TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/9 94/06/0106

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Veröffentlicht am 09.06.1994
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1294;
AVG §69 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der E in O, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 31. März 1994, Zl. 03-20 Ha 106-93/4, betreffend Wiederaufnahme eines Straßenrechtsverfahrens (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem in Ablichtung vorgelegten Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde hat gemäß § 3 des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes festgestellt, daß der in der Natur ersichtliche Verbindungsweg von G nach O - in der Mappe als öffentliches Gut (Straßen und Wege) mit den Grundstücken Nr. 790/2 KG G und 895 KG F bezeichnet - als öffentlich anzusehen ist, unbeschadet der Eigentumsfrage. Weiters hat der Bürgermeister festgestellt, daß keinerlei Handlungen gesetzt werden dürfen, die geeignet seien, den öffentlichen Verkehr zu behindern. Eine gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 11. Februar 1993 als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen und wurde auch nicht mit Vorstellung bekämpft.

Mit einem am 5. April 1993 eingebrachten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe im vorhergehenden Verfahren stets die Meinung vertreten, daß das Grundstück 790/2 im Bereich ihres angrenzenden Grundstückes 207/2 nicht mehr existiere, weil es schon längst vom D-Bach überflutet und weggeschwemmt worden sei. Der von der Gemeinde als öffentlich festgestellte Weg Grundstück Nr. 790/2 verlaufe in Wahrheit über ihr Grundstück Nr.207/2 KG F. Die Beschwerdeführerin habe nach Abweisung ihrer Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters einen Ingenieurkonsulenten beauftragt, die fraglichen Grundstücke zu vermessen. Aus dem nunmehr vorliegenden Bestandsaufnahmeplan ergebe sich, daß der ursprüngliche Verbindungsweg im Lauf der Jahrzehnte durch das immer wieder auftretende Hochwasser des Baches abgeschwemmt worden sei und der nunmehrige Weg auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin liege. Darüber hinaus wurde unter Hinweis auf das Vorbringen im bisherigen Verfahren der Gemeinde noch darauf hingewiesen, daß der Weg immer abgesperrt gewesen sei, was aus Zeugenaussagen, insbesondere des Zeugen R und der Mutter der Beschwerdeführerin, J.D., nachweisbar sei. Der Bestandsplan und die namhaft gemachten Zeugen seien jene neuen Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG, die im vorhergehenden Verfahren ohne Verschulden der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht werden konnten. Diese Beweise im Zusammenhang mit den bisher eingebrachten Schriftsätzen hätten eine im Hauptinhalt des Spruches anders lautende Entscheidung herbeigeführt.

Mit Bescheid vom 28. Juni 1993 hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde den bei ihm eingebrachten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen. Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin stütze ihren Antrag auf Wiederaufnahme in erster Linie auf ein nach dem Bescheid des Gemeinderates in Auftrag gegebenes Gutachten eines Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen. In ihrem Antrag bringe sie dazu vor, daß sie zur Beendigung ihres Beweisnotstandes im vorhergehenden Vorstellungsverfahren nach Erlassung des Bescheides des Gemeinderates den Auftrag zur Vermessung erteilt habe. Dieser Umstand könne aber nach Ansicht der Aufsichtsbehörde nicht als Beweismittel angesehen werden, das im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht hätte werden können. Bereits in einer Besprechung betreffend dieses Wegproblem am 4. November 1992 in Anwesenheit des Bürgermeisters und anderer Anrainer - die diesbezügliche Niederschrift befinde sich im Feststellungsakt der Gemeinde - habe die Beschwerdeführerin bekanntgegeben, daß sie wissen wolle, wo ihre Grundgrenzen verliefen. Schon damals sei offensichtlich die Frage zwischen der Abgrenzung der Wegparzelle und dem angrenzenden Grundstück der Beschwerdeführerin im Raume gestanden. Damals habe der Bürgermeister angeboten, neben der Errichtung einer Bachverbauung auch die Vermessungskosten zu übernehmen. Schon in ihrer Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters habe die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß eine Vermessung notwenig sei. Es sei aus dem Feststellungsverfahren immer wieder ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin die Tatsache des Vorhandenseins der Grundstücke 790/2 und 895 (Straßen und Wege) im Eigentum der Republik Österreich in Abrede gestellt und behauptet habe, daß dieser Weg im Bereich ihrer Grundstücke verlaufe. Weder aus dem Wiederaufnahmeantrag noch aus der vorliegenden Vorstellung ergebe sich ein Hinweis, warum die Beibringung eines Vermessungsplanes, wie ihn die Beschwerdeführerin erst nach Abschluß des Verfahrens beauftragt habe, im vorhergehenden Verfahren ohne ihr Verschulden nicht möglich war. Es wäre ihr im Verlauf des Verfahrens bei der Gemeinde ohne weiteres möglich gewesen, ein derartiges Beweismittel vorzulegen. Darüber hinaus wäre es der Beschwerdeführerin auch möglich gewesen, wenn sie der Meinung gewesen wäre, daß im durchgeführten Verfahren auf von ihr gestellte Beweisanträge - Festellungen, daß dieser Weg auf anderen Grundstücken liegt als festgestellt - nicht ordnungsgemäß eingegangen worden sei, das durchgeführte Verfahren der Gemeinde im Wege einer Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde einer Überprüfung zu unterziehen und in weiterer Folge wäre ihr die Möglichkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes offen gestanden. Beide Rechtsbehelfe habe die Beschwerdeführerin jedoch nicht ergriffen. Ebenso verhalte es sich mit der Namhaftmachung der Zeugen. Der Zeuge R sei bereits in der Berufung geltend gemacht worden. Warum der andere Zeuge, nämlich die unter der selben Anschrift wie die Beschwerdeführerin wohnende Mutter der Beschwerdeführerin ohne ihr Verschulden im Verfahren nicht geltend gemacht werden konnte, sei weder im Antrag noch in der Vorstellung begründet worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 ABs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

In der Beschwerde wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe sich aufgrund einer Mitteilung der mitbeteiligten Gemeinde an den Volksanwalt darauf verlassen können, daß nach Einschaltung des Volksanwaltes in dieses Verfahren von der Gemeinde eine Vermessung durchgeführt werde. Sie habe bei der gegebenen Situation eben mit einem Erfolg ihrer Berufung gerechnet und deshalb zu einem früheren Zeitpunkt die kostenaufwendige Vermessung nicht durchführen lassen, die erst durch den für die Beschwerdeführerin enttäuschenden Bescheid des Gemeinderates offensichtlich notwendig geworden sei.

Auch in der Beschwerde wird nicht bestritten, daß die Frage, ob der Weg über das Grundstück der Beschwerdeführerin verläuft oder nicht, bereits im vorangegangenen Verwaltungsverfahren erörtert wurde und die Beschwerdeführerin in diesem Verfahren vorgebracht habe, daß der Weg in Wahrheit über ihr Grundstück velaufe. Nun können neue Befundergebnisse durchaus einen Wiederaufnahmegrund gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG darstellen, ebenso wie Zeugenaussagen. Allerdings ist zu überprüfen, ob die neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel ohne Verschulden der Beschwerdeführerin nicht im Verfahren geltend gemacht wurden. Bei dem Verschulden im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG handelt es sich, wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgeführt hat, um ein Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1966, Slg N.F. Nr. 6982/A). Ein derartiges Verschulden stellt es auch dar, wenn in der Erwartung einer günstigen Berufungsentscheidung eine für deren Herbeiführung mögliche Beweisführung (z.B. Privatgutachten) unterlassen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1984, Zl. 84/07/0135). Da es die Beschwerdeführerin während des Verwaltungsverfahrens unterlassen hat, den erforderlichen Nachweis, nämlich ein Gutachten eines Vermessungsingenieurs beizubringen, war im Sinne der oben zitierten Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht davon auszugehen, daß der Beschwerdeführerin kein Verschulden anzulasten wäre. Zu den im Wiederaufnahmeantrag geltend gemachten Zeugen R, dessen Erklärung schon mit der Berufung der Beschwerdeführerin vorgelegt wurde und der Mutter der Beschwerdeführerin wird auch in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht ausgeführt, weshalb es der Beschwerdeführerin nicht schon im Verwaltungsverfahren möglich gewesen sein sollte, den Wissensstand dieser Personen zu erkunden und deren zeugenschaftliche Vernehmung zu beantragen. Bei dieser Sachlage kann aber der belangte Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, daß die im Wiederaufnahmsantrag angeführten Beweismittel nicht ohne Verschulden der Beschwerdeführerin nicht schon während des Verwaltungsverfahrens beigebracht bzw. namhaft gemacht wurden. Durch die Abweisung der Vorstellung der Beschwerdeführerin ist diese daher in keinem Recht verletzt.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs.1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Verschulden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994060106.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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