TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/20 94/10/0022

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Veröffentlicht am 20.06.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §17 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des H in X, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 10. Dezember 1993, Zl. 17/188-4/1993, betreffend Zurückweisung einer Berufung und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund und dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von je S 2.282,50 (zusammen sohin insgesamt S 4.565,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz (BH) vom 10. März 1993 wurden über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 4 Abs. 1 iVm § 1 des Tiroler Landes-Polizeigesetzes sowie des Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG Geldstrafen verhängt.

Mit zwei weiteren Strafverfügungen derselben Behörde vom 11. März 1993 wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen wegen Übertretung des § 4 Abs. 1 iVm § 1 des Tiroler Landes-Polizeigesetzes verhängt.

Alle drei Strafverfügungen wurden am 18. März 1993 durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt zugestellt.

Mit Schreiben vom 14. April 1993 forderte die BH den Beschwerdeführer unter Hinweis auf die erfolgte Hinterlegung auf, allfällige Umstände, die die Zustellung durch Hinterlegung mangelhaft erscheinen ließen, bekanntzugeben. Der Beschwerdeführer reagierte auf dieses Schreiben nicht.

Mit Mahnung vom 26. Mai 1993 erinnerte die BH den Beschwerdeführer an seine Verpflichtung zur Bezahlung der Geldstrafen. Auf dieser Mahnung ist folgender Vermerk angebracht:

"Trotz der Hinterlegungsanzeige haben Sie die Strafverfügung nicht behoben. Da Sie auf das Schreiben der BH bezüglich eventueller Zustellmängel nicht geantwortet haben, ist die Strafverfügung rechtskräftig geworden. Die gegenständliche Strafverfügung geht Ihnen anbei zu Ihrer gefl. Kenntnisnahme zu."

Mit am 11. Juni 1993 bei der BH eingelangten Schriftsätzen erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter Einspruch gegen die drei Strafverfügungen. Zur Rechtzeitigkeit der Einsprüche brachte er vor, er sei während der Zeiten, zu denen ihm durch das Postamt Schwaz die Möglichkeit eingeräumt worden sei, die Strafverfügungen abzuholen, in Innsbruck gewesen. Das Postamt in Schwaz habe lediglich von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr offen. Der Beschwerdeführer fahre um 6.30 Uhr mit dem Zug von Schwaz nach Innsbruck und von Innsbruck frühestens um 18.15 Uhr zurück nach Schwaz, dies von Montag bis Freitag. Er habe sogar ersucht, die Strafverfügungen zum Hauptpostamt nach Innsbruck zu schicken, wo es ihm möglich gewesen wäre, diese abzuholen. Dies sei nicht geschehen. Er habe sogar seine Gattin ersucht, die hinterlegten Schriftstücke zu beheben, was ebenfalls nicht gelungen sei. Erst durch die Zustellung der Mahnung vom 26. Mai 1993, in der auch die Strafverfügungen - und zwar im Original - beigelegt gewesen seien, habe der Beschwerdeführer Kenntnis sowohl von den Strafverfügungen als auch von ihrem Inhalt erlangt. Der Einspruch sei daher rechtzeitig. Gleichzeitig stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist und begründete diesen damit, er sei während der gesamten Hinterlegungszeit täglich in Innsbruck gewesen und zwar während der Zeiten, in denen das Postamt zur Behebung des hinterlegten Schriftstückes offengestanden sei. Er habe daher keine Möglichkeit gehabt, die Strafverfügungen zu beheben und von ihrem Inhalt Kenntnis zu erhalten. Seinem Antrag auf Zustellung der Schriftstücke an das Hauptpostamt in Innsbruck sei die Behörde nicht nachgekommen, sodaß er durch ein unabwendbares Ereignis an der Behebung der Strafverfügungen gehindert gewesen sei.

Mit Bescheid vom 11. August 1993 wies die BH die Einsprüche gegen die Strafverfügungen als verspätet zurück. Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden abgewiesen.

Der Beschwerdeführer berief.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gegen die Zurückweisung der verspäteten Einsprüche als unbegründet ab und gab der Berufung gegen die Abweisung der Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zurückweisung der Einsprüche:

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde nehme zu Unrecht an, daß ein regelmäßiger Aufenthalt des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Zustellversuches gegeben gewesen sei. Es sei anerkannt, daß Ortsabwesenheit dann anzunehmen sei, wenn der Empfänger durch einen Krankenhausaufenthalt verhindert sei, Poststücke zu beheben. Die Umstände des Beschwerdefalles seien im Vergleich dazu rechtlich gleichwertig. Der Beschwerdeführer fahre täglich vor Öffnung des Postamtes Schwaz nach Innsbruck und kehre erst nach Schließung desselben wieder nach Schwaz zurück. Es sei ihm daher nicht möglich gewesen, die Poststücke zu beheben. Er habe versucht, die Nachsendung der behördlichen Schriftstücke zum Hauptpostamt nach Innsbruck zu veranlassen und er habe auch seine Gattin veranlaßt, unter Vorlage einer Vollmacht nach § 13 Abs. 2 ZustG die behördlichen Schriftstücke in Empfang zu nehmen. Die erstinstanzliche Behörde sei einerseits dem Ersuchen um Nachsendung der Schriftstücke nicht nachgekommen, andererseits seien die hinterlegten Schriftstücke der Gattin des Beschwerdeführers nicht ausgehändigt worden. Selbst bei Annahme einer regelmäßigen Anwesenheit an der Abgabestelle habe der Beschwerdeführer daher nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen können. Es sei ihm auch nicht zumutbar gewesen, die hinterlegten Schriftstücke unter Inkaufnahme eines mehrstündigen Arbeitsausfalles, welcher für Arbeiter zwingend mit einem entsprechenden Verdienstausfall verbunden sei, zu beheben. Weiters habe die Erstbehörde die Strafverfügungen am 27. Mai 1993 neuerlich zugestellt. Der Einspruch sei daher rechtzeitig erfolgt.

Nach § 17 Abs. 1 ZustG ist, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Nach § 17 Abs. 2 ZustG ist von der Hinterlegung der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

Nach § 17 Abs. 3 leg. cit. ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Eine vorübergehende Abwesenheit, welche die Zustellung durch Hinterlegung unzulässig machen bzw. die Anwendung des § 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG nach sich ziehen würde, liegt nur dann vor, wenn der Empfänger dadurch gehindert ist, Zustellvorgänge wahrzunehmen, wie etwa im Fall einer Reise, eines Urlaubs oder eines Krankenhausaufenthaltes. Die berufliche Abwesenheit von der Wohnung während des Tages ist keine vorübergehende Abwesenheit (vgl. die bei Ringhofer, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, S. 906 unter Nr. 8 angeführte Rechtsprechung). Die täglichen Fahrten des Beschwerdeführers nach Innsbruck und zurück hinderten daher nicht die rechtswirksame Hinterlegung.

Die Übermittlung der Strafverfügungen an den Beschwerdeführer gleichzeitig mit der Mahnung vom 26. Mai 1993 war keine neuerliche Zustellung der Strafverfügungen; dies ergibt sich eindeutig aus dem Hinweis auf die Rechtskraft der Strafverfügungen und der Bemerkung, daß diese dem Beschwerdeführer zur "gef. Kenntnisnahme" zugehen sollten. Im übrigen hätte auch eine weitere Zustellung dieser Strafverfügungen die Einspruchsfrist nicht neuerlich in Gang gesetzt, da nach § 6 ZustG die erste Zustellung maßgebend ist, wenn das gleiche Schriftstück mehrmals gültig zugestellt wird.

§ 17 Abs. 1 ZustG sieht eine Hinterlegung des Schriftstückes beim zuständigen Postamt vor. Zuständiges Postamt ist nach § 138 PostO jenes Postamt, in dessen Postbezirk die auf der Postsendung angegebene Abgabestelle liegt (Abgabepostamt). Eine Nachsendung sieht das ZustG nicht vor.

Die Behauptung, der Beschwerdeführer habe seine Frau mit einer Vollmacht im Sinne des § 13 Abs. 2 ZustG ausgestattet, wird erstmals in der Beschwerde erhoben. Dieses Vorbringen verstößt daher gegen das gemäß § 41 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot. Im übrigen hätte es die Wirksamkeit der durch Hinterlegung bewirkten Zustellung an den Beschwerdeführer auch nicht beeinträchtigt, wenn seiner Gattin tatsächlich trotz Postvollmacht die Sendung nicht ausgehändigt worden wäre. Nach § 13 Abs. 2 ZustG darf bei Zustellungen durch Organe der Post oder der Gemeinde auch an eine gegenüber der Post oder der Gemeinde zur Empfangnahme solcher Sendungen bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit dies nicht durch einen Vermerk auf der Sendung ausgeschlossen ist. Die Hinterlegung erfolgte entsprechend den Bestimmungen des ZustG und hatte daher die Wirkung einer Zustellung. Nach dieser wirksam erfolgten Zustellung eingetretene Umstände - wie die Nichtausfolgung der Sendung an die Ehegattin des Beschwerdeführers - können an der Wirksamkeit der Zustellung nichts mehr ändern.

Zusammenfassend ergibt sich, daß der Einspruch des Beschwerdeführers verspätet war, sodaß die belangte Behörde zu Recht die durch die BH erfolgte Zurückweisung bestätigt hat.

2. Zum Wiedereinsetzungsantrag:

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe die Einspruchsfrist, sollte diese tatsächlich am 18. März 1993 zu laufen begonnen haben, deshalb versäumt, weil er einerseits versucht habe, eine Zustellung beim Hauptpostamt in Innsbruck zu erwirken und er andererseits der Meinung gewesen sei, daß seiner bevollmächtigten Gattin die Strafverfügungen ausgehändigt würden, sodaß kein Verschulden oder zumindest lediglich ein minderer Grad des Versehens vorliege. Dazu komme noch, daß der Beschwerdeführer mitgewirkt habe, die Zustellung an ihn zu ermöglichen. Daß dies trotz seines Bemühens nicht gelungen sei, stelle daher auch ein unvorhergesehenes Ereignis für ihn dar.

Nach § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Daß dem Beschwerdeführer die Abholung der hinterlegten Sendung unmöglich gewesen wäre, ist nicht zu erkennen und wird von ihm selbst auch nicht behauptet. Ein allfälliger, durch den Entfall von Arbeitsleistung hervorgerufener finanzieller Nachteil ist kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG. Der Antrag auf Nachsendung des Schriftstückes und der Auftrag an die Ehegattin, die Sendung abzuholen, waren, zumal im Verwaltungsverfahren von einer Postvollmacht nicht die Rede war, von vornherein ungeeignete Vorgangsweisen. Daß erkennbar ungeeignete Aktionen nicht zum Ziel führen, ist aber kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG. Überdies könnte die Nichtausfolgung des Schriftstückes an die Ehegattin des Beschwerdeführers auch dann nicht eine Wiedereinsetzung rechtfertigen, wenn diese mit einer Postvollmacht ausgestattet gewesen wäre. Eine solche Nichtausfolgung könnte allenfalls dann einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn sie innerhalb der durch die Hinterlegung am 18. März 1993 in Lauf gesetzten und mit 1. April 1993 endenden Frist erfolgt wäre. Das bedeutet aber, daß die zweiwöchige Frist des § 71 Abs. 2 AVG für den Wiedereinsetzungsantrag spätestens mit 2. April 1993 begann. Der erst im Schriftsatz vom 27. Mai 1993 gestellte Wiedereinsetzungsantrag war daher jedenfalls verspätet.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994100022.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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