TE Vfgh Erkenntnis 1991/12/2 V16/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.12.1991
beobachten
merken

Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art148e
B-VG Art148i Abs1
Verordnung der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl vom 22.08.89. 2. Teilabänderung des Flächenwidmungsplanes Kuchl 1984 im Bereich "Brennhoflehen". "Fendlaugut", kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 28.03, bis 17.04.90
Sbg RaumOG 1977 §9 Abs2
Sbg RaumOG 1977 §18 Abs1

Leitsatz

Aufhebung einer Änderung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Kuchl betreffend die Umwidmung des "Brennhoflehens" von "Grünland" in "Bauland" mit der Nutzungsart "Gewerbegebiet" mangels Auftretens neuer Tatsachen seit Erlassung der Planungsgrundlagen bzw infolge Unterbleibens der gebotenen Grundlagenforschung als Voraussetzung für eine Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes

Spruch

Die Verordnung der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl vom 22. August 1989 betreffend die zweite Teilabänderung des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Kuchl, mit der der Bereich des "Brennhoflehens" in der Katastralgemeinde Kellau als "Bauland" mit der Nutzungsart "Gewerbegebiet" gewidmet wird, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 6. März 1990, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde Kuchl in der Zeit vom 28. März bis 17. April 1990, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Salzburger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Volksanwaltschaft stellte unter Berufung auf Art148e iVm Art148i Abs1 B-VG den Antrag auf Aufhebung der Verordnung der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl vom 22. August 1989 betreffend die zweite Teilabänderung des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Kuchl, mit der der Bereich des "Brennhoflehens" in der Katastralgemeinde Kellau als "Bauland" mit der Nutzungsart "Gewerbegebiet" gewidmet wird, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 6. März 1990, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde Kuchl in der Zeit vom 28. März bis 17. April 1990, wegen Gesetzwidrigkeit.

Nach Ansicht der Volksanwaltschaft haben die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl und die Salzburger Landesregierung als Aufsichtsbehörde unzutreffenderweise angenommen, daß die in §18 Abs1, zweiter Fall, des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 - ROG 1977, LGBl. 26, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl. 80/1989, umschriebene Voraussetzung für eine Änderung des Flächenwidmungsplanes - Änderung der Planungsgrundlagen infolge Auftretens wesentlicher neuer Tatsachen - vorliege. Bereits im Zuge der in den Jahren 1982/83 durchgeführten Erstellung des räumlichen Entwicklungskonzeptes der Marktgemeinde Kuchl, das iS des §9 Abs2 (und des §10 Abs2) ROG 1977 als Grundlage für den im Jahre 1984 erlassenen Flächenwidmungsplan gedient habe, seien die Eigentümer des "Brennhoflehens" bestrebt gewesen, die zu diesem gehörenden Grundflächen als Bauland ausweisen zu lassen, doch sei dessen ungeachtet auf Grund der Ergebnisse der Strukturuntersuchung der Gemeinde im Siedlungsleitbild des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 der Marktgemeinde Kuchl festgelegt worden, daß im Talboden größere Grünflächen in ihrem Zusammenhang ungestört der Landwirtschaft erhalten bleiben und zusätzliche Ausweisungen von Bauland nur mehr im Bereich von gut geeigneten, bereits bestehenden Siedlungsflächen erfolgen sollten. Des weiteren sei bereits im räumlichen Entwicklungskonzept 1983 hinsichtlich der Festlegung der Gewerbegebiete darauf Bedacht genommen worden, daß die Anzahl der Arbeitsplätze im Gemeindegebiet erhöht und die Ansiedlung umweltfreundlicher Betriebe verstärkt werden sollte. Zur Verwirklichung dieser Ziele seien Gewerbezonen festgelegt worden, die "noch nicht vollständig ausgeschöpft" seien, und zwar hauptsächlich deshalb, weil die preislichen Vorstellungen der Interessenten nicht mit jenen der Grundeigentümer hätten in Einklang gebracht werden können. Entgegen der Auffassung der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl vermöge der deshalb bestehende Mangel der tatsächlichen Verfügbarkeit von Grundstücken für Gewerbeansiedlungen nach den in §2 ROG 1977 umschriebenen Zielvorgaben nicht die Festlegung weiterer Gewerbegebiete zu rechtfertigen, weil dadurch eine langfristige, vorausschauende Planung, wie sie das ROG 1977 fordere, unterlaufen würde. Der Gesetzgeber habe durch §18 ROG 1977 im Interesse einer mittel- und langfristigen örtlichen Raumplanung die Möglichkeit der Änderung von Flächenwidmungsplänen bewußt eingeschränkt, sodaß nicht jede Änderung der Planungsabsichten der Gemeinde eine Widmungsänderung zu rechtfertigen vermöge.

Insgesamt gelangt die Volksanwaltschaft in diesem Punkt zur Auffassung, es habe eine seit der Erlassung des Flächenwidmungsplanes im Jahre 1984 eingetretene Änderung der Planungsgrundlagen infolge Auftretens wesentlicher neuer Tatsachen, wie sie gemäß §18 Abs1, zweiter Fall, ROG 1977 Voraussetzung für die (Zulässigkeit der) Änderung des Flächenwidmungsplanes sei, nicht nachvollziehbar festgestellt werden können.

Nach Ansicht der Volksanwaltschaft ist ferner kein wichtiger Grund iS des §18 Abs1, erster Fall, ROG 1977 zu erkennen, bei dessen Vorliegen die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl durch diese Vorschrift zu der vorgenommenen Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 - als Voraussetzung für die Zulässigkeit der beschlossenen Änderung des Flächenwidmungsplanes - ermächtigt wäre.

Das gemäß §9 Abs2 ROG 1977 als Grundlage für die Aufstellung und die Änderung des Flächenwidmungsplanes dienende räumliche Entwicklungskonzept der Gemeinde, das aus dem Wortlaut und den ergänzenden planlichen Darstellungen bestehe, habe die Ergebnisse der Strukturuntersuchung der Gemeinde und die unter Bedachtnahme darauf abgefaßten Entwicklungsziele und -maßnahmen der Gemeinde zu enthalten, die insbesondere die grundsätzlichen Aussagen zu den in §9 Abs2 lita bis g ROG 1977 angeführten Themen zu umfassen hätten. In diesem Zusammenhang sei die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl ihrer Verpflichtung, (auch) für die Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 ausreichende Entscheidungsgrundlagen zu sammeln und diese in einer nachprüfbaren Weise erkennbar zu machen (Hinweis auf VfSlg. 10711/1985), ebensowenig nachgekommen wie ihrer Verpflichtung, eigenständige Überlegungen zur Abwägung einander widerstreitender Interessen an der Widmung von Grundflächen anzustellen (Hinweis auf VfGH 30.9.1989 V6/89). Die hier von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl ins Treffen geführten Ergebnisse der Koordinationsbesprechung beim Amt der Salzburger Landesregierung am 10. April 1987 könnten nicht als Ergebnisse der gesetzlich vorgeschriebenen Strukturuntersuchung der Gemeinde angesehen werden: Diese Besprechung habe nur die Umwidmung eines Teiles der Grundflächen des "Brennhoflehens" betroffen, lediglich der Zusammenfassung der grundsätzlichen Stellungnahmen der befaßten Fachabteilungen des Amtes der Salzburger Landesregierung gedient und zudem deutlich gemacht, daß die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl noch nähere - in der Folge unterbliebene - Prüfungen und Untersuchungen durchzuführen haben werde.

Dem Gebot des §9 Abs3 ROG 1977, bei der Erstellung und der Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes in angemessener Weise die Mitwirkung der Öffentlichkeit zu ermöglichen, sei zwar formell mit der Durchführung einer Bürgerbefragung zur geplanten (Um-)Widmung als "Bauland" mit der Nutzungsart "Gewerbegebiet" entsprochen worden, doch habe dabei die vom Gesetz geforderte Erörterung des Ergebnisses der Strukturuntersuchung nicht stattfinden können, weil eine solche weder vor der Bürgerbefragung noch zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen worden sei. So seien etwa Untersuchungen über das zu erwartende Emissionspotential und die zu erwartende Entwicklung bzw. Veränderung der Verkehrsverhältnisse unterblieben.

Die der Änderung des Flächenwidmungsplanes vorangegangene Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 habe durch die Neufestlegung (lediglich) des Siedlungsleitbildes für den Bereich des "Brennhoflehens" unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Ziele des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 dessen inhaltliche Widersprüchlichkeit bewirkt. Diese Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 sei nach der Aktenlage nur erfolgt, um die zweite Teiländerung des Flächenwidmungsplanes vornehmen zu können, obwohl es gegenüber dem Zeitpunkt der Erlassung dieses Flächenwidmungsplanes im Jahre 1984 zu keiner wesentlichen Änderung des Sachverhaltes oder der Planungsgrundlagen gekommen sei. Diese Vorgangsweise begründe die Gesetzwidrigkeit des betroffenen Planungsaktes (Hinweis auf VfSlg. 9361/1982).

Die in Rede stehende Änderung des Flächenwidmungsplanes leidet nach Ansicht der Volksanwaltschaft noch an weiteren ihre Gesetzwidrigkeit bewirkenden Mängeln: Die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl habe entgegen der Vorschrift des §10 Abs1 ROG 1977 - wonach die Aufstellung (hier: die Änderung) des Flächenwidmungsplanes auf der Grundlage des räumlichen Entwicklungskonzeptes als wesentliches Instrument zu dessen Verwirklichung zu erfolgen hat - noch während der Anhängigkeit des Verfahrens zur Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983, nämlich in ihrer Sitzung am 16. Mai 1989, beschlossen, das Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplanes durch Erlassung der Kundmachung über dessen beabsichtigte Änderung (§18 Abs4 iVm §16 Abs1 ROG 1977) einzuleiten. Die Kundmachung der beabsichtigten Änderung des Flächenwidmungsplanes sei bereits am 28. Mai 1989 durch Anschlag an der Amtstafel und am 30. Mai 1989 durch Verlautbarung in der Salzburger Landeszeitung vorgenommen worden, während die Beschlußfassung über die Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 erst in der Sitzung der Gemeindevertretung vom 4. Juli 1989 stattgefunden habe. Diese Vorgangsweise sei gesetzwidrig, weil solchermaßen das räumliche Entwicklungskonzept stets im nachhinein so festgelegt werden könne, daß der Flächenwidmungsplan damit übereinstimme (Hinweis auf VfGH 23.6.1990 V150/90).

Die gegenständliche Änderung des Flächenwidmungsplanes sei ferner, wie die Volksanwaltschaft mit näherer Begründung ausführt, entgegen der Vorschrift des §10 Abs2 ROG 1977 nicht mit den Planungen der benachbarten Marktgemeinde Golling abgestimmt worden.

Schließlich sei diese Änderung des Flächenwidmungsplanes mit einem ihre Gesetzwidrigkeit bedingenden Kundmachungsmangel behaftet. Es liege nämlich eine Diskrepanz zwischen dem (weiteren) Inhalt der kundgemachten (auch den Bereich des "Fendlaugutes" umfassenden) Änderung des Flächenwidmungsplanes und dem (engeren) von der Landesregierung genehmigten (nur das Gebiet des "Brennhoflehens" betreffenden) Inhalt der Änderung des Flächenwidmungsplanes vor: Der Inhalt des zur allgemeinen Einsicht aufgelegten Flächenwidmungsplanes sei nicht in seiner Gesamtheit durch die aufsichtsbehördliche Genehmigung gedeckt, weil die Salzburger Landesregierung der Änderung des Flächenwidmungsplanes die aufsichtsbehördliche Genehmigung nur hinsichtlich des "Brennhoflehens" erteilt, hinsichtlich des "Fendlaugutes" aber versagt habe. Dies belaste die Kundmachung mit Gesetzwidrigkeit (Hinweis auf VfSlg. 7949/1976).

2. Die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl hat in einer Äußerung die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Änderung des Flächenwidmungsplanes - zusammengefaßt - mit folgenden Ausführungen verteidigt:

Im Interesse der Lösung der in der Marktgemeinde Kuchl seit der Mitte der 80er Jahre aufgetretenen Strukturprobleme hätten die zuständigen Organe der Gemeinde aus Anlaß des "Ansuchens" der Miteigentümer des "Brennhoflehens" um Umwidmung der zu diesem gehörenden Grundflächen (im Ausmaß von etwa 12 ha) von "Grünland" in "Bauland - Gewerbegebiet" eine entsprechende Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 und des Flächenwidmungsplanes (aus dem Jahre 1984) ins Auge gefaßt. In dem vom beauftragten Ortsplaner erstellten Entwurf "eines teilweise abgeänderten räumlichen Entwicklungskonzeptes der Marktgemeinde Kuchl" sei dargelegt worden, "warum und in welchem Umfang das räumliche Entwicklungskonzept im Bereich des Brennhoflehens unter Bedachtnahme auf die geänderten Strukturverhältnisse einer Änderung unterzogen werden kann". Bei einer am 21. Mai 1989 durchgeführten Bürgerbefragung hätten sich (bei einer Beteiligung von 60 % der Stimmberechtigten) mehr als 63 % der an der Befragung teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger für die beabsichtigte Umwidmung ausgesprochen. Den daraufhin von der Gemeindevertretung beschlossenen überarbeiteten Entwurf einer Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 habe die Salzburger Landesregierung im Rahmen einer Begutachtung befürwortet und festgestellt, daß er den Erfordernissen des §9 Abs2 ROG 1977 entspreche. Der nachfolgende Beschluß der Gemeindevertretung sei nicht zuletzt im Hinblick auf diese positive Begutachtung gefaßt worden. Auch die auf der Grundlage des teilweise geänderten räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 beschlossene Änderung des Flächenwidmungsplanes sei, zumal sie die Salzburger Landesregierung aufsichtsbehördlich genehmigt habe, nicht gesetzwidrig. Auch die Aufsichtsbehörde sei zu dem Ergebnis gelangt, daß ein "wichtiger Grund" iS des §18 Abs1, erster Fall, ROG 1977 bestanden habe, die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers ausreichend hinlänglich erkennbar und nachvollziehbar seien und die verfahrensrechtlichen Vorschriften eingehalten worden seien. Die schriftlichen Einwendungen der Marktgemeinde Golling seien von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl eingehend beraten und als nicht begründet befunden worden, wobei sich die Aufsichtsbehörde auch in diesem Punkt der Auffassung der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl angeschlossen habe. Im übrigen sei die (zunächst versagte) aufsichtsbehördliche Genehmigung der Änderung des Flächenwidmungsplanes hinsichtlich des "Fendlaugutes" in der Zwischenzeit erteilt worden, sodaß der von der Volksanwaltschaft erhobene Vorwurf der nicht gesetzmäßigen Kundmachung der gegenständlichen Änderung des Flächenwidmungsplanes ins Leere gehe.

3. Auch die Salzburger Landesregierung ist in einer Äußerung den von der Volksanwaltschaft vorgebrachten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Änderung des Flächenwidmungsplanes entgegengetreten, wobei sie zur Begründung ihres Standpunktes - zusammengefaßt - insbesondere folgendes ausführte:

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die vorgenommene Änderung des Flächenwidmungsplanes seien gegeben gewesen. Einerseits sei die Schaffung einer Gewerbezone mit einem Flächenausmaß von 12 ha ein iS des §18 Abs1 ROG 1977 die Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes rechtfertigender wichtiger Grund, andererseits sei das räumliche Entwicklungskonzept 1983 nicht "im Sinne einer völligen Umkehr der Entwicklungsziele" geändert worden, vielmehr seien diese beibehalten und lediglich das Siedlungsleitbild "hinsichtlich der Ausweisung für Gewerbegebiet konkretisiert" worden. Bereits das räumliche Entwicklungskonzept 1983 habe das Ziel vorgesehen, durch Ausweisung von mehr Gewerbegebiet im Flächenwidmungsplan die Voraussetzungen für die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze zu verbessern. Bei der im Jahre 1989 aktualisierten Strukturuntersuchung der Marktgemeinde Kuchl habe sich herausgestellt, daß für die dringend erforderliche Umstrukturierung der im Gebiet der Marktgemeinde Kuchl bestehenden Gewerbebetriebe keine ausreichenden Flächen zur Verfügung stünden. Bei einer Bürgerbefragung habe sich eine qualifizierte Mehrheit für die Umwidmung des Gebietes des "Brennhoflehens" in "Bauland - Gewerbegebiet" ausgesprochen. Im übrigen habe sich die Gemeindevertretung auf eine Vorbegutachtung durch die Landesregierung stützen können; daß diese nur die westliche Hälfte der Fläche des "Brennhoflehens" betroffen habe, sei nicht erheblich, weil es sich hiebei "um das eigentliche Herz- und Kernstück" dieses Areals handle. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der fachlichen Beratung der Landesregierung eröffne §16 Abs3 ROG 1977. Daß im Zeitpunkt der Vorlage des Entwurfes zur Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 an die Landesregierung zum Zweck der Vorbegutachtung das Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplanes (durch Erlassung der in §18 Abs4 (iVm §16 Abs1) ROG 1977 vorgesehenen Kundmachung der beabsichtigten Änderung des Flächenwidmungsplanes) bereits eingeleitet gewesen sei, sei ohne Einfluß auf die Gesetzmäßigkeit der Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983, weil Änderungen des räumlichen Entwicklungskonzeptes unabhängig von Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplanes vorgenommen werden können und keiner Kundmachung bedürfen. Hinsichtlich der Einwendungen der Marktgemeinde Golling wird darauf verwiesen, daß eine im Zuge des aufsichtsbehördlichen Verfahrens durchgeführte eingehende Prüfung der Möglichkeit der Ausweisung einer Gewerbezone im Gebiet dieser Gemeinde die Unrealisierbarkeit dieser Möglichkeit erwiesen habe. Der von der Volksanwaltschaft geltend gemachte Kundmachungsmangel sei mit Rücksicht darauf nicht mehr gegeben, daß in der Folge mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 20. September 1990 auch die Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich des "Fendlaugutes" aufsichtsbehördlich genehmigt worden sei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach Art148e B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof auf Antrag der Volksanwaltschaft über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundesbehörde. Gemäß Art148i Abs1 B-VG ist Art148e B-VG sinngemäß anzuwenden, sofern die Volksanwaltschaft durch Landesverfassungsgesetz auch für den Bereich der Verwaltung des betreffenden Landes für zuständig erklärt worden ist. Für den Bereich der Verwaltung des Landes Salzburg geschah dies mit dem Landesverfassungsgesetz vom 24. Oktober 1979, LGBl. 86. Der Verfassungsgerichtshof ist demnach in sinngemäßer Anwendung des Art148e B-VG zuständig, auf Antrag der Volksanwaltschaft über die Gesetzwidrigkeit einer der Verwaltung des Landes Salzburg zuzurechnenden Verordnung zu erkennen.

Der Antrag der Volksanwaltschaft auf Aufhebung der gemäß Art15 Abs1 B-VG als Verordnung (s. dazu unter II.2.) einer Landesbehörde iS des Art139 B-VG geltenden Verordnung über die Änderung des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Kuchl wegen Gesetzwidrigkeit ist somit zulässig (s. dazu etwa VfGH 30.9.1989 V6/89).

2. Der Antrag ist auch begründet.

a) Nach Art118 Abs3 Z9 B-VG fällt ua. die örtliche Raumplanung in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Demnach gehört auch die Erlassung und Änderung von Flächenwidmungsplänen als eine Angelegenheit der örtlichen Raumplanung zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (s. VfSlg. 8227/1977, 11163/1986, 11633/1988, VfGH 30.9.1989 V6/89). Der Flächenwidmungsplan (s. zB VfSlg. 7585/1975 mit Hinweisen auf Vorjudikatur, 8186/1977, 8280/1978) ist ebenso wie jede Änderung eines solchen (s. zB VfSlg. 5794/1968, 8119/1977, 9074/1981, 10377/1985) eine Rechtsverordnung iS des Art139 B-VG.

Nach §10 Abs1 ROG 1977 hat jede Gemeinde auf der Grundlage des räumlichen Entwicklungskonzeptes als wesentliches Instrument zu dessen Verwirklichung durch Verordnung einen Flächenwidmungsplan aufzustellen. Gemäß §9 Abs2 ROG 1977 dient der Gemeinde als Grundlage für die Aufstellung des Flächenwidmungsplanes und für seine Änderungen ihr räumliches Entwicklungskonzept, das aus dem Wortlaut sowie den ergänzenden planlichen Darstellungen besteht. Es enthält die Ergebnisse der Strukturuntersuchung der Gemeinde und die unter Bedachtnahme darauf abgefaßten Entwicklungsziele und -maßnahmen der Gemeinde. Diese haben insbesondere die grundsätzlichen Aussagen über die in §9 Abs2 lita bis g ROG 1977 angeführten Angelegenheiten zu umfassen. Dazu gehören ua. die Anordnung und funktionelle Gliederung des Baulandes einschließlich der Hauptversorgungs- und Hauptentsorgungseinrichtungen (§9 Abs2 lite ROG 1977).

Mit dem räumlichen Entwicklungskonzept der Gemeinde hat sich abschließend die Gemeindevertretung zu befassen (§9 Abs4 ROG 1977). Die Landesregierung hat die Gemeinden über deren Ersuchen bei der Erstellung ihres räumlichen Entwicklungskonzeptes fachlich zu beraten. Vor der abschließenden Behandlung ist der Landesregierung Gelegenheit zu einer zusammenfassenden Begutachtung zu geben (§9 Abs5 ROG 1977). Auch die Erstellung des räumlichen Entwicklungskonzeptes fällt als eine Angelegenheit der örtlichen Raumplanung (§9 Abs1 ROG 1977) in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (s. dazu auch §1 Abs3 litb ROG 1977).

Der Flächenwidmungsplan hat die geordnete Nutzung des Gemeindegebietes durch Festlegung von Nutzungsarten zu regeln (§11 Abs1 ROG 1977). Als Nutzungsart kommt unter anderem "Bauland" in Betracht (§11 Abs1 Z1 ROG 1977). Eine der Widmungen, in denen gemäß §11 Abs1 letzter Satz ROG 1977 das "Bauland" festzulegen ist, ist die Widmung "Gewerbegebiete" (§12 Abs1 Z4 ROG 1977). Gewerbegebiete sind Flächen, die vorwiegend für Betriebe dienen, die die Umgebung nicht übermäßig beeinträchtigen oder gefährden, daneben aber auch für Bauten für Erziehungs-, Bildungs- und sonstige kulturelle Zwecke, für soziale Zwecke und für Zwecke der öffentlichen Verwaltung sowie für betrieblich bedingte Wohnbauten (§12 Abs1 Z4 iVm Z2 litd ROG 1977).

Die Änderung des Flächenwidmungsplanes ist in §18 ROG 1977 geregelt. Der Flächenwidmungsplan ist zu ändern, insoweit dies durch die Erlassung oder Änderung von Entwicklungsprogrammen erforderlich geworden ist (§18 Abs2 ROG 1977). Diese Vorschrift steht im Zusammenhang mit §7 ROG 1977, wonach ua. raumbedeutsame Planungen der Gemeinden unbeschadet weitergehender gesetzlicher Bestimmungen nur im Einklang mit den Entwicklungsprogrammen (s. dazu §6 ROG 1977) gesetzt werden dürfen (zur Verbindlichkeit von Entwicklungsprogrammen s. etwa VfSlg. 11702/1988; vgl. auch VfSlg. 10471/1985). Der Flächenwidmungsplan kann geändert werden, wenn das räumliche Entwicklungskonzept aus wichtigen Gründen einer Änderung unterzogen wird (erster Fall) oder wenn sich die Planungsgrundlagen infolge Auftretens wesentlicher neuer Tatsachen geändert haben (zweiter Fall), wie zB bei Ortserweiterungen oder Erschöpfung der Baulandreserve (§18 Abs1 erster Satz ROG 1977). Eine Umwidmung von Bauland in Grünland kann im übrigen nur erfolgen, wenn ab der Baulandwidmung zumindest fünf Jahre verstrichen sind (§18 Abs1 zweiter Satz ROG 1977).

Das Gesetz verleiht dem Flächenwidmungsplan, indem es seine Änderung nur unter bestimmt umschriebenen Voraussetzungen anordnet bzw. gestattet (und dadurch dem pflichtgemäßen Ermessen des Verordnungsgebers überläßt), im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich (erhöhte) Bestandskraft (vgl. etwa VfSlg. 11990/1989). Dies kommt besonders durch die mit dem Gesetz LGBl. 87/1982 vorgenommene Einfügung der Worte "aus wichtigen Gründen" und "wesentlicher" (neuer Tatsachen) in §18 Abs1 ROG 1977 zum Ausdruck, mit der erklärtermaßen das Ziel verfolgt wurde, "die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein Flächenwidmungsplan geändert werden darf, strenger zu gestalten als bisher" (Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Verkehr und Umweltschutz, Nr. 25 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages, 4. Session der 8. Gesetzgebungsperiode). Nicht jede Änderung ihrer Planungsabsichten berechtigt daher eine Gemeinde zu einer Änderung des Flächenwidmungsplanes.

b) Die Volksanwaltschaft geht in der Begründung ihres Antrages implizit und unwidersprochen davon aus, daß die hier in Rede stehende Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht iS des §18 Abs2 ROG 1977 durch die Erlassung oder Änderung von Entwicklungsprogrammen erforderlich geworden, somit nicht nach dieser gesetzlichen Vorschrift geboten war. Gegenteiliges wurde auch weder von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl vorgebracht noch kann es den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten entnommen werden. Vielmehr ergibt sich aus der Stellungnahme der Abteilung 7 des Amtes der Salzburger Landesregierung (Referat für überregionale Raumplanung und Entwicklungsplanung) vom 30. November 1989, Zl. 7/02-1989 (ONr. 68 des einschlägigen Aktes des Amtes der Salzburger Landesregierung), daß das für den fraglichen Bereich maßgebliche Entwicklungsprogramm weder eine räumliche Festlegung von Gebieten für Betriebsanlagen noch eine der geplanten Ausweisung von Gewerbegebiet entgegenstehende Festlegung enthält. Die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl war demnach nicht gemäß §18 Abs2 ROG 1977 zur Vornahme der in Rede stehenden Änderung des Flächenwidmungsplanes verpflichtet.

c) Im Recht ist die Volksanwaltschaft mit ihrer Auffassung, daß die rechtliche Zulässigkeit der von ihr bekämpften Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht aus §18 Abs1, zweiter Fall, ROG 1977 (Änderung der Planungsgrundlagen infolge Auftretens wesentlicher neuer Tatsachen) nachvollziehbar hergeleitet werden könne. So trifft es zu, daß bereits im Zuge der in den Jahren 1982/83 durchgeführten Erstellung des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 der Marktgemeinde Kuchl, das eine der Grundlagen des hier maßgeblichen, am 6. September 1984 in Kraft getretenen (s. dazu VfSlg. 11209/1987, 23) Flächenwidmungsplanes bildete, die Miteigentümer der zum "Brennhoflehen" gehörenden Grundflächen deren Umwidmung in Bauland angestrebt hatten, dessen ungeachtet aber im Siedlungsleitbild des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 ua. festgelegt wurde, daß im Talboden größere Grünflächen in ihrem Zusammenhang ungestört der Landwirtschaft erhalten bleiben sollten. Ferner sollten nach dem in den "planungsfachlichen Erläuterungen zum Flächenwidmungsplan Kuchl" (aus dem Jahre 1984) unter Pkt. 2 dargestellten "Leitbild der räumlich-funktionellen Gliederung" Baulandausweisungen im Bereich von "zusammenhängenden Grünflächen grundsätzlich vermieden werden" und "zusammenhängende landwirtschaftlich genutzte Grünflächen ... ungestört erhalten bleiben". Im Einklang hiemit wurden im Bereich der näheren Umgebung des "Brennhoflehens" (Mitterbach) Gewerbegebiete nur der tatsächlichen Nutzung entsprechend ausgewiesen, für die zum "Brennhoflehen" gehörenden Grundflächen aber - bereits damals entgegen den Intentionen ihrer Eigentümer - in Ausübung des der Gemeindevertretung zustehenden Planungsermessens die Nutzungsart Grünland festgelegt. Im übrigen erfolgte bereits im Flächenwidmungsplan aus dem Jahre 1984 die Ausweisung der Gewerbegebiete unter Bindung an die im Siedlungsleitbild des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 umschriebenen Ziele, die Anzahl der Arbeitsplätze im Gemeindegebiet zu erhöhen und umweltfreundliche Betriebe verstärkt anzusiedeln.

Gewiß ist, soweit sich Planungen der Gemeinde im nachhinein als (überhaupt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraumes) undurchführbar erweisen, deren Änderung rechtlich nicht ausgeschlossen. Im gegebenen Fall aber bildet der Umstand, daß die im Flächenwidmungsplan aus dem Jahre 1984 als Gewerbegebiet ausgewiesenen, jedoch noch nicht entsprechend genutzten Grundflächen infolge unterschiedlicher Preisvorstellungen der Grundeigentümer und der Interessenten tatsächlich nicht für Betriebsansiedlungen verfügbar sind, keine die vorgesehene Änderung des Flächenwidmungsplanes rechtlich ermöglichende Änderung der Planungsgrundlagen. Dies gilt gleichermaßen für die Tatsache, daß für die zum "Brennhoflehen" gehörigen Grundflächen nach dem Wunsch ihrer Eigentümer und dem durch eine Bürgerbefragung ermittelten Willen eines erheblichen Teiles der Gemeindemitglieder der Marktgemeinde Kuchl die Möglichkeit einer gewerblichen Nutzung eröffnet werden soll.

Im übrigen bewirkt, wie die Volksanwaltschaft zutreffend ausführt, die von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl am 4. Juli 1989 beschlossene "Modifikation" des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983 in der Weise, daß bei im übrigen unveränderter Beibehaltung des Siedlungsleitbildes das Gebiet des "Brennhoflehens" die Funktion "geeignet für Betriebsansiedlung" erhalten (und von einem Grüngürtel umgeben sein) soll, eine inhaltliche Widersprüchlichkeit des modifizierten Siedlungsleitbildes. Insbesondere steht die vorgenommene Änderung im Gegensatz zu der unverändert gebliebenen Aussage, daß im Talboden größere Grünflächen in ihrem Zusammenhang ungestört der Landwirtschaft erhalten bleiben sollen.

d) Nach den zutreffenden Ausführungen der Volksanwaltschaft - und dem Ausweis der vorgelegten Akten - ist im gegebenen Fall auch das Vorliegen der in §18 Abs1, erster Fall, ROG 1977 umschriebenen Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Änderung des Flächenwidmungsplanes (Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes aus wichtigen Gründen) nicht ersichtlich. Wie sich aus §9 Abs2 dritter Satz ROG 1977 ergibt, hat der Erstellung des räumlichen Entwicklungskonzeptes der Gemeinde und dessen Änderung eine Strukturuntersuchung der Gemeinde voranzugehen. Daß eine solche Strukturuntersuchung vor der Beschlußfassung über die Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes durch die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl (am 4. Juli 1989) in ausreichendem Umfang stattgefunden hätte, ist weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten ersichtlich, noch wird dies im Vorbringen der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl und in der schriftlichen Äußerung der Salzburger Landesregierung im verfassungsgerichtlichen Verfahren konkret dargetan. Die von der Gemeindevertretung ins Treffen geführte Koordinationsbesprechung im Amt der Salzburger Landesregierung am 10. April 1987, deren Ergebnis der Marktgemeinde Kuchl mit Schreiben des Amtes der Salzburger Landesregierung vom gleichen Tag, Zl. 7/03-2046.1/22-1987, zur Kenntnis gebracht wurde, vermag, da sie sich lediglich auf ein bestimmtes, bloß eine Teilfläche des "Brennhoflehens" betreffendes Projekt bezog, im wesentlichen nur die Bekanntgabe des Standpunktes verschiedener Abteilungen des Amtes der Salzburger Landesregierung zum Inhalt hatte und zudem die Notwendigkeit näherer Prüfungen und Untersuchungen durch die Marktgemeinde Kuchl erkennen ließ, die Vornahme der gesetzlich vorgeschriebenen Strukturuntersuchung der Gemeinde nicht zu ersetzen. Auch die Darlegungen in der mit 26. Mai 1989 datierten "1. Modifikation des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1989" lassen ebensowenig wie der (mit Mai 1989, August 1989 datierte) Erläuterungsbericht zur

2. Teilabänderung des Flächenwidmungsplanes 1984 erkennen, daß der Beschlußfassung über diese beiden Planungsmaßnahmen eine ausreichende Strukturuntersuchung vorangegangen ist, in deren Rahmen insbesondere die von der Volksanwaltschaft vermißten Untersuchungen (zB in bezug auf Emissionspotential und Verkehrsentwicklung) angestellt wurden. Es ist somit auch nicht ersichtlich, daß für die gegenständliche Änderung des Flächenwidmungsplanes ausreichende Entscheidungsgrundlagen beschafft und in ausreichendem Maße erkennbar gemacht wurden (s. dazu die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dann, wenn - wie hier - das Gesetz die vom Verordnungsgeber zu erlassende Planungsnorm nur final, dh. im Hinblick auf bestimmte zu erreichende Planungsziele determiniert, die auf der Grundlage solcher Ermächtigungen erlassenen Planungsmaßnahmen strenge darauf hin zu prüfen sind, ob die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers in ausreichendem Maße erkennbar sind (VfSlg. 10711/1985 mit Hinweisen auf Vorjudikatur)). Das Unterbleiben der gebotenen Grundlagenforschung (s. dazu etwa VfSlg. 7585/1975, 8280/1978, 8330/1978, 9361/1982, 9823/1983, 11633/1988, 11742/1988, 11990/1989, VfGH 30.9.1989 V6/89) vor der Beschlußfassung der Gemeindevertretung über die betreffende Planungsmaßnahme belastet die am 4. Juli 1989 beschlossene Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes, aber auch die bekämpfte Änderung des Flächenwidmungsplanes mit Gesetzwidrigkeit.

Infolge des Unterbleibens der gebotenen Grundlagenforschung fehlt, wie die Volksanwaltschaft zutreffend hervorhebt, der Nachweis für das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der iS des §18 Abs1, erster Fall, ROG 1977 eine Voraussetzung für die Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes und für eine darauf aufbauende Änderung des Flächenwidmungsplanes zu bilden vermöchte. Die Absicht zur Umwidmung eines 12 ha großen - als Standort für Gewerbebetriebe faktisch verfügbaren - Gebietes in Gewerbegebiet bildet für sich allein keinen wichtigen Grund iS der angeführten Gesetzesbestimmung.

Der Volksanwaltschaft ist ferner beizupflichten, wenn sie insbesondere aus der Vorgangsweise der zuständigen Organe der Marktgemeinde Kuchl (ua. Kundmachung der beabsichtigten Änderung des Flächenwidmungsplanes durch Anschlag an der Amtstafel am 29. Mai 1989 und Verlautbarung in der Salzburger Landeszeitung am 30. Mai 1989, somit noch vor der am 4. Juli 1989 erfolgten Beschlußfassung über die Änderung des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1983) den Schluß zog, das mit der Änderung des Flächenwidmungsplanes angestrebte Ergebnis sei bereits zu einem Zeitpunkt festgestanden, in dem noch nicht einmal die formellen Voraussetzungen für dessen Änderung erfüllt gewesen seien. Schließlich ist der Volksanwaltschaft auch beizupflichten, wenn sie danach insgesamt zum Ergebnis gelangte, es sei die (teilweise) Neufassung des Siedlungsleitbildes ausschließlich zu dem Zweck vorgenommen worden, um den Flächenwidmungsplan ungeachtet dessen ändern zu können, daß sich seit seiner Erlassung die Planungsgrundlagen nicht infolge Auftretens wesentlicher neuer Tatsachen geändert hatten, die in §18 Abs1, zweiter Fall, ROG 1977 umschriebenen Voraussetzungen für die Zulässigkeit seiner Änderung demnach nicht gegeben waren.

Erst anhand der Ergebnisse der vorgeschriebenen Strukturuntersuchung wird beurteilt werden können, ob die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen für eine Änderung des Flächenwidmungsplanes durch Umwidmung von Grundflächen von "Grünland" in "Bauland" mit der Nutzungsart "Gewerbegebiet" gegeben sind und, wenn dies zutrifft, unter welchen Voraussetzungen dies allenfalls in der hier vorgesehenen Weise geschehen kann.

Nach dem Dargelegten erweist sich, daß das vor der Beschlußfassung über die angefochtene Änderung des Flächenwidmungsplanes durchgeführte Verfahren nicht zu einem Ergebnis geführt hat, aus dem das Vorliegen einer der beiden in §18 Abs1 ROG 1977 (alternativ) geforderten Voraussetzungen für eine Änderung des Flächenwidmungsplanes hergeleitet werden konnte. Schon aus diesem Grund ist die von der Volksanwaltschaft bekämpfte Änderung des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Kuchl gesetzwidrig.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren von der Volksanwaltschaft vorgetragenen Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Änderung des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Kuchl.

Die von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl in ihrer Sitzung am 22. August 1989 beschlossene Änderung des Flächenwidmungsplanes dieser Gemeinde war somit antragsgemäß insoweit als gesetzwidrig aufzuheben, als dadurch der Bereich des "Brennhoflehens" in der Katastralgemeinde Kellau als "Bauland" mit der Nutzungsart "Gewerbegebiet" gewidmet wird.

3. Die Verpflichtung der Salzburger Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung beruht auf Art139 Abs5 B-VG und auf §60 Abs2 VerfGG.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsgegenstand, Volksanwaltschaft, Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Planungsakte Verfahren (Flächenwidmungsplan)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:V16.1991

Dokumentnummer

JFT_10088798_91V00016_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten