TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/10 94/08/0039

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Veröffentlicht am 10.05.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §412 Abs6 idF 1993/335;
ASVGNov 51te;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
VwGG §41 Abs1 impl;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der A GmbH & CoKG in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 31. Jänner 1994, Zl. Vd-4085/1, betreffend Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse, Klara-Pölt-Weg 2, 6020 Innsbruck), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 15. Juni 1993 wurde die Beschwerdeführerin zur Zahlung nachverrechneter Beiträge in der Höhe von S 116.841,58 verpflichtet.

Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch und stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründet wurde dieser Antrag im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführerin durch die vorzeitige Vollstreckung ein nicht wiedergutzumachender Schaden erwachse und öffentliche Interessen die sofortige Vollstreckung nicht geböten. Die Beschwerdeführerin habe in den letzten beiden Jahren im neu geschaffenen Hotel "in immenser Höhe Gelder investiert... und das Gesamtbudget (der Beschwerdeführerin) sei daher naturgemäß knapp kalkuliert". Auch eine nur geringfügige Abänderung der Kalkulation könnte für die Beschwerdeführerin den finanziellen Ruin bedeuten. Mit einer Entlastung der finanziell sehr angespannten Situation sei erst ab etwa Mitte 1994 zu rechnen, weshalb durch die sofortige Bezahlung des vorgeschriebenen Betrages derzeit ein nicht wiedergutzumachender Schaden eintrete.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag keine Folge gegeben. In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde darauf, daß die Begründung des Aufschiebungsantrages auf den Wortlaut des § 412 Abs. 6 ASVG in der Fassung vor der seit 1. Juli 1993 geltenden 51. ASVG-Novelle abgestellt sei. In dieser Fassung entspreche der Antrag allerdings nicht dem von der Rechtslage her geforderten Konkretisierungsgebot. Da die Beschwerdeführerin allerdings vorbringe, daß sie in den letzten beiden Jahren im neu geschaffenen Hotel Gelder in derartiger Höhe investiert habe und das Gesamtbudget dadurch derart knapp kalkuliert sei, daß nur eine geringfügige Änderung der Kalkulation den finanziellen Ruin bedeuten könne, müsse auch nach der neuen Rechtslage die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verneint werden. Das Verhalten der Beschwerdeführerin (riskante Investitionen und Hinausschieben von gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen) könne nämlich nur als Gefährdung der Einbringlichkeit der Sozialversicherungsbeiträge im Sinne des § 412 Abs. 6 Z. 2 ASVG gewertet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin bestreitet im wesentlichen, ein Verhalten gesetzt zu haben, das auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Sozialversicherungsbeiträge gerichtet sei. Ein solches Verhalten müßte sich aus konkreten Umständen ergeben, nicht jedoch dadurch, daß ein langjährig bestehender Betrieb Investitionen tätige und dadurch in einen finanziellen Engpaß gelange. Weiters habe die Behörde nicht festgestellt, ob der Einspruch nach Lage des Falles erfolgversprechend erscheine oder nicht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 412 Abs. 6 ASVG in der Fassung der 51. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 335/1993, hat der Einspruch keine aufschiebende Wirkung; der Landeshauptmann hat jedoch dem Einspruch auf Antrag aufschiebende Wirkung dann zuzuerkennen, wenn 1. der Einspruch nach Lage des Falles erfolgversprechend erscheint oder 2. das Verhalten des Einspruchswerbers nicht auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit von Sozialversicherungsbeiträgen gerichtet ist.

Gemäß § 551 Abs. 1 ASVG ist § 412 Abs. 6 leg. cit. mit 1. Juli 1993 in Kraft getreten.

Erscheint der Einspruch nach Lage des Falles erfolgversprechend, so hat der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ein solcher Anspruch besteht auch dann, wenn das Verhalten des Einspruchswerbers - unabhängig davon, ob der Einspruch nach Lage des Falles erfolgversprechend ist - nicht auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit von Sozialversicherungsbeiträgen gerichtet ist. Erscheint der Einspruch dagegen nach Lage des Falles nicht erfolgversprechend ODER ist das Verhalten des Einspruchswerbers auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit von Sozialversicherungsbeiträgen gerichtet, so ist dem Antrag nicht stattzugeben.

Die beschwerdeführende Partei hat in ihrem am 6. Juli 1993 - also bereits während der Geltung der 51. ASVG-Novelle - gestellten Antrag im wesentlichen vorgebracht, in den letzten beiden Jahren in dem von ihr neugeschaffenen Hotel Gelder in immenser Höhe investiert zu haben, wodurch das Gesamtbudget naturgemäß knapp kalkuliert sei. Auch nur eine geringfügige Abänderung der Kalkulation könnte für die Beschwerdeführerin den finanziellen Ruin bedeuten.

Aufgrund dieses Vorbringens ging die belangte Behörde davon aus, daß die Beschwerdeführerin dadurch ein Verhalten gesetzt habe, das auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit von Sozialversicherungsbeiträgen gerichtet sei. Weshalb gerade dieses Verhalten der Beschwerdeführerin auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit von Sozialversicherungsbeiträgen GERICHTET sein solle, ist der Begründung des angefochtenen Bescheides allerdings nicht zu entnehmen. Das bloße Tätigen von Investitionen in einem solchen Ausmaß, daß dadurch ein finanzieller Engpaß entsteht, bei dem - wie die Beschwerdeführerin behauptet - schon eine geringfügige Änderung der Kalkulation den finanziellen Ruin bedeuten könnte, muß nämlich nicht in jedem Fall den zweiten Tatbestand des § 412 Abs. 6 ASVG in der Fassung der 51. Novelle darstellen.

Ein Bescheid, der unter anderem die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen nicht klar und übersichtlich zusammenfaßt, bedarf hinsichtlich des Sachverhaltes einer Ergänzung und ist daher, sofern durch diesen Mangel die Partei in der Verfolgung ihrer Rechte beeinträchtigt ist, mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 17. Jänner 1983, VwSlg. N.F. 10.943/A).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Ein Ersatz von Stempelgebühren konnte wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) nicht zuerkannt werden.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinBegründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung BegründungsmangelSachverhalt VerfahrensmängelVerfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994080039.X00

Im RIS seit

11.01.2001

Zuletzt aktualisiert am

02.07.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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