TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/19 94/19/0038

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Veröffentlicht am 19.05.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. August 1992, Zl. 4.331.705/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. März 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer - ein Staatsangehöriger Ghanas, der am 28. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist - nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) sei. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. August 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner Erstbefragung im Asylverfahren am 20. Februar 1992 angegeben, er sei seit 1964 "Polizeiinspektor" in Accra gewesen. 1986 sei er Polizeibeamter geworden und habe im Laufe der Zeit festgestellt, daß es unter den Polizisten "Unregelmäßigkeiten" mit Heroin und Kokain gegeben habe und habe dies auffliegen lassen. Deshalb sei er von den Kollegen des Diebstahls bezichtigt und angezeigt worden. Am 28. November 1986 sei er festgenommen und am 10. April 1987 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und 100.000 Cedis Geldstrafe verurteilt worden, wobei ihm für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine weitere Haftstrafe von zehn Jahren gedroht habe. Seine Familie habe die Geldstrafe bezahlt. Während seiner Haftzeit habe er an den Staatspräsidenten geschrieben und ihm die Gründe für seine Inhaftierung und Verurteilung geschildert. Er habe jedoch keine Antwort erhalten. Am 9. Dezember 1989 sei der Beschwerdeführer aus dem Gefängnis sowie auch aus dem Polizeidienst entlassen worden. Er habe in der Folge eine Reihe von Briefen an verschiedene Zeitungen, Radiosender sowie an den Staatspräsidenten selbst geschrieben, in denen er anhand seiner Probleme auf die Zustände in der Polizei sowie in der Justiz Ghanas aufmerksam gemacht habe. Auch habe er das politische System Ghanas überhaupt kritisiert. Nur ein einziger seiner Briefe sei in einem Radiosender veröffentlicht worden. Alle diese Briefe lege der Beschwerdeführer in Kopie vor. Er habe nicht arbeiten dürfen und es sei ihm und seiner Familie mit den sieben Kindern sehr schlecht gegangen. Schließlich habe ihm ein Freund, der bei der Kriminalpolizei beschäftigt sei, mitgeteilt, daß seine Verhaftung bevorstehe. Er habe auch bemerkt, daß er überwacht werde. Er habe sich dann bei seiner Frau in Kumasi versteckt. Da er keine andere Möglichkeit gesehen habe, sein Leben in Freiheit zu verbringen, bzw. um nicht im Gefängnis sterben zu müssen, habe er sich entschlossen, sein Land zu verlassen. Ein Freund habe ihm für 250.000 Cedis einen Sichtvermerk für Österreich besorgt, wohin er am 27. Dezember 1991 über Amsterdam geflogen sei.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, er sei seit 1967 bei der Kriminalpolizei in Ghana tätig gewesen. Es habe nicht nur Mißstände bezüglich des Heroin und Kokain gegeben, sondern es seien ihm auch bei der Aufklärung von Ritualmorden Schwierigkeiten gemacht worden, wobei Hauptverdächtige von höherer Stelle offensichtlich aufgrund von Bestechung wieder freigelassen worden seien. Auch darüber, und daß in die Drogenaffäre der Neffe des Vizepräsidenten verwickelt gewesen sei, habe er in seinen Briefen geschrieben. Seine Verurteilung wegen Diebstahls habe politische Gründe gehabt; es hätten wieder dieselben Polizisten, die ihm bei der Aufklärung der Ritualmorde Schwierigkeiten gemacht hätten, die Hände im Spiel gehabt. Im Gefängnis habe der Beschwerdeführer einen der Führer der oppositionellen Gruppe "Movement for Freedom and Justice" kennengelernt und sei Sympathisant dieser Organisation geworden, die eine gewaltlose politische Wende in Ghana bewirken wolle. Er sei immer mehr in Opposition zum Regime gegangen und habe dies auch in seinen diversen Briefen kundgetan.

Die belangte Behörde vertrat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung, daß "das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere auch die niederschriftliche Einvernahme", keine Anhaltspunkte dafür ergeben habe, daß der Beschwerdeführer "Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes" sei, zumal seinen Angaben die notwendige Glaubwürdigkeit versagt werden müsse.

Der Beschwerdeführer bekämpft vor allem die Beweiswürdigung der belangten Behörde. In Ansehung von Bescheidbeschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG den angefochtenen Bescheid aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu prüfen. Dabei kann aber der Gerichtshof die Schlüssigkeit der Erwägungen zur Beweiswürdigung nachprüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0706).

Soweit die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers deshalb die Glaubwürdigkeit versagt, weil er in seiner Einvernahme vom 20. Februar 1992 unter Punkt 7 der Niederschrift angegeben hatte, von seinem Heimatland nicht gesucht zu werden und unter Punkt 17 weiter ausführte, nicht verfolgt zu werden, vermag der Verwaltungsgerichtshof den von der belangten Behörde hier gesehenen Widerspruch nicht zu erblicken; der Umstand, daß der Beschwerdeführer einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt hat, ist von seinen Angaben über die seiner Meinung nach asylrechtlich relevanten Fluchtgründe zu trennen.

Im übrigen kann den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden. Es kann nämlich dahingestellt bleiben, ob seine Erklärungsversuche betreffend die Verwendung verschiedener Namen, der abweichenden Angaben über seine Haft in Ghana einschließlich der Daten seiner Verurteilung und des Strafmaßes zutreffen oder nicht, nimmt doch der Beschwerdeführer zu den weiteren, seine Glaubwürdigkeit nach Ansicht der belangten Behörde zweifelhaft erscheinen lassenden Gesichtspunkten nicht Stellung. So bietet er weder für die mit seinen Angaben in Widerspruch stehenden Daten der Einzahlungsbelege über seine Geldstrafe, noch hinsichtlich der Bedenken der belangten Behörde betreffend die vom Beschwerdeführer vorgelegten Ausweise noch seiner Mitgliedschaft bei der oppositionellen Bewegung "Movement für Freedom and Justice" und der Bekanntschaft mit einem der Führer dieser Bewegung noch seines Berufes irgendwelche Erkärungen an.

Es kann daher der belangten Behörde im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie den Schluß zog, es sei möglich, daß der einzige regimekritische, nach Angaben des Beschwerdeführers zur Veröffentlichung bestimmte Brief "erst später" (nämlich im Hinblick auf die beabsichtigte Asylgewährung in Österreich) verfaßt worden sei, zumal sich dessen Inhalt augenfällig von der in den anderen Schriftstücken zum Ausdruck kommenden politischen Einstellung des Beschwerdeführers unterscheidet.

Folgt man aber der nicht unschlüssigen Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens des Beschwerdeführers, so ist nicht glaubhaft gemacht, daß der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 ist. Weder erscheint nämlich eine "wohlbegründete Furcht" im Sinne der zitierten Bestimmung glaubhaft, noch ist von der Tatsache einer Verfolgung des Beschwerdeführers etwa aus politischen Motiven auszugehen, wenn es gleichfalls als nicht glaubhaft gemacht angesehen werden kann, daß sich der Beschwerdeführer tatsächlich öffentlich regimekritisch geäußert hat. Selbst wenn man die nach seinen Angaben verbüßte Haftstrafe als staatliche Verfolgung aus politischen Gründen werten wollte - der Beschwerdeführer stellt seine strafgerichtliche Verurteilung als Folge einer Intrige von Organen, die in ihren Machenschaften durch ihn bedroht gewesen seien, dar - könnte der Beschwerdeführer aus diesen bereits mehrere Jahre zurückliegenden Ereignissen nach der Haftentlassung und Bezahlung der verhängten Geldstrafe doch keine aktuelle Verfolgungssituation und damit keine "wohlbegründete Furcht" mehr ableiten.

Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190038.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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