TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/8 94/18/0442

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Veröffentlicht am 08.09.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §13a;
AVG §37;
AVG §46;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in T, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 11. April 1994, Zl. Fr 347/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 11. April 1994 wurde (gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992) festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Liberia gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei.

Der Beschwerdeführer sei anläßlich seiner Einvernahme vor der Erstbehörde im Rahmen des ihn betreffenden Ausweisungsverfahrens auf die Möglichkeit der Antragstellung gemäß § 54 FrG hingewiesen worden. In seinem daraufhin gestellten Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Liberia habe er keine näheren Angaben hinsichtlich einer Gefährdung i.S. des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG gemacht. Bei seiner Einvernahme vor der Asylbehörde habe der Beschwerdeführer angegeben, seine Heimat aufgrund des dort herrschenden Bürgerkrieges verlassen zu haben: Am 10. Jänner 1992 wären sein Elternhaus durch Bomben zerstört und dabei seine Eltern getötet worden. Am 14. Februar 1992 wären bewaffnete Soldaten des Charles Taylor in das Universitätsgelände eingedrungen und hätten versucht, die Studenten für sich zu gewinnen; dabei wäre er durch eine Kugel verletzt worden. Nach einer Operation und einem zweimonatigen Aufenthalt in einem Krankenhaus in Monrovia hätte er sich zu einem Freund seines Vaters begeben und sich dort acht Monate aufgehalten; schließlich hätte er sich ein Jahr im Elternhaus des Bekannten aufgehalten. Dort wäre es zu keinen Kampfhandlungen gekommen, da die Rebellen an den dort lebenden, vorwiegend alten Menschen nicht interessiert gewesen wären. Der Beschwerdeführer hätte Liberia am 31. Dezember 1993 verlassen, da es in diesem Dorf nicht ausreichend Lebensmittel gegeben und er auch keine Möglichkeit zur Fortsetzung seines Studiums gehabt hätte.

Das Bundesasylamt habe mit Bescheid vom 24. Jänner 1994 den Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen. Wenn sich diese Entscheidung auf die Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention und des Asylgesetzes 1991 stütze, so sei sie auch für das Verfahren nach § 54 FrG heranzuziehen, zumal vom Beschwerdeführer weder im erstinstanzlichen noch im Berufungsverfahren andere, für die Entscheidung wesentliche Fakten angegeben worden seien. Daß der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Liberia verfolgt oder einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt werden würde, habe er weder vor der Erstbehörde noch vor der belangten Behörde darlegen können. Die potentielle Gefahr, in die kriegerischen Auseinandersetzungen zu geraten, stelle keinen Hinderungsgrund gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG dar.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.

Zufolge § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2.1. Als Verfahrensmangel macht der Beschwerdeführer geltend, daß die Behörde ihm gegenüber der ihr obliegenden Manuduktionspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei. Diese Pflicht habe sich in bezug auf einen Feststellungsantrag nach § 54 Abs. 1 FrG auch darauf zu erstrecken, "daß Informationen über die Voraussetzungen für die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung erteilt werden". Eine derartige Belehrung sei nicht erfolgt.

2.2. Dieses Vorbringen ist verfehlt. Die im § 13 a AVG verankerte Manuduktionspflicht erstreckt sich ausschließlich auf die zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen; sie umfaßt demnach nicht auch Unterweisungen eines Antragstellers, wie der Antrag gestaltet sein müsse, um damit Erfolg zu haben. Daß aber - so die Feststellung im angefochtenen Bescheid - der Beschwerdeführer von der Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 Abs. 1 FrG während des Verfahrens zur Erlassung einer gegen ihn gerichteten Ausweisung in Kenntnis gesetzt worden ist (§ 54 Abs. 2 leg. cit.), wird in der Beschwerde nicht bestritten.

3.1. Unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit vertritt die Beschwerde die Ansicht, daß auch nach den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 und 2 FrG gegeben seien. Die Tatsache, daß sich der Beschwerdeführer ein Jahr im Elternhaus eines Bekannten aufgehalten habe und es hiebei zu keinerlei Kampfhandlungen gekommen sei, vermöge das Recht auf Unterlassung der Abschiebung ebensowenig zu hindern wie der Umstand, daß er nach einer Verletzung infolge Kampfhandlungen durch Zufall bzw. Geschicklichkeit nicht weiter mißhandelt bzw. bedroht oder gefangengehalten worden sei. Der Beschwerdeführer habe davon ausgehen müssen, daß sich die Rebellen im Bürgerkrieg durchsetzen würden. In der Folge wäre er, da er sich nicht bereit erklärt habe, für die Rebellen zu kämpfen, in Gefahr gewesen. Dies hätte von der Behörde entsprechend gewürdigt werden müssen.

3.2. Die belangte Behörde ist unter Bedachtnahme auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im Asylverfahren und dessen Beurteilung durch die Asylbehörde zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beschwerdeführer keine i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG relevante Gefährdung und/oder Bedrohung dargetan habe.

Im Hinblick darauf, daß einerseits der Beschwerdeführer im Feststellungsverfahren nach § 54 FrG unbestrittenermaßen kein über die von ihm im Asylverfahren gemachten Angaben hinausgehendes Vorbringen erstattet hat, und andererseits im Asylverfahren die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozial Gruppe oder der politischen Gesinnung zu prüfen war (§ 1 Z. 1 AsylG 1991), war es - da § 37 Abs. 2 FrG gleichfalls auf die Bedrohung von Leben und Freiheit des Fremden aus diesen Gründen abstellt - für die belangte Behörde naheliegend, die Ergebnisse des Asylverfahrens bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigten (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0337).

Daß sie dabei die Auffassung vertreten hat, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände stellten keine stichhaltigen Gründe i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG dar, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden: Denn zum ersten läßt sich diesem Vorbringen jedenfalls nicht entnehmen, daß im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Liberia dort sein Leben oder seine Freiheit aus den im § 37 Abs. 2 FrG genannten Gründen bedroht wäre. Zum zweiten reicht die bloße Behauptung, bei einer Rückkehr nach Liberia mit unmenschlicher Behandlung oder der Todesstrafe rechnen zu müssen, keineswegs aus, eine Gefährdung i.S. des § 37 Abs. 1 FrG glaubhaft zu machen; dies zumal angesichts dessen, daß sich die vom Beschwerdeführer für das Verlassen seines Heimatlandes ins Treffen geführten Gründe im wesentlichen auf die fehlende Möglichkeit der Fortsetzung seines Studiums und die fehlende Bereitschaft, (auf der Seite der Rebellen) am Bürgerkrieg teilzunehmen, eingrenzen lassen.

4. Da nach dem Gesagten der Beschwerdeführer nicht zumindest glaubhaft gemacht hat, daß ihm im Fall seiner Abschiebung nach Liberia dort die im § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG genannten Gefahren drohten, und bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Grundsatz der Unbeschränktheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180442.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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