TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/19 92/07/0150

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Veröffentlicht am 19.05.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

VStG §21 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VStG §6;
WRG 1959 §137 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des H in R, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 23. Juni 1992, Zl. Wa-402130/1-1992/Spi/Pö, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Juni 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der A. GesmbH zu verantworten, daß diese Gesellschaft in der Zeit vom 8. Jänner 1990 bis 9. Februar 1990 an allen Tagen bis auf einen in ihrer Betriebsstätte in R. Abwasser mit einer höheren Fluoridkonzentration als 10,0 mg/l in den Inn eingeleitet und damit eine bewilligungspflichtige Maßnahme ohne entsprechende wasserrechtliche Bewilligung gesetzt habe. Der Beschwerdeführer habe damit gegen die Bestimmungen der §§ 137 Abs. 1 und 32 Abs. 2 lit. a WRG 1959 (i.d.F. vor der WRG-Novelle 1990) verstoßen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt. Weiters wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, zu den Kosten des Berufungsverfahrens S 200,-- zu leisten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem subjektiven Recht, entgegen der Bestimmung des § 137 Abs. 1 iVm § 32 Abs. 2 lit. a WRG 1959 nicht bestraft zu werden und in seinem Recht auf fehlerfreie Handhabung des bei der Festlegung der Strafe auszuübenden Ermessens als verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe sich in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden. Seitens des Unternehmens sei der Behörde schon 1987 mitgeteilt worden, daß der Grenzwert von 10 mg/l Fluorid nicht eingehalten werden könne; dies sei auch entsprechend belegt worden. Von Dipl.-Ing. Dr. B. sei in einem Schreiben vom 21. Jänner 1991 an die Bezirkshauptmannschaft Braunau nachgewiesen worden, daß die Überschreitung dieses Grenzwertes völlig unbedeutend sei; davon gehe auch die belangte Behörde in ihrem Bescheid aus. Seit 1987 habe also die Behörde von dem bestehenden Zustand, daß es zeitweise zu Überschreitungen des Grenzwertes komme, gewußt, aber nichts unternommen. Der Beschwerdeführer habe daher zu Recht davon ausgehen dürfen, daß er durch die Mitteilung an die Behörde seinen Verpflichtungen nachgekommen sei. Schließlich habe er von der Behörde nie eine Stellungnahme erhalten, daß sein Verhalten gesetzwidrig sei und er dieses beenden bzw. um eine Änderung des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides ansuchen müsse.

Mit diesem Vorbringen macht der Beschwerdeführer nicht nur einen entschuldigenden Rechtsirrtum, sondern auch die Unmöglichkeit der Einhaltung der Verwaltungsvorschrift aus technischen Gründen geltend. Beide Einwände erweisen sich jedoch als unzutreffend.

Die Überschreitung des Grenzwertes hätte durch eine Einstellung der Abwassereinleitung in den Inn beendet werden können. Eine technische Unmöglichkeit der Einhaltung der Verwaltungsvorschrift bestand daher nicht.

Die A. GesmbH hat dem Amt der Oö Landesregierung mit Schreiben vom 15. April 1987 auf Grund einer Anfrage mitgeteilt, bei der am 23. Juli 1984 stattgefundenen Wasserrechtsverhandlung sei von seiten des Anlagenherstellers, Herrn Prokuristen Dr. W., als Fachmann bereits deutlich darauf hingewiesen worden, daß in der Praxis ein Unterschreiten von F-Werten von 16 mg/l nicht möglich sei, wobei auf die Fachliteratur hingewiesen worden sei.

Es gibt keine Norm, die an eine solche Mitteilung und an das Unterbleiben einer Reaktion seitens der Behörde die Rechtsfolge knüpft, daß dadurch die rechtskräftig vorgeschriebenen Grenzwerte außer Kraft gesetzt würden. Für den Beschwerdeführer bestand nicht nur kein wie immer gearteter Anhaltspunkt, der ihn zu der Annahme berechtigt hätte, durch die Mitteilung an die Behörde sei er seinen Pflichten nachgekommen; vielmehr geht aus der Niederschrift über die dem wasserechtlichen Bewilligungsbescheid vom 25. Juli 1984 vorangegangene mündliche Verhandlung, auf die sich der Beschwerdeführer im Laufe des Verwaltungsstrafverfahrens mehrmals berufen hat, die Aufforderung der Amtssachverständigen hervor, im Falle der Unmöglichkeit einer Einhaltung der Grenzwerte müsse ein entsprechendes Ergänzungsprojekt der Wasserrechtsbehörde zur Bewilligung vorgelegt werden. Dem Beschwerdeführer mußte daher klar sein, daß es mit einer bloßen Mitteilung, die im Zuge einer Anfragebeantwortung erfolgte, nicht sein Bewenden haben konnte. Entschuldigender Rechtsirrtum liegt demnach nicht vor.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, ihm komme entschuldigender Notstand (§ 6 VStG) zugute. Die allgemeine Situation der Grundstoffindustrie und insbesondere der Aluminiumindustrie sei gerichtsbekannt. Ebenso sei bekannt, daß der gegenständliche Betrieb eine Vielzahl von Arbeitnehmern beschäftige. Die einzige Alternative für den Beschwerdeführer wäre gewesen, den Betrieb zuzusperren. Damit wäre eine Vielzahl von Arbeitsplätzen verlorengegangen und die Region Braunau wäre nachhaltig negativ beeinträchtigt worden. Ebenso wäre natürlich auch der Betrieb selbst in eine schwere existenzgefährdende Krise geführt worden. Auf der anderen Seite habe nur eine geringfügige Überschreitung eines Grenzwertes bestanden, der technisch überhaupt nicht einhaltbar gewesen sei. Aus der Überschreitung des Grenzwertes resultiere kein Schaden, da er zu vernachlässigen sei. Vergleiche man diese geringfügige Überschreitung im Verhältnis zu den drohenden Folgen einer - wenn auch nur vorübergehenden - Betriebsstillegung, so habe der Beschwerdeführer aus äußerst achtenswerten Gründen in einem entschuldigenden Notstand gehandelt. Er habe sich in einer Pflichtenkollision befunden, die er auch sofort zu beheben versucht habe, indem er der Behörde von dieser Pflichtenkollision Mitteilung gemacht und um eine Änderung ersucht habe. Diese Änderung sei mittlerweile auch schon bewilligt.

Nach § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt, oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Unter Notstand im Sinne des § 6 VStG kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. Ein Notstand ist dann nicht gegeben, wenn damit nur eine wirtschaftliche Not oder die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung abgewendet werden soll. Wirtschaftliche Nachteile können nur dann Notstand im Sinne des § 6 VStG begründen, wenn sie die Lebensmöglichkeit selbst unmittelbar bedrohen (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S 736 f wiedergegebene Rechtsprechung). Eine solche Situation liegt im Beschwerdefall nicht vor.

Die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Notstandes sind aber auch aus anderen Gründen nicht gegeben. Aus der Verhandlungsschrift über die der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung vorangegangene mündliche Verhandlung vom 23. Juli 1984 geht hervor, daß die Amtssachverständigen bereits damals Zweifel hegten, ob die nach den Richtlinien des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft festgelegten Grenzwerte eingehalten werden könnten; diese Zweifel begründeten sie damit, daß in ähnlich gelagerten Durchlaufanlagen bestehender Galvanikbetriebe diese maximalen Grenzwerte nicht immer hätten unterschritten werden können. Die Amtssachverständigen waren der Auffassung, eine andere Gestaltung der Anlage wäre zweckmäßig. Es habe aber, so heißt es in den Ausführungen der Amtssachverständigen weiter, vorerst von der Anordnung weiterer technischer Maßnahmen Abstand genommen werden können, da die Anlage am Verhandlungstag bereits fertig installiert vorgefunden worden sei und überdies die Lieferfirma die mögliche Einhaltung der Grenzwerte garantiere, was auch im Bereich des Möglichen liege. Sollten die Grenzwerte nicht eingehalten werden können, so habe der Betrieb ein entsprechendes Ergänzungsprojekt der Wasserrechtsbehörde zur Bewilligung vorzulegen. In dem bereits erwähnten Schreiben der A. GesmbH vom 15. April 1987 an das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung ist sogar davon die Rede, daß auch von seiten des Anlagenherstellers, Prokurist Dr. W. - dieser hatte an der Verhandlung auf seiten der

A. GesmbH teilgenommen - darauf hingewiesen worden sei, in der Praxis sei ein Unterschreiten von F-Werten von 16 mg/l nicht möglich. Nach dieser Behauptung ging demnach der Projektant

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anders als die Amtssachverständigen - sogar davon aus, daß die Einhaltung der Grenzwerte von vornherein nicht möglich sei. Die A. GesmbH ließ trotz Kenntnis dieser Äußerungen die Vorschreibung der Grenzwerte in Rechtskraft erwachsen. Hiedurch hat die A. GesmbH eine Lage herbeigeführt, die vom Beschwerdeführer nicht als Schuldausschließungsgrund geltend gemacht werden kann (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O, S 737 angeführte Judikatur). Diese Zwangslage hätte durch das Ergreifen von Rechtsmitteln vermieden werden können. Waren nämlich die von der Erstbehörde vorgeschriebenen Grenzwerte nicht erforderlich, dann wäre einer Berufung Erfolg beschieden gewesen. Waren die Grenzwerte unerläßlich, aber bei Vorschreibung weiterer Auflagen erreichbar, dann hätte die Möglichkeit bestanden, die wasserrechtliche Bewilligung im Berufungsverfahren durch diese Auflagen zu ergänzen. Waren die Grenzwerte unerläßlich, aber beim damaligen Stand der Technik unerreichbar, dann wäre die Bewilligung zu versagen gewesen. All dies hätte in einem Berufungsverfahren geklärt werden können. Das Hinnehmen dieser Grenzwerte und die Aufnahme des Betriebes trotz Kenntnis des Umstandes, daß es sehr zweifelhaft

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nach der Behauptung des Beschwerdeführers auf Grund der Aussage des Projektanten bei der mündlichen Verhandlung sogar unmöglich - war, die Grenzwerte einzuhalten, schließt es aus, von einem Notstand zu sprechen. Hiezu kommt, daß auch in der Folge jahrelang nicht um eine Änderung des wasserrechtlichen Bescheides angesucht wurde.

Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde hätte von der Verhängung einer Strafe absehen müssen, da sein Verschulden geringfügig und die Folgen der Übertretung unbedeutend seien.

Nach § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann dem Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Die A. GesmbH hat in Kenntnis der Probleme bezüglich der Einhaltung der Grenzwerte eine Berufung gegen deren Vorschreibung unterlassen und die Anlage betrieben. Dies läßt den Schluß zu, daß sich die Gesellschaft nicht der Gefahr aussetzen wollte, in einem Berufungsverfahren strengere, die Einhaltung der Grenzwerte gewährleistende Auflagen oder bei deren technischer Unmöglichkeit sogar eine Versagung der Bewilligung zu riskieren. Sie hat damit eine selbstverschuldete Zwangslage geschaffen, die es nicht rechtfertigt, sich über die vorgeschriebenen Grenzwerte einfach hinwegzusetzen. Der Beschwerdeführer hat diesen Zustand aufrechterhalten und es unterlassen, sobald wie möglich auf eine Änderung des gesetzwidrigen Zustandes hinzuwirken. Er durfte sich nicht mit einer bloßen - überdies erst auf Anfrage der Behörde erfolgten - Mitteilung über die Nichteinhaltung der Grenzwerte begnügen, sondern mußte Schritte unternehmen, um dem gesetzwidrigen Zustand ein Ende zu machen, etwa durch einen umgehend gestellten Antrag auf Änderung der wasserrechtlichen Bewilligung. Die bewußte, konsequente und langdauernde Nichtbeachtung einer behördlichen Vorschreibung schließt es aus, von einem geringfügigen Verschulden zu sprechen; dies selbst dann, wenn die Folgen dieser Nichtbeachtung tatsächlich unbedeutend sein sollten.

Schließlich bemängelt der Beschwerdeführer, ihm seien zu Unrecht die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt worden, weil der Tatzeitraum durch die belangte Behörde gegenüber dem erstinstanzlichen Straferkenntnis eingeschränkt und seiner Berufung somit teilweise stattgegeben worden sei.

Im erstinstanzlichen Straferkenntnis war als Tatzeitraum die Zeit vom 8. Jänner 1990 bis 9. Februar 1991 angegeben. Daß es sich bei der Jahreszahl 1991 um einen Schreibfehler handelte, war aus dem gesamten Akteninhalt erkennbar. Diese offensichtliche Unrichtigkeit hat die belangte Behörde zulässigerweise berichtigt. Es liegt daher kein Fall vor, wo einer Berufung teilweise Folge gegeben wurde. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer daher zu Recht die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992070150.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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