TE Vwgh Erkenntnis 1994/7/27 92/13/0140

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Veröffentlicht am 27.07.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BAO §115 Abs1;
BAO §115 Abs2;
BAO §119 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §20;
BAO §284 Abs2;
BAO §303 Abs4;
BAO §93 Abs3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. S in N, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld, Berufungssenat VI, vom 7. Mai 1992, GZ 6/3-3125/91-04, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommen- und Gewerbesteuer 1984 bis 1986 sowie betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1984 bis 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Geschäftsführer der G. GmbH. Daneben erklärte er in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb als "Provisionsempfänger" (1984 - S 399.167,--, 1985 S 39.166,29, 1986 - S 436.119,28, 1987 - S 395.061,43).

Unter den Betriebsausgaben war in den Streitjahren jeweils eine Position "Bürgschaft A." enthalten (1984 S 500.000,--, 1985 S 300.000,--, 1986 S 500.000,-- und 1987 S 300.000,--). Angeschlossen waren jeweils an den Beschwerdeführer adressierte Schreiben von "X-Services", mit denen die entsprechenden Beträge als Teilbetrag einer Garantiesumme abgerufen wurden. Als Ausstellungsort der Schriftsätze war 1984 Wien, 1985 Warschau, 1986 Budapest und 1987 Limassol angegeben.

Das Finanzamt nahm die Veranlagung zur Einkommen- und Gewerbesteuer 1984 zunächst erklärungsgemäß vor.

Im Zuge des Veranlagungsverfahrens für 1985 gab die steuerliche Vertreterin des Beschwerdeführers auf einen Vorhalt des Finanzamtes mit einer Eingabe vom 16. September 1988 bekannt, "Bürgschaftsempfänger" sei X-Services mit dem Sitz in Beirut. Laut "Aktenvermerk vom 23.6.1986" habe der Beschwerdeführer ein Teppichtransitgeschäft von Jugoslawien und Ungarn über Libanon nach Syrien vermittelt. Die Finanzierung sei von X-Services, Herrn A., übernommen worden, welcher vom Beschwerdeführer zur Teilbesicherung eine Bürgschaft von S 1,500.000,-- verlangt habe. Diese Bürgschaft sei von A. fällig gestellt worden, nachdem das Geschäft auf Grund der Kriegshandlungen nur zum Teil habe abgewickelt werden können. Das Finanzamt anerkannte daraufhin zunächst die Garantieleistung als Betriebsausgabe.

Ebenso wurden die erklärten Verluste aus Gewerbebetrieb für 1985 und 1986 vom Finanzamt der Veranlagung zur Einkommen- und Gewerbesteuer dieser Jahre zunächst zugrunde gelegt.

In der Folge wurde beim Beschwerdeführer eine abgabenbehördliche Prüfung durchgeführt. Im Zuge dieses Prüfungsverfahrens wurde eine mit 29. September 1983 datierte, in Beirut ausgestellte Bürgschaftserklärung folgenden Inhalts in Kopie vorgelegt:

"Endesgefertigter Dr. S übernimmt hiemit als Bürge und Zahler gegenüber Herrn A., X-Services, Beirut, Lebanon, die Haftung für einen Kaufpreisanteil in Höhe von ÖS 1,500.000,--, der von C., Damaskus, gegenüber Herrn N.A. aus dem Verkauf von 35.000 m2 Teppichen (jugoslawischer und ungarischer Provenienz) geschuldet wird. Es wird vereinbart, daß Herr N.A. den Bürgen in jedem Fall irgendwelcher Schwierigkeiten bei der Realisierung der Forderungen gegen den Käufer sofort in Anspruch nehmen kann und auch dann zu leisten hat, wenn es zu einem gänzlichen oder teilweisen Forderungsausfall zufolge Zufall, höhere Gewalt etc. kommen sollte.

Auf Einwendungen aus diesem Titel verzichtet der Bürge sohin ausdrücklich, womit er dem Gläubiger garantiert, aus dem genannten Verkaufsgeschäft in jedem Fall 1,500.000,-- Schilling realisieren zu können.

Auf diese Bürgschaftsvereinbarung ist österreichisches Recht anzuwenden."

Weiters wurde der Prüferin ein Schriftsatz des Beschwerdeführers an seine steuerliche Vertreterin vom 23. Juni 1986 übergeben. Darin wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Jahre 1983 außerhalb der G. GmbH ein Transitgeschäft mit A. über die Lieferung von 35.000 m2 Teppiche aus Jugoslawien und Ungarn um den Einkaufsbetrag von rund $ 386.000,-- (S 6,900.000,--) eingeleitet, die im Wege Libanon nach Syrien zu liefern gewesen wären. Die dortigen Abnehmer hätten die Ware um den Preis von umgerechnet S 9,900.000,-- abgenommen. A. habe daraufhin die Finanzierung des Geschäftes übernommen und zum Zwecke der teilweisen Besicherung vom Beschwerdeführer eine "private" Bürgschaft von S 1,500.000,-- verlangt. Das Geschäft sei so abgewickelt worden, daß A. die Lieferung übernahm und an die Kundenadressen in Syrien weitergeliefert habe. Infolge der ständigen Kriegshandlungen sei ein Teil der Ware verloren gegangen, sodaß der Beschwerdeführer von A. für den Ausfall haftbar gemacht worden sei. Der Beschwerdeführer habe daher 1984 nicht nur seine anteilige Verdienstquote nicht zur Gänze verdienen können, sondern habe einen beträchtlichen Verlust erlitten.

Im Betriebsprüfungsbericht wurde ausgeführt, es seien weder Unterlagen über das den Bürgschaftszahlungen zugrunde liegende Grundgeschäft noch Beweise für die Zahlungsverpflichtung vorgelegt worden. Es sei ungewöhnlich, daß ein Handelsvertreter eine Ausfallshaftung übernehme, die weit über die vereinbarte Provision hinausgehe. Die Aufwendungen wurden daher nicht als Betriebsausgaben anerkannt.

Weiters wurde von der Prüferin festgestellt, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1985 ein Geschäftslokal in Wien, L-Straße, um einen Preis von S 150.000,-- erworben habe. Nach den Feststellungen der Prüferin werde das Geschäftslokal vom Beschwerdeführer nicht für seine Handelsvertretertätigkeit genutzt. In dem Lokal befinde sich ein Handelswarengeschäft mit der Bezeichnung "P-Zentrum". Nach den Angaben des Beschwerdeführers sei das Geschäftslokal in eine stille Gesellschaft als Einlage eingebracht worden. Bis 1987 habe der Beschwerdeführer keinerlei Einkünfte aus der stillen Gesellschaft erzielt. Die Prüferin vertrat die Auffassung, daß eine AfA für eine stille Beteiligung nicht gewährt werden könne und erhöhte den Gewinn um die Beträge an AfA von je S 15.000,--.

Gegen die nach der Prüfung erlassenen Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommen- und Gewerbesteuer 1984 bis 1986 und betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1984 bis 1987 wurde Berufung erhoben. Gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens wurde vorgebracht, die Finanzbehörde habe ein ausführliches Vorhalteverfahren durchgeführt, weshalb alle für die Besteuerung notwendigen Informationen und Kenntnisse der Finanzbehörde offengelegt gewesen seien. Auch die Feststellungen über das Geschäftslokal könnten keinen Wiederaufnahmsgrund bilden; es sei nämlich rechtlich verfehlt "zu behaupten", eine AfA könne für eine Beteiligung nicht gewährt werden.

Hinsichtlich der Berufung gegen die Abgabenbescheide wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe seine Zusage "zur Erhaltung und Sicherung" seiner Einnahmen als internationaler Kaufmann im Nahen Osten einhalten müssen. Die stille Einlage habe sich deshalb abgenutzt, weil zwischenzeitig der "Obergesellschafter" in Konkurs gegangen sei. Es sei daher die Einlage des Beschwerdeführers vollkommen verloren.

In einer Stellungnahme der Prüferin zur Berufung wurde ausgeführt, laut Rechnung der Wiener M. vom 20. Juni 1985 habe die Investitionsablöse betreffend das Geschäftslokal L-Straße S 150.000,-- zuzüglich 20 % Umsatzsteuer betragen. In einer Vorhaltsbeantwortung der steuerlichen Vertreterin vom 3. September 1990 sei ausgeführt worden, daß "dieses Geschäftslokal nie angemietet wurde, sondern ging direkt an einen gewissen Z. weiter". Zum Faktum der Bürgschaft wurde in der Stellungnahme ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mehrmals aufgefordert worden, überhaupt nachzuweisen, wer mit wem das behauptete Geschäft mit Teppichwaren abgeschlossen habe.

In einer hierauf am 18. März 1991 eingebrachten Eingabe machte der Vertreter des Beschwerdeführers Y. und W., beide in Beirut wohnhaft, als Zeugen für das Vorbringen des Beschwerdeführers namhaft. Der Stellungnahme der Prüferin wurde entgegengehalten, der Beschwerdeführer sei nur als Vermittler tätig gewesen und hätte daher zu den Unterlagen des Grundgeschäftes keinen Zugriff gehabt.

Im weiteren Verfahren wurde in einer Eingabe vom 2. Oktober 1991 mitgeteilt, daß es nicht gelungen sei, mit dem Zeugen Y. Kontakt aufzunehmen.

Der vom Beschwerdeführer namhaft gemachte Zeuge W., ein in Beirut ansässiger Rechtsanwalt, wurde am 25. November 1991 von der belangten Behörde einvernommen. Der Zeuge führte aus, der Beschwerdeführer habe im Jahre 1983 mit dem Teppichhändler M.C. ein Geschäft über die Lieferung einer größeren Zahl von Teppichen nach Beirut und weiter nach Syrien abgewickelt. Der Zeuge sei beigezogen worden, um einen Vertrag über die Sicherheiten, die der Beschwerdeführer zu erbringen hatte, zu verfassen. Der Financier des Geschäftes, Herr A., hätte vom Beschwerdeführer eine Sicherheit verlangt. Über die Abwicklung des Geschäftes wisse er, daß A. und C. die Lieferung urgiert hätten, da der Beschwerdeführer Lieferschwierigkeiten gehabt hätte. Auf die Frage, wie eine Kontrolle über den Eintritt der Bürgschaftsverpflichtung funktionieren sollte, gab der Zeuge an, es habe für den Beschwerdeführer keine Möglichkeit gegeben, sich der Leistung zu entziehen. Der Beschwerdeführer hätte ihn gefragt, wie er sich der Leistungsverpflichtung aus der Bürgschaftserklärung entziehen könnte. Der Zeuge habe den Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht, daß er auf Grund der Vereinbarung zahlungspflichtig sei. Er habe ihm gesagt, daß er für seine persönliche Sicherheit nicht garantieren könne. Im Jahre 1984 sei im Libanon zB. eine Entführung jederzeit möglich gewesen. Auf Befragen gab der Zeuge an, er habe - trotz Zerstörung seines Büros im Jahre 1984 - einige Unterlagen über die Geschäftsbeziehung zum Beschwerdeführer in Beirut aufbewahrt.

In der Folge wurde vom Zeugen W. eine in englischer und arabischer Sprache verfaßte Vollmacht des Beschwerdeführers vorgelegt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat darin die Auffassung, daß der den strittigen Bürgschaftszahlungen zugrunde liegende Sachverhalt, dessen Wurzeln im Ausland gelegen seien, vom Beschwerdeführer nicht aufgeklärt worden sei. Hinsichtlich des Geschäftslokals L-Straße wurde darauf hingewiesen, daß die durchgeführten Erhebungen keinerlei Anhaltspunkt für das Vorliegen einer stillen Gesellschaft ergeben hätten.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Wiederaufnahme des Verfahrens

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens insbesondere in den Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Erstmals im Zuge des Prüfungsverfahrens wurde dem Finanzamt mit einer Eingabe der steuerlichen Vertreterin vom 13. Dezember 1989 die vom Beschwerdeführer verfaßte Information vom 23. Juni 1986 übermittelt. Erst durch diese Information wurde dem Finanzamt der Umfang des behaupteten Auslandsgeschäftes sowie insbesondere der Umstand bekannt, daß die Summe der behaupteten Provisionserlöse geringer war als die vom Beschwerdeführer als Bürgschaftszahlungen geltend gemachten Beträge. Jedenfalls mit dieser Information sind für die Abgabenbehörde Beweismittel neu hervorgekommen, wobei die Kenntnis dieser Umstände in Verbindung mit dem übrigen Ergebnis des Verfahrens geeignet war, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen.

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kommt dabei dem Umstand, daß die Behörde in dem das Jahr 1985 betreffenden Abgabenverfahren einen Vorhalt hinsichtlich der Bürgschaftszahlungen gestellt hatte, für die Wiederaufnahme des Verfahrens keine Bedeutung zu. Maßgeblich ist hiefür allein, ob nach Abschluß des Verfahrens neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen; ob die Abgabenbehörde mehr oder minder weit reichende Erhebungen im abgeschlossenen Verfahren durchgeführt hat bzw. ob sie sich mit einer unzureichenden Vorhaltsbeantwortung zufrieden gegeben hat, ist für die Beurteilung, ob ein Wiederaufnahmegrund vorliegt, deswegen nicht wesentlich, weil selbst ein Verschulden der Behörde am Unterbleiben der Feststellung der maßgeblichen Tatsachen und Beweismittel im Erstverfahren eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ausschließt (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, S. 728).

Soweit der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Wiederaufnahme des Verfahrens einen Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides geltend macht, ist ihm allerdings zuzugeben, daß die Begründung des Bescheides erkennen lassen muß, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen sie die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid nur in ungenügendem Ausmaß. So beschränkte sich die belangte Behörde darauf, anstatt einer zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung auf einzelnes "Aktenmaterial" hinzuweisen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Jänner 1994, 92/13/0272). Die Abweisung der Berufung hinsichtlich Wiederaufnahme des Verfahrens wird allein mit dem Hinweis begründet, der Beschwerdeführer sei nicht im Recht, "wenn er im Zusammenhang mit seiner Darstellung der Unzulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens durch die Betriebsprüfung von der Abführung eines ausführlichen Vorhaltsverfahrens spricht". Dennoch konnte dieser vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfahrensmangel nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, weil die Behörde im Hinblick auf die - wie ausgeführt - im Zuge der Betriebsprüfung hervorgekommenen neuen Beweismittel auch bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können.

2. Zahlungen auf Grund der "Bürgschaftsverpflichtung"

Die der Abgabenbehörde durch § 115 BAO auferlegte Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit findet dort ihre Grenzen, wo ihr weitere Nachforschungen nicht mehr zugemutet werden können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, die Partei aber zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung nicht bereit ist bzw. eine solche unterläßt. Die Grenze der amtlichen Ermittlungspflicht orientiert sich an der Zumutbarkeit, die bei Auslandsbeziehungen eine mehr oder weniger starke Einschränkung erfährt. Diese Formel bringt den allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck, daß die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes dort ihre Grenze findet, wo nach der Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1993, 92/15/0002).

Als Beweismittel für sein Vorbringen diente dem Beschwerdeführer insbesondere der Inhalt der "Bürgschaftserklärung" sowie die Zeugenaussage des libanesischen Rechtsanwaltes W. Schon der Inhalt dieser Erklärung ist - in Verbindung mit dem übrigen Ergebnis des Verfahrens - ungewöhnlich. In dieser Erklärung - die im Hinblick auf die fehlende Akzessorietät zum Grundgeschäft keine Bürgschaftserklärung, sondern in Wahrheit eine Garantieerklärung darstellt - wird vom Beschwerdeführer nicht die Haftung für den Erfolg des Transitgeschäftes übernommen; die Haftung tritt vielmehr unabhängig von einem Verlust des Unternehmens bereits mit "jedem Fall irgendwelcher Schwierigkeiten bei der Realisierung der Forderungen" ein. Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, daß ein erfahrener Exportkaufmann wie der Beschwerdeführer eine derartige Verpflichtung übernimmt, die von vornherein zu seiner Inanspruchnahme führen mußte, zumal im Zielgebiet kriegerische Auseinandersetzungen im Gang waren.

Obwohl der Beschwerdeführer schon im Prüfungsverfahren von der Abgabenbehörde aufgefordert worden war, die allein ihm selbst bekannten Umstände des behaupteten Transitgeschäftes offen zu legen, hat er es unterlassen, die im Ausland verwirklichten Sachverhalte darzustellen und entsprechende Beweismittel vorzulegen. Der Beschwerdeführer hat weder Angaben über die angeblichen Lieferanten der in Jugoslawien und Ungarn hergestellten Teppiche noch über die Abnehmer der Teppiche in Syrien gemacht. Die Zeitangaben über die Abwicklung sind derart unbestimmt, daß kein Zusammenhang zwischen der Versendung der Teppiche in Europa, ihrem Eintreffen im Libanon und dem Weitertransport nach Syrien einerseits und einem Verlust von Teppichen als behauptete Ursache für die Geltendmachung der Haftung hergestellt werden kann. Über die Abwicklung eines Liefergeschäftes in dem behaupteten großen Umfang müssen jedenfalls Fracht-, Versand- und Zollpapiere des Spediteurs und der sonstigen beteiligten Personen vorhanden sein. Der Beschwerdeführer - der nach seinen Angaben als Geschäftsführer der G. GmbH mit derartigen Transitgeschäften in den Mittleren Osten ständig befaßt ist - war nicht in der Lage, irgendwelche Mitteilungen über die näheren Daten des Transitgeschäftes - Zeitpunkt, genaue Route, Lieferanten, Versender, Spediteur, Frachtführer, Empfänger und Kunden - zu machen. Die wenigen Angaben über das Transitgeschäft im Schriftsatz vom 23. Juni 1986 stehen im Widerspruch zu den Angaben des Zeugen B. Hatte der Beschwerdeführer in diesem Schriftsatz behauptet, das Transitgeschäft sei mit A. - dem Haftungsgläubiger - abgeschlossen worden und A. habe die Teppiche an Kunden in Syrien ausgeliefert, so gab B. an, Partner des Transitgeschäftes sei C. gewesen, während A. "Finanzier" des Geschäftes gewesen sei.

Wenn die belangte Behörde auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens unter Bedachtnahme auf die Verletzung der dem Beschwerdeführer obliegenden Mitwirkungspflicht sinngemäß zu der Auffassung gelangt ist, daß die behaupteten Zahlungen aus einer Garantieerklärung nicht geleistet worden sind, so entspricht eine solche Folgerung den Denkgesetzen. Überdies steht es mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht im Einklang, daß zur Erzielung von Provisionseinnahmen eine Haftung für bloße Schwierigkeiten bei der Geschäftsabwicklung übernommen wird, die weit über die erzielbaren Einnahmen hinausgeht.

Wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerde demgegenüber auf die Bestimmungen des § 16 EStG 1972 verweist, so ist ihm - abgesehen davon, daß Gegenstand des Beschwerdeverfahrens die Beurteilung von Einkünften aus Gewerbebetrieb sind, für deren Ermittlung § 16 EStG 1972 nicht anwendbar ist - entgegenzuhalten, daß im Abgabenverfahren auch nicht die Frage einer allfälligen betrieblichen Veranlassung der in Rede stehenden Aufwendungen zu lösen war; entscheidend war lediglich, ob die diesbezüglichen Behauptungen des Beschwerdeführers über einen durch seine gewerbliche Tätigkeit veranlaßten Aufwand als ERWIESEN anzunehmen war oder nicht (vgl. § 167 Abs. 2 BAO).

Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 162 BAO geht ins Leere: Auf die im Abs. 2 dieser Gesetzesstelle - als Ausnahme zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 167 Abs. 2 BAO - festgelegte Rechtsfolge, beantragte Aufwendungen bei Unterlassung von Angaben über den Empfänger nicht anzuerkennen, hat sich die belangte Behörde nicht gestützt. Angaben über den Empfänger der behaupteten Zahlungen wurden ja vom Beschwerdeführer gemacht. Daher kann der Beschwerdeführer auch mit seinen Ausführungen über die von ihm vorgelegten Quittungen über die Garantiezahlungen nichts gewinnen. Solche Quittungen stellen überdies weder einen Beweis für das Vorliegen des behaupteten Grundgeschäftes noch über einen tatsächlichen Geldfluß vom Beschwerdeführer an den Garantieempfänger dar.

Den Einwendungen des Beschwerdeführers über eine nicht dem § 20 BAO entsprechende Ermessensentscheidung der belangten Behörde ist entgegenzuhalten, daß der Behörde im Rahmen der ihr obliegenden, auf Grund freier Beweiswürdigung zu beurteilenden Feststellung des Sachverhaltes kein Ermessen eingeräumt ist. Im Bereich der Sachverhaltsfeststellung ist die Behörde vielmehr an das Gesetz gebunden und es besteht für sie keine nach § 20 BAO auszuübende Wahl zwischen zwei oder mehreren Entscheidungsmöglichkeiten.

Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften wird vom Beschwerdeführer weiters eingewendet, die belangte Behörde habe dadurch, daß sie aus dem Fehlen von Reisekosten unter den Betriebsausgaben Schlüsse auf den Ort der Unterfertigung der "Bürgschaftserklärung" gezogen habe, das Parteiengehör verletzt. Abgesehen davon, daß die entsprechenden Folgerungen der belangten Behörde für die angefochtene Entscheidung nicht tragend sein konnten, gehört zum Wesen des Parteiengehörs nicht, die Parteien zu Schlußfolgerungen zu hören, die die Behörde ihrem Bescheid zugrunde zu legen gedenkt (vgl. Stoll, a.a.O., S. 273).

Soweit sich der Beschwerdeführer schließlich gegen "Vermutungen" der belangten Behörde auf den S. 5 und 6 der angefochtenen Berufungsentscheidung darüber wendet, ob das (behauptete) Transitgeschäft nicht der G. GmbH zuzurechnen gewesen wäre, ist ihm zwar zuzugestehen, daß der Sinn dieser Ausführungen im angefochtenen Bescheid - der zwischen Sachverhaltsdarstellung und Erwägungsteil keine klare Trennlinie zu ziehen imstande ist - nicht erkennbar ist. Diese Ausführungen sind jedoch für die Entscheidung ebenfalls nicht tragend, sodaß eine Auseinandersetzung damit dahingestellt bleiben konnte.

3. Aufwendungen für Lokal Wien, L-Straße

Trotz eines eingehenden Vorhaltes hat es der Beschwerdeführer unterlassen, den Sachverhalt hinsichtlich des von ihm in Bestand genommenen Geschäftslokals in Wien, L-Straße, in irgendeiner Weise aufzuklären. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei mit dem georgischen Geschäftsmann Z. eine stille Gesellschaft eingegangen, wurde durch Einsichtnahme in die Akten einer Z. GmbH, die überdies nicht am angegebenen Standort, sondern im Nebenhaus betrieben worden war, widerlegt. Wenn auch der Inhalt dieser Akten dem Beschwerdeführer nicht vorgehalten worden ist, so ist dadurch eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, nicht gegeben. Der Beschwerdeführer hat selbst in der Beschwerdeschrift keinerlei Beweismittel genannt, die seinen - überdies widersprüchlichen - Standpunkt hätten stützen können. Es kann der Beschwerdeführer dadurch, daß die belangte Behörde bei dem vorliegenden Sachverhalt keine Schlüsse auf eine gewerbliche Tätigkeit des Beschwerdeführers am angegebenen Standort gezogen, sondern nur die geltend gemachte AfA bei den Einkünften aus dem Gewerbebetrieb der Vermittlungstätigkeit (welche Tätigkeit an dem Standort nicht ausgeführt worden ist) nicht anerkannt hat, keinesfalls in seinen Rechten verletzt sein.

Schließlich wird vom Beschwerdeführer gerügt, daß die belangte Behörde seinem Vertagungsantrag nicht nachgekommen ist. Der Beschwerdeführer war zu der für 6. Mai 1992 anberaumten mündlichen Verhandlung mit einer am 19. April 1992 zugestellten Schriftsatz geladen worden. Mit einer erst am 4. Mai 1992 eingebrachten Eingabe beantragte der steuerliche Vertreter die Vertagung der Verhandlung. Die Behörde verständigte den steuerlichen Vertreter noch am 5. Mai 1992 mittels Telefax, daß die Verhandlung stattfinden werde. Im Hinblick auf den in der Vorladung gemäß § 284 Abs. 2 BAO angebrachten Hinweis, wonach das Fernbleiben des Beschwerdeführers der Durchführung der Verhandlung nicht entgegensteht, hat die belangte Behörde mit der Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers Verfahrensvorschriften nicht verletzt, zumal der durch zwei Wirtschaftstreuhänder vertretene Beschwerdeführer im lange andauernden Verwaltungsverfahren oftmals Gelegenheit hatte, sowohl den Sachverhalt wie auch seinen Rechtsstandpunkt darzustellen, eine Gelegenheit, der er nur unzureichend nachgekommen ist. Überdies hat er auch selbst in der Beschwerde keinerlei Sachverhaltsangaben oder Beweismittel mitgeteilt, die er in der mündlichen Berufungsverhandlung im Falle ihrer Vertagung vorgebracht hätte. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG lag damit aber jedenfalls nicht vor.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992130140.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

28.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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