TE Vwgh Erkenntnis 1994/7/6 94/20/0270

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Veröffentlicht am 06.07.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Mai 1993, Zl. 4.339.665/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Mai 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, der am 20. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist war und am darauffolgenden Tag den Asylantrag gestellt hatte, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 8. Oktober 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß er die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich ihm kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Zunächst ist festzuhalten, daß die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides davon ausgegangen ist, daß von ihr bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden sei, dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 erster Satz dieses Gesetzes, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Diese Auffassung trifft aber - wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf das des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat - auf Grund der Auslegung der genannten Bestimmung sowie der des § 25 Abs. 1 erster Satz AsylG 1991 deshalb nicht zu, weil der das erstinstanzliche Verfahren beendende Bescheid erst am 8. Oktober 1992 ergangen ist (bzw. nach diesem Zeitpunkt zugestellt wurde). Die belangte Behörde hat daher rechtsirrig ihren Bescheid auf Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 gestützt, weil sie nicht dieses Gesetz, sondern das AsylG (1968) anzuwenden gehabt hätte. Dadurch allein konnte der Beschwerdeführer jedoch nicht in seinen Rechten verletzt werden, weil die Behörde sich ohnedies mit seiner Flüchtlingseigenschaft auseinandergesetzt hat, wobei die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 i.d.F. des BGBl. Nr. 78/1974, aus denen sich nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1968 die Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet abgeleitet hat, gegenüber jenen des § 1 Z. 1 AsylG 1991 inhaltlich keine Veränderung erfahren haben.

Zu Recht wendet sich der Beschwerdeführer gegen die von der belangten Behörde vorgebrachte Argumentation, der Beschwerdeführer habe seinem eigenen Vorbringen nach "nicht widerstehen können", der PKK zu helfen, bei der es sich nach Einschätzung der belangten Behörde "unbestreitbar" um eine Organisation handelt, die in den letzten Jahren häufig terroristische Anschläge nicht nur auf militärische und sicherheitsbehördliche Einrichtungen verübt und sich auch dazu bekannt habe, sondern auch gegen zivile Einrichtungen terroristische Aktivitäten gesetzt habe, wodurch nicht nur Türken, sondern auch Ausländer schuldlos und unbeteiligt entweder getötet oder zumindest ihrer Freiheit beraubt oder verletzt worden seien. Die von der PKK durchgeführten Terroranschläge würden planmäßig durchgeführt und dienten separatistischen Zwecken. Die strafrechtliche Verfolgung von Separatismus und insbesondere damit in Zusammenhang stehendem Terrorismus sei aber keine politische Verfolgung, vielmehr handle es sich bei auch bloß unterstützender Tätigkeit für die PKK um kriminelle Tatbestände, mit deren strafrechtlicher Verfolgung der Verdächtigte nicht in seiner Gesinnung getroffen werden solle, die sich vielmehr als Bekämpfung "politischen Bandenunwesens" darstelle. Die belangte Behörde hat jedoch - wie auch u.a. in den Erkenntnissen vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0703 und vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0277, ausgeführt, auf deren nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - unter rein generellem Hinweis auf die terroristischen Aktivitäten der PKK - weder zu den vom Beschwerdeführer vorgetragenen konkreten Fluchtgründen im einzelnen weitere Ermittlungen durchgeführt oder Feststellungen getroffen, noch ihm die von ihr herangezogene derzeitige politische Lage in der Türkei gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Stellungnahme vorgehalten. Allein aus der - offenbar nur untergeordneten - unterstützenden Tätigkeit des Beschwerdeführers für die PKK allein kann jedenfalls nicht der Schluß auf das Nichtvorliegen wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung geschlossen werden. Es trifft in diesem Zusammenhang auch nicht zu, wenn die belangte Behörde in dem angefochtenen Bescheid darauf verweist, die "allgemeine Lage und der über Ihre Heimatprovinz verhängte Ausnahmezustand" könne Flüchtlingseigenschaft nicht begründen, da der Beschwerdeführer keineswegs nur die allgemeinen Verhältnisse als Fluchtgründe dargetan hat, sondern auch ihn selbst betreffende konkrete Verfolgungshandlungen, von denen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß diese als "Schärfen bei der Aufklärung und Bestrafung gerichtlich strafbarer Handlungen" sich "im Rahmen der Verbrechensbekämpfung" gehalten hätten.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. An Stempelgebühren konnten nur S 240,-- (für die Beschwerdeausfertigungen) und S 90,-- (für die Bescheidausfertigung) zuerkannt werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994200270.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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