TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/19 92/18/0198

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Veröffentlicht am 19.05.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

AZG;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des G in N, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 9. April 1992, Zl. VII/2a-V-1.279/13/1-92, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 9. April 1992 wurde der Beschwerdeführer wegen insgesamt acht Übertretungen des § 9 Arbeitszeitgesetz schuldig erkannt, weil er es als zur Vertretung nach außen Berufener einer näher bezeichneten Aktiengesellschaft zu verantworten habe, daß am 28. Juni 1989 in einer bestimmten Filiale dieses Unternehmens in Wien bei acht Arbeitnehmern dieser Gesellschaft die zulässige Tagesarbeitszeit von 10 Stunden im näher umschriebenen Ausmaß überschritten worden sei. Wegen dieser übertretungen wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

In der Begründung führte die belangte Behörde unter anderem aus, der Beschwerdeführer habe seine strafrechtliche Verantwortung mit der Begründung bestritten, der Filialleiter M sei zum verantwortlichen Beauftragten, unter anderem für die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften, bestellt worden. Aus der vorgelegten Bestellungsurkunde sei zu ersehen, daß der Filialleiter verpflichtet sei, die firmeninterne Dienstanweisung einzuhalten. Bei der Anordnung der Inventurarbeiten und -zeiten handle es sich um eine derartige interne Dienstanweisung. Es sei amtsbekannt, daß die Durchführung der Inventurarbeiten, insbesondere auch die zeitliche Einteilung, von der Zentrale aus erfolge. Daraus folge, daß die Verantwortung dafür nicht an den Filialleiter übertragen worden sei. Die interne Firmenanweisung lege den Arbeitsschluß mit 22.00 Uhr fest, ohne gleichzeitig hinzuzufügen, daß ungeachtet dessen niemand länger als 10 Stunden beschäftigt werden dürfe. Daraus sei zu erkennen, daß die Firmenleitung Arbeitszeitüberschreitungen bei Inventurarbeiten bewußt in Kauf nehme. Daraus folge, daß der Beschwerdeführer die Verantwortung für die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen trage und sein Verschulden zumindest in Fahrlässigkeit zu erblicken sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Nach § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften unter anderem durch juristische Personen, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Nach § 9 Abs. 2 leg. cit. sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt; für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden. Nach § 9 Abs. 4 leg. cit. kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

2. Der Beschwerdeführer hat eine vom Filialleiter am 7. Juni 1989 unterfertigte Urkunde vorgelegt, nach deren Inhalt der Filialleiter zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG bestellt wurde, und zwar räumlich begrenzt auf die bestimmt bezeichnete Filiale. In sachlicher Hinsicht erstreckt sich die Bestellung auf die Einhaltung aller zur Anwendung gelangenden Vorschriften, insbesondere auf "... g) der Eihaltung von Dienstnehmerschutzbestimmungen, h) so auch des Arbeitszeitgesetzes und der Einhaltung der Auflagen des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides ...". Nach Punkt 3 dieser Urkunde ist der Beschwerdeführer berechtigt, zur Erfüllung seiner Obliegenheiten und in Ergänzung allgemein ergangener Dienstanweisungen spezielle Anweisungen für seinen Verantwortungsbereich zu erlassen. Davon ist der zuständige Filialinspektor zu unterrichten.

3.1. Die belangte Behörde meint, die Bestellung des Filialleiters zum verantwortlichen Beauftragten sei nicht wirksam und könne den Beschwerdeführer daher nicht entlasten, weil der Filialleiter verpflichtet sei, die firmeninternen Dienstanweisungen einzuhalten. Bei der Anordnung der Inventurarbeiten handle es sich um eine derartige interne Dienstanweisung.

Diese Ausführungen überzeugen nicht. Aus dem Umstand, daß der Filialleiter zur Einhaltung firmeninterner Dienstanweisungen verpflichtet ist, kann nämlich nicht geschlossen werden, ihm fehle die entsprechende Anordnungsbefugnis, um die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes sicherzustellen. Verantwortliche Beauftragte im Sinne des § 9 Abs. 2 zweiter Satz VStG können auch Arbeitnehmer in den betreffenden Unternehmen und demnach schon als solche weisungsgebunden sein. Dies schließt jedoch ihre Bestellung zu verantwortlichen Beauftragten nicht aus, sofern die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 VStG erfüllt werden. Die Verpflichtung des Filialleiters zur Einhaltung von Vorschriften der firmeninternen Dienstanweisung kann daher nicht als Argument dafür herangezogen werden, ihm fehle die entsprechende Anordnungsbefugnis, um die Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes sicherzustellen. Die Zulässigkeit der Bestellung von Filialleitern zu verantwortlichen Beauftragten wurde im übrigen in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits wiederholt bejaht (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/19/0323, und vom 30. Juli 1992, Zl. 91/19/0239).

3.2. Soweit die belangte Behörde in diesem Zusammenhang darauf hinweist, daß die interne Firmenanweisung (gemeint ist offenbar Blatt 2 des Verwaltungsaktes) den Arbeitsschluß mit 22.00 Uhr festlegt, ohne gleichzeitig die Einschränkung hinzuzufügen, daß dabei ungeachtet dessen niemand länger als zehn Stunden beschäftigt werden dürfe, ist ihr - unabhängig davon, daß eine unvollständige Belehrung durch die Firmenleitung den verantwortlichen Beauftragten nicht entlasten würde - zu erwidern, daß die vom Beschwerdeführer vorgelegte "Verkaufsmitteilung" vom 12. Juni 1989 (Blatt 25 des Verwaltungsaktes) auf der Rückseite eine vollständige Belehrung betreffend die "Inventurarbeitszeiteinteilung" enthält, insbesondere auch in Punkt 2. den Hinweis, daß kein Arbeitnehmer täglich länger als zehn Stunden arbeiten dürfe.

Im Hinblick auf die wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten wäre der Beschwerdeführer nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 6 VStG verantwortlich, das heißt, wenn er die Tat vorsätzlich nicht verhindert hätte. Solches hat die belangte Behörde jedoch nicht angenommen.

4. Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. An Stempelgebührenersatz konnten dem Beschwerdeführer nur S 450,-- (S 360,-- Eingabengebühr für die Beschwerde und S 90,-- Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig zuerkannt werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992180198.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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