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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgrichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Juli 1993, Zl. 4.339.136/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, hat am 27. Mai 1992 einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt. In seiner niederschriftlichen Einvernahme dazu vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 28. Juli 1992 gab er an, ebenso wie sein Vater Mitglied der Partei "SDP" gewesen zu sein. Anfang Mai 1992 sei sein Vater (ein Politiker) von unbekannten Tätern ermordet worden; in der Folge habe der Beschwerdeführer und seine Familie erfahren, daß die Täter Angehörige der "NRC", einer anderen politischen Partei, gewesen seien. Daraufhin sei die Familie mit dem Beschwerdeführer in die Stadt Epkoma übersiedelt um einem ähnlichen Schicksal zu entgehen. Dort aber hätten zwei oder mehrere Männer auf der Straße zum Bruder des Beschwerdeführers gesagt, daß dieser "der Sohn seines Vaters" sei "und daß sie ihn jetzt umbringen würden". Der Bruder sei nach Hause gelaufen und habe von seinem Erlebnis berichtet, woraufhin die Familie beschlossen hätte, daß beide Söhne, nämlich der Beschwerdeführer und sein Bruder, das Land verlassen sollten. Am nächsten Tage seien sie mit einem Taxi und im Besitze von genügend Geld nach Lagos gefahren, wo sie sich zwei Tage in einem Hotel aufgehalten hätten. Sie hätten sich ein Visum für Rumänien und Flugtickets für Bukarest besorgt. Über Rumänien seien sie schließlich nach Österreich gekommen. Bei einer Rückkehr in seine Heimat drohe dem Beschwerdeführer der Tod, da er von Mitgliedern der "NRC" sicher verfolgt würde.
Mit Bescheid vom 31. Juli 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei. In seiner Berufung dagegen führte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen aus, sein Vater sei von Angehörigen der "NRC" Anfang Mai getötet worden; in Nigeria sei es "an der Tagesordnung, daß Angehörige ebenfalls festgenommen oder auch getötet" würden. Die Drohungen gegenüber dem Bruder, man werde diesen wie den Vater töten, seien daher durchaus ernstzunehmen gewesen. Bei einer Rückkehr habe der Beschwerdeführer zu befürchten, ebenfalls ermordet zu werden.
Mit dem vor dem Verwaltungsgrichtshof bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Asylgründe im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 seien nicht gegeben; weder sei eine Drohung gegen den Beschwerdeführer persönlich geäußert worden noch habe dieser vergeblich versucht, von den staatlichen Behörden in seiner Lage Schutz zu erhalten. Eine dem Staat zurechenbare Verfolgungsgefahr bestehe daher nicht. Aus den vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignissen ließe sich kein Zusammenhang mit staatlichen Behörden ableiten.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgrichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, daß von ihr bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden sei, dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 erster Satz dieses Gesetzes, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Diese Auffassung trifft aber - wie der Verwaltungsgrichtshof im Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf das des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat - aufgrund der Auslegung der genannten Bestimmung sowie der des § 25 Abs. 1 erster Satz AsylG 1991 nicht zu, da im Falle des Beschwerdeführers das erstinstanzliche Verfahren erst mit Erlassung (Zustellung) des Bescheides vom 31. Juli 1992 am 10. August 1992 beendet wurde. Dies führt aber noch nicht zwangsläufig dazu, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt wurde, ist doch die belangte Behörde zu ihrer abweislichen Entscheidung deshalb gelangt, weil sie seine Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991 verneint hat. Diese Bestimmung führte aber zu keiner inhaltlichen Änderung gegenüber dem nach § 1 AsylG (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention geltenden Flüchtlingsbegriff. Auch danach ist als Flüchtling anzusehen, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ausgehend von den Angaben des Beschwerdeführers hat nun die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend erkannt, daß eine Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer nicht bestand. Er hat nämlich in keiner Weise dargelegt, daß er etwa durch staatliche Behörden aus einem der eben genannten Gründe der Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre oder daß er sich vergeblich an diese gewandt hätte, um Schutz vor einer allfälligen anderweitigen Verfolgung zu erlangen.
Der Beschwerdeführer führt unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides nichts aus, sondern beschränkt sich auf die Ausführung der Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer rügt hier, daß er im gesamten Verwaltungsverfahren nicht befragt worden sei, ob und warum er sich selbst in seinem Heimatstaat verfolgt gefühlt habe, welche politischen Aktivitäten er gesetzt habe und ob er selbst bedroht worden sei bzw. welche Verbindungen zwischen der "NRC" und den staatlichen Institutionen Nigerias bestünden.
Dem ist entgegenzuhalten, daß die für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgeblichen §§ 37 und 39 Abs. 2 AVG wohl die Verpflichtung der Verwaltungsbehörden vorsehen, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen. Im Asylverfahren muß jedoch das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden; es obliegt daher dem Asylwerber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgrichtshofes alles zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/0465 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aus diesen Gesetzesstellen kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln. Vor allem ist dem maßgeblichen Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen, daß der Versuch, bei staatlichen Stellen vor allfälligen Übergriffen von Anhängern der "NRC" Schutz zu suchen von vornherein als aussichtslos anzusehen gewesen wäre, bzw. daß der Beschwerdeführer einen solchen Versuch erfolglos unternommen hätte. Auch zur Heranziehung eines Berichtes von Amnesty International über die allgemeine Lage im Heimatland des Beschwerdeführers war die belangte Behörde nicht verpflichtet, weil daraus eine konkrete individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung nicht abgeleitet werden könnte. Soweit der Beschwerdeführer erstmals vor dem Verwaltungsgrichtshof ausführt, daß Verfolgungshandlungen der "NRC" mit Billigung der Regierung gesetzt würden, handelt es sich um eine unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG).
Dem Beschwerdeführer kann auch darin nicht gefolgt werden, der Hinweis in der Berufung, wonach es an der Tagesordnung sei, daß Angehörige (von Politikern) festgenommen oder getötet würden, die Behörden des Verwaltungsverfahrens hätte veranlassen müssen, nachzufragen, ob er selbst mit dem Umbringen oder anderen Verfolgungshandlungen bedroht worden sei und ob er eine Festnahme aus politischen Gründen zu befürchten gehabt hätte. Aus diesem Hinweis ergibt sich nämlich keinesfalls die Behauptung, bei staatlichen Behörden vergeblich um Schutz vor Verfolgung durch Anhänger der "NRC" gesucht zu haben.
Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 insbesondere deren Art. III.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994190895.X00Im RIS seit
20.11.2000