TE Vwgh Erkenntnis 1994/4/26 91/08/0116

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.04.1994
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §19a;
ASVG §21 Abs1;
ASVG §22 Abs1;
ASVG §413 Abs1 Z1;
ASVG §415;
AVG §38;
AVG §39 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der H in X, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 8. Juli 1991, Zl. 5-226 Fu 91/7-91, betreffend Formalversicherung gemäß § 22 Abs. 1 ASVG (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 12. November 1990 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß die Beschwerdeführerin gemäß § 19a ASVG in der Zeit vom 21. Februar 1990 bis 20. August 1990 nicht der Berechtigung auf Selbstversicherung bei mehrfacher Beschäftigung unterlegen sei. Die Versicherungsanmeldung zum 21. Februar 1990 und die Versicherungsabmeldung zum 20. August 1990 würden daher von Amts wegen storniert. Formalversicherung gemäß § 22 Abs. 1 ASVG sei nicht eingetreten.

Nach der Begründung sei die Beschwerdeführerin seit 1. Dezember 1986 bei einer Bausparkasse als Raumpflegerin beschäftigt, wobei das ihr monatlich jeweils ausbezahlte Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreite. Seit 21. Februar 1990 sei die Beschwerdeführerin auch als Vermittlerin von Aufträgen für die von der Bausparkasse angebotenen Produkte tätig. Die von ihr aquirierten Versicherungsanträge habe sie an die Beraterin der Bausparkasse Monika O. zu richten, mit welcher sie eine unbefristete Vermittlungsvereinbarung abgeschlossen habe. Aufgrund dieses Vertrages habe Monika O. die Beschwerdeführerin als sogenannte Vermittlerin zu ihrer Unterstützung bei der Werbung und Vermittlung von Anträgen für die von der Bausparkasse jeweils angebotenen Produkte eingesetzt. Laut Vertragsbestimmungen komme weder ein Dienstverhältnis zwischen den Vertragspartnern noch zwischen der Beschwerdeführerin und der Bausparkasse zustande. Die in einem Dienstverhältnis zur Bausparkasse stehende Beraterin Monika O. sei für die Tätigkeiten der von ihr herangezogenen Vermittlerin voll verantwortlich. Die Beschwerdeführerin sei in der Gestaltung ihrer Tätigkeit unabhängig und an keine Arbeitszeit gebunden. Ihr sei weder ein bestimmtes Arbeitsgebiet noch ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen worden. Eine Berichtspflicht bezüglich ihrer Tätigkeiten bestehe nicht. Die Entlohnung erhalte sie in Form von Provisionen, sogenannten Werbeprämien, von der Werbeberaterin. Die Beschwerdeführerin habe zum 21. Februar 1990 eine Anmeldung zur Selbstversicherung bei mehrfacher Beschäftigung gemäß § 19a ASVG erstattet, wobei sie neben ihrer geringfügigen Beschäftigung als Raumpflegerin bei der Bausparkasse weiters ihre Arbeit als Werbehelferin angegeben habe. Auch dabei sei von ihr wiederum als Dienstgeber die Bausparkasse genannt worden. Die Beschwerdeführerin habe für ihre Vermittlertätigkeit nach den Abrechnungsunterlagen für März 1990 eine Provision in der Höhe von S 1.300,-- und für Juli 1990 in Höhe von S 2.856,-- erhalten. Im Zeitraum vom 21. Februar 1990 bis 20. August 1990 habe die Beschwerdeführerin somit aufgrund ihrer Tätigkeit als Vermittlerin ein Einkommen in der Höhe von S 4.156,-- erhalten. Am 21. August 1990 habe die Beschwerdeführerin eine Versicherungsabmeldung erstattet, da mit diesem Datum ihre Schutzfrist nach § 3 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes begonnen habe.

Nach Auffassung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse habe die Beschwerdeführerin ihre Vermittlertätigkeit nicht in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit durchgeführt. Ihrer Tätigkeit liege vielmehr eine gewisse Freizügigkeit zugrunde, weshalb die geforderten Merkmale der Fremdbestimmtheit der Arbeitsleistung nicht gegeben seien. Weiters mangle es überhaupt am erforderlichen Dienstgeber, da im Vermittlervertrag ausdrücklich festgehalten werde, daß weder die Bausparkasse noch Monika O. als Dienstgeber auftreten würden. Da die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Beschäftigung als Vermittlerin in der Zeit vom 21. Februar 1990 bis 20. August 1990 Dienstnehmereigenschaft nicht zukomme, könne diese Beschäftigung auch nicht im Rahmen einer Selbstversicherung bei mehrfacher Beschäftigung gemäß § 19a ASVG berücksichtigt werden.

Auch eine Formalversicherung nach § 21 Abs. 1 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 ASVG komme nicht in Frage. Es sei nämlich davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin aufgrund der von ihr unterschriebenen Vermittlervereinbarung gewußt habe, daß sie durch dieses Vertragsverhältnis nicht Dienstnehmerin der Bausparkasse werde. In dem erwähnten Vertrag werde ausdrücklich festgehalten, daß überhaupt keine Vertragsbeziehung zur Bausparkasse begründet werde. Da somit eine vorsätzlich unrichtige Anmeldung erfolgt sei, könne Formalversicherung nicht eintreten.

Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch, wobei sie im wesentlichen vorbrachte, aufgrund der abgeschlossenen Vermittlervereinbarung sei auch mit der Bausparkasse eine Vertragsbeziehung zustande gekommen, da dieser die Tätigkeit der Beschwerdeführerin zugute gekommen sei. Die Beschwerdeführerin sei unter anderem verpflichtet gewesen, für die Bausparkasse zu werben und Anträge für die von dieser angebotenen Produkte an die Beraterin zu vermitteln. Sie sei auch verpflichtet gewesen, den Weisungen Folge zu leisten. Das Vorliegen einer Weisungs- und Berichtsstruktur sei ein typisches Merkmal eines Dienstverhältnisses. Auch wenn man davon ausginge, daß zwischen der Bausparkasse und der Beschwerdeführerin keine Vertragsbeziehungen bestünden, so sei die Vermittlervereinbarung zumindest als Arbeitsvertrag mit Monika O. zu qualifizieren. Auch in diesem Fall wäre ein Anspruch auf Selbstversicherung bei mehrfacher Beschäftigung gemäß § 19a ASVG gegeben. Der Beschwerdeführerin könnten im übrigen die Rechtsfolgen der Formalversicherung nicht vorenthalten werden, zumal sie den Sachverhalt den Mitarbeitern der Außenstelle X dargelegt und den Antrag auf Selbstversicherung mit deren Hilfe abgefaßt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben und der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigt.

Nach den Ermittlungen der belangten Behörde habe die Beschwerdeführerin am 20. Februar 1990 mit Monika O. eine Vermittlervereinbarung abgeschlossen, wonach sie als Vermittlerin von Aufträgen für die von der Bausparkasse angebotenen Produkte tätig sei. Die von ihr aquirierten Vermittlungsanträge habe sie an Monika O. zu richten. Laut § 1 Z. 5 der Vertragsbedingungen komme ein Dienstverhältnis weder zwischen der Beschwerdeführerin und Monika O. noch zwischen der Beschwerdeführerin und der Bausparkasse zustande. Weiters werde in § 7 ausgeführt, daß der Vermittler nicht befugt sei, durch rechtsgeschäftliches Handeln die Bausparkasse zu verpflichten, und die Hereinbringung von Anträgen für die von der Bausparkasse jeweils angebotenen Produkte eine reine Vermittlertätigkeit sei. Abgesehen vom objektiven Erklärungswert der Vertragsbestimmungen habe die Beschwerdeführerin am 5. September 1990 zu den an sie mittels eines "Fragebogen für die Dienstnehmerin" gestellten Fragen unter anderem ausgeführt, daß ihr kein bestimmtes Arbeitsgebiet zugewiesen und ihr nicht vorgeschrieben worden sei, welche Kunden sie zu betreuen habe. Sie hätte auch keinen bestimmten Reiseweg einhalten müssen, habe kein Adressenmaterial erhalten und sei nicht verpflichtet gewesen, über ihre Tätigkeit regelmäßig zu berichten. Ihre Dienstleistung sei nicht überwacht worden. Auch sei sie nicht nach dem Angestelltengesetz angestellt gewesen. Aus all diesen Antworten sei ersichtlich, daß nicht nur kein Angestelltenverhältnis, sondern überhaupt kein Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne zustande gekommen sei. Eine allfällige Bindung an Weisungen allein sei unter den zu berücksichtigenden Beschäftigungsmerkmalen nicht ausreichend, zumal ein wichtiges Kriterium, nämlich die durch die verrichtete Tätigkeit sich ergebende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit der Beschwerdeführerin nicht gegeben sei. Die Beschwerdeführerin habe in dem angeführten Fragebogen auch angegeben, daß ihr lediglich eine Provision ausbezahlt worden sei; Reisekosten oder sonstige Spesen seien ihr nicht vergütet worden. Sie habe keine Diäten erhalten und ihr eigenes Kraftfahrzeug benützt. Nach Auffassung der belangten Behörde liege somit weder ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zur Bausparkasse noch zu Monika O. vor. Dies ergebe sich im übrigen auch aus § 1 Z. 5 der Vermittlervereinbarung. Die Beschwerdeführerin habe daher wider besseres Wissen die Bausparkasse als Dienstgeber angeführt, weshalb ihr eine bewußt unrichtige Aussage vorzuwerfen sei. Formalversicherung sei daher im Beschwerdefall nicht eingetreten.

Was den Einwand der Beschwerdeführerin anlange, sie sei von Bediensteten der Außenstelle X nicht entsprechend belehrt worden, so werde bemerkt, daß bei Vorliegen eines "Grenzfalles", das heiße, wenn die Möglichkeit einer anderen Betrachtung schon bei geringfügiger Änderung der konkreten Sachverhaltselemente bestehe, die Meldepflichtige ganz besonders verhalten sei, sich unter genauer Darlegung der einzelnen Merkmale der konkreten Beschäftigung über die Vertretbarkeit ihrer Beurteilung dieser Beschäftigung bei der Behörde und/oder einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle Gewißheit zu verschaffen. Daher genüge eine bloße Erkundigung nach der Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit einer nur durch die Bezeichnung charakterisierten Beschäftigung nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. September 1990, Zl. 90/08/0060). Dieser besonders ausführlichen Darlegung der einzelnen Momente sei die Beschwerdeführerin sicherlich nicht nachgekommen, da bei Kenntnis der komplexen Sachlage die Bediensteten der Außenstelle X, die für eine Prüfung der Versicherungspflicht bzw. Berechtigung auf Selbstversicherung bei mehrfacher Beschäftigung gar nicht zuständig seien, diesen Fall an eine kompetente Stelle in der Zentrale weitergeleitet hätten. Jedenfalls habe die Beschwerdeführerin keinesfalls annehmen können, daß die Bausparkasse ihr Dienstgeber hinsichtlich ihrer Vermittlungstätigkeit sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einem als "Gegenschrift" bezeichneten Schriftsatz lediglich auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde richtet sich gegen den Ausspruch der belangten Behörde, daß Formalversicherung bei der Beschwerdeführerin nicht eingetreten sei.

Gemäß § 21 Abs. 1 ASVG besteht, wenn ein Versicherungsträger bei einer nicht der Pflichtversicherung unterliegenden Person aufgrund der bei ihm vorbehaltlos erstatteten, nicht vorsätzlich unrichtigen Anmeldung den Bestand der Pflichtversicherung als gegeben angesehen und für den vermeintlich Pflichtversicherten drei Monate ununterbrochen die Beiträge unbeanstandet angenommen hat, ab dem Zeitpunkt, für den erstmals die Beiträge entrichtet worden sind, eine Formalversicherung.

Nach § 22 Abs. 1 ASVG gilt § 21 Abs. 1 u.a. entsprechend für den Antrag eines vermeintlich Versicherungsberechtigten auf Selbstversicherung.

Gemäß § 19a ASVG können Personen, die gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 in einem oder mehreren Beschäftigungsverhältnissen von der Vollversicherung ausgenommen sind, solange sie ihren Wohnsitz im Inland haben, der Selbstversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung hinsichtlich dieses Beschäftigungsverhältnisses (dieser Beschäftigungsverhältnisse) beitreten, wenn ihnen von mehreren Dienstgebern zusammen ein Entgelt gebührt, das die in § 5 Abs. 2 genannten Beträge übersteigt.

Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall im Rahmen ihrer Entscheidung über den Bestand der Formalversicherung vorfrageweise beurteilt, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung nach § 19a ASVG, nämlich das Vorliegen eines weiteren Beschäftigungsverhältnisses, bei der Beschwerdeführerin gegeben ist. (Daß die Beschwerdeführerin auch als Raumpflegerin bei der Bausparkasse geringfügig beschäftigt ist, ist im Beschwerdefall unbestritten.) Der Instanzenzug endet damit beim Landeshauptmann (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1980, VwSlg 10324/A).

Der Landeshauptmann war dabei an seinen, den ersten Teil des Spruches der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigenden Abspruch gebunden, wonach die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 21. Februar 1990 bis 20. August 1990 nicht gemäß § 19a ASVG der Berechtigung auf Selbstversicherung bei mehrfacher Beschäftigung unterlegen sei. Da der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides im Zeitpunkt seiner Erlassung zu beurteilen hat, hat auch der Gerichtshof davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin nicht in einem weiteren Beschäftigungsverhältnis zur Bausparkasse stand. Der Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 18. Februar 1994, wonach die Beschwerdeführerin im genannten Zeitraum in einem einheitlichen Dienstverhältnis zur Bausparkasse stand, wird erst im fortgesetzten Verfahren zu berücksichtigen sein.

Unbestritten ist, daß die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aufgrund der Anmeldung durch die Beschwerdeführerin zur Selbstversicherung nach § 19a ASVG die Beiträge unbeanstandet durch drei Monate hindurch angenommen hat. Nach § 21 Abs. 1 ASVG ist daher weiters zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin - wie die belangte Behörde annimmt - eine vorsätzlich unrichtige Anmeldung erstattet hat.

Die Beurteilung dieser Frage erfordert nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere Feststellungen über den Inhalt der Anmeldung, über die tatsächlichen, mit dem Inhalt der Anmeldung in Widerspruch stehenden Gegebenheiten und - sofern nicht schon der Widerspruch zwischen dem Meldungsinhalt und den tatsächlichen Gegebenheiten den Vorsatz in bezug auf die Erstattung einer unrichtigen Meldung klar erkennen läßt - über allfällige weitere Umstände, aus denen die vorsätzliche Erstattung einer unrichtigen Versicherungsanmeldung abgeleitet werden könnte, zumal ein allfälliger Rechtsirrtum den Vorsatz ausschlösse und selbst die Unterlassung von Erkundigungen nicht zwingend auf Vorsatz schließen ließe (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1987, VwSlg 12565/A).

Nach den Ermittlungen der belangten Behörde hat die Beschwerdeführerin am 20. Februar 1990 eine Anmeldung zur Selbstversicherung bei mehrfacher Beschäftigung gemäß § 19a ASVG erstattet und dabei als Dienstgeber für ihre Tätigkeit als Vermittlerin die Bausparkasse angegeben. Aus den Vertragsbedingungen des Vermittlungsvertrages vom 20. Februar 1990 ergäbe sich allerdings ausdrücklich, daß dieser Vertrag weder ein Dienstverhältnis im Sinne des Angestelltengesetzes zwischen der Beschwerdeführerin und Monika O. noch Vertragsbeziehungen zur Bausparkasse begründet. Die Beschwerdeführerin habe somit nach Auffassung der belangten Behörde wider besseres Wissens die Bausparkasse als Dienstgeber angeführt, weshalb ihr eine bewußt unrichtige Aussage vorwerfbar sei. Zum Einwand der Beschwerdeführerin, sie sei von Bediensteten der Außenstelle X nicht entsprechend belehrt worden, bemerkte die belangte Behörde, daß bei Vorliegen eines "Grenzfalles", d.h., wenn die Möglichkeit einer anderen Betrachtung schon bei geringfügiger Änderung der konkreten Sachverhaltselemente bestehe, die Meldepflichtige ganz besonders verhalten sei, sich unter genauer Darlegung der einzelnen Merkmale der konkreten Beschäftigung bei der Behörde und/oder einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle Gewißheit zu verschaffen; daher genüge eine bloße Erkundigung nach der Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit einer nur durch die Bezeichnung charakterisierten Beschäftigung nicht. Dieser besonders ausführlichen Darlegung der einzelnen Momente der konkreten Beschäftigung sei die Beschwerdeführerin sicherlich nicht nachgekommen, denn bei genauer Kenntnis der komplexen Sachlage hätten die Bediensteten der Außenstelle X, die für eine Prüfung der Versicherungspflicht bzw. Berechtigung auf Selbstversicherung bei mehrfacher Beschäftigung gar nicht zuständig seien, diesen Fall an die kompetente Stelle in der Zentrale weitergeleitet.

Diese Schlußfolgerungen der belangten Behörde sind durch ihre Ermittlungen allerdings nicht gedeckt. Da die Beschwerdeführerin schon in ihrem Einspruch vorgebracht hat, den Antrag auf Selbstversicherung "unter Anleitung der sachkundigen Mitarbeiter der Außenstelle X" abgefaßt zu haben, wäre es der belangten Behörde oblegen, festzustellen, was der Beschwerdeführerin - vor allem aufgrund welchen Vorbringens - gesagt worden ist. Dabei wäre insbesondere zu klären gewesen, ob die Beschwerdeführerin etwa die Vermittlungsvereinbarung vorgelegt hat. Erst danach könnte die Feststellung getroffen werden, ob die Beschwerdeführerin die einzelnen Momente ihrer Beschäftigung ausführlich dargelegt hat oder nicht.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Einhaltung der außer acht gelassenen Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Stempelgebühren konnten wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) nicht zugesprochen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991080116.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten