TE Vwgh Erkenntnis 1994/8/25 94/19/0380

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Veröffentlicht am 25.08.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/01 Jurisdiktionsnorm;
27/04 Sonstige Rechtspflege;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §3 Z3;
AVG §56;
JN §66 Abs2;
SVDolmG 1975 §10 Abs1 Z1;
SVDolmG 1975 §14;
SVDolmG 1975 §2 Abs2 Z1 litg;
SVDolmG 1975 §2 Abs2 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des B in F, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgericht Innsbruck vom 29. April 1993, Zl. Jv 1492-5 E/93, betreffend Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Dolmetscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgericht Innsbruck vom 29. April 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - der als allgemein beeideter gerichtlicher Dolmetscher für die türkische Sprache im Sprengel des Landesgericht Feldkirch mit Wirksamkeit der Ablegung seines Dometschereides am 29. März 1991 befristet bis 31. Dezember 1996 eingetragen worden war - gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgericht Feldkirch vom 24. Februar 1993 - mit dem die Eigenschaft des Beschwerdeführers als allgemein beeideter gerichtlicher Dolmetscher für die türkische Sprache entzogen worden war - abgewiesen und der erstinstanzliche Entziehungsbescheid bestätigt. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der entscheidungserhebliche Sachverhalt des Entziehungsverfahrens sei in tatsächlicher Hinsicht unstrittig; der Beschwerdeführer habe nämlich selbst zugestanden, daß er in Wien arbeite und dort studiere. Im Sprengel des Landesgerichtes Feldkirch habe der Beschwerdeführer lediglich eine Anschrift in F bekanntgegeben; an dieser Anschrift sei der Beschwerdeführer jedoch "unbekannt verzogen" und für den Gerichtsbetrieb demnach nicht verfügbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, daß ihm die Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Dolmetscher nicht entzogen werde. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe erheblich erscheinende Behauptungen seiner Berufung nicht beachtet. Sie habe ihm hinsichtlich des herangezogenen Rückscheines mit dem Vermerk "Empfänger verzogen" keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Dadurch sei dem Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen worden, die Unrichtigkeit dieses Vermerkes nachzuweisen. Des weiteren habe die belangte Behörde "kein ausreichendes Ermittlungsverfahren" durchgeführt und eine "falsche Beweiswürdigung" vorgenommen. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bringt der Beschwerdeführer vor, er habe in seiner Berufung versucht, der belangten Behörde die im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten zu erklären. Die belangte Behörde habe nicht klargestellt, ob seine Eintragungsvoraussetzungen schon seinerzeit im Eintragungszeitpunkt nicht gegeben gewesen oder nachträglich weggefallen seien. Die Schlußfolgerung bzw. Ansicht der belangten Behörde, daß sein Beschäftigungsort und sein Aufenthaltsort ident wären, sei "völlig gesetzwidrig"; selbst ein eventueller Aufenthalt in Wien würde den Aufenthalt in Vorarlberg nicht unbedingt ausschließen. Sachverhalte, die erst nach der Zustellung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides entstanden seinen, hätte die belangte Behörde nicht mehr als Entziehungsgrund verwerten dürfen.

Dieses Vorbringen (einschließlich des in der zur Gegenschrift erstatteten Äußerung) ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen:

Vorauszuschicken ist, daß im Zuge des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof weder neues Sachvorbringen erstattet noch neue Beweismittel vorgelegt werden dürfen. Insoweit der Beschwerdeführer sich im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren daher von seinem im Verwaltungsverfahren erstatteten Sachverhaltsvorbringen entfernt und damit das Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) verletzt, braucht auf diese unzulässigen Ausführungen nicht weiter eingegangen zu werden.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 14 des Bundesgesetzes über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher, BGBl. Nr. 137/1975, ist die Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Dolmetscher vom Präsidenten des Gerichtshofes erster Instanz durch Bescheid zu entziehen, wenn sich herausstellt, daß die Voraussetzungen für die Eintragung, mit Ausnahme der nach § 2 Abs. 2 Z. 2, seinerzeit nicht gegeben gewesen oder später weggefallen sind. Zu diesen Voraussetzungen zählt unter anderen gemäß § 2 Abs. 2 Z. 1 lit. g leg. cit., daß sich der gewöhnliche Aufenthalt oder Ort der beruflichen Tätigkeit im Sprengel des Gerichtshofes erster Instanz, bei dessen Präsident der Bewerber die Eintragung beantragt, befindet.

Schon aus dem klaren Wortlaut der zitierten gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich, daß die vom Beschwerdeführer gerügte Unterscheidung, ob seine Eintragungsvoraussetzungen seinerzeit nicht gegeben waren oder der Entziehungsgrund erst später hervorgekommen ist, unerheblich ist. Aus einem von ihm im Eintragungsverfahren vorgebrachten Sachverhalt kann der Beschwerdeführer nämlich im Entziehungsverfahren keine Rechte für sich ableiten. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht der Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides maßgeblich, sondern ob die belangte Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides von den Tatbestandsvoraussetzungen des herangezogenen Entziehungsgrundes ausgehen durfte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. Dezember 1991, Zl. 91/18/0219, und vom 16. Juni 1994, Zl. 94/19/0011).

Der Beschwerdeführer hat sowohl im Beschwerdeverfahren als auch im Verwaltungsverfahren zugestanden, daß sich der Ort seiner beruflichen Tätigkeit nicht im Sprengel des Landesgerichtes Feldkirch sondern in Wien befindet.

Die Eintragungsvoraussetzung des § 2 Abs. 2 Z. 1 lit. g SDG wäre daher nur dann gegeben (bzw. dieser Entziehungsgrund könnte nur noch dadurch abgewehrt werden), wenn sich wenigstens der gewöhnliche Aufenthalt des Beschwerdeführers im maßgeblichen Zeitpunkt im Sprengel des Landesgerichtes Feldkirch (dessen örtliche Zuständigkeit sich auf das gesamte Bundesland Vorarlberg bezieht) befunden hätte. Wie den Gesetzesmaterialien (1335 Blg NR XIII.GP, 7) insoweit eindeutig zu entnehmen ist, verfolgt die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 1 lit. g leg. cit. den Zweck, die örtliche Zuständigkeit zu regeln. Der gleichwertig neben den Ort der Beschäftigung gestellte Anknüpfungspunkt des "gewöhnlichen Aufenthaltes" muß - da weder im SDG noch im § 3 AVG eine ausdrückliche Normierung des in Rede stehenden Begriffsinhaltes vorgenommen wird - aufgrund des einheitlichen Verständnisses der Terminologie der österreichischen Gesetzgebung im Sinne des im § 66 Abs. 2 JN festgelegten Begriffsinhaltes verstanden und ausgelegt werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0034 in Ansehung des Begriffsinhaltes "Wohnsitz"). Der Aufenthalt einer Person (im Gegensatz zu ihrem Wohnsitz) bestimmt sich gemäß § 66 Abs. 2 JN ausschließlich nach TATSÄCHLICHEN Umständen; er hängt weder von der Zulässigkeit noch von der Freiwilligkeit des Aufenthaltes ab. Bei der Beurteilung, ob ein Aufenthalt als gewöhnlicher anzusehen ist, sind nach § 66 Abs. 2 JN seine Dauer und seine Beständigkeit sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen.

Aus diesen gesetzlichen Kriterien ist zu folgern, daß der gewöhnliche Aufenthalt durch körperliche Anwesenheit und einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt bestimmt wird und sich aus objektiv überprüfbaren Umständen persönlicher oder beruflicher Art ergeben muß. Hingegen kommt der Absicht oder bloßen Willenselementen für die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthaltes keine Relevanz zu (OGH, 26.9.1989, 10 Ob S 305/89 in RZ 1990/54; EF Slg. 54.937 und 57.684). Da Meldezettel nur die Tatsache einer Meldung bzw. den Inhalt der gegenüber der Meldebehörde abgegebenen Erklärung beurkunden, aber über die tatsächlichen Verhältnisse keine Auskunft geben, kann allein diesen Vorgängen bei der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthaltes einer Person noch keine entscheidende Bedeutung zukommen.

Gemessen an dieser Rechtslage kann der belangten Behörde daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie im Ergebnis zu der Auffassung gelangte, daß bereits aus dem im erstinstanzlichen Verfahren und in der Berufung vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringen die Tatbestandsvoraussetzungen des herangezogenen Entziehungsgrundes erschlossen werden können. So hat der Beschwerdeführer in seiner erstinstanzlichen Stellungnahme vom 21. Februar 1993 lediglich den Verlauf seines Verfahrens bei der Meldebehörde bzw. seine insoweit abgegebenen Erklärungen dargestellt, aber mit keinem Wort behauptet, daß er in Vorarlberg (insbesonders in F) regelmäßig anwesend sei. Ausdrücklich gesteht der Beschwerdeführer sogar zu, daß er sich öfter in Wien aufhalte, an der Technischen Universität Wien studiere und seinen Beschäftigungsort in Wien habe bzw. bei Gerichten in Wien, Niederösterreich und Burgenland Verhandlungen verrichte. Auch in seiner Berufung hat der Beschwerdeführer neuerlich bloß Meldeauskünfte bzw. seine Meldedaten dargestellt, aber kein Vorbringen erstattet, aus dem auf seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Vorarlberg hätte geschlossen werden können. Daß sich der Mittelpunkt seines Lebens, seiner wirtschaftlichen Existenz und seiner sozialen Beziehungen tatsächlich in Vorarlberg befinde, ergibt sich aus der Berufung des Beschwerdeführers jedenfalls nicht. Vielmehr hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausdrücklich eingeräumt, daß seine Wohnungssuche in Feldkirch erfolglos geblieben sei und er sich dann in F "mit zweitem ordentlichen Wohnsitz anmeldete", weil ihm immer bewußt war, daß er "seinen Aufenthalt in Wien irgendwann aufgeben und dann nur einen ordentlichen Wohnsitz haben würde".

Insoweit der Beschwerdeführer die Beurteilung der belangten Behörde, sein Beschäftigungsort sei auch sein Aufenthaltsort, als "gesetzwidrig" bekämpft, ist ihm zu erwidern, daß er dagegen bloß theoretische Möglichkeiten bzw. für die Beurteilung seines gewöhnlichen Aufenthaltes unerhebliche Willenselemente vorgebracht hat, aber hinsichtlich der Ausgestaltung seiner Anwesenheit an einem angeblichen Aufenthaltsort sowie der räumlichen Entfernung zwischen Wien und Vorarlberg eine konkrete Stellungnahme unterlassen hat, sodaß die aus seinem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen gezogene Schlußfolgerung der belangten Behörde nicht als unschlüssig angesehen werden kann.

Bei diesem Ergebnis kann den gerügten Verfahrensfehlern aber Wesentlichkeit nicht mehr zukommen, wobei der Beschwerdeführer auch nicht darzulegen vermag, inwieweit die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid gelangt wäre.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesonders deren Art. III Abs. 2.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190380.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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