TE Vwgh Beschluss 1994/5/31 94/11/0121

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Veröffentlicht am 31.05.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
44 Zivildienst;

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Z1;
B-VG Art144 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;
ZDG 1986 §2 Abs1 idF 1991/675;
ZDG 1986 §5 Abs4 idF 1991/675;
ZDG 1986 §5 Abs5 idF 1991/675;
ZDGNov 1991;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Gall, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, in der Beschwerdesache des G in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. April 1993, Zl. 176037/1-ZDF 2/93, betreffend Erklärung nach § 2 Abs. 1 Zivildienstgesetz, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit einer am 9. April 1993 beim Militärkommando Salzburg eingelangten Eingabe (vom 7. April 1993) stellte der Beschwerdeführer den "Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht gemäß § 5 ZDG (Zivildienstgesetz)". Er benützte hiezu ein amtliches Formular, das der vor dem (mit 1. Jänner 1992 erfolgten) Inkrafttreten der hier relevanten Bestimmungen der Zivildienstgesetz-Novelle 1991, BGBl. Nr. 675, geltenden Rechtslage entsprach und für die Antragstellung an die Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres vorgesehen war.

Der Bundesminister für Inneres (belangte Behörde) wertete diesen "Antrag" als Erklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 ZDG idF der Novelle 1991 und stellte mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 5 Abs. 4 und 5 Z. 2 und 6 ZDG fest, sie könne mangels ausdrücklicher Erklärung, keinem Wachkörper des Bundes oder einer Gemeinde zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung anzugehören (§ 2 Abs. 1 Z. 3 ZDG) und wegen Fehlens des Lebenslaufes und einer Strafregisterbescheinigung, die nicht älter als ein Monat ist (§ 2 Abs. 2 ZDG), nicht rechtswirksam werden.

Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde sprach der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 4. März 1994, B 1115/93, aus, der Beschwerdeführer sei durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Der Verfassungsgerichtshof wies die Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber ab, ob der Beschwerdeführer in einem sonstigen Recht verletzt wurde.

Dem Verwaltungsgerichtshof fehlt die Zuständigkeit zur Entscheidung über die an ihn gerichtete Beschwerde.

Beim angefochtenen Bescheid handelt es sich um einen in § 5 Abs. 4 ZDG vorgesehenen Feststellungsbescheid darüber, ob der Beschwerdeführer eine rechtswirksame Erklärung nach § 2 Abs. 1 ZDG abgegeben hat und ob er damit von der Wehrpflicht ausgenommen und zivildienstpflichtig ist. Der Bescheid führt gemäß § 5 Abs. 4 zweiter Satz ZDG jene der Erklärung anhaftenden Mängel einzeln an, die nach § 5 Abs. 5 ZDG als Mängel nach Abs. 4 gelten und nach dessen zweitem Satz zur Folge haben, daß die Erklärung nicht rechtswirksam werden kann. Mit diesem Bescheid steht bindend fest, daß dem Beschwerdeführer die mit seiner Erklärung angestrebte Inanspruchnahme des durch § 2 Abs. 1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung mißlungen ist. Er ist weiterhin wehrpflichtig.

In seinem gleichfalls einen Feststellungsbescheid nach § 5 Abs. 4 ZDG betreffenden Beschluß vom 28. September 1993, Zl. 93/11/0149, traf der Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, G 74/93 und Folgezahlen, sowie B 2069/92, folgende Aussagen:

§ 2 Abs. 1 ZDG begründet ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht. Dieses Recht wird durch eine unrichtige Beurteilung bzw. durch eine mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftete Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Wehrpflicht verletzt. Bei den einfachgesetzlichen Bestimmungen des § 5 Abs. 4 und 5 ZDG handelt es sich um Formalvorschriften, die die Modalitäten regeln, unter denen eine Erklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 ZDG zur Ausnahme von der Wehrpflicht führt. Angesichts dieser ihrer spezifischen Funktion für die Verwirklichung und Geltendmachung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes kann den in Rede stehenden Bestimmungen nicht die Bedeutung beigemessen werden, einfachgesetzliche Rechtspositionen im Sinne von eigenständigen, materiellen subjektiven Rechten neben jenem durch § 2 Abs. 1 ZDG gewährleisteten zu normieren, deren behauptete Verletzung in die Kompetenz des Verwaltungsgerichtshofes fiele. Vielmehr bedeutet jede unrichtige Anwendung der Bestimmungen des § 5 Abs. 4 und 5 ZDG zwangsläufig und ausschließlich eine Verletzung des durch § 2 Abs. 1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung. Da der Beschwerdeführer durch den bekämpften Feststellungsbescheid nur in diesem Recht, dessen behauptete Verletzung vom Verfassungsgerichtshof zu prüfen ist, verletzt sein kann, handelt es sich hier um eine gemäß Art. 133 Z. 1 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossene Angelegenheit.

Nach dem im vorliegenden Beschwerdefall ergangenen, oben genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes B 1115/93 beruhe diese Auffassung auf einer Mißdeutung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes B 2069/92. Der Verfassungsgerichtshof nehme eine Verletzung des durch § 2 Abs. 1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung (abgesehen von einer unrichtigen Beurteilung der Rechtslage) nur dann an, wenn GROBE Verfahrensfehler dazu führten, daß eine nach § 2 Abs. 1 ZDG abgegebene Erklärung von der Behörde als nicht rechtswirksam qualifiziert werde. Im damals zu entscheidenden Fall habe der Verfassungsgerichtshof einen solchen GROBEN Verfahrensmangel deswegen angenommen, weil der angefochtene Bescheid ausschließlich damit begründet worden sei, daß zur Erklärung der Lebenslauf fehle, diese Behauptung aber dem Inhalt des Verwaltungsaktes widersprochen habe. Es habe sich damals also um einen Fehler gehandelt, der vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifen gewesen sei. Anders als der Verwaltungsgerichtshof offenbar annehme, unterscheide sich in der hier maßgebenden Hinsicht das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht essentiell von jenen auf Vereins- und Versammlungsfreiheit. Eine Verletzung dieser Grundrechte sei nämlich schon dann gegeben, wenn nur eine einfache Gesetzwidrigkeit vorliege, sodaß jede Verletzung des Vereinsgesetzes 1951 und des Versammlungsgesetzes 1953 auch eine Verletzung des Grundrechtes darstelle und deshalb für eine Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes kein Raum bleibe. Hingegen prüfe der Verfassungsgerichtshof beim verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht nur, ob grobe Verfahrensmängel gegeben seien; im übrigen fehle ihm die Prüfungszuständigkeit. Die Kompetenz zur Wahrnehmung sonstiger Verfahrensfehler liege vielmehr beim Verwaltungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von seiner oben dargelegten Rechtsauffassung abzugehen.

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes B 1115/93 zeigt nichts auf, was die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes als unhaltbar erscheinen ließe, die Regelungen des § 5 Abs. 4 und 5 ZDG begründeten keine einfachgesetzliche Rechtsposition im Sinne eines eigenständigen, materiellen subjektiven Rechtes (neben dem durch § 2 Abs. 1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht), dessen behauptete Verletzung in die Kompetenz des Verwaltungsgerichtshofes fiele. Diese Rechtsauffassung beruht auf der spezifischen Funktion der Regelungen des § 5 Abs. 4 und 5 ZDG für die Verwirklichung des besagten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes. Es handelt sich bei ihnen (wie es im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes G 74/93 u.a. zutreffend heißt) um Formal- bzw. Ordnungsvorschriften, mit denen der einfache Gesetzgeber aufgrund der verfassungsgesetzlichen Ermächtigung des § 2 Abs. 1 ZDG die Modalitäten, unter denen eine Erklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 ZDG zur Ausnahme von der Wehrpflicht führt, regelt. Diese Regelungen ergingen aufgrund des Ausführungvorbehaltes in § 2 Abs. 1 ZDG ("nach Maßgabe des § 5 Abs. 1, 4 und 5"). Daraus folgt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, daß durch einen fehlerhaften negativen Feststellungsbescheid nach § 5 Abs. 4 ZDG zwangsläufig UND AUSSCHLIEßLICH eine Verletzung des durch § 2 Abs. 1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung bewirkt wird und somit insoweit für eine Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes kein Raum bleibt. Insofern ist daher die Rechtslage aufgrund der gleichartigen Regelungstechnik ("Ausführungsvorbehalt") durchaus vergleichbar mit jener im Bereich der vom Verfassungsgerichtshof angesprochenen Grundrechte der Vereins- und Versammlungsfreiheit, bei denen die Verletzung einfachgesetzlicher Bestimmungen nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine Verletzung des betreffenden Grundrechtes darstellt. (Anderes gilt für die nicht vom Ausführungsvorbehalt des § 2 Abs. 1 ZDG erfaßten Regelungen dieses Gesetzes. Sie begründen einfachgesetzlich gewährleistete subjektive Rechte, deren behauptete Verletzung durch einen Verwaltungsakt vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfen ist.) Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, daß der Schutzumfang des durch § 2 Abs. 1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes (siehe zu diesem Schutzumfang vor der Novelle 1991 Fessler-Stumpf-Wieseneder, Zivildienstrecht, ZDG-Kommentar, Anm. 8 zu § 2 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes) durch die Novelle 1991 eine Änderung erfahren hätte. Er erstreckt sich vielmehr weiterhin auf wesentliche Verfahrensfehler, die der Behörde - nunmehr bei der Feststellung, ob eine die angestrebte Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung bewirkende Erklärung vorliegt - unterlaufen sind und zu einer Verletzung dieses Rechtes führen. So wie vor der besagten Novelle ein Bescheid, mit dem die begehrte Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung verweigert wurde, (ausnahmslos) einen Eingriff in das durch § 2 Abs. 1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht bedeutete, greift auch ein negativer Feststellungsbescheid nach § 5 Abs. 4 ZDG in der Fassung der Novelle 1991 zwangsläufig in dieses Recht ein. Damit steht allseits bindend fest, daß dem Betreffenden die mit der von ihm abgegebenen Erklärung angestrebte Inanspruchnahme dieses Rechtes mißlungen und er somit weiterhin wehrpflichtig ist.

Aus der im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes B 1115/93 angesprochenen Unterscheidung zwischen "wesentlichen Verfahrensfehlern (groben Verfahrensmängeln)" und anderen Verfahrensmängeln ist im gegebenen Zusammenhang nichts zu gewinnen. Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes bestimmt sich danach, ob in der Beschwerde die Verletzung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten oder in einem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht behauptet wird (siehe dazu näher Oberndorfer, Die Österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 39 ff, mit weiteren Nachweisen), nicht jedoch nach dem Gewicht der geltend gemachten Verfahrensmängel. Nach den obigen Darlegungen berührt ein Feststellungsbescheid nach § 5 Abs. 4 ZDG wegen seines Inhaltes nur die verfassungsgesetzliche Rechtssphäre; auf das Gewicht der behaupteten Verfahrensfehler kommt es hiebei nicht an. Damit kommt aber bei solchen Bescheiden eine (für die meritorische Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes unabdingbare) Behauptung, in einem einfachgesetzlich gewährleisteten materiellen Recht verletzt zu sein, infolge Unmöglichkeit einer solchen Rechtsverletzung rechtlich nicht in Betracht. Die Unterscheidung zwischen "wesentlichen/groben" und anderen Verfahrensmängeln ist daher für die hier erörterte Zuständigkeitsfrage ohne Belang.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde (durch einen nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Fünfersenat) gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten die zur Zuständigkeit des VfGH gehören (B-VG Art133 Z1) Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994110121.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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