TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/1 94/18/0124

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Veröffentlicht am 01.06.1994
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
StGB §10 Abs1 Z6;
StGB §10 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. Jänner 1994, Zl. SD 485/93, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. Jänner 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen iranischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 1 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 10 Jahren erlassen. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 18. September 1986 wegen des Vergehens des Diebstahles, der dauernden Sachentziehung, der Urkundenunterdrückung und der Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten bedingt rechtskräftig verurteilt worden. Die zweite Verurteilung, ebenfalls durch den Jugendgerichtshof Wien wegen des Vergehens des Diebstahles zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Wochen bedingt, stamme vom 16. Juni 1988. Am 27. April 1990 sei der Beschwerdeführer wiederum vom Jugendgerichtshof Wien und zwar wegen schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 9 Wochen bedingt verurteilt worden. Die nunmehr vierte gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers sei durch das Landesgericht für Strafsachen Wien am 26. Juni 1991 wegen Diebstahles und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat bedingt erfolgt. Der Beschwerdeführer sei somit mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden. Aufgrund dieses Sachverhaltes seien die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG gegeben; auch die im § 18 Abs. 1 umschriebene Annahme sei gerechtfertigt.

Zur Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer Ende des Jahres 1975 zusammen mit seiner Mutter und 3 Geschwistern nach Österreich gekommen sei. Im Jahre 1979 sei eines der Geschwister des Beschwerdeführers im Anschluß an einen vorübergehenden Aufenthalt im Iran geblieben. Die Mutter des Beschwerdeführers habe sich 1984 sieben Monate lang und im Jahre 1986 für einige Monate im Iran aufgehalten. Im Jahre 1986 lebte auch eine Schwester des Beschwerdeführers wieder im Iran. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers und seiner Mutter sei stets durch befristete Sichtvermerke geregelt worden. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes stelle im Hinblick auf die lange Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich einen massiven Eingriff in sein Privatleben dar, wenngleich auch familiäre Bindungen in den Iran bestünden. Dieser Eingriff sei aber zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, und zwar zum Schutz der Rechte Dritter und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, dringend geboten. Wenn der Beschwerdeführer die Diebstähle im Alter von 16 Jahren als jugendliche Unbesonnenheit bezeichne, so könne wohl nach der dritten Straftat im Alter von 21 Jahren davon nicht mehr gesprochen werden. Darüber hinaus dürfe nicht übersehen werden, daß der Beschwerdeführer auch Straftaten gegen andere Rechtsgüter (Leib und Leben und Freiheit) begangen habe und zuletzt auch Gewalt im Zusammenhang mit einem Vermögensdelikt (Diebstahl und Nötigung) angewendet habe. Wenngleich die Übertretungen des Beschwerdeführers im August 1992 (ungestümes Benehmen und Anstandsverletzung) ihrer Art nach nicht an sich schwerwiegend seien, so seien diese Tathandlungen doch für seinen Charakter und für seine Einstellung symptomatisch. Damals sei eine nicht genehmigte Veranstaltung behördlicherseits beendet worden. Der Beschwerdeführer, der damals keineswegs betrunken gewesen sei, habe darüber seinem Zorn freien Lauf gelassen. Er habe gegenüber den für die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit verantwortlichen Organen der Sicherheitsexekutive ein äußerst aggressives und feindseliges Benehmen gezeigt, indem er zunächst allgemein laut "Bullenschweine, schleichts euch, Polizeistaat, Nazimethoden" gerufen habe und dann in provokanter Negierung behördlicher Anweisungen und Abmahnungen geschrien habe "Bullenschwein, schleich dich, hau doch ab du Bullenschwein, das Nazischwein will mich hier in Österreich nicht haben, das ist das typische Verhalten gegenüber Ausländern". Als er dann festgenommen und visitiert worden sei, habe er die Worte "greifts mir doch auf den Schwanz, ihr schwulen Bullenschweine" geschrien. In Anbetracht des beschriebenen Verhaltens des Beschwerdeführers wögen die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ziemlich schwer. Die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers hätten demgegenüber zurückzustehen. Der Beschwerdeführer halte sich zwar seit seiner Kindheit in Österreich auf, habe aber gezeigt, daß er nicht bereit sei, sich den österreichischen Vorschriften anzupassen und die Organe der österreichischen Rechtsordnung anzuerkennen. Hinsichtlich seiner persönlichen Bindungen habe der Beschwerdeführer auf einen hier lebenden Cousin und darauf verwiesen, daß er eine österreichische Staatsbürgerin heiraten möchte. Maßgebender Sachverhalt für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei die seit 26. Juni 1991 rechtskräftige Verurteilung wegen Diebstahls und Nötigung. Vor diesem Zeitpunkt hätte dem Berufungswerber die Staatsbürgerschaft im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 1 bis 8 StbG nicht erteilt werden können, weil der Beschwerdeführer schon, nachdem er erstmals strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, wie sich auch später herausgestellt habe, keine Gewähr dafür geboten habe, daß er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bilde. Die sich über mehrere Jahre hinweg erstreckenden, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Straftaten ließen ein Charakterbild des Beschwerdeführers erkennen, das den Schluß rechtfertige, er sei gegenüber den zum Schutz des Eigentums, der körperlichen Sicherheit und der Freiheit erlassenen Vorschriften negativ oder gleichgültig eingestellt und bilde sohin eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit. Aufgrund des Verleihungshindernisses des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG stehe daher auch § 20 Abs. 2 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser trat die Beschwerde nach Ablehnung von deren Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 12. März 1994, B 421/94).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtwidrigkeit, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides und begehrt dessen Aufhebung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft nicht die - zutreffende - Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand nach § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Er meint jedoch, daß der Erlassung des Aufenthaltsverbotes § 19 FrG entgegenstehe. Er bringt hiezu vor, daß er in Österreich aufgewachsen sei, seine Schul- und Berufsausbildung genossen und de facto in Österreich seine Heimat habe.

Auf diese Umstände hat die belangte Behörde zutreffend bei der gebotenen Interessensabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG Bedacht genommen. Die belangte Behörde ging von einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 FrG aus und hielt die Verhängung des Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer für dringend geboten. Gemäß § 19 FrG ist unabhängig davon, wie stark eine Beeinträchtigung des Privatund/oder Familienlebens durch ein Aufenthaltsverbot sein mag, diese Maßnahme zulässig, wenn sie zum Schutz der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen erforderlich ist. Dagegen, daß die belangte Behörde unter den Gesichtspunkten des Schutzes der Rechte Dritter und der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers das Aufenthaltsverbot als dringend geboten ansah, bestehen keine Bedenken.

Die belangte Behörde ist bei der nach § 20 Abs. 1 FrG gebotenen Interessensabwägung ungeachtet des Vorhandenseins beachtlicher privater, für den Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechender Gründe dennoch zum Ergebnis gelangt, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Dieses Ergebnis ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die im Beschwerdefall maßgeblichen, für das Aufenthaltsverbot sprechenden öffentlichen Interessen sind von solchem Gewicht, daß sie die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers überwiegen.

Nach Auffassung des Beschwerdeführers hätte nach § 20 Abs. 2 FrG kein Aufenthaltsverbot über ihn verhängt werden dürfen. Es sei davon auszugehen, daß ihm bereits im Jahre 1986 gemäß § 10 Abs. 1 StbG die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist der für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 StbG entscheidende Zeitpunkt der "Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" nicht der Zeitpunkt vor der ersten gerichtlichen Verurteilung, sondern der der Rechtskraft der vorletzten gerichtlichen Verurteilung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0491). Zu diesem Zeitpunkt war die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG aus dem von der belangten Behörde angeführten Grund nicht erfüllt (vgl. auch dazu das vorzitierte Erkenntnis vom 28. Oktober 1993).

Da sohin schon der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180124.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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