TE Vwgh Erkenntnis 1994/7/21 94/18/0246

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Veröffentlicht am 21.07.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §10 Abs1;
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art33 Z2;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §37 Abs4;
FrG 1993 §37 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des V in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Februar 1994, Zl. 4.153.716/2-III/13/93, betreffend Feststellung gemäß § 37 Abs. 5 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 2. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 30. Juli 1980 wurde gemäß den §§ 1, 2 und 12 des Asylgesetzes 1968 festgestellt, daß der Beschwerdeführer, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. Oktober 1993 wurde gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit Art. 33 Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgestellt, daß der Beschwerdeführer das Recht auf Asyl verliere. In der Begründung dieses Bescheides wurde unter Bezugnahme auf sechs rechtskräftige Verurteilungen wegen des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB (in einem Fall wurde der Beschwerdeführer auch wegen des Vergehens nach § 107 Abs. 1 StGB verurteilt) und eine neuerliche Anzeige ausgeführt, die rechtskräftigen Verurteilungen durch die Gerichte zeigten eindeutig, daß der Beschwerdeführer über Jahre hindurch bis in die jüngste Zeit immer wieder gegen das österreichische Strafrecht verstoßen habe. Er stelle daher aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar, weshalb festzustellen gewesen sei, daß der Beschwerdeführer das ihm zuerkannte Recht auf Asyl verliere.

3. In Erledigung der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung erließ der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den Bescheid vom 18. Februar 1994, in dessen Spruchpunkt 1. gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 festgestellt wurde, daß hinsichtlich des Beschwerdeführers die im Art. 1 Abschnitt C

Z. 1 und 5 sowie im Art. 33 Abs. 2 erster Fall der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten seien. Im Spruchpunkt 2. wurde gemäß § 37 Abs. 5 des Fremdengesetzes (FrG) festgestellt, daß der Beschwerdeführer aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges aus, im Hinblick auf einen mehrwöchigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in seiner Heimat sei davon auszugehen, daß er sich freiwillig wieder unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt habe.

Die Feststellung, der Beschwerdeführer stelle eine Gefahr für die Sicherheit seines Aufenthaltslandes dar, sei auf Grund der von der Erstbehörde genannten strafgerichtlichen Verurteilungen und der neuerlichen Einleitung eines Strafverfahrens wegen einschlägiger Delikte (§§ 107 und 83 StGB) gerechtfertigt.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Soweit die Beschwerde den Spruchpunkt 1. betroffen hat, wurde sie von dem nach der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofes dafür zuständigen Senat mit Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/1018, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen.

Maßgebend dafür war, daß im Hinblick auf die mehrwöchige ungehinderte Reise des Beschwerdeführers in seiner Heimat eine Verfolgung nicht mehr zu befürchten sei.

Soweit sich die Beschwerde gegen den Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides richtet, hat der Verwaltungsgerichtshof wie folgt erwogen:

II.

1. Gemäß § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 78/1974).

Zufolge § 37 Abs. 4 FrG ist die Abschiebung eines Fremden in einen Staat, in dem er im Sinne des Abs. 2 bedroht ist, nur zulässig, wenn der Fremde aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder wenn er nach rechtskräftiger Verurteilung wegen eines Verbrechens, das mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet (Art. 33 Z. 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge).

Nach § 37 Abs. 5 FrG ist das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 4 mit Bescheid festzustellen. Dies obliegt in den Fällen des § 5 Abs. 1 Z. 3 des Asylgesetzes 1991 der Asylbehörde, sonst der Sicherheitsdirektion.

Nach § 10 Abs. 1 Asylgesetz 1991 sind Asylbehörden (Z. 1) das Bundesasylamt, das als Asylbehörde erster Instanz in Unterordnung unter den Bundesminister für Inneres errichtet wird; (Z. 2) der Bundesminister für Inneres als Asylbehörde zweiter Instanz.

2. Nach der dargestellten Rechtslage hat somit das Bundesasylamt als Asylbehörde erster Instanz in den Fällen des § 5 Abs. 1 Z. 3 des Asylgesetzes 1991 das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 37 Abs. 4 FrG festzustellen. Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. Oktober 1993 enthält in seinem Spruch keine Feststellung betreffend das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 37 Abs. 4 FrG. Die belangte Behörde hat daher dadurch, daß sie in den Spruch des angefochtenen Bescheides eine solche Feststellung aufgenommen hat, die Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG überschritten und damit ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (siehe die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seiten 575 f und 580 zitierte hg. Rechtsprechung).

3. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich im Hinblick auf die Begründung des angefochtenen Bescheides zu dem Hinweis veranlaßt, daß § 37 Abs. 4 erster Fall FrG die Abschiebung eines Fremden in einen Staat, in dem er im Sinne des Abs. 2 bedroht ist, nur dann zuläßt, wenn der Fremde aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, somit nur Fälle betrifft, in denen die Staatssicherheit gefährdet ist. Dies ist beim Beschwerdeführer nach der Aktenlage ganz offensichtlich nicht der Fall. Der im § 37 Abs. 4 FrG verwendete, auf die Regelung des § 33 Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zurückgehende Begriff der Gefahr für die Sicherheit der Republik ist - was die belangte Behörde zu übersehen scheint - nicht identisch mit dem im § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG verwendeten Begriff der Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit. Würde man der Auffassung der belangten Behörde folgen, wäre immer dann, wenn ein Aufenthaltsverbot wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu erlassen ist, die Abschiebung eines Fremden in ein Land, in dem sein Leben oder seine Freiheit aus den im § 37 Abs. 2 FrG genannten Gründen gefährdet wäre, zulässig. Dies widerspräche aber der dem Art. 33 Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention folgenden Regelung des § 37 Abs. 4 FrG, wonach nur in den in dieser Gesetzesstelle umschriebenen schweren Fällen die Abschiebung eines Fremden trotz der Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sein soll.

4. Aus den oben unter Punkt II.2. genannten Erwägungen war der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt 2. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 FrG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. An Stempelgebührenersatz konnten dem Beschwerdeführer nur S 300,-- (S 240,-- Eingabengebühr für die Beschwerde und S 60,-- Beilagengebühr für die Vorlage einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zuerkannt werden.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180246.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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