TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/30 94/06/0126

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Veröffentlicht am 30.06.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ZustG §16 Abs1;
ZustG §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des J in R und des PB in G, beide vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz, vom 21. April 1994, Zl. A 17-K-10.895/1993-4, betreffend Antrag auf Bescheidzustellung, (mitbeteiligte Partei: X & Co. in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde im Zusammenhalt mit dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Am 1. Dezember 1993 stellten die Beschwerdeführer den Antrag auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides vom 22. November 1985, Zl. A 10/3-KI-30.30.456/1985-2. Der Antrag wurde damit begründet, daß der Baubewilligungsbescheid aus dem Jahre 1985 dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer, A, nie ordnungsgemäß zusgestellt worden sei, da die diesbezügliche Bescheidzustellung an die Adresse H-Gasse 3 erfolgte, obwohl A zu keinem Zeitpunkt in der H-Gasse 3 wohnhaft oder beschäftigt gewesen sei und sohin unter der Anschrift H-Gasse 3 zu keinem Zeitpunkt jemals eine Abgabestelle aufgewiesen habe. Mit dem namens des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz ergangenen Bescheid vom 10. Februar 1984 wurde dieser Antrag als unzulässig zurückgewiesen; dies wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Bescheid, dessen Zustellung begehrt wurde, dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer laut dem in Kopie wiedergegebenen Zustellschein bereits am 27. November 1985 zugestellt worden sei; der gegen diese Rechtsvermutung zulässige Gegenbeweis sei von den Beschwerdeführern nicht erbracht worden.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung führten die Beschwerdeführer aus, der Behörde sei schon bekannt gewesen, daß A an der Adresse H-Gasse 3 zu keinem Zeitpunkt wohnhaft und auch nicht beschäftigt gewesen sei, da der im selben Bauakt erliegende Benützungsbewilligungsbescheid keinesfalls an die Adresse H-Gasse zugestellt worden sei, sondern an die einzige Abgabestelle des Rechtsvorgänges der Beschwerdeführer, nämlich S-Gasse 67. Die Behörde hätte aus diesem Grund keinesfalls von einer Rechtsvermutung ausgehen dürfen, sondern von sich aus prüfen müssen, ob A am 27. November 1985 an der Adresse H-Gasse 3 gewohnt oder gearbeitet habe.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 21. April 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführer abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der wörtlichen Wiedergabe der Berufung ausgeführt, der in Kopie wiedergegebene Zustellschein sei eine öffentliche Urkunde, die im Fall ihrer Unbedenklichkeit den Beweis dafür erbringe, daß die Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt sei. Da dieser Zustellschein sowohl vom Zusteller ordnungsgemäß ausgefüllt als auch vom Ersatzempfänger unter Anführung seiner Eigenschaft als Mitbewohner der Abgabestelle ordnungsgemäß unterfertigt und datiert sei, weise er keine äußeren Mängel und Fehler auf und sei demgemäß als unbedenklich anzusehen. Es liege demgemäß im Gegenstandsfall eine öffentliche Urkunde vor, deren Beweiskraft lediglich durch den vom Antragsteller zu erbringenden Gegenbeweis zu erschüttern sei. Demgemäß habe die Behörde erster Rechtsstufe unter ausführlicher Darstellung der vorliegenden Rechtslage den Rechtsfreund der Beschwerdeführer mit Mitteilung vom 11. Jänner 1994 unter Fristsetzung aufgefordert, die bloße Behauptung einer nicht ordnungsgemäß erfolgten Zustellung unter Beweis zu stellen, wobei weder innerhalb der gesetzten Frist noch nach Fristablauf eine Reaktion erfolgt und damit jeder Versuch unterblieben sei, der Behörde die aufgestellte Behauptung auch nur glaubhaft zu machen, geschweige denn - wie erforderlich - einen Beweis für die Richtigkeit derselben vorzulegen. Die Behörde erster Rechtsstufe sei daher zutreffend vom Vorliegen einer unbedenklichen öffentlichen Urkunde ausgegangen, deren gemäß § 47 Abs. 1 AVG in Verbindung mit den Vorschriften der §§ 292 bis 296, 310 und 311 ZPO zu beurteilende Beweiskraft mangels Gebrauchnahme von der Möglichkeit der Erbringung eines Gegenbeweises nicht erschüttert werden konnte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende

Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für die Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalles sind folgende Bestimmungen des Zustellgesetzes 1982, BGBl. Nr. 200 maßgeblich:

"Abgabestelle

§ 4. Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes ist der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anläßlich einer Amtshandlung auch deren Ort."

"Heilung von Zustellmängeln

§ 7. Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt sie als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist."

"Ersatzzustellung

§ 16. (1) Kann die Sendung nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

(2) Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an der derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist.

(3) Durch Organe der Post darf an bestimmte Ersatzempfänger nicht oder nur an bestimmte Ersatzempfänger zugestellt werden, wenn der Empfänger dies schriftlich bei der Post verlangt hat.

(4) Die Behörde hat Personen wegen ihres Interesses an der Sache oder auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Empfängers durch einen Vermerk auf der Sendung und dem Rückschein von der Ersatzzustellung auszuschließen; an sie darf nicht zugestellt werden.

(5) Eine Ersatzzustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."

Der in der Begründung des angefochtenen Bescheides geschilderte und in Ablichtung vorgelegte Rückschein mit der Geschäftszahl A 10/3-KI-30.456/1985-2 Ed/Sk, I., H-Gasse 3, Bescheid vom 1985 11 22, Absender Magistrat Graz,

Abt. 10/3 - Baupolizeiamt, wurde am 27. November 1985 vom Zustellorgan unterfertigt. Am selben Tag wurde die Übernahme des Poststückes von einem Mitbewohner der Abgabestelle bestätigt. Damit weist der Zustellschein keine äußeren Mängel und Fehler auf, er ist somit eine unbedenkliche (öffentliche) Urkunde.

Gemäß § 47 AVG ist die Beweiskraft von öffentlichen und Privaturkunden von der Behörde nach den Vorschriften der §§ 292 bis 296, 310 und 311 ZPO zu beurteilen. Nach § 292 Abs. 1 ZPO begründen öffentliche Urkunden den vollen Beweis dessen, was darin amtlich verfügt oder erklärt oder von der Behörde oder der Urkundsperson bezeugt wird. Gemäß Absatz 2 dieser Bestimmung ist der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung zulässig.

Die vom Zusteller erstellten Zustellnachweise sind öffentliche Urkunden, die den Beweis dafür erbringen, daß die Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, doch ist der Gegenbeweis gemäß § 192 Abs. 2 ZPO offen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juli 1984, Zl. 84/10/0070 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Der gegenständliche Zustellnachweis erbringt den Beweis dafür, daß der Bescheid vom 22. November 1985 von einem MITBEWOHNER DER ABGABESTELLE des damaligen Rechtsvorgängers der Beschwerdeführer am 27. November 1985 übernommen wurde.

In der Beschwerde bestreiten die Beschwerdeführer weder, von der Behörde erster Instanz zum Gegenbeweis aufgefordert worden zu sein, noch daß sie dieser Aufforderung in keiner Weise nachgekommen sind. Sie führen lediglich aus, es sei der Behörde bekannt gewesen, daß die Benützungsbewilligung demselben Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer an einer anderen Abgabestelle zugestellt worden sei. Mit diesem Vorbringen können die Beschwerdeführer jedoch nicht dartun, daß die Ersatzzustellung gemäß § 16 Abs. 1 des Zustellgesetzes an einen Mitbewohner der Abgabestelle unzulässig gewesen sei. Aus § 4 des Zustellgesetzes ergibt sich nämlich, daß Abgabestelle im Sinne dieses Gesetzes nicht nur der Wohn- oder Arbeitsplatz des Empfängers ist, sondern auch eine sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum oder die Kanzlei. Der Umstand, daß ungefähr zur gleichen Zeit an einer anderen Abgabestelle (zulässig) zugestellt werden konnte, sagt für sich allein nichts über eine Unzulässigkeit der Zustellung an einer anderen Abgabestelle aus, da nach der zitierten Bestimmung des § 4 Zustellgesetz zum gleichen Zeitpunkt an mehreren Orten eine Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes vorliegen kann, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf. Die Beschwerdeführer behaupten auch nicht konkret, daß KEINER der Fälle des § 4 Zustellgesetzes vorgelegen sei.

Da somit schon die Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994060126.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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