TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/19 94/07/0045

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Veröffentlicht am 19.05.1994
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Index

L66205 Landw Bringungsrecht Güter- und Seilwege Salzburg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §7 Abs1;
GSGG §12;
GSGG §13;
GSLG Slbg §13 Abs4;
GSLG Slbg §14 Abs1;
GSLG Slbg §17 Abs1;
GSLG Slbg §18;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des H in N, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Z, gegen das Erkenntnis des Landesagrarsenates beim Amt der Salzburger Landesregierung vom 22. Oktober 1993, Zl. LAS - 136/6-1993, betreffend Abweisung einer Beschwerde gegen die Beschlüsse der Vollversammlung einer Bringungsgemeinschaft und Zurückweisung eines Feststellungsantrages (mitbeteiligte Partei:

Bringungsgemeinschaft R, vertreten durch den Obmann Hermann P in N), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeschrift und den ihr angeschlossenen Ablichtungen des Bescheides des Amtes der Salzburger Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz vom 8. Juni 1954, des Protokolles über die Vollversammlung der Weggenossenschaft R. und der Bringungsgemeinschaft K. vom 11. Juni 1991, des Bescheides des Amtes der Salzburger Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz vom 28. Juni 1993, der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers vom 29. Juli 1993, der Verhandlungsschrift über die vor der belangten Behörde stattgefundenen Verhandlung vom 22. Oktober 1993 und des angefochtenen Erkenntnisses ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Der Beschwerdeführer ist Mitglied der mit Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) vom 8. Juni 1954 gemäß § 13 des Salzburger Güter- und Seilwegegesetzes 1970 (im folgenden: GSG) gebildeten Bringungsgemeinschaft. In dem nach § 13 Abs. 2 GSG erlassenen Bescheid wurde dieser Bringungsgemeinschaft nach § 14 GSG eine Satzung verliehen, die u.a. folgende Bestimmungen enthält:

"§ 6. Zur Besorgung der Genossenschaftsangelegenheiten bestehen folgende Organe und zwar

1.

die Vollversammlung der Genossenschaftsmitglieder,

2.

der Genossenschaftsvorstand, bestehend aus dem Obmann, Obmann-Stellvertreter und drei weiteren Mitgliedern (Fünferausschuß),

              3.              die Rechnungsprüfer.

Als ständiges Vorstandsmitglied fungiert der jeweilige Forstmeister der Forstverwaltung Wald der Österreichischen Bundesforste.

...

§ 7. Vollversammlung

Die ordentliche Vollversammlung findet alljährlich im März statt.

Eine außerordentliche Vollversammlung ist nach Bedarf einzuberufen oder wenn es die Aufsichtsbehörde anordnet.

§ 8. Die Einberufung der ordentlichen und außerordentlichen Vollversammlung erfolgt durch den Vorstand mit schriftlicher Verständigung der Genossenschaftsmitglieder.

In dieser Verständigung, die wenigstens acht Tage vor der Abhaltung der Vollversammlung den Genossenschaftsmitgliedern zuzustellen ist, sind Tag, Stunde und Ort der Vollversammlung sowie die zur Verhandlung und Beschlußfassung kommenden Gegenstände unter möglichst bestimmter Bezeichnung anzuführen.

In Fällen besonderer Dringlichkeit kann diese Frist abgekürzt werden.

§ 9. Den Vorsitz in der Vollversammlung führt der Obmann der Genossenschaft, in seiner Verhinderung der Obmann-Stellvertreter.

Der Vorsitzende bestimmt die Reihung der zu verhandelnden Gegenstände, leitet die Verhandlungen und die Abstimmungen.

...

§ 11. In der Vollversammlung der Genossenschaft hat jedes Mitglied so viele Stimmen, als es Beitragseinheiten zu leisten hat. Die Vollversammlung faßt ihre Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit. Beschlüsse auf Änderung der Satzung bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde.

Die Genossenschaftsmitglieder können ihr Stimmrecht auch durch schriftlich Bevollmächtigte ausüben. Nicht eigenberechtigte und juristische Personen werden ohne besondere Vollmacht durch ihren gesetzlichen oder satzungsmäßigen Vertreter vertreten. Der Ehemann gilt auch ohne schriftliche Vollmacht als Vertreter der Ehefrau, solange sie diese gesetzliche Vertretungsbefugnis nicht widerruft.

...

§ 12. Die Vollversammlung ist beschlußfähig, wenn wenigstens ein Drittel der Gesamtstimmen aller Genossenschaftsmitglieder vertreten ist.

...

Über die Verhandlungen der Vollversammlung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die vom Vorsitzenden und vom Schriftführer zu fertigen ist. Der Niederschrift ist ein Verzeichnis der anwesenden und vertretenen Genossenschaftsmitglieder beizufügen. In die Niederschrift sind sämtliche Anträge, Beschlüsse und sonstigen Ergebnisse der Verhandlung aufzunehmen.

...

§ 17. Aufsichtsbehörde und Beschwerderecht

Aufsichtsbehörde über den Bau und die Erhaltung des Güterweges, die Einhaltung und Abänderung der Satzung ist das Amt der Landesregierung Salzburg als Agrarbehörde.

Alle aus dem Genossenschaftsverhältnis entspringenden Streitigkeiten zwischen Mitgliedern untereinander oder zwischen Mitgliedern und der Genossenschaft werden durch diese Behörde entschieden.

Beschwerden gegen Beschlüsse der Vollversammlung und gegen Verfügungen des Vorstandes sind binnen einem Monat nach diesem Ereignis bei sonstigem Verfall des Beschwerderechtes bei der Aufsichtsbehörde vorzubringen. War das Mitglied zur Vollversammlung nicht satzungsgemäß geladen, dann beginnt diese Frist erst nach erwiesener Kenntnis des angefochtenen Beschlusses, endet aber jedenfalls spätestens ein Jahr nach der Beschlußfassung."

Nach dem Inhalt des über die außerordentliche Vollversammlung der mitbeteiligten Weggenossenschaft vom 11. Juni 1991 aufgenommenen Protokolls bat der Obmann der Bringungsgemeinschaft Mag. X. als den erschienenen Vertreter der AB um die Feststellung der Beschlußfähigkeit der Weggenossenschaft. Diese Beschlußfähigkeit wurde nach den Bestimmungen der Satzung für gegeben erachtet, weil von 100,5 Gesamtanteilen 79,0 Anteile anwesend seien. Die vom Vertreter der AB gestellte Fage nach Rechtzeitigkeit und Ordnungsgemäßheit der Ladung zur Vollversammlung wurde von allen anwesenden Genossenschaftsmitgliedern mit Ausnahme des für seinen Vater mit schriftlicher Vollmacht einschreitenden Sohnes des Beschwerdeführers bejaht. Über die nach dem Inhalt der Einladung zur Beschlußfassung vorgesehenen Tagesordnungspunkte 3 bis 5 wurde abgestimmt, wobei der zu Tagesordnungspunkt 3 zur Abstimmung gebrachte Vorschlag der Stellung eines Antrages an die Gemeinde auf Übernahme eines Teilstückes des Güterweges als Gemeindestraße im Stimmenverhältnis von 76,5 gegen die Stimmen des Vertreters des Beschwerdeführers und eines weiteren Genossenschaftsmitgliedes im Anteilsumfang von 2,5, der als Tagesordnungspunkt 4 zur Abstimmung gebrachte Vorschlag des weiteren Bestandes der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers am verbleibenden Güterweg auch nach Übernahme eines Teilstückes durch die Gemeinde als Gemeindestraße im Stimmenverhältnis von 78,5 gegen die Stimme des Vertreters des Beschwerdeführers mit 0,5 Anteilen angenommen, der zu Tagesordnungspunkt 5 zur Abstimmung gebrachte Vorschlag über die Einräumung eines unbeschränkten, unentgeltlichen und immerwährenden Geh- und Fahrtrechtes auf dem verbleibenden Güterweg für den Beschwerdeführer hingegen im Stimmenverhältnis von 78,5 gegen die Stimme des Vertreters des Beschwerdeführers mit 0,5 Anteilen abgelehnt wurde.

Mit Bescheid vom 28. Juni 1993 wies die AB die vom Beschwerdeführer gegen "die Vollversammlung bzw. die von der Vollversammlung in ihrer Sitzung vom 11. Juni 1991 gefaßten Beschlüsse" erhobene Beschwerde ab und einen vom Beschwerdeführer gleichzeitig gestellten Antrag, wonach die AB als Aufsichtsbehörde vorweg eine die mitbeteiligte Weggenossenschaft bindende Feststellung treffen möge, daß eine Übertragung von Teilflächen der Weggenossenschaft an die Gemeinde nur bei ausdrücklicher Aufrechterhaltung und grundbücherlicher Absicherung der vorgenannten Rechte der Genossenschaft, insbesondere jener des Beschwerdeführers, möglich sei, zurück. Die Einladung zur Vollversammlung der Weggenossenschaft sei satzungsgemäß erfolgt. Schon in einer agrarbehördlichen Verhandlung vom 4. Dezember 1990 seien in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Sohnes und seines Rechtsanwaltes jene Punkte ausgearbeitet und formuliert worden, welche der Genossenschaft zur Beschlußfassung vorgelegt werden sollten. Sowohl dem Beschwerdeführer als auch seinem Rechtsanwalt sei von vornherein klar gewesen, über welche Punkte in der nächsten Vollversammlung abgestimmt werden solle. Daß sich der Beschwerdeführer bei zwei Zustellversuchen durch den Obmann-Stellvertreter und einen Begleiter geweigert habe, den Empfang der Einladung zur Vollversammlung vom 11. Juni 1991 schriftlich zu bestätigen, sei umso unverständlicher, wenn man bedenke, daß die außerordentliche Vollversammlung ausschließlich zum Zwecke der Abstimmung über die vom Beschwerdeführer und seinem Rechtsanwalt geforderten Punkte einberufen worden sei. Es sehe die Satzung der Weggenossenschaft eine Zustellung im Postwege nicht zwingend vor, weshalb die persönliche Zustellung der Einladungen durch Mitglieder der Weggenossenschaft nicht unzulässig, sondern vielmehr kostengünstig und vorteilhaft sei. Die gegen die in der Vollversammlung vom 11. Juni 1991 gefaßten Beschlüsse erhobene Beschwerde sei demnach unberechtigt. Der vom Beschwerdeführer gleichzeitig gestellte Feststellungsantrag sei unzulässig, da die zum Gegenstand seines Feststellungsbegehrens gemachte Frage ohnehin im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens entschieden werden könne.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer den Zugang der Einladung zur Vollversammlung vom 11. Juni 1991 und rügte, daß der den bekämpften Bescheid der AB unterzeichnende Bedienstete der AB jener gewesen sei, welcher an der außerordentlichen Vollversammlung teilgenommen, deren Beschlußfähigkeit festgestellt und auch die Abstimmung durchgeführt habe; dies widerspreche der Satzung und nehme dem Beschwerdeführer ebenso wie der Weggenossenschaft das behördliche Aufsichtsrecht, zumal bekannt sei, daß zwischen der Familie des Beschwerdeführers und diesem Bediensteten der AB eine gewisses Animosität bestehe. Dieser gehe ganz offensichtlich nicht mit der gebotenen Objektivität an die Lösung anhängiger Probleme heran. Ferner machte der Beschwerdeführer geltend, daß die Einladung zur Vollversammlung die Unterschrift des zuständigen Forstmeisters nicht, dafür aber eine fünfte Unterschrift aufweise, welche zwangsläufig nur von einer zur Unterfertigung der Einladung nicht befugten Person stammen könne. Für die Vollversammlung liege keine Anwesenheitsliste vor; bei deren Vorliegen würde zum Vorschein kommen, daß einige Personen vollmachtslos für andere abgestimmt hätten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 1 AgrVG 1950 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG, § 18 GSG und den §§ 8, 9, 11, 12 und 17 der Satzung der mitbeteiligten Weggenossenschaft als unbegründet ab, wobei sie ein der AB in der Fassung ihres den Feststellungsantrag des Beschwerdeführers zurückweisenden Bescheidspruches unterlaufenes Schreibversehen richtig stellte. In der Begründung traf die belangte Behörde in Würdigung der Aussagen der von der AB und von ihr als Zeugen vernommenen Personen die Feststellung, daß der Beschwerdeführer von zwei Genossenschaftsmitgliedern am 2. Juni 1991 in einem Taxibus angetroffen worden sei. Bei dieser Gelegenheit sei dem Beschwerdeführer die Ladung zur Vollversammlung durch das Autofenster überreicht und von diesem angenommen worden. Nach der Bitte um Bestätigung der Zustellung habe allerdings die Tochter des Beschwerdeführers die ihrem Vater zuvor entrissene Ladung wieder in das Auto der Genossenschaftsmitglieder zurückgeworfen. Dessenungeachtet sei der Beschwerdeführer von den Genossenschaftsmitgliedern ausdrücklich mündlich auf das Datum, den Ort und die Tagesordnungspunkte der Vollversammlung hingewiesen worden. Rechtlich folgerte die belangte Behörde daraus auf eine gültige Zustellung der Ladung im Sinne des § 8 der Satzungen der Weggenossenschaft. Wie der Adressat mit der von ihm übernommenen Ladung verfahre, ob er sie ungelesen wegwerfe oder ins Auto der Übergeber zurückwerfe, sei seine Angelegenheit, sodaß die daraus entstehenden Folgen ausschließlich zu seinen Lasten gingen. Dem Fehlen der Unterschrift des Beschwerdeführers auf der Zustelliste komme demnach keine Bedeutung zu. Auf Zustellungen gemäß § 8 der Satzungen der Bringungsgemeinschaft sei im übrigen das Zustellgesetz nicht anzuwenden, sodaß auch die Zustellung nicht durch Organe der Post erfolgen müsse. Zu den weiteren Argumenten der Berufung führte die belangte Behörde im angefochtenen Erkenntnis begründend aus, daß sich die Mitwirkung des Vertreters der AB bei der Vollversammlung auf Hilfeleistungen jeweils über Ersuchen des Obmannes beschränkt habe, was den Satzungen nicht widerspreche. Konkrete Umstände für die vom Beschwerdeführer behauptete mangelnde Objektivität des erstbehördlichen Sachbearbeiters seien in der Berufung nicht angeführt worden. Die Mitwirkung des Bediensteten der AB bei der Vollversammlung stelle nach Auffassung der belangten Behörde einen Befangenheitsgrund nicht dar; gegebenenfalls wäre ein solcher Mangel durch das Berufungsverfahren als saniert anzusehen. In welchen Rechten der Beschwerdeführer oder die übrigen Genossenschaftsmitglieder dadurch verletzt sein könnten, daß es nicht gelungen sei, rechtzeitig auch die Unterschrift des zuständigen Forstmeisters unter die Einladung zur Vollversammlung zu erlangen, sei nicht einsichtig. Der Schutzzweck dieser Satzungsbestimmung bestünde in der Hintanhaltung einer Beeinträchtigung der Rechte des durch den Forstmeister vertretenen Wirtschaftskörpers; dieser sei bei der Vollversammlung vertreten gewesen. Die vom Beschwerdeführer vermißte Anwesenheitsliste für die Vollversammlung vom 11. Juni 1991 liege tatsächlich vor, sie sei in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde mit dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers auch erörtert worden. Dieser habe dabei ins Treffen geführt, daß Richard Sch. als Sohn des Berechtigten ohne schriftliche Vollmacht abgestimmt habe. Richard Sch. sei mit 0,5 Anteilen vertreten gewesen. Die Zweifelhaftigkeit der Vertretungsbefugnis dieses Abstimmenden aber könne am Gesamtergebnis der Abstimmungen zu den Tagesordnungspunkten der Vollversammlung vom 11. Juni 1991 nichts ändern, da diese Beschlüsse jeweils mit einer derart überwiegenden Mehrheit der anwesenden Anteile gefaßt worden seien, daß auch bei Abzug von 0,5 Anteilen kein anderes Ergebnis entstünde.

Gegen dieses Erkenntnis erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit seinem Beschluß vom 1. März 1994, B 59/94, deren Behandlung jedoch ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. In der schon in der Beschwerdeschrift an den Verfassungsgerichtshof hilfsweise ausgeführten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der erkennbaren Behauptung, durch das angefochtene Erkenntnis in seinen Rechten auf gesetz- und satzungsgemäßes Vorgehen der Weggenossenschaft im Zusammenhang mit der am 11. Juni 1991 stattgefundenen Vollversammlung verletzt zu sein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer stützt die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf folgende Gründe:

.) Der nach § 6 der Satzungen als ständiges Vorstandsmitglied fungierende Forstmeister der Forstverwaltung Wald der Österreichischen Bundesforste habe die Einladung zur Vollversammlung nicht unterzeichnet, weshalb die Einberufung der Vollversammlung entgegen § 8 der Satzung nicht durch den gesamten Vorstand erfolgt sei.

.) Die belangte Behörde habe über die dargelegte Befangenheit des bei der Vollversammlung anwesenden Bediensteten der AB nicht abgesprochen; das Ausmaß des von diesem Bediensteten bei der Vollversammlung entfalteten Tätigwerdens gehe über die von der belangten Behörde unterstellten bloßen Hilfeleistungen weit hinaus, dieser Bedienstete habe in Wahrheit die Abstimmung durchgeführt. Daß die belangte Behörde dies nicht erkannt habe, sei geeignet, ihre eigene Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.

.) Die Leitung der Abstimmungen durch den Bediensteten der AB anstelle durch den Obmann als Vorsitzenden begründe Satzungswidrigkeit des Abstimmungsvorgangs aus dem Grunde des § 9 der Satzung.

.) Entgegen der Bestimmung des § 8 der Satzung sei die achttägige Frist bei der Ladung des Beschwerdeführers zur Vollversammlung nicht eingehalten worden.

.) Daß Richard Sch. als Sohn des Berechtigten ohne Vorweisung einer schriftlichen Vollmacht abgestimmt habe, mache die Beschlußfassung aus dem Grunde des § 11 der Satzung irregulär.

Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Gründe sind nicht geeignet, seine Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Soweit der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf die behauptete Befangenheit des Verfassers des erstinstanzlichen Bescheides zu gründen versucht, ist er auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, nach welcher die Mitwirkung eines befangenen Organs bei der Entscheidung erster Instanz durch eine unbefangene Berufungsentscheidung gegenstandslos wird (vgl. die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetz I, E 18 zu § 7 AVG, wiedergegebenen Judikaturnachweise). Eine Befangenheit von Mitgliedern der belangten Behörde aber vermag der Beschwerdeführer nicht tauglich darzustellen. Weshalb der Umstand, daß die belangte Behörde in dem vom Beschwerdeführer vorgetragenen Sachverhalt rechtlich eine Befangenheit des Verfassers des erstinstanzlichen Bescheides nicht erkannt hat, einen Rückschluß darauf erlauben sollte, daß bei den Mitgliedern der belangten Behörde wichtige Gründe vorgelegen sein sollten, die geeignet gewesen wären, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu setzen (so der Wortlaut des hinsichtlich der Mitglieder der belangten Behörde dem Beschwerdevorbringen nach ja einzig als denkmöglich in Betracht kommenden Tatbestandes des § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG), ist unerfindlich.

Mit dem Standpunkt aber, daß jedwede Verletzung einer in der Satzung enthaltenen Vorschrift über die für die Anberaumung und die Durchführung einer Vollversammlung einzuhaltenden Vorgangsweisen zwangsläufig zur aufsichtsbehördlichen Aufhebung der in dieser Vollversammlung gefaßten Beschlüsse zu führen habe, befindet sich der Beschwerdeführer im Irrtum. Die durch Erlassung einer Satzung nach § 14 Abs. 1 GSG geschaffenen Organisationsvorschriften über die Organe der Bringungsgemeinschaft und die Herbeiführung ihrer Willensbildung zählen gewiß zum Rechtsbestand. Die den Vorgang der Willensbildung regelnden Bestimmungen sind aber nicht Selbstzweck, sondern dienen der Verwirklichung der körperschaftlichen Autonomie, indem sie die anteilsentsprechende Teilhabe des einzelnen Körperschaftsmitglieds am Willensbildungsprozeß ebenso gewährleisten sollen wie die Handlungsfähigkeit der Körperschaft selbst. Wie prozessuale Rechte der optimalen Verwirklichung der im jeweiligen Verfahren zu verfechtenden materiellen Rechte dienen, so sind auch körperschaftsrechtliche Organisationsvorschriften vor dem Hintergrund der ihnen jeweils innewohnenden Schutzzwecke zu betrachten. Wie die einer vor dem Verwaltungsgerichtshof belangten Behörde unterlaufene Rechtswidrigkeit ihres Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesem Grunde nur unter der Bedingung ihrer Relevanz für das materiell-rechtliche Ergebnis des Bescheides führen kann, so zieht auch die Verletzung von Organisationsvorschriften einer der behördlichen Aufsicht unterworfenen Körperschaft die Aufhebung körperschaftlicher Beschlüsse nur dann nach sich, wenn vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der verletzten Organisationsvorschrift eine Verletzung materieller Rechte desjenigen nicht ausgeschlossen werden kann, der die Verletzung der Organisationsvorschrift geltend macht. Konnte die Verletzung einer körperschaftsrechtlichen Organisationsvorschrift materielle Rechte der betroffenen Minderheit aus dem Körperschaftsverhältnis dergestalt nicht nachteilig berühren, daß die Rechtsposition der Minderheit durch den gedanklichen Wegfall der unterlaufenen Verletzung der Organisationsvorschrift nicht anders wäre, als sie sich infolge der Normverletzung darstellt, dann besteht zur aufsichtsbehördlichen Behebung einer solchen, wenn auch objektiv rechtswidrig zustande gekommenen Körperschaftsentscheidung kein rechtlicher Grund. Die aufsichtsbehördliche Behebung eines Gemeinschaftsbeschlusses aus dem Grunde eines Formalfehlers, der entweder gegen eine Organisationsnorm verstößt, die gar nicht dem Schutz der Minderheit dient, oder der der Sachlage nach die Möglichkeit einer dadurch bewirkten Verletzung materieller Rechte der Minderheit nicht erkennen läßt, verfehlte den in körperschaftsrechtlichen Organisationsnormen verfolgten Zweck wohlverstandenen Minderheitsschutzes. Auch die eine Willensbildung tragende Mehrheit einer Körperschaft hat Anspruch auf Schutz vor einer Minderheit, welche die Handlungsfähigkeit der Körperschaft auf dem Wege der Berufung auf sie in ihren materiellen Rechten nicht verletzende Verstöße von Organisationsnormen zu beeinträchtigen sucht.

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist im Beschwerdefall klarzustellen, daß die die Minderheitsbeschwerde des Beschwerdeführers im Instanzenzug abweisende Entscheidung der belangten Behörde dann nicht rechtswidrig war, wenn die bei der Anberaumung und Durchführung der Vollversammlung vom 11. Juni 1991 der mitbeteiligten Weggenossenschaft unterlaufenen Verstöße gegen die Satzung nicht geeignet sein konnten, den Beschwerdeführer in seinen materiellen Mitgliedschaftsrechten an der Bringungsgemeinschaft zu verletzen. Eine solche Rechtsverletzungsmöglichkeit war nach den oben angestellten Erwägungen dann zu verneinen, wenn entweder die verletzte Norm dem Schutz seiner Mitgliedschaftsrechte nicht diente, oder aber seine Rechtsposition im Falle des Unterbleibens des unterlaufenen Verstoßes gegen die Satzung keine andere geworden wäre. Keiner der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Gründe erweist in diesem Sinne die eine aufsichtsbehördliche Behebung der bei der Vollversammlung vom 11. Juni 1991 gefaßten Beschlüsse ablehnende Beurteilung der belangten Behörde als rechtswidrig:

Daß der Forstmeister die Einberufung der außerordentlichen Vollversammlung als Vorstandsmitglied nicht unterschrieben hat, verstieß gegen § 8 der Satzung. Zutreffend hat aber die belangte Behörde erkannt, daß der darin liegende Satzungsverstoß nur den Rechtsanspruch des Vorstandsmitgliedes und insoweit des von diesem vertretenen Wirtschaftskörpers darauf berührte, daß eine außerordentliche Vollversammlung nicht ohne (auch) die von diesem Vorstandsmitglied erklärte Willensbekundung einberufen wird. Eine Berührung von Rechten des Beschwerdeführers erwuchs durch diesen Formverstoß nicht.

Ebensowenig ist eine Berührung von Rechten des Beschwerdeführers darin zu erkennen, daß der an der Vollversammlung teilnehmende Bedienstete der AB in der Versammlung Agenden wahrgenommen haben sollte, welche nach § 9 der Satzung dem den Vorsitz führenden Obmann vorbehalten waren. Zeigt der Beschwerdeführer doch nicht ansatzweise auf, daß der Vertreter der AB von seinen Aufsichtsfunktionen in einer Weise Gebrauch gemacht hätte, die geeignet gewesen sein hätte können, Einfluß auf das Abstimmungsverhalten der Genossenschaftsmitglieder zu nehmen. Ebensowenig zeigt der Beschwerdeführer eine durch die Intervention des Vertreters der AB bei der Vollversammlung etwa bewirkte Beschneidung der Mitwirkungsrechte des vom Beschwerdeführer entsandten Vertreters in der Versammlung derart auf, daß der Vertreter der AB den Vertreter des Beschwerdeführers etwa in dessen Möglichkeiten beeinträchtigt hätte, die Standpunkte des Beschwerdeführers in der gebotenen Weise zur Geltung zu bringen und so seinerseits das Abstimmungsverhalten der übrigen Genossenschaftsmitglieder zu beeinflussen.

Mit der Rüge nicht rechtzeitiger Verständigung von der Einberufung der Vollversammlung entfernt sich der Beschwerdeführer von den in der Beschwerde unbekämpft gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Erkenntnisses. Diesen zufolge wurde ihm die Einladung zur Vollversammlung am 2. Juni 1991, somit innerhalb der achttägigen Frist des zweiten Absatzes des § 8 der Satzung zugestellt. Eine Unschlüssigkeit jener Beweiswürdigung, welche die belangte Behörde zu der von ihr getroffenen Sachverhaltsfeststellung gelangen ließ, behauptet der Beschwerdeführer nicht einmal. Ebensowenig tritt er der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde über die Wirksamkeit des festgestellten Vorganges als Zustellung der Verständigung von der Einberufung der Vollversammlung im Sinne der Satzung entgegen. Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die von der belangten Behörde zu dieser Frage angestellten rechtlichen Überlegungen.

Daß schließlich Richard Sch. zur Abstimmung in der Vollversammlung zugelassen wurde, obwohl er entgegen § 11 der Satzung eine schriftliche Vollmacht des Anteilsinhabers nicht vorweisen konnte, hatte im Beschwerdefall deswegen nicht zur Aufhebung der unter seiner Mitwirkung zustande gekommenen Beschlüsse zu führen, weil auch sein Ausschluß von der Abstimmung das Ergebnis der Vollversammlung nicht in einer die Rechtsposition des Beschwerdeführers berührenden Weise verändern hätte können. Auch ein Ausschluß von Richard Sch. von den vorgenommenen Abstimmungen hätte nach Lage des Falles weder an der satzungsmäßig vorgelegenen Beschlußfähigkeit, noch am Ergebnis der mit einfacher Mehrheit zu fassenden Beschlüsse etwas geändert. Daß Richard Sch. durch die Teilnahme an der der Abstimmung vorangegangenen Beratung der Vollversammlung auf das Stimmverhalten der zulässigerweise mitstimmenden Genossenschaftsmitglieder in irgendeiner Weise Einfluß genommen hätte, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet.

Daß die in der Vollversammlung vom 11. Juni 1991 gefaßten Beschlüsse ihres Inhaltes wegen satzungs- oder gesetzwidrig wären, hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch vor dem Verwaltungsgerichtshof dargestellt. Die im angefochtenen Erkenntnis auch bestätigte Zurückweisung des gleichzeitig mit der Erhebung der Minderheitsbeschwerde gestellten Feststellungsantrages hat der Beschwerdeführer im Beschwerdepunkt nicht umfaßt; er trägt gegen das angefochtene Erkenntnis in dieser Hinsicht auch kein Sachargument vor.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde unter Einschluß der ihr angeschlossenen Beilagen erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Damit erübrigte sich auch ein Abspruch über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 532 f, angeführten Judikaturnachweise).

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Materien und Normen AVG RechtsmittelverfahrenVerhältnis zu anderen Materien und Normen Aufsichtsbehördliches Verfahren (siehe auch Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen)Befangenheit der Mitglieder von Kollegialbehörden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994070045.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.01.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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