TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/14 91/12/0160

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Veröffentlicht am 14.09.1994
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §49;
GehG 1956 §16;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des J in F, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Mai 1991, Zl. 8160/40-II/4/91, betreffend Überstundenvergütung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Bezirksinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist der Gendarmerieposten XY.

Zur Eindämmung illegaler Grenzübertritte durch potentielle Asylwerber an der österreichisch-ungarischen Staatsgrenze ordnete der Bundesminister für Inneres mit Erlaß vom 4. September 1990 unter anderem an, daß aus dem Bereich des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark 55 Beamte und 7 Dienstkraftfahrzeuge dem Landesgendarmeriekomando für das Burgenland (vorerst) für die Dauer eines Monates zur Dienstleistung in den Bezirken zugeteilt werde. Diese Beamten hätten am 5. September 1990 bis spätestens 8.00 Uhr beim Landesgendarmeriekommando für das Burgenland in Eisenstadt einzutreffen, wo ihnen ihr Einsatzgebiet zugewiesen werden würde. In diesem Erlaß wurde auch die Adjustierung festgelegt.

In Durchführung dieses Erlasses verfügte das Landesgendarmeriekommando für Steiermark mit Befehl vom 4. September 1990, Zl. 3140/90, unter Nennung der betroffenen Beamten (darunter auch des Beschwerdeführers) und der Dienstfahrzeuge die Zuteilung an das Landesgendarmeriekommando für das Burgenland, legte die Zeit des Eintreffens in Eisenstadt mit 8.00 Uhr sowie die Adjustierung und Bewaffnung fest und traf organisatorische Vorkehrungen für die Durchführung der Reisebewegung mit Dienstkraftfahrzeugen.

    In Durchführung dieses Befehles des

Landesgendarmeriekommandos stellte der Dienststellenleiter des

Gendarmeriepostens XY den Dienstauftrag vom 4. September 1990

aus, wonach der Beschwerdeführer "zufolge LGK Befehl GZ 3140/90

... vom 5.9.1990 dem LGK für Burgenland bis Ende September 1990

zugeteilt wird und beim LGK für Bgld. am 5.9.1990, 08.00 Uhr

als Mitfahrer in PW BG ... dort einzutreffen hat."

Ferner wurde für den Beschwerdeführer die undatierte Dienstvorschreibung, Zl. 1694, ausgefertigt, in der sich die Wendung findet:

"Dienstantritt am 05.09.1990, um 05.00 Uhr".

Enthalten ist in dieser Dienstvorschreibung folgender Hinweis:

"Zuteilung z. LGK Bgld mit PWF dKSt. E ... Fahrer

GI S ...".

Als besondere Adjustierung war vorgesehen:

"Patrl. Adjustierung wie im Bef. angeführt."

Mit an das Landesgendarmeriekommando für das Burgenland gerichteten Schreiben vom 29. September 1990 gab der Beschwerdeführer bekannt, die am 5. September 1990 zwischen 5.00 bis 8.00 Uhr durchgeführte Dienstreise (im Zusammenhang mit einem Exekutivdienst und unter Mitnahme der Dienstwaffe) sei von der Dienstbehörde nicht als Dienstzeit gewertet worden, weshalb er "um bescheidmäßige Feststellung" bitte.

Den über diesen Antrag absprechenden Bescheid des Landesgendarmeriekommandos für das Burgenland vom 20. November 1990 hob die belangte Behörde auf Grund einer Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 21. Dezember 1990 wegen Unzuständigkeit der eingeschrittenen Dienstbehörde erster Instanz ersatzlos auf.

Mit Bescheid vom 6. Februar 1991 stellte das Landesgendarmeriekommando für Steiermark (als für den Beschwerdeführer zuständige Dienstbehörde erster Instanz) fest, dem Beschwerdeführer gebühre für die Reisezeit am 5. September 1990 von 5.00 bis 8.00 Uhr anläßlich einer Zuteilung vom Gendarmerieposten XY zum Landesgendarmeriekommando für das Burgenland kein Anspruch auf Überstundenvergütung nach § 16 GG. Die Dienstbehörde erster Instanz begründete dies im wesentlichen damit, der Beschwerdeführer sei mit Befehl des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark vom 4. September 1990 dem Landesgendarmeriekommando für das Burgenland zum Zwecke einer verstärkten Überwachung der österreichisch-ungarischen Staatsgrenze auf dem Gendarmerieposten S zugeteilt worden. Diese Zuteilung sei mit 30. September 1990 aufgehoben und die monatliche Abrechnung der Überstundenleistung für September 1990 nach den einschlägigen Richtlinien vorgenommen worden. Dabei sei dem Beschwerdeführer für die Reisezeit auf Grund des § 16 GG keine Überstunde verrechnet worden. Die Dienstreise sei nach dem vorliegenden Reiseausweis am 5. September 1990 in der Zeit von 5.00 bis 8.00 Uhr mit einem gendarmerieeigenen PKW erfolgt. Aus dem von der Stammdienststelle des Beschwerdeführers (Gendarmerieposten XY) übermittelten Dienststundenblatt gehe hervor, daß der Beschwerdeführer am 5. September 1990 von 8.00 bis 20.00 Uhr zum Plandienst eingeteilt gewesen sei. Die Dienstreise sei daher außerhalb der Plandienstzeit gelegen; da der Beschwerdeführer auch nicht als Kraftfahrer eingeteilt gewesen sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

In seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf einen Erlaß der belangten Behörde vom 8. April 1987 vor, die aufgewendete Zeit sei als Dienst zu werten, weil die Dienstreise im Zusammenhang mit einem Exekutivdienst erfolgt sei und der Beschwerdeführer zwecks Dienstvorschreibung, Übernahme der Dienstwaffe, der sonstigen Ausrüstungen und der Dienststücke vor Beginn der auswärtigen Dienstverrichtung die Dienststelle habe aufsuchen müssen. Unter Hinweis auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes vertrat er ferner die Auffassung, unter Arbeitszeit sei nicht nur die Zeit der effektiven Dienstleistung, sondern grundsätzlich jede Zeit zu verstehen, in der der Arbeitgeber die Freizeit seines Arbeitnehmers für seine Zwecke in Anspruch nehme. Da auch Dienstreisen Arbeitsleistungen seien, sei die hiefür benötigte Zeit prinzipiell Arbeitszeit. Die §§ 6 und 10 des Arbeitszeitgesetzes seien analog anzuwenden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7. Mai 1991 wies die belangte Behörde die Berufung ab und bestätigte den Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz. Sie ging dabei von folgendem Sachverhalt aus: Auf Grund des Landesgendarmeriekommando-Befehls vom 4. September 1990 sei der Beschwerdeführer mit Wirksamkeit vom 5. September 1990 bis voraussichtlich Ende September 1990 dem Landesgendarmeriekommando für das Burgenland zugeteilt worden. Laut Dienstplan sei für ihn am 5. September 1990 als Dienstbeginn 08.00 Uhr geplant worden. Um diese Zeit hätte er auch an der Zuteilungsdienststelle den Dienst anzutreten gehabt. Die Reisebewegung habe der Beschwerdeführer mittels Dienstkraftfahrzeug gemeinsam mit einem Kollegen mit Beginn um 05.00 Uhr durchgeführt, wobei der Beschwerdeführer nicht als Kraftfahrer eingeteilt gewesen sei. Die Zeiten der Reisebewegungen seien nicht als Dienststunden (Überstunden) berücksichtigt worden. Nach dem oben genannten Landesgendarmeriekommando-Befehl sei als Adjustierung Patrouillenadjustierung sowie die Mitnahme von Anorak, Gummimantel, eventuell Gummistiefel, Wolldecke, warme Unterwäsche und Mundvorrat für einen Tag, Pistole M 35 samt Dienstmunition, Gummiknüppel und Handschellen angeordnet gewesen.

In der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhaltes verwarf die belangte Behörde (mit näherer Begründung) die vom Beschwerdeführer geforderte analoge Anwendung des Arbeitszeitgesetzes. Unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes führte die belangte Behörde ferner aus, reine Reisezeiten seien nicht als Dienstleistungen und damit auch nicht als Überstunden im Sinne des § 16 GG zu werten; eine Vergütung für die Reisezeit sei derzeit im GG überhaupt nicht vorgesehen. Da der Beschwerdeführer während der gegenständlichen Reisebewegung keine Aufgaben bzw. Aufträge zu erledigen gehabt hätte, liege im Beschwerdefall eine "reine Reisezeit" vor, für die kein Vergütungsanspruch bestehe. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß der Beschwerdeführer zum Zwecke seiner Adjustierung und Bewaffnung vor Antritt der Dienstreise seine Dienststelle aufgesucht habe, zumal von dort mit dem Dienstkraftfahrzeug die Reise anzutreten gewesen sei und die zeitliche Inanspruchnahme vor Beginn der Reisebewegung nur äußerst gering gewesen sei. Außerdem habe es sich im Beschwerdefall um eine sogenannte "Zuteilungsreise" gehandelt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zunächst vor, der Dienstgeber selbst habe mit der undatierten Dienstvorschreibung Nr. 1694 den Dienstantritt beim Gendarmerieposten XY am 5. September 1990 um 5.00 Uhr festgelegt. Schon durch diese Art der Verfügung sei die nachfolgende Zeit (und zwar ohne Rücksicht darauf, ob und welche Arbeit der Dienstgeber dem Beamten in der Folge angeschafft habe) Dienstzeit, weil der Dienstgeber dadurch über den Dienstnehmer verfügt habe.

Schon dieses Vorbringen ist berechtigt.

Zwar befindet sich die belangte Behörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere das Erkenntnis vom 30. Jänner 1980, Zl. 1075/78 = Slg. N.F. Nr. 10028/A, vom 10. Oktober 1983, Zl. 83/12/0032 = Slg. N.F. Nr. 11176/A - nur Leitsatz, vom 13. Jänner 1986, Zl. 85/12/0208, vom 26. November 1990, Zl. 89/12/0241, sowie vom 20. Mai 1992, Zl. 88/12/0085), wenn sie davon ausgeht, daß nach der geltenden Rechtslage für die auf Dienstreisen außerhalb der Normalarbeitszeit zugebrachte Zeit (Reisezeit), in der ein Dienst nicht versehen wird, eine Überstundenvergütung nicht beansprucht werden kann.

Der Beschwerdefall unterscheidet sich aber von den zitierten Fällen insofern, als der Beschwerdeführer in der Dienstvorschreibung Nr. 1694 vom Kommandanten des GP XY ausdrücklich verpflichtet wurde, seinen Dienst am 5. September 1990 um 5 Uhr anzutreten. Der in der Gegenschrift von der belangten Behörde erhobene Einwand, die Dienstvorschreibung diene (nach dem Anhang II zur Kanzleiordnung der Bundesgendarmerie) im wesentlichen nur Dokumentationszwecken über die Außendiensttätigkeit bzw. über erhaltene und zu vollziehende Aufträge kann im Beschwerdefall nicht überzeugen. Auszugehen ist nämlich vom tatsächlichen Inhalt der getroffenen Dienstvorschreibung selbst und nicht davon, wie eine Dienstvorschreibung nach internen Richtlinien allenfalls gestaltet werden soll. Aus dem Wortlaut der Anordnung in der Dienstvorschreibung ergibt sich unmißverständlich und zweifelsfrei die Verpflichtung des Beschwerdeführers, seinen Dienst am 5. September 1990 um 5.00 Uhr beim Gendarmerieposten XY aufzunehmen. Berücksichtigt man noch, daß in den übrigen die Dienstzuteilung des Beschwerdeführers stufenförmig konkretisierenden Akten von einem Dienstantritt des Beschwerdeführers am 5. September um 5.00 Uhr nicht die Rede ist, ein solcher in diesen Akten aber auch nicht ausgeschlossen ist, kommt dieser Anordnung in der Dienstvorschreibung eine selbständige rechtsverbindliche Bedeutung zu. Daran vermag weder der in dem Vermerk der Dienstvorschreibung enthaltene Hinweis "Patrouillenadjustierung wie im Befehl ausgeführt" noch die im Dienstplan für den 5. September festgesetzte Dienstzeit etwas zu ändern. Schon deshalb war daher die strittige Zeit am 5. September 1990 für den Beschwerdeführer als Dienstzeit zu werten und dementsprechend bei der Überstundenermittlung zu berücksichtigen.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991120160.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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