TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/19 94/18/0049

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Veröffentlicht am 19.05.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrPolG 1954 §2 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
PaßG 1969 §25 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des I in N, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 2. Dezember 1993, Zl. III 135-2/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 2. Dezember 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 3. März 1991 nach Österreich eingereist, und zwar aus dem ehemaligen Jugoslawien zu Fuß über die "grüne Grenze". Sein Asylantrag vom 7. März 1991 sei mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 12. Juni 1991 abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Berufung habe der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 20. Oktober 1992 zurückgezogen.

Der folgende Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei auf Grund von Sichtvermerken der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck in der Zeit vom 24. November 1992 bis 24. Mai 1993 und vom 9. August 1993 bis 8. November 1993 rechtmäßig gewesen. Davor und danach sei er unrechtmäßig gewesen, sodaß Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes bzw. des FrG vorlägen. Dazu kämen zwei Übertretungen des Meldegesetzes 1991 laut Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25. Mai 1993 bzw. laut Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates Tirol vom 12. August 1993. Danach sei der Beschwerdeführer vom 7. August 1991 bis 17. September 1992 an einer näher bezeichneten Adresse in Wien gemeldet gewesen, obwohl er dort nach seinen Angaben vom 14. Mai 1993 nur für zehn Tage auf Besuch gewesen sei. Er habe daher die polizeiliche Abmeldung in Wien nicht innerhalb der Frist des § 4 Abs. 1 Meldegesetz 1991 vorgenommen. Weiters habe er sich am 9. August 1991 von S polizeilich abgemeldet, er sei jedoch bis Mitte Jänner 1993 weiterhin dort gelegentlich aufhältig gewesen. Die Abmeldung sei daher erfolgt, obwohl die Unterkunft nicht aufgegeben worden sei. Der Beschwerdeführer arbeite als Maurer. Seine Ehefrau und seine Kinder lebten in der Türkei.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Verstöße gegen das Grenzkontrollgesetz, das Fremden(polizei)gesetz und das Meldegesetz stellten ein Gesamtfehlverhalten dar, welches die im § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige. Im Hinblick auf die Kürze des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und den Aufenthalt seiner Familie in der Türkei liege ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers nicht vor, sodaß die Prüfung der Frage, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei, sowie die Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG zu entfallen hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2).

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist nach § 18 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, daß der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen erheblich gefährdet (siehe Erläuterungen zur Regierungsvorlage des FrG, 692 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des NR XVIII. GP, Seite 37). Die belangte Behörde hat nicht die Verwirklichung eines der Tatbestände des § 18 Abs. 2 FrG angenommen, sondern hat die Annahme im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG auf das im angefochtenen Bescheid umschriebene Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers gestützt. Es ist zwar nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig, ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 und § 20 Abs. 1 leg. cit.) zu stützen, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 24. März 1994, Zl. 93/18/0492, mwN). Letzteres ist beim Beschwerdeführer nicht der Fall; dies aus folgenden Erwägungen:

2.1. Dem Beschwerdeführer wurden nach der Aktenlage vom 7. März 1991 bis 30. November 1992 Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 2 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz erteilt. Für die folgende Zeit bis 24. Mai 1993 hatte der Beschwerdeführer einen Sichtvermerk, desgleichen für die Zeit vom 9. August 1993 bis 8. November 1993. Der unerlaubte Aufenthalt des Beschwerdeführers beschränkt sich demnach auf die Zeit vom 25. Mai bis 8. August 1993 und die Zeit ab 9. November 1993, ohne daß diesbezüglich Bestrafungen nach dem FrG erfolgt sind. Im Hinblick auf die - in der Form von Aufenthaltsberechtigungen nach § 2 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz und in der Form von Sichtvermerken - wiederholt erteilten behördlichen Bewilligungen zum Aufenthalt im Bundesgebiet tritt die im Jahre 1991 erfolgte Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle völlig in den Hintergrund. Dies gilt sinngemäß auch für den unerlaubten Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, soweit er vor der Erteilung des letzten Sichtvermerkes liegt. Der unerlaubte Aufenthalt des Beschwerdeführers ab 9. November 1993 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides ist insbesondere im Vergleich zur Dauer des erlaubten Aufenthaltes viel zu kurz, um entscheidend zu Lasten des Beschwerdeführers ins Gewicht zu fallen.

2.2. Soweit die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Übertretungen des Meldegesetzes 1991 zur Last legt, ist zunächst festzuhalten, daß das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren nach der Aktenlage gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt worden ist. Der Beschwerdeführer verweist mit Recht darauf, daß er niemals unbekannten Aufenthaltes gewesen sei und daß die Behörden im Hinblick auf seine polizeilichen Meldungen und seine Beschäftigung niemals Schwierigkeiten gehabt hätten, ihn zu erreichen. Im Hinblick darauf kommt den von der belangten Behörde angenommenen Verstößen gegen melderechtliche jedenfalls nur derart geringes Gewicht zu, daß diese Übertretungen auch im Zusammenhang mit den anderen von der Behörde genannten Übertretungen, denen nach dem unter Punkt 2.1. Gesagten ebenfalls nur geringe Bedeutung beigemessen werden kann, die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme nicht rechtfertigen.

3. Bei der gegebenen Sachlage war demnach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, mit dem - anders als im Falle einer Ausweisung nach § 17 Abs. 1 FrG - das Verbot der Rückkehr für die Gültigkeitsdauer verbunden ist, nicht rechtens.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. An Stempelgebührenersatz konnten dem Beschwerdeführer nur S 420,-- (S 360,-- Eingabengebühr für die Beschwerde und S 60,-- Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig zuerkannt werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180049.X00

Im RIS seit

06.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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