Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des C in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Juli 1993, Zl. 4.333.444/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, ist am 4. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 8. Oktober 1991 beantragt, ihm Asyl zu gewähren. Mit Bescheid vom 9. September 1992 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg festgestellt, daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling gemäß Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention beim Beschwerdeführer nicht vorlägen. Die dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Bei der Einvernahme am 2. September 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg gab der Beschwerdeführer an, er habe politische, ökonomische und humanitäre Gründe zur Flucht gehabt. Die politischen Gründe ergäben sich daraus, daß er beim Fernsehen gearbeitet und mit Informationen zu tun gehabt habe. Er sei "als Objekt behandelt" worden und habe tun müssen, was verlangt worden sei. Wenn es Probleme gegeben habe, hätte die ganze Familie die Konsequenzen zu tragen gehabt, die sich daraus ergeben hätten. Er habe in seiner Freizeit Gedichte in humoristischer Form geschrieben, die politischen Inhalt gehabt hätten. "Es" sei "gegen den physischen militärischen Druck, der auf die Leute ausgeübt" worden sei, gegangen, "die gegen Petre Roman und Illiescu opponierten". Ihm sei diese Art der oppositionellen Tätigkeit von der damaligen Regierung nicht gestattet worden. Er habe die handgeschriebenen Gedichte persönlich verschiedenen Verlagen gegeben, aber es sei nie ein Gedicht veröffentlicht worden. Es habe niemand davon gewußt. Er sei aufgrund dieser Ablehnung in seinem Bekanntenkreis nicht mehr ernst genommen worden. Die Leute hätten Angst "vor solchen Angelegenheiten", da man nicht offen sprechen könne. Die Angehörigen der "Illiescu-Regierung" hätten dieselbe Orientierung wie die frühere Regierung. Es sei schwierig, die Mentalität der Leute zu ändern. In Rumänien werde nicht akzeptiert, daß er einen politischen Standpunkt vertrete und dennoch in Opposition bleiben möchte. Der Beschwerdeführer wolle nicht mehr nach Rumänien zurückkehren, da er sich in Europa zu Hause fühle. Seine "Art von Wahrheit und Gedanken" würden in Rumänien nicht akzeptiert. Während der "Ceausescu-Zeit" wäre es schwierig gewesen zu flüchten, da die Familie darunter gelitten hätte. Jetzt sei dies nicht mehr der Fall.
Als ökonomische Gründe gab der Beschwerdeführer an, daß er aufgrund seiner Verletzung und der daraufhin erfolgten Behandlung, bei der ein Nerv geschädigt worden sei, einen größeren Bedarf an Schuhen gehabt habe, die er sich nicht habe leisten können. Er sollte wohl dadurch von der oppositionellen Haltung und dem Schreiben abgehalten werden. Trotz der Sozialhilfe, die er erhalten habe und die nicht hoch sei, könne er sich das Lebensnotwendige nicht leisten.
Die humanitären Gründe seiner Flucht lägen darin, daß er aufgrund der Verletzung die er während der Revolution erhalten habe, und im Zusammenhang mit der offensichtlich fehlgelaufenen Behandlung, seine Füße kaum gebrauchen und dadurch seinen Beruf nicht ausüben könne. Am 23. Dezember 1989 sei er in Bukarest während der Ausübung seines Dienstes als Kameramann des rumänischen Fernsehens durch einen Schuß verletzt worden. Bei der daraufhin stattgefundenen Behandlung sei vermutlich ein Nerv durchtrennt worden, weshalb er seine Füße derzeit nur bedingt einsetzen könne. Er sei über Ungarn nach Österreich geflohen.
In der Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, er habe um Asyl angesucht, weil er seine Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe. Die von ihm erwähnten Gedichte hätten politischen Inhalt gehabt und er sei deswegen sowohl während der Diktatur, aber auch nach dem Dezember 1989 verfolgt worden. Er habe sich gefürchtet und daher seine Heimat verlassen. Die Revolution sei für ihn der Anfang seines Leidens gewesen, weil er im rumänischen Fernsehgebäude angeschossen worden sei. Er sei nicht aus wirtschaftlichen Gründen geflüchtet und auch nicht, weil die Gedichte nicht veröffentlicht worden seien. Die "freie Verfassung" inhaltsvoller politischer Gedichte habe ihm Schwierigkeiten bereitet. Durch humorvolle Gedichte habe er versucht, auf seine Weise das alte, aber auch das jetzige politische System zu ändern. Er sei wirklich verfolgt worden, und deswegen habe er in Österreich um Schutz angesucht, wo er sich politisch in Sicherheit fühle. In seiner Abwesenheit sei bereits in Rumänien bei ihm zu Hause nach ihm gefragt worden. Er sei überzeugt davon, daß es für ihn gefährlich sei, nach Rumänien zurückzukehren.
Die belangte Behörde begründete ihre abweisende Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer im gesamten Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht habe, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde und nicht gewillt sei, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. Er habe zwar bei seiner erstinstanzlichen Befragung angeführt, Gedichte politischen Inhaltes verfaßt zu haben, was aufgrund des in Rumänien herrschenden Systems verboten gewesen sei; daß er dadurch irgendwelchen Verfolgungen ausgesetzt gewesen wäre, habe er damals nicht vorgebracht. Die einzige Konsequenz sei gewesen, daß die Gedichte des Beschwerdeführers nicht veröffentlicht worden seien. Dies könne aber nicht als Verfolgungsmaßnahme gewertet werden. Wenn der Beschwerdeführer daher in der Berufung vorbringe, aus diesem Grund sei er verfolgt worden, müsse dieser Behauptung die Glaubwürdigkeit versagt werden. Erfahrungsgemäß machten nämlich Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kämen. In der Berufung sei es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen, seine pauschalen Behauptungen zu konkretisieren. Es müsse aber die vom Asylwerber geltend gemachte Furcht vor Verfolgung glaubhaft gemacht werden. Der Beschwerdeführer habe nicht ausgeführt, welcher Art von Verfolgungen oder Benachteiligungen er ausgesetzt gewesen sei. Dafür stünde die Vernehmung des Asylwerbers als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung. Grundsätzlich sei den Angaben des Asylwerbers bei seiner ersten Befragung im Verwaltungsverfahren größere Glaubwürdigkeit beizumessen als späterem Vorbringen. Die vom Beschwerdeführer angesprochene schlechte wirtschaftliche und politische Situation, die ihn zur Ausreise veranlaßt habe, sei für eine Anerkennung als Flüchtling nicht geeignet. Die Verletzung des Beschwerdeführers, die er während der Revolution erlitten habe, sei lediglich als ein Unfall zu qualifizieren, den der Beschwerdeführer in Ausübung seines Dienstes erlitten habe und könne daher nicht als individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung angesehen werden.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde werden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht auf eine ordnungsgemäße Feststellung des für die Erledigung maßgeblichen Sachverhaltes gemäß den §§ 37 und 39 Abs. 2 AVG und im Recht auf richtige Auslegung des Asylgesetzes sowie der Genfer Flüchtlingskonvention verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, daß von ihr bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden sei, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Diese Auffassung trifft aber - wie der Verwaltungsgerichtshof in Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf welches des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat - aufgrund der Auslegung des § 25 Abs. 1 und 2 (jeweils) erster Satz Asylgesetz 1991 nicht zu. Im vorliegenden Fall war das erstinstanzliche Verfahren am 1. Juni 1992 anhängig, und es ist daher gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz Asylgesetz 1991 das Asylgesetz (1968) bis zum Ende des Verfahrens anzuwenden. Dies führt zwar noch nicht zwangsläufig dazu, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt wurde, ist doch die belangte Behörde zu ihrer abweislichen Entscheidung u.a. deshalb gelangt, weil sie seine Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 verneint hat und stellt diese Bestimmung keine inhaltliche Änderung gegen den nach § 1 Asylgesetz (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention geltenden Flüchtlingsbegriff dar.
Im Zusammenhang mit der Auslegung des Flüchtlingsbegriffes durch die belangte Behörde vertritt der Beschwerdeführer zunächst die Auffassung, aus seinen Angaben vor der ersten Instanz und in seiner Berufung sei ableitbar, daß er in seinem Heimatland wohbegründete Furcht vor Verfolgung gehabt habe, da er ca. 21 Monate vor seiner Einreise nach Österreich im Zuge seiner Berufsausübung in einem Fernsehgebäude durch einen Pistolenschuß in den Rücken derart schwer verletzt worden sei, daß er in Verbindung mit einer mangelhaften ärztlichen Versorgung nunmehr Lähmungserscheinungen an beiden Beinen habe. Es habe sich dabei nicht - wie die Behörde meint - um einen Unfall gehandelt, sondern um ein aggressives Verhalten politisch anders denkender Menschen in seiner Heimat. Die Tatsache, daß er angeschossen worden sei, stelle einen derart gravierenden Eingriff in physischer wie auch in psychischer Hinsicht dar, daß es Aufgabe der Behörde gewesen wäre, sich damit auseinanderzusetzen.
In diesem Zusammenhang muß dem Beschwerdeführer entgegengehalten werden, daß er weder in der erstinstanzlichen Einvernahme noch in seiner Berufung angegeben hat, daß aus politischen Gründen oder sonstigen in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen auf ihn geschossen worden sei. Abgesehen davon steht dieser Vorfall in keinem ausreichenden zeitlichen Zusammenhang zur Flucht des Beschwerdeführers (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0941).
Wenn sich der Beschwerdeführer weiters darauf beruft, daß er im erstinstanzlichen Verfahren neben dem "Pistolenattentat" auch den "physischen militärischen Druck, der auf die Leute ausgeübt wurde, die gegen Petre Roman und Illiescu opponierten" erwähnt habe, kann im Rahmen des Zusammenhanges, in dem sich dieses Argument im Rahmen der Einvernahme eingebettet findet, nicht abgeleitet werden, daß der Beschwerdeführer damit eine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes (1968) in Verbindung mit der Genfer Flüchtlingskonvention dargelegt habe. Die einschlägigen Angaben des Beschwerdeführers während der erstinstanzlichen Einvernahme lauteten wie folgt:
"Ich habe in meiner Freizeit Gedichte in humoristischer Form geschrieben, die politischen Inhalt gehabt haben. Es ging gegen den physischen militärischen Druck, der auf die Leute ausgeübt wurde, die gegen Petre Roman und Illiescu opponierten."
Wenn der Beschwerdeführer meint, daß die belangte Behörde daraus konkrete Verfolgungsmaßnahmen gegen ihn hätte ableiten müssen, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Die belangte Behörde hat vielmehr ohne Rechtsverletzung diesen Angaben des Beschwerdeführers keine asylrechtlich relevante Verfolgungshandlung entnommen.
Die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen stellen sich somit als nicht zutreffend dar. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994010245.X00Im RIS seit
20.11.2000