TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/16 94/19/1114

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Veröffentlicht am 16.06.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art43 Abs2;
FlKonv Art43;
Rechtsstellung der Flüchtlinge Protokoll 1974;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der S in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Dezember 1993, Zl. 4.343.642/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Dezember 1993 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin, einer armenischen Staatsangehörigen, die am 17. Oktober 1993 in das Bundesgebiet eingereist war, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. November 1993, womit der Asylantrag der Beschwerdeführerin vom 19. Oktober 1993 abgewiesen worden war, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat hiezu erwogen:

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung auf § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991, weil die Beschwerdeführerin vor ihrer Einreise nach Österreich in einem Drittland - hier der Tschechischen Republik - keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und nicht habe befürchten müssen, ohne Prüfung der Fluchtgründe in ihr Heimatland abgeschoben zu werden.

Die Beschwerdeführerin bestreitet vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht, sich in der Tschechischen Republik aufgehalten zu habe; sie rügt die Ansicht der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei verhalten gewesen, schon im ersten "sicheren Land" in das sie ihre Flucht geführt habe, um Asyl anzusuchen.

Die Beschwerdeführerin bringt in diesem Zusammenhang weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht etwas vor, das darauf hinweisen könnte, daß sie nicht vor ihrer Einreise nach Österreich bereits in der Tschechischen Republik vor Verfolgung sicher gewesen wäre. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0915 u.a.) ist Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 anzunehmen, wenn die Asylwerberin im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte, wobei es nicht darauf ankommt, wie lange sich die Beschwerdeführerin in dem Drittstaat aufgehalten hat, welche Absichten sie dabei verfolgt hat und ob ihr Aufenthalt den dortigen Behörden bekannt und von diesen geduldet war.

Da nach den Kundmachungen des Bundeskanzlers betreffende Geltungsbereich der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie den Geltungsbereich des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 806 und 807/1993, die Tschechische Republik mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1993 erklärt hat, sich auch weiterhin an die genannten Übereinkommen gebunden zu erachten und die bis 31. Dezember 1992 als einheitliches Staatsgebiet bestehende Tschechoslowakei am 26. November 1991 die Beitrittsurkunde zur Genfer Flüchtlingskonvention ohne Einschränkung hinterlegt hat (siehe BGBl. Nr. 260/1992), kann es nicht als unschlüssig angesehen werden, wenn die belangte Behörde die Verfolgungssicherheit der Beschwerdeführerin im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 angenommen hat. Daß sich die Beschwerdeführerin hiebei nur auf der Durchreise nach Österreich befunden hat, ist rechtlich ohne Bedeutung, kam es doch nicht auf die Dauer und das Motiv ihres (nur vorübergehenden) Aufenthaltes in der Tschechischen Republik an. Vielmehr war für die Beschwerdeführerin Verfolgungssicherheit zumindest bereits ab dem Zeitpunkt gegeben, in dem sie dieses fremde Staatsgebiet betreten hat, wobei sie keine relevanten Gründe genannt hat, die sie gehindert hätten, dort länger zu bleiben und bereits dort um Asyl anzusuchen.

Dem Umstand, daß der Beschwerdeführerin nach ihren Angaben "die Reisedokumente nicht ausgefolgt wurden, um zu gewährleisten, daß niemand von der Fluchtgruppe abspringt", vermag nicht schlüssig entnommen zu werden, warum die Beschwerdeführerin in der Tschechischen Republik bei Stellung eines Asylantrages etwa nicht vor Verfolgung sicher gewesen wäre.

Es kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im übrigen nicht auf den Ort der "Fluchtbeendigung" im Sinne der Vorstellungen der Asylwerberin sondern darauf an, ob die Flüchtende unter Bedachtnahme auf das (auf die Vermeidung weiterer Verfolgung ausgerichtete) Sicherheitsbedürfnis ihren Fluchtweg schon vor der Einreise nach Österreich hätte abbrechen können (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 10. März 1994).

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen ließ, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen (§ 35 Abs. 1 VwGG).

Aus diesem Grund erübrigte sich auch ein gesonderter Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994191114.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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