TE Vfgh Erkenntnis 1991/11/29 G64/90

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Veröffentlicht am 29.11.1991
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Index

L3 Finanzrecht
L3704 Ankündigungsabgabe

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art91
B-VG Art116 Abs3
B-VG Art119 Abs2
Nö AnkündigungsabgabeG 1979 §12 Abs1
Nö AnkündigungsabgabeG 1979 §12 Abs3

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung des Nö AnkündigungsabgabeG 1979 wegen verfassungswidriger Übertragung der Zuständigkeit zur Durchführung von Strafamtshandlungen als Angelegenheit des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde an den Magistrat; keine Bedenken gegen die Strafdrohung im Hinblick auf Art91 B-VG und das Gleichheitsgebot

Spruch

I. §12 Abs3 zweiter Satz des Niederösterreichischen Ankündigungsabgabegesetzes 1979, LGBl. 3704-0, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Oktober 1992 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Landeshauptmann von Niederösterreich ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

II. Im übrigen wird dem Antrag keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist (zur Zl. 88/17/0143) das Verfahren über einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. August 1987 anhängig. Mit diesem Bescheid wurde der Beschwerdeführer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - in Abweisung seiner Berufung gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Krems an der Donau vom 18.9.1986 - für schuldig erkannt, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §7 VStG 1950 in Verbindung mit §7 Abs1 des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979 begangen zu haben, daß er am 12. Juli 1986 A H beauftragt habe, in Krems Flugzettel zu verteilen, ohne für diese geplante Ankündigung vor ihrer Durchführung dem Magistrat Krems schriftlich Meldung zu erstatten und die Ankündigungsabgabe zu entrichten. Über den Beschwerdeführer wurde in Anwendung des §12 Abs1 des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979 eine Geldstrafe von 100 S (Ersatzarreststrafe 6 Stunden) verhängt.

Aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens beantragt der Verwaltungsgerichtshof zur Zl. A60/90 unter Berufung auf Art140 Abs1 B-VG, §12 Abs1 und Abs3 zweiter Satz des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979, LGBl. Nr. 3704-0, als verfassungswidrig aufzuheben. Dieser Paragraph - die vom Antrag erfaßten Bestimmungen sind hervorgehoben - lautet:

"(1) Handlungen und Unterlassungen, wodurch die Ankündigungsabgabe verkürzt oder der Verkürzung ausgesetzt wird, insbesondere die Unterlassung der im §7 Abs1 vorgeschriebenen Abgabeerklärung oder eine Verletzung der Bestimmungen der §§9 und 11 werden als Verwaltungsübertretung bis zum Zwanzigfachen des Betrages bestraft, um den die Abgabe verkürzt oder der Verkürzung ausgesetzt wurde. Läßt sich das Ausmaß der Abgabeverkürzung oder -gefährdung nicht feststellen, so ist die volle Abgabeschuld der Bemessung der Strafe zugrunde zu legen. Sonstige Übertretungen der Bestimmungen dieses Gesetzes werden als Verwaltungsübertretungen mit einer Geldstrafe bis zu S 3000.- bestraft. Im Falle der Uneinbringlichkeit tritt anstelle der Geldstrafe Arrest bis zu drei Monaten.

(2) Übertretungen der von den Gemeinden erlassenen Durchführungsbestimmungen werden als Verwaltungsübertretungen mit einer Geldstrafe bis zu S 2000.- und im Nichteinbringungsfalle mit Arrest bis zu 14 Tagen bestraft.

(3) Zur Durchführung der Strafamtshandlung sind im Falle des Abs1 die Bezirksverwaltungsbehörden und im Falle des Abs2 die Bürgermeister berufen. In den Städten mit eigenem Statut ist zur Durchführung der Strafamtshandlung in beiden Fällen der Magistrat zuständig. Soferne Strafen durch die Gemeinde verhängt werden und soweit es sich nicht um Bescheide einer Statutarstadt handelt, entscheidet über Berufungen die Bezirksverwaltungsbehörde endgültig.

(4) Die Geldstrafen fließen der Gemeinde zu."

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Antrag davon aus, daß §12 Abs1 des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979 eine der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides bilde und er diese Bestimmung bei der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Gesetzmäßigkeit anzuwenden habe. Da der Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch darauf habe, daß ein gegen ihn eingeleitetes Verwaltungsstrafverfahren in allen Instanzen von den zuständigen Behörden abgeführt wird, habe der Verwaltungsgerichtshof bei der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auch die Zuständigkeitsregelung des §12 Abs3 zweiter Satz des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979 - als Strafbehörde erster Instanz sei ein Organ einer Stadt mit eigenem Statut (Kremser Stadtrecht 1977, LGBl. Nr. 1010-4) eingeschritten - anzuwenden.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken legt der antragstellende Gerichtshof wie folgt dar:

"1. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen §12 Abs1 des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979 die gleichen Bedenken, die den Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. September 1989, G6/89-15 u.a. - als Verstöße sowohl gegen die aus Art91 B-VG abzuleitenden Grundsätze als auch gegen das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot - zum Ausspruch bestimmt haben, daß §35 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963, LGBl. Nr. 11, in der Fassung der Vergnügungssteuergesetz-Novelle 1976, LGBl. Nr. 37, und der Vergnügungssteuergesetz-Novelle 1981, LGBl. Nr. 16, verfassungswidrig war. Da als Anknüpfungspunkt für die obere Grenze des Strafrahmens der Betrag, um den die Abgabe verkürzt oder Verkürzung ausgesetzt wurde, bzw. die volle Abgabeschuld vorgesehen und dieses wiederum von der Höhe des vereinbarten Entgeltes (§4 Abs1 des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979, LGBl. Nr. 3704-1) bzw. dem (insbesondere auflagenmäßigen) Umfang der hergestellten Ankündigungen (§4 Abs2 leg.cit.) abhängig sind, kann bei einem entsprechend hohen Entgelt bzw. Umfang der Ankündigungen der Strafrahmen jene Grenze überschreiten, die der Verfassungsgerichshof für die Vollziehung durch weisungsgebundene Organe in abstracto gezogen hat. Denn die Verfassungswidrigkeit einer Norm hängt nicht davon ab, ob die Umstände, die sie verfassungswidrig machen, bei der Anwendung der Norm im Anlaßfall eine Rolle gespielt haben (vgl. VfSlg. 8533/1979, 8806/1980).

2. Hinsichtlich des §12 Abs3 zweiter Satz des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979 hat der Verwaltungsgerichtshof das Bedenken, daß diese Gesetzesstelle der Vorschrift des Art119 B-VG widerspricht, die es ausschließt, daß die Besorgung der Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches durch Gesetz einem anderen Organ der Gemeinde als allein dem Bürgermeister zugewiesen wird. Die Handhabung des Verwaltungsstrafrechtes gehört nämlich nicht zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Diese Handhabung gehört, soweit sie die Gemeinde zu besorgen hat, zum übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde (Art119 Abs1 B-VG). Die Besorgung obliegt dem Bürgermeister (Art119 Abs2 B-VG). Daß der Bürgermeister gemäß Art119 Abs3 B-VG andere Organe betrauen kann, hat hier außer Betracht zu bleiben (vgl. dazu VfSlg. 6676/1972 und die dort zitierte weitere Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Der Verwaltungsgerichtshof hat das Bedenken, daß die Übertragung der Handhabung des Verwaltungsstrafrechtes ('Durchführung der Strafamtshandlung') an den Magistrat mit Art119 B-VG in Widerspruch steht. Die eigentümliche Bedeutung der Worte 'Durchführung der Strafamtshandlung' insbesondere in ihrem Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen des §12 Abs3 des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979 schließen es dabei aus, diese Worte - in verfassungskonformer Auslegung - so zu verstehen, daß der Magistrat lediglich als Hilfsorgan - nicht aber in eigenem Namen als selbständige Behörde - mit der Handhabung des Verwaltungsstrafrechtes als Besorgung einer Angelegenheit des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde betraut wäre. Im übrigen verpflichtet Art18 in Verbindung mit Art83 Abs2 B-VG den Gesetzgeber, die Behördenzuständigkeit präzis zu regeln; es ist hier ein besonders strenger Maßstab anzulegen (vgl. VfSlg. 9937/1984).

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß der Abs1 des §12 des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979 eine untrennbare Einheit darstellt. Eine derartige untrennbare Einheit des zweiten Satzes mit dem übrigen Text des §12 Abs3 des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979 sieht der Verwaltungsgerichtshof als nicht gegeben."

2. Die Niederösterreichische Landesregierung erstattete eine Äußerung mit dem Begehren, den Antrag des Verwaltungsgerichtshofs abzuweisen. Im einzelnen führte die Landesregierung aus:

"Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit:

I. Höhe der Strafe

Den vom NÖ Ankündigungsabgabegesetz 1989 vorgesehenen Strafrahmen kritisiert der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das zum Wiener Vergnügungssteuergesetz 1963 ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. September 1989, G6/89-15 u.a. Der Gerichtshof leitet aus dem Umstand, daß das NÖ Ankündigungsabgabegesetz 1979 als Anknüpfungspunkt für die obere Grenze des Strafrahmens (ebenso wie das Wiener Vergnügungssteuergesetz 1963) den Betrag, um den die Abgabe verkürzt oder der Verkürzung ausgesetzt wurde, bzw. die volle Abgabeschuld vorsieht und diese wiederum von der Höhe des zu entrichtenden Entgeltes (§4 Abs1 des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979) bzw. dem (insbesondere auflagenmäßigen) Umfang der Ankündigungen (§4 Abs2 leg.cit.) abhängig ist, die Folge ab, daß bei einem entsprechend hohen Entgelt bzw. Umfang der Ankündigungen der Strafrahmen das Gleichheitsgebot verletzen oder jene Grenze überschreiten könne, die der Verfassungsgerichtshof für die Vollziehung durch weisungsgebundene Organe in abstracto gezogen hat.

Dazu darf folgendes ausgeführt werden:

a) §4 Abs1 des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979 legt die Höhe der Abgabe für Ankündigungen, für deren Vornahme ein Entgelt entrichtet wird, für jeden angefangenen Monat mit rund 10 % des Entgeltes fest. Für Ankündigungen, die durch Lichtwirkungen hervorgebracht werden, wird die Abgabe mit S 40,-- p.m. limitiert.

Hinsichtlich gedruckter oder in anderer Art durch mechanische oder chemische Vervielfältigung hergestellter Ankündigungen sowie sonstiger Ankündigungen, für deren Anbringung oder Ausstellung ein Entgelt nicht entrichtet wird, oder bei denen sich das wahre Entgelt nicht verläßlich feststellen läßt, setzt §4 Abs2 leg.cit. die Abgabe mit 40 g/m2 und Monat fest. Für Flugzettel, Prospekte und sonstige Werbeschriften, die ein Ausmaß von 31 x 22 cm nicht übersteigen, sowie für Eintrittskarten, auf denen Ankündigungen angebracht sind, beträgt die Abgabe 2 g für jedes Blatt.

Für Ankündigungen durch Schallwirkung (§4 Abs3 leg.cit.) beträgt die Abgabe pro Tag und pro Lautsprecher S 6,--, sofern Ankündigungen nicht durch Straßen getragen oder gefahren werden. In diesem Fall bestimmt §4 Abs4 leg.cit. die Abgabe pro Träger mit S 4,-- und für jedes Fahrzeug bzw. jeden Reiter mit S 8,-- jeweils pro Tag.

b) Nach den vorliegenden Erfahrungswerten kann das Strafausmaß folgende Größenordnungen erreichen:

1. Ankündigungen gegen Entgelt (§4 Abs1 leg.cit.): Bei entgeltlichen Ankündigungen beträgt die Ankündigungsabgabe rund 10 % des Entgeltes. Die nach §12 Abs1 leg.cit. mögliche Höchststrafe (das Zwanzigfache des Abgabebetrages) kann somit im Extremfall das Doppelte des Entgeltes erreichen. Wegen des unmittelbaren Zusammenhanges mit dem für die Vornahme der Ankündigung entrichteten Entgelt besteht eine untrennbare Bindung an die Höhe des durch das konkrete Finanzvergehen bewirkten Schadens der Gemeinde. Andererseits handelt es sich bei Ankündigungen gegen Entgelt durchwegs um solche, die von Plakatierungsunternehmen vorgenommen werden. Von diesen Unternehmern die Kenntnis der mit ihrer Tätigkeit in engem Konnex stehenden (facheinschlägigen) Rechtsvorschriften zu verlangen, erscheint nicht unbillig. Da auch in anderen Ländern Ankündigungsabgaben vorgesehen sind, erscheint es gerechtfertigt, die Sorgfaltsverpflichtung strenger zu beurteilen.

Dazu darf ausgeführt werden, daß diese Strafdrohung nach den Erfahrungen der Gemeindeaufsicht durchwegs nur theoretisch besteht, da die Abgabe bei der Festlegung des Entgeltes immer berücksichtigt und auch entrichtet wird. Bei größeren Vorhaben (in der Regel ist nur bei höheren Abgabebeträgen ein wirtschaftlicher Anreiz gegeben) schließen die Abgabepflichtigen gemäß §6 leg.cit. eine Vereinbarung, deren dem Gesetz entsprechende Erfüllung ein Strafverfahren ausschließt.

Der vorgesehene Monatszeitraum hat deshalb nur eine relativ geringe Auswirkung auf das Ausmaß einer möglichen Abgabeverkürzung, da die Überwachung der Ankündigungsflächen im Hinblick darauf, daß sie die gewünschte (Werbe-)wirkung nur an frequentierten Orten ausreichend zu entfalten vermögen und andererseits wegen des relativ kleinen Gemeindegebietes gut überwacht werden. Da eine bestimmte Ankündigung in der Regel nach relativ kurzer Zeit abgenommen wird, beträgt der Zeitraum einer Abgabeverkürzung erfahrungsgemäß höchstens zwei Monate.

Zusammenfassend darf zu den Ankündigungen nach §4 Abs1 leg.cit. angesichts des von §19 der NÖ Abgabenordnung 1977, LGBl. 3400-2, gebotenen Grundsatzes, daß für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend ist, die Auffassung zum Ausdruck gebracht werden, daß die enge Bindung der Strafdrohung an das für die Ankündigung vereinbarte Entgelt bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Verletzung des aus dem Gleichheitssatz erfließenden Sachlichkeitsgebotes ausschließt.

2. Vervielfältigte Ankündigungen sowie sonstige Ankündigungen ohne Entgelt (§4 Abs2 leg.cit.):

Hier sieht das Gesetz eine Abgabe von monatlich 40 g je m2 vor. Solche Ankündigungen (z.B. Hinweise auf Veranstaltungen, Ausstellungen, Blutspenden etc.) werden durchwegs auf Ankündigungsflächen vorgenommen, deren Größe 1 m2 nicht übersteigt. In einer sehr großen NÖ Gemeinde ist die Zahl der Ankündigungsflächen mit 50 zweifellos extrem hoch angesetzt. Die monatliche Ankündigungsabgabe würde sich daraus mit S 20,-- errechnen. Solche Ankündigungen werden in der Regel wenige Wochen vor dem Ereignis angebracht, sodaß sich die gesamte Abgabenschuld mit höchstens S 20,-- bemessen würde. Das für die Bestrafung nach §12 Abs1 leg.cit. höchstmögliche Strafausmaß würde in diesem Fall den Betrag von S 400,-- erreichen.

Für Flugzettel und Werbeschriften ist eine Abgabe von 20 g je Blatt vorgesehen. Nimmt man den abgabenertragreichsten Fall, eine Ankündigung mit Flugblättern in der größten NÖ Gemeinde (Landeshauptstadt St. Pölten) an, und geht man davon aus, daß ausnahmslos für jeden Einwohner (auch Säuglinge!) ein Flugblatt vorgesehen ist, so ergibt sich bei 50.000 Flugblättern ein Abgabenbetrag von lediglich S 1.000,--. Die daraus (nur bei Vorliegen besonders gravierender Erschwerungsumstände zu verhängende) Geldstrafe würde S 20.000,-- betragen. Bei der Verteilung von Flugzetteln während einer Veranstaltung wird die höchstmögliche Abgabenschuld im wesentlichen durch zwei Komponenten begrenzt: Die Anzahl der Besucher (bzw. deren Fahrzeuge) und die Zeitdauer der Verteilung bzw. der Abgabenhinterziehung. Erfahrungsgemäß ist (bei länger dauernden Veranstaltungen) die Verteilung ohne Anmeldung höchstens während eines Tages möglich, ohne daß Gemeindeorgane einschreiten. Geht man von einer besonders hohen Besucherzahl von 10.000 Personen aus, würde sich eine Abgabenschuld von S 200,-- errechnen. Das angedrohte Strafausmaß würde S 4.000,-- betragen.

3. Die Abgaben nach §4 Abs3 und 4 leg.cit. bewegen sich in einer wesentlich geringeren Höhe, sodaß das angedrohte Strafausmaß in diesen Fällen ebenfalls als erheblich geringer anzusetzen ist.

c) Die dargestellten Strafbeträge erreichen nach Auffassung der NÖ Landesregierung kein Ausmaß, welches ein exzessives Mißverhältnis zwischen der Höhe der Strafe und dem Grad des Verschuldens bzw. dem der Gemeinschaft aus der Nichtentrichtung der Abgabe entstehenden finanziellen Nachteil begründen würde. Die Strafandrohungen erscheinen darüber hinaus nicht als für den Bestraften derart empfindlich einzustufen, daß sie dem Bereich der Schöffengerichtsbarkeit zuzuordnen wären.

Nach Auffassung der NÖ Landesregierung liegt daher hinsichtlich des §12 Abs1 des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979 weder ein Verstoß gegen das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot, noch gegen die aus Art91 B-VG abzuleitenden Grundsätze vor.

II. Übertragener Wirkungsbereich

§12 Abs3 des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes 1979 beruft in Städten mit eigenem Statut zur Durchführung aller im Gesetz vorgesehenen Strafamtshandlungen in erster Instanz den Magistrat. Der Verwaltungsgerichtshof leitet daraus im Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen dieser Norm ab, daß es in verfassungskonformer Auslegung ausgeschlossen sei, die Worte 'Durchführung der Strafamtshandlung' so zu verstehen, daß der Magistrat lediglich als Hilfsorgan - nicht aber in eigenem Namen als selbständige Behörde - mit der Handhabung des Verwaltungsstrafrechtes als Besorgung einer Angelegenheit des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde betraut wäre.

Dieses Ergebnis erscheint auch unter Bedachtnahme auf einen strengen Maßstab nicht gerechtfertigt. Vielmehr erscheint eine verfassungskonforme Interpretation möglich.

Zunächst wird die vom Verwaltungsgerichtshof dargelegte Zugehörigkeit der Aufgaben der Bezirksverwaltung in Städten mit eigenem Statut zum übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinden i. S. des Art119 Abs1 B-VG ebenso wenig in Zweifel gezogen, wie die ausschließliche Berufung des Bürgermeisters zur Vollziehung aller Bereiche des übertragenen Wirkungsbereiches. Nach Ansicht der NÖ Landesregierung sind die Regelungen des NÖ Ankündigungsabgabegesetzes einer diesen Verfassungsgeboten gerecht werdenden Interpretation durchaus zugänglich. Dazu darf vor allem hervorgehoben werden, daß das NÖ Ankündigungsabgabegesetz 1979 im §12 Abs3 den Magistrat nach dem Wortlaut des Gesetzes ausschließlich 'zur Durchführung der Strafamtshandlung' beruft. Dieser Wortlaut erscheint der vom Verfassungsgerichtshof primär gebotenen verfassungskonformen Interpretation (vgl. z.B. VfSlg. 11.576/1987) zugänglich.

Unter den Begriff 'Amtshandlung' wird die administrative Tätigkeit einer Behörde oder von der Behörde beigegebenen Einrichtungen (z.B. Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Amt der Landesregierung) verstanden (vgl. z.B. die vom Verfassungsgerichtshof zum Begriff der 'Ausübung unmittelbarer (verwaltungs-)behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt' entwickelte Judikatur; etwa VfSlg. 11.329/87, 11.535/87). In gleicher Bedeutung wird der Begriff 'Amtshandlung' in den Verwaltungsverfahrensgesetzen (EGVG, ArtV, AVG, §§7, 34, 76 bis 78) gebraucht.

Mit dem Wortlaut 'Durchführung der Strafamtshandlung' bringt der Landesgesetzgeber im NÖ Ankündigungsabgabegesetz 1979 in Ausführung des Art116 Abs3 B-VG zum Ausdruck, welche Einrichtung der Städte mit eigenem Statut mit dieser Tätigkeit betraut werden.

Dieses Verständnis unterstreicht die Verwaltungspraxis: Das im gegenständlichen Verwaltungsverfahren von der Stadt Krems an der Donau ergangene Straferkenntnis weist die Fertigungsklausel 'Für den Bürgermeister' auf. Damit kommt der Bürgermeister als das nach Art119 Abs2 B-VG bzw. §36 Abs1 des Kremser Stadtrechtes 1977, LGBl. Nr. 1010-4, berufene Organ zum Ausdruck."

3. Der Verwaltungsgerichtshof erwiderte auf die Äußerung der Niederösterreichischen Landesregierung und brachte folgendes vor:

"Den von der Niederösterreichischen Landesregierung im Lichte der Verwaltungspraxis angestellten Erwägungen kann vom Verwaltungsgerichtshof nicht entgegengetreten werden. Dies gilt insbesondere in Hinsicht auf die Dauer von Ankündigungen.

Nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes wird durch die von der Niederösterreichischen Landesregierung herangezogenen Erfahrungswerte aber nicht ausgeschlossen, daß die für die verfassungsrechtliche Beurteilung relevante Strafdrohung nach Maßgabe des Einzelfalles auch wesentlich höher liegen kann.

Insofern vertritt der Gerichtshof die Ansicht, daß eine die Abgabenverkürzung mit dem zwanzigfachen Verkürzungsbetrag verwaltungsstrafrechtlich sanktionierende Regelung im Hinblick auf die anzunehmende durchschnittliche Höhe des Verkürzungsbetrages nicht schlechthin verfassungswidrig wäre; bei einer am Ausmaß der Abgabenhinterziehung orientierten - und damit vom Einzelfall abhängigen, 'offenen' - Strafdrohung bedarf es aber jedenfalls einer (zusätzlichen) Begrenzung der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit durch die Festlegung eines absoluten Betrages."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Es ist nicht zweifelhaft, daß der Verwaltungsgerichtshof die angefochtenen Gesetzesstellen in dem bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren anzuwenden hätte. Da die übrigen Prozeßvoraussetzungen ebenfalls gegeben sind, erweist sich sein Antrag als zulässig.

2.a) Was den in Prüfung genommenen §12 Abs1 des NÖ AnkündigungsabgabeG 1979 anlangt, bleibt der Verfassungsgerichtshof auf dem in seiner bisherigen Rechtsprechung (G 6/89 ua. vom 27.9.1989, G314/89 ua. vom 1.3.1990, G32/90 vom 18.6.1990 sowie G126/90 vom 28.9.1990) eingenommenen Standpunkt, daß die aus Art91 B-VG abzuleitenden Grundsätze es (auch) dem Landesgesetzgeber bei Zutreffen bestimmter Voraussetzungen gebieten, die Zuständigkeit des Strafgerichts vorzusehen. Dies dann, wenn er sich im Hinblick auf die nach seiner Wertung gegebene hohe Sozialschädlichkeit eines Verhaltens veranlaßt sieht, zu dessen Hintanhaltung eine schwerwiegende, in den Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit fallende Strafdrohung festzulegen, wozu auch die Androhung besonders hoher Geldstrafen zählt. Die NÖ Landesregierung tut nun in ihrer Äußerung durch zahlreiche Beispiele dar, daß aus der Höhe der in Betracht kommenden Abgabenleistung durch das NÖ AnkündigungsabgabeG 1979 keine hohen Geldstrafen resultieren und daß sogar in einem fingierten Extremfall keine höhere Strafdrohung als eine Geldstrafe von 20.000 S anzunehmen ist. Der Verwaltungsgerichtshof tritt den auf die Verwaltungspraxis gegründeten Erwägungen der NÖ Landesregierung in seiner Gegenäußerung nicht entgegen; er hält es aber für nicht ausgeschlossen, daß die Strafdrohung nach Maßgabe des Einzelfalles auch wesentlich höher liegen kann und erachtet daher eine Abgrenzung der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit zumindest durch die Festlegung eines absoluten Betrages für erforderlich.

Auch der Verfassungsgerichtshof vermag der mit Beispielen belegten Argumentation der NÖ Landesregierung nicht entgegenzutreten. Im Gegensatz zum Vorbringen des Verwaltungsgerichtshofs ist der Verfassungsgerichtshof jedoch der Ansicht, daß die bloß abstrakte Annahme einer höheren Strafdrohung nicht hinreicht, die Verfassungswidrigkeit der Regelung nachzuweisen. Der Gerichtshof nimmt in diesem Zusammenhang auf sein schon zitiertes Erkenntnis G32/90 vom 18. Juni 1990 Bezug (auf dessen Begründung anscheinend auch die in Erörterung stehenden Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs abzielen), in dem (in Ansehung des als verfassungswidrig befundenen §132 des Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetzes) folgendes dargelegt ist:

"Der Verfassungsgerichtshof ist allerdings der Meinung, daß eine vorsätzliche Abgabenverkürzungen mit dem dreifachen Verkürzungsbetrag verwaltungsstrafrechtlich sanktionierende Regelung im Hinblick auf die anzunehmende durchschnittliche Höhe des Verkürzungsbetrages nicht schlechthin verfassungswidrig wäre; es bedürfte bei einer solchen am Ausmaß der Abgabenhinterziehung orientierten Strafdrohung jedoch zusätzlich einer Begrenzung der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit durch die Festlegung eines absoluten Betrages."

Die eben wiedergegebene Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofs darf aber nicht isoliert betrachtet, sondern muß im Kontext mit den Wirkungen der damals zu beurteilenden Strafvorschrift verstanden werden, welche - nach Maßgabe eines konkreten Falles - zu einer höchstzulässigen Geldstrafe von mehr als 3 Mio. S führte.

Der Gerichtshof gelangt sohin zum Ergebnis, daß die gegen §12 Abs1 des NÖ AnkündigungsabgabeG 1979 unter dem Aspekt der aus Art91 B-VG abzuleitenden Grundsätze geltend gemachten Bedenken nicht begründet sind.

b) Grundsätzlich das gleiche gilt für die unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgebotes geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken, welche sich im Hinblick auf die schon angeführte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (G 6/89 ua. vom 27.9.1989, G314/89 ua. vom 1.3.1990 und G126/90 vom 28.9.1990) nur im Fall eines - hier nicht gegebenen - extremen Mißverhältnisses zwischen dem Gewicht der strafbaren Handlung und der Sanktion als gerechtfertigt erwiesen. Ein derartiges Mißverhältnis erachtete der Gerichtshof in seiner bezogenen Vorjudikatur nämlich bloß dann als gegeben, wenn die im Gesetz für die Strafe festgelegte Obergrenze zu Strafdrohungen in einer betragsmäßigen Höhe führt, die mit den hergebrachten, der Rechtsordnung immanenten Zwecken der Verwaltungsstrafe nicht mehr vereinbar sind, sowie wenn ein extremes Mißverhältnis zwischen der Strafdrohung und dem Erfolg des Abgabendeliktes besteht; in diesem Zusammenhang nahm der Verfassungsgerichtshof auch auf die Strafzumessungsvorschriften des §19 VStG Bedacht.

3. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofs gegen den zweiten Satz im §12 Abs3 des NÖ AnkündigungsabgabeG 1979 wegen eines Verstoßes gegen Art119 B-VG hält der Verfassungsgerichtshof hingegen für berechtigt.

Der von der NÖ Landesregierung in ihrer Äußerung unternommene Versuch, die bezogene Gesetzesstelle verfassungskonform auszulegen, muß an deren völlig eindeutigen Wortlaut sowie an der klar erkennbaren legislativen Absicht scheitern. Es ist offenkundig, daß der mit dem angefochtenen zweiten Satz im §12 Abs3 verfolgte Zweck darin besteht, die im vorangehenden Satz auf zwei verschiedene Behörden, nämlich die Bezirksverwaltungsbehörde einerseits und den Bürgermeister andererseits, aufgeteilten Zuständigkeiten im Hinblick auf die besondere verfassungsmäßige Lage bei Städten mit eigenem Statut (weil sie kraft Art116 Abs3 letzter Satz B-VG neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch die Bezirksverwaltung zu besorgen haben) auf eine einzige Behörde zusammenzufassen. Daß diese Behörde (und zwar unter Bedachtnahme darauf, daß die Aufgaben der Bezirksverwaltung ihrer Natur nach bei den Statutarstädten zu den Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs gehören) der Bürgermeister der Statutarstadt ist, bedarf in Ansehung des Art119 Abs2 erster Satz B-VG (demzufolge die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs vom Bürgermeister besorgt werden) keiner weiteren Begründung und ist auch zwischen den Prozeßparteien nicht strittig. Sowohl der geschilderte verfassungsrechtliche Hintergrund als auch der gegebene enge legislative Zusammenhang zwischen den beiden Regelungen und überdies der sprachliche Konnex zwischen den unmittelbar aufeinanderfolgenden Sätzen (- siehe die auf den vorhergehenden Satz bezugnehmende Wendung "in beiden Fällen" im zweiten Satz -) sind aber Umstände, die - wenn man sie nicht isoliert wertet, sondern zusammenschauend würdigt - dermaßen ins Gewicht fallen, daß sie die Annahme ausschließen, der Wechsel in der Wortwahl ("Magistrat" statt "Bürgermeister") sei normativ letztlich bedeutungslos. Der Verfassungsgerichtshof tritt daher der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Antrag ausgebreiteten Rechtsmeinung bei. Lediglich der Vollständigkeit wegen sei noch angemerkt, daß die von der NÖ Landesregierung aus der Wendung "Durchführung der Strafamtshandlung" gezogenen Schlußfolgerungen nicht zutreffen, weil diese Wendung auch im ersten Satz des §12 Abs3 gebraucht wird.

4. Das Ergebnis zusammenfassend ist festzuhalten, daß der zweite Satz im §12 Abs3 des NÖ AnkündigungsabgabeG 1979 als verfassungswidrig aufzuheben und im übrigen dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofs keine Folge zu geben ist.

Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.

Der Ausspruch, daß frührere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.

Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.

III. Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.

Schlagworte

Ankündigungsabgaben, Finanzstrafrecht, Strafbemessung, Verwaltungsstrafrecht, Gemeinderecht, Wirkungsbereich übertragener, Statutarstadt, Bürgermeister, Magistrat, Zuständigkeit Verwaltungsstrafrecht, Behördenzuständigkeit, Zuständigkeit Finanzstrafrecht, Auslegung verfassungskonforme, Strafgerichtsbarkeit (Kernbereich), Zuständigkeit der Gerichte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:G64.1990

Dokumentnummer

JFT_10088871_90G00064_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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