TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/28 93/05/0300

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Veröffentlicht am 28.06.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §66 Abs4;
AWG 1990 §15 Abs2 Z4;
AWG 1990 §17 Abs1;
AWG 1990 §19 Abs1;
AWG 1990 §20 Abs2;
AWG 1990 §32 Abs1;
AWG 1990 Art8 Abs1;
SAG §18;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der ÖBB, vertreten durch die Finanzprokuratur in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. November 1993, Zl. MA 22 - 2915/93, betreffend einen Auftrag gemäß § 32 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. November 1993 wurden der Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 32 Abs. 1 i.V.m. den §§ 17 und 20 Abs. 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes "als Transporteur folgende Maßnahmen aufgetragen: Die PCB-hältigen Transformatorenöle und polychlorierten Biphenyle (Schlüsselnummer 54107 der ÖNORM S 2101), die sich in den gebrauchten Transformatoren und Kondensatoren in dem auf Gleis 211 des Südbahnhofes-Frachtenbahnhof abgestellten zweiachsigen Güterwaggon befinden und einen gefährlichen Abfall nach dem Abfallwirtschaftsgesetz darstellen, sind binnen vier Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides zu entsorgen".

Entsprechend der Begründung des Bescheides nahm die Berufungsbehörde als erwiesen an, daß gefährliche Abfälle, und zwar 293 Kondensatoren sowie zwei Transformatoren mit einem Gesamtgewicht von ca. 20 Tonnen am 3. Jänner 1989 von der Firma A-Gesellschaft m.b.H. per Lkw nach Polen exportiert und von der polnischen Firma I-Metall übernommen worden seien. Diese habe die gefährlichen Abfälle per Eisenbahn an die Firma A-Gesellschaft m.b.H. zurückgesandt. Beauftragter Transporteur seien die polnischen Staatsbahnen PKP gewesen, von welchen die gefährlichen Abfälle von der Beschwerdeführerin übernommen und weitertransportiert worden seien. Am 3. April 1989 seien die gefährlichen Abfälle in Wien-Südbahnhof für die A-Gesellschaft m. b.H. als Empfängerin eingelangt. Am 27. Juli 1989 sei von der Beschwerdeführerin eine Materialprüfung vorgenommen worden, welche ergeben habe, daß die genannten Transformatoren und Kondensatoren PCB-hältige Transformatorenöle und polychlorierte Biphenyle enthalten. Eine bestimmungsgemäße Zustellung der Abfälle an die A-Gesellschaft m.b.H. sei der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen. Ebenso sei ihr eine Zurückstellung an den Übergeber, die Firma I-Metall, nicht möglich gewesen. Die gefährlichen Abfälle befänden sich nach wie vor in Wien 10, Südbahnhof-Frachtenbahnhof, Gleis 211, in einem abgestellten zweiachsigen Güterwaggon. Nach einer Wiedergabe der im Gegenstande maßgebenden Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes vertrat die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides sodann die Auffassung, es sei irrelevant, ob ein direkter Auftrag im Sinne des § 15 Abs. 2 Z. 4 des Abfallwirtschaftsgesetzes vorliege, da der gegenständliche Transport vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes mit 1. Juli 1990 erfolgt sei und daher § 15 Abs. 2 Z. 4 dieses Gesetzes nicht herangezogen werden könne. Dennoch stehe außer Zweifel, daß die Beschwerdeführerin als Transporteur aufgetreten sei. Der Begriff des Transporteurs sei aus anderen gesetzlichen Bestimmungen abzuleiten. Die in Betracht kommenden Regelungen des Eisenbahnrechtes seien jedenfalls im Zeitpunkt des gegenständlichen Transportes bereits in Kraft gestanden. So sei z.B. das Eisenbahnbeförderungsgesetz, das der Eisenbahn-Verkehrsordnung 1967 nachgefolgt sei, mit 1. September 1988 in Kraft getreten. Die Beschwerdeführerin sei daher sehr wohl Transporteur auch im Sinne des § 20 Abs. 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes, auch wenn der Transport vor dem Inkrafttreten des Abfallwirtschaftsgesetzes stattgefunden habe. Da der Beschwerdeführerin weder die bestimmungsgemäße Zustellung noch die Zurückstellung an den Übergeber möglich gewesen sei, trete die Verpflichtung zur Veranlassung einer dem § 17 des Abfallwirtschaftsgesetzes entsprechenden Behandlung der gefährlichen Abfälle ein. Die Veranlassung einer dem § 17 dieses Gesetzes entsprechenden Behandlung des gefährlichen Abfalles sei bisher nicht erfolgt.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG), BGBl. Nr. 325/1990, haben nachstehenden Wortlaut:

"§ 1. ...

(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit des Menschen gefährdet und unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen verursacht werden können,

3. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

4. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

5. Geräusche und Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

6. das Auftreten und die Vermehrung von schädlichen Tieren und Pflanzen sowie von Krankheitserregern begünstigt werden,

7. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann.

...

§ 17. (1) Gefährliche Abfälle und Altöle sind unbeschadet weitergehender Verpflichtungen jedenfalls so zu lagern und zu behandeln (verwerten, ablagern oder sonst zu behandeln), daß Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs. 3 vermieden werden. Das Ablagern von gefährlichen Abfällen oder Altölen außerhalb genehmigter Abfallbehandlungsanlagen ist unzulässig.

...

§ 19. (1) Wer gefährliche Abfälle und Altöle einem Übernehmer übergibt oder sie in der Absicht, sie einem Übernehmer zu übergeben, zu diesem befördert oder befördern läßt, hat Menge und Art der gefährlichen Abfälle und Altöle in einem Begleitschein zu deklarieren. Besondere Gefahren, die mit der Behandlung verbunden sein können, sind bekanntzugeben. Mit der Übernahme des Begleitscheines durch den Übernehmer gehen die im § 17 geregelten Pflichten auf den Übernehmer über; dessen Ersatzansprüche gegen den Vorbesitzer bleiben unberührt.

...

§ 20. ...

(2) Die Begleitscheine (§ 19) sind während der Beförderung der gefährlichen Abfälle oder Altöle mitzuführen und der Behörde bzw. den Organen der öffentlichen Aufsicht (§ 40) auf Verlangen jederzeit vorzuweisen. Werden gefährliche Abfälle oder Altöle ohne die nach § 19 erforderlichen Begleitscheine befördert, so treffen den Beförderer (den nach § 15 Abs. 2 Z. 4 beauftragten Transporteur) die im § 17 geregelten Pflichten.

(3) Können die gefährlichen Abfälle oder Altöle nicht bestimmungsgemäß zugestellt werden, hat der Transporteur diese Abfälle oder Altöle dem Übergeber (§ 19) zurückzustellen. Ist dies nicht möglich oder für den Transporteur nicht zumutbar, hat er eine dem § 17 entsprechende Behandlung des gefährlichen Abfalls oder des Altöls zu veranlassen.

...

§ 32. (1) Werden Problemstoffe und Altöle aus privaten Haushalten und vergleichbaren Einrichtungen nicht gemäß § 12 gelagert oder entsorgt, werden andere Abfälle - soweit für diese Abfälle Bestimmungen hinsichtlich Sammlung, Lagerung, Behandlung und Transport in diesem Bundesgesetz vorgesehen sind - oder Altöle nicht gemäß den §§ 16 bis 18 entsorgt oder werden sie entgegen den §§ 19, 20 und §§ 28 bis 30 befördert, gelagert oder behandelt oder ist die schadlose Behandlung der Abfälle oder Altöle und des durch sie verunreinigten Bodens zur Vermeidung von Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs. 3 geboten, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr in Verzug unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. ..."

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit dem Hinweis darauf, daß die Sendung vor dem 1. Juli 1990 an sie übergeben worden sei, dagegen, daß die belangte Behörde von der Anwendbarkeit des erst am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Abfallwirtschaftsgesetzes ausgegangen ist, und meint, daß sich jede Änderung der Rechtslage grundsätzlich nur für die Zukunft auswirken könne und das Abfallwirtschaftsgesetz keine rückwirkenden Bestimmungen enthalte.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin insofern nicht im Recht, als davon auszugehen ist, daß die schadlose Behandlung der in Rede stehenden Abfälle im Sinne des § 32 Abs. 1 leg. cit. jedenfalls in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Beschwerdefall maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geboten war, weshalb die Tatbestandsvoraussetzungen der zitierten Bestimmung zur Zeit der Erlassung des bekämpften Behandlungsauftrages, also nach dem gemäß Art. VIII Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes am 1. Juli 1990 erfolgten Inkrafttreten dieses Gesetzes gegeben waren.

Dem geschilderten Einwand der Beschwerdeführerin kommt aber insoweit rechtliche Bedeutung zu, als die Frage nach dem im Sinne des § 17 leg. cit. Verpflichteten nicht auf der Grundlage des § 20 Abs. 2 leg. cit. beantwortet werden durfte, weil einerseits die Anwendung dieser Bestimmung auf den "Beförderer" voraussetzt, daß die gefährlichen Abfälle "ohne die nach § 19 erforderlichen Begleitscheine befördert werden", und andererseits die in Rede stehenden Abfälle entsprechend der unbestrittenen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde bereits am 3. April 1989 in Wien-Südbahnhof eingelangt sind, also von der Beschwerdeführerin zu einem Zeitpunkt befördert worden sind, als die Vorschriften des § 19 leg. cit. über die Verpflichtung zur Deklaration gefährlicher Abfälle in einem Begleitschein noch nicht gegolten haben. Die belangte Behörde hat daher zwar in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu Recht die Auffassung vertreten, es sei irrelevant, ob ein direkter Auftrag im Sinne des § 15 Abs. 2 Z. 4 leg. cit. vorliege, weil der gegenständliche Transport vor dem Inkrafttreten des Abfallwirtschaftsgesetzes erfolgt sei, es kann ihr aber nicht gefolgt werden, wenn sie im Ergebnis davon ausgegangen ist, die Beschwerdeführerin sei ungeachtet dessen Transporteur (im Sinne anderer gesetzlicher Bestimmungen) und daher Verpflichteter im Sinne des § 17 leg. cit., weil die Anwendung der für die Annahme einer derartigen Verpflichtung des Transporteurs maßgebenden klaren Regelung des § 20 Abs. 2 leg. cit., wie schon erwähnt, voraussetzt, daß die gefährlichen Abfälle ohne die nach § 19 leg. cit. erforderlichen Begleitscheine befördert worden sind. Begleitscheine nach § 19 leg. cit. waren aber zur Zeit der Durchführung des Transportes noch nicht erforderlich und Begleitscheine nach dem Sonderabfallgesetz sind auf Grund des klaren Wortlautes des § 19 AWG im vorliegenden Zusammenhang rechtlich nicht von Bedeutung, weshalb es auch nicht gerechtfertigt erscheint, dem Beförderer der Abfälle eine Verpflichtung im Sinne des § 32 Abs. 1 leg. cit. aufzuerlegen, welche nach dem offensichtlichen Sinn des § 20 Abs. 2 leg. cit. als Sanktion für jenen Beförderer gefährlicher Abfälle gedacht ist, welcher diese übernimmt, obwohl den Vorschriften über die Deklarationspflicht des § 19 Abs. 1 leg. cit. nicht entsprochen worden ist.

Es war daher rechtswidrig, der Beschwerdeführerin ausdrücklich in ihrer Eigenschaft als "Transporteur" im Sinne des § 20 Abs. 2 leg. cit. den vorliegenden Behandlungsauftrag zu erteilen, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war, ohne auf die Frage eingehen zu müssen, ob die belangte Behörde allenfalls berechtigt gewesen wäre, die Beschwerdeführerin als Besitzer der in Rede stehenden Abfälle mit deren Entsorgung zu beauftragen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993050300.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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