TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/31 94/14/0029

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Veröffentlicht am 31.05.1994
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/05 Wohnrecht Mietrecht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

ABGB §1097;
BAO §167 Abs2;
BAO §22;
MRG §10;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde des Dr. H in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom 27. Dezember 1993, GZ. 166-3/90, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Zahnarzt. Bis Ende Juli 1987 war er in einem anderen Bundesland tätig. Die Ordination hatte er dort von 1977 an in Räumen, die er von seiner damaligen Ehefrau mündlich um S 120.000,-- jährlich auf unbestimmte Zeit gemietet hatte. Das Objekt stand im Wohnungseigentum der Ehefrau. Mit 1. August 1987 verlegte er seine Tätigkeit nach Kärnten. Im November desselben Jahres veräußerte die Ehefrau das Wohnungseigentumsobjekt. Vom Käufer wurde es nicht mehr als Ordination genutzt. Der Beschwerdeführer hatte nach dem Erwerb der Liegenschaft bereits im Jahre 1977 rund S 1,786 Mio in die Ordination investiert - darunter auch Baumeisterarbeiten und Installationen - und in den Folgejahren bis zur Kündigung des Mietverhältnisses durch ihn weitere rund S 200.000,--. Ausdrückliche Vereinbarungen zwischen den Parteien des Mietvertrages über den Ersatz von Aufwendungen des Mieters in die Ordination für den Fall der Auflösung des Mietvertrages waren nicht getroffen worden.

Die belangte Behörde ging in dem im Instanzenzug erlassenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid den Steuererklärungen gemäß von einer Betriebsaufgabe des Beschwerdeführers im anderen Bundesland aus. Abweichend von der Steuererklärung rechnete sie den Einkünften als begünstigt zu versteuernden Veräußerungsgewinn noch S 600.000,-- mit der Begründung hinzu, im Geschäftsleben sei es unüblich, daß der Mieter bei (vorzeitiger) Beendigung des Mietverhältnisses im betrieblichen Bereich auf eine Entschädigung für "Mietereinbauten" verzichte, die offensichtlich zu einer Verbesserung des Mietobjektes geführt haben. Dieser Verzicht des Beschwerdeführers gegenüber seiner Ehegattin halte einem Fremdvergleich nicht stand. Aus welchen Gründen es zur (vorzeitigen) Beendigung des Mietverhältnisses gekommen sei, habe auf die Lösung des Problems keinen Einfluß. Den Wert der Verbesserungsaufwendungen, auf deren Vergütung der Beschwerdeführer verzichtet habe, ermittelte die belangte Behörde durch Bildung der Differenz zwischen dem von der Ehegattin des Beschwerdeführers 1987 erzielten Anteil am Kaufpreis für die Ordinationsräumlichkeiten und dem mit dem Baukostenindex erhöhten Kaufpreisanteil (1977) für die betreffenden Räumlichkeiten. Von der Umsatzsteuererklärung wich die belangte Behörde durch Berichtigung der Vorsteuern gemäß § 12 Abs. 10 UStG im Ausmaß von insgesamt S 17.232,-- ab, weil der Beschwerdeführer durch seinen Verzicht auf einen Ersatz seiner Investitionen dieses Wirtschaftsgut (Ersatzanspruch) in das Privatvermögen überführt habe.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf gesetzmäßige Steuerfestsetzung verletzt, bei der ein Veräußerungsgewinn von S 600.000,-- infolge eines Verzichtes auf Ersatzansprüche für Investitionen in das Mietobjekt nicht zum Ansatz kommt und bei der aus dem genannten Grund keine Vorsteuerberichtigung durchgeführt wird. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Mietvertrag zwischen den nahen Angehörigen durfte sowohl unter dem Gesichtspunkt der Beweiswürdigung als auch unter Mißbrauchsgesichtspunkten (§ 22 BAO) einem Fremdvergleich unterzogen werden. Sollte er von jenem Vertragsinhalt (wesentlich) abweichen, der zwischen Fremden als üblich angesehen werden müßte, könnte die Besteuerung - nach entsprechender Würdigung der Beweise (§ 167 Abs. 2 BAO) - unter Zugrundelegung des fremdüblichen Sachverhaltes als in Wahrheit dem übereinstimmenden Vertragswillen der Ehegatten entsprechend, oder, im Mißbrauchsfall, auf Grund der dem Fremdvergleich entsprechenden angemessenen Gestaltung (§ 22 Abs. 2 BAO) erfolgen. Für den erstgenannten Fall hätte die belangte Behörde, um ihre Sachverhaltsermittlung von Verfahrensmängeln freizuhalten, zur Erforschung des übereinstimmenden Willens der Parteien des Mietvertrages diese über ihre Absichten bei Vertragsabschluß zu vernehmen gehabt.

Die belangte Behörde ist zwar zutreffend davon ausgegangen, es sei - was als notorisch angesehen werden kann - im Geschäftsleben unüblich, daß der Mieter bei (vorzeitiger) Beendigung eines Mietverhältnisses im betrieblichen Bereich auf eine Entschädigung für "Mieteinbauten" verzichte. Damit ist aber für den im Beschwerdefall anzustellenden Fremdvergleich noch nichts gewonnen. Von einem Verzicht könnte nämlich nur gesprochen werden, wenn auf seiten des Mieters ein entsprechender Ersatzanspruch bestünde. Für die Geschäftsraummiete ist ein solcher im Mietrechtsgesetz nicht vorgesehen. Ein Ersatzanspruch könnte sich daher entweder aus § 1097 ABGB (vgl. hiezu Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 1 bis 3 zu § 10 MRG) oder aus dem Mietvertrag ergeben. Tatsachenfeststellungen, die einen der beiden in § 1097 ABGB vorgesehenen Aufwandersatzansprüche als verwirklicht erkennen ließen und bejahendenfalls in welcher Höhe, hat die belangte Behörde nicht getroffen. In diesem Zusammenhang wäre von ihr auch klarzustellen gewesen, ob nach dem übereinstimmenden Vertragswillen der Parteien Gegenstand des Vertrages eine bereits als solche benützbare Zahnarztordination war oder lediglich die hiezu noch nicht benützbaren Gebäudeteile, die erst vom Mieter als Zahnarztordination benutzbar gemacht werden sollten. Für die Ermittlung der Höhe allfälliger Aufwandersatzansprüche ist die Differenz zwischen dem entrichteten Gebäudeeinkaufspreis und dem erzielten Gebäudeverkaufspreis nicht verwertbar. Diese Differenz steht nämlich weder mit dem getätigten Aufwand für die Instandsetzung benützbarer Ordinationsräumlichkeiten noch mit dem dem Vermieter bei Auflösung des Mietvertrages verbleibenden objektiven Wert der Investitionen in einem solchen Zusammenhang, der eine Feststellung der Höhe dieser Komponenten erlaubte.

Welche vertraglichen Abreden bei vergleichbaren Geschäftsraummieten hinsichtlich des Ersatzes von Mieteraufwendungen zwischen Fremden für den Fall üblich sind, daß der Mieter den Vertrag zu einer Zeit kündigt, in dem das Mietverhältnis schon rund 10 Jahre gedauert hat und der weitaus überwiegende Teil der Aufwendungen auch schon 10 Jahre zurückliegt, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Gerade dies wäre jedoch für einen Fremdvergleich von ausschlaggebender Bedeutung gewesen. Die Feststellung dieses Sachverhaltes auf Grund von Ermittlungsergebnissen, die in einem gesetzmäßigen Verfahren gewonnen wurden, wäre erforderlich gewesen, weil es sich nicht um Tatsachen handelt, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind oder für die das Gesetz eine Vermutung aufstellt (§ 167 Abs. 1 BAO). Für den Fremdvergleich wäre aber auch wesentlich, welches Bestandobjekt die Parteien des Mietvertrages übereinstimmend erfaßten (vgl. obige Ausführungen zu § 1097 ABGB). Bei dem Vergleich, der alle Leistungen und Gegenleistungen berücksichtigen müßte, wären auf seiten des Mieters der oben erwähnte Jahresmietzins ebenso in Ansatz zu bringen wie die dem Vermieter nach Vertragsbeendigung verbleibenden noch werterhöhenden Investitionen.

Die belangte Behörde hat die Rechtslage daher dadurch verkannt, daß sie von einem Verzicht des Beschwerdeführers auf einen Aufwandersatzanspruch ausging, ohne zu berücksichtigen, daß nicht jeder Mieter einen solchen Aufwandersatzanspruch für seine Investitionen in das Mietobjekt hat, wenn er den Vertrag zur Auflösung bringt, und daß für die Höhe eines allfälligen Ersatzanspruches nicht der vom Vermieter für das Mietobjekt erzielte Verkaufspreis ausschlaggebend ist. Als Folge der unrichtigen Rechtsansicht hat die belangte Behörde - wie aufgezeigt - die Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes unterlassen.

Der angefochtene Bescheid mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Gemäß § 28 Abs. 5 VwGG bedarf es nur der Vorlage einer Ausfertigung (Abschrift) des angefochtenen Bescheides. Beilagengebühren für weitere Ausfertigungen waren daher nicht zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994140029.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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