TE Vfgh Erkenntnis 1991/11/25 B91/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.11.1991
beobachten
merken

Index

27 Rechtspflege
27/04 Sonstiges

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
GebührenanspruchsG 1975 §3 Abs1 Z2
GebührenanspruchsG 1975 §18
StVG §44 Abs1

Leitsatz

Willkürliche Benachteiligung eines Strafgefangenen durch die Versagung einer Zeugengebühr als Entschädigung für Zeitversäumnis infolge gerichtlicher Vernehmung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Justiz) ist verpflichtet, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid vom 14. Dezember 1990 wies der Kostenbeamte des Kreisgerichtes Steyr den Antrag des Beschwerdeführers vom 24. September 1990 auf Zuerkennung einer Entschädigung für Zeitversäumnis in der Höhe von S 188,70 anläßlich seiner Vorführung als Zeuge im Strafverfahren gegen K H wegen §§15, 269 StGB als "unbegründet zurück".

Der Präsident des Kreisgerichtes Steyr gab der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde mit Bescheid vom 9. Jänner 1991 nicht statt.

Dieser Bescheid wird wie folgt begründet:

"In der Strafsache gegen K (H) wegen §§15, 269 StGB wurde der Zeuge F S mittels eines wöchentlich stattfindenden Gefangenentransportes, von der Strafvollzugsanstalt Stein in das kreisgerichtliche Gefangenenhaus Steyr überstellt, um als Zeuge bei der für den 17.9.1990, 13.30 Uhr, beim Kreisgericht Steyr stattfindenden Hauptverhandlung vernommen zu werden.

Diese Hauptverhandlung mußte jedoch abgesetzt werden, da dem Beschuldigten die Ladung zur Hauptverhandlung nicht zugestellt werden konnte. Der Zeuge F S beantragte für die im kg. Gefangenenhaus Steyr zugebrachte Zeit vom 11.9.1990, 15.10 Uhr, bis 19.9.1990, 15.00 Uhr, Zuerkennung einer Entschädigung für Zeitversäumnis für sieben Arbeitstage in Höhe von S 188,70 (ON 17).

...

Die Zurückweisung des Antrages auf Entschädigung für Zeitversäumnis durch den Kostenbeamten des Kreisgerichtes Steyr erfolgte ... zu Recht, weil nach §3 Abs2 lita) (GebAG) beim unselbständig Erwerbstätigen nur der tatsächliche Verdienstentgang zu ersetzen wäre.

F S ist Strafgefangener der Strafvollzugsanstalt Stein und erhält dort für die von ihm geleistete Arbeit, welche ihm zugeteilt werden kann, gemäß §§44 ff StVG eine Arbeitsbelohnung, jedoch keinen Lohn oder Gehalt.

    Aus den oben angeführten Gründen war daher der ... Beschwerde

... ein Erfolg zu versagen."

2. Gegen den Bescheid des Präsidenten des Kreisgerichtes Steyr wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt werden.

3. Die belangte Behörde hat die bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der begehrt wird, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Der Beschwerdeführer macht die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend, weil die belangte Behörde §3 Abs1 Z2 Gebührenanspruchsgesetz 1975 willkürlich ausgelegt habe. Eine Differenzierung zwischen Personen, die eine Arbeitsleistung in Strafhaft erbringen, zu Erwerbstätigen außerhalb von Strafanstalten sei im Gesetz nicht getroffen.

4.2. Die Beschwerde ist tatsächlich im Recht.

Die belangte Behörde hat ihren Bescheid offensichtlich auf §3 Abs1 Z2 lita Gebührenanspruchsgesetz 1975 (GebAG 1975) in der Stammfassung gestützt. Dies geht aus der Begründung des angefochtenen Bescheides deutlich hervor, weil der Wortlaut der Stammfassung "beim unselbständig Erwerbstätigen nur der tatsächliche Verdienstentgang" wiedergegeben wird und die Abweisung darauf gestützt ist, daß der Beschwerdeführer "gemäß §§44 ff StVG eine Arbeitsbelohnung, jedoch keinen Lohn oder Gehalt" für die von ihm als Strafgefangenen geleisteten Arbeiten erhalte.

§3 Abs1 Z2 des GebAG 1975 wurde mit der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989 - WGN 1989, BGBl. Nr. 343/1989 - im Zusammenhang wiedergegeben - wie folgt neu gefaßt:

"§3. (1) Die Gebühr des Zeugen umfaßt

1. den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung ... verursacht werden;

2. die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet."

Nach Z16 des ArtXLI (Inkrafttreten, Übergangsbestimmungen) ist diese Neuregelung auf alle Gebühren für eine Tätigkeit anzuwenden, die nach dem 31. Juli 1989 beendet worden ist.

Im angefochtenen Bescheid wird nun über einen Antrag auf Entschädigung für Zeitversäumnis für eine "Tätigkeit" iSd ArtXLI Z16 WGN 1989, die nach dem 31. Juli 1989 erfolgte, abgesprochen. Der Beschwerdeführer beantragte nämlich für die im Gefangenenhaus Steyr zugebrachte Zeit vom 11. September 1990 bis 19. September 1990 die Zuerkennung einer Entschädigung für Zeitversäumnis für sieben Arbeitstage.

Der Beschwerdeführer ist somit im Recht, daß das Gesetz seit der WGN 1989 allgemein einen Entschädigungsanspruch für Zeitversäumnis für einen Vermögensnachteil zusichert, soweit dieser durch die Befolgung der Zeugenpflicht erlitten wird. Dies geht auch deutlich aus §18 des GebAG 1975 idF der WGN 1989 hervor, der das Ausmaß der Entschädigung für Zeitversäumnis nach §3 Abs1 Z2 leg.cit., also für Vermögensnachteile welcher Art immer, vorsieht und begrenzt.

Auch Strafgefangene können, wie sich aus den §§44 Abs1, 51 und 54 Abs4 des Strafvollzugsgesetzes - StVG, BGBl. Nr. 144/1969, ergibt, aus einer Zeitversäumnis durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleiden. Die genannten Bestimmungen lauten:

"§44.(1) Jeder arbeitsfähige Strafgefangene ist verpflichtet, Arbeit zu leisten.

..."

"§51.(1) Der Ertrag der Arbeit fließt dem Bund zu.

(2) Strafgefangene, die eine befriedigende Arbeitsleistung erbringen, haben für die von ihnen geleistete Arbeit eine Arbeitsvergütung zu erhalten.

(3) Bei unbefriedigender Arbeitsleistung eines Strafgefangenen, die auf Bosheit, Mutwillen oder Trägheit zurückzuführen ist, ist die Arbeitsvergütung nach vorangegangener Ermahnung in einem der Leistungsminderung entsprechenden Ausmaß zu kürzen oder zu entziehen."

"§54. ...

(4) Kann der Strafgefangene ohne sein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden keine Arbeitsvergütung bekommen, so ist ihm monatlich im nachhinein ein Viertel der niedersten Arbeitsvergütung als Hausgeld gutzuschreiben."

Die belangte Behörde hat, indem sie §3 Abs1 Z2 GebAG 1975 idF der WGN 1989 einen Inhalt unterstellt hat, wie er §3 Abs1 Z2 lita GebAG 1975 in der Stammfassung zukam, weder erhoben noch berücksichtigt, welchen Vermögensnachteil der Beschwerdeführer dadurch erlitten hat, daß ihm eine Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen als Strafgefangener entgangen ist.

Daran ändert auch der Hinweis in der Gegenschrift, daß gemäß §54 Abs4 StVG, wenn der Strafgefangene ohne sein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden keine Arbeitsvergütung bekommt, ihm monatlich im nachhinein ein Viertel der niedrigsten Arbeitsvergütung als Hausgeld gutzuschreiben ist, nichts; selbst wenn nämlich ein Anwendungsfall des §54 Abs4 StVG vorläge, ist nach wie vor ein "Vermögensnachteil" evident.

Daß im gegenständlichen Fall eine Arbeitszuweisung an den Beschwerdeführer (für den vom Antrag umfaßten Zeitraum) von vornherein nicht in Betracht gekommen wäre, wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt.

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer durch gleichheitswidrige Anwendung des Gesetzes unsachlich benachteiligt.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Der Bescheid war mithin aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.500,-- enthalten.

6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren, Zeugengebühr, Gebühr Zeugen-, Strafvollzug, Arbeitsvergütung (Strafvollzug)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B91.1991

Dokumentnummer

JFT_10088875_91B00091_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten