davon ausgeht, in seiner Heimat aus politischen Gründen von staatlichen Stellen willkürlich verhaftet, gefoltert und mit der Todesstrafe bedroht worden zu sein, ist dies seinen eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren nicht entnehmbar. Dort hat er nämlich vorgebracht, von der Polizei als für die Unruhen Verantwortlicher verhaftet worden zu sein. Da der Beschwerdeführer überdies ausgeführt hat, selbst aktiv am Niederbrennen des Parteilokals der "SDP" beteiligt gewesen zu sein, kann dem Schluß der belangten Behörde, seine Verhaftung sei wegen des Verdachtes erfolgt, sich in strafrechtlich relevanter Form an den Ausschreitungen beteiligt zu haben, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren kann in der Rechtsansicht der belangten Behörde, eine (insbesondere politische) Verfolgung des Beschwerdeführers durch staatliche Behörden seines Heimatlandes liege nicht vor, kein Rechtsirrtum erblickt werden. Die Versagung staatlichen Schutzes vor Angriffen der politischen Gegner hat der Beschwerdeführer gleichfalls nicht behauptet.

Soweit der Beschwerdeführer vermeint, unklare Angaben des Beschwerdeführers hätten nicht im Rahmen der Beweiswürdigung zu seinen Lasten ausgelegt werden dürfen, kann dem schon darin nicht gefolgt werden, als er es unterließ anzugeben, welche unklaren Angaben seiner Ansicht nach vorlagen und zu seinem Nachteil gewürdigt wurden.

Bei diesem Ergebnis konnte auf die beantragte Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG verzichtet werden.

Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190185.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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