TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/14 93/12/0098

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Veröffentlicht am 14.09.1994
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Index

L22002 Landesbedienstete Kärnten;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
DienstrechtsG Krnt 1985 §145 Abs3;
GehG 1956 §12 Abs3;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des I in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 4. Februar 1992 (richtig: 1993), Zl. 3-Gem-174/2/92, betreffend Aufhebung eines Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde XY vom 18. Dezember 1991 in Angelegenheit Vorrückungsstichtag nach § 100 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand ab 1. Mai 1980 als Vertragsbediensteter in einem Dienstverhältnis zur Stadtgemeinde XY (im folgenden kurz: Stadtgemeinde); am 1. Jänner 1992 wurde er in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis übernommen.

Mit Bescheid vom 18. Dezember 1991 setzte der Bürgermeister der Stadtgemeinde den Vorrückungsstichtag des Beschwerdeführers mit 10. März 1974 fest, wobei er die Beschäftigung des Beschwerdeführers bei der Firma M. in der Zeit vom 21. Juli bis 20. September 1975 und (nach Absolvierung des Präsenzdienstes) vom 8. Juni 1976 bis 15. Juni 1978 sowie seine Beschäftigung bei der Firma J. in der Zeit vom 16. Juni 1978 bis 30. April 1980 unter Anwendung des § 145 Abs. 3 des Kärntner Dienstrechtsgesetzes, LGBl. Nr. 35/1985 (im folgenden DRG) in Verbindung mit § 30 Abs. 1 des Kärntner Gemeindebedienstetengesetzes 1958, LGBl. Nr. 19, zur Gänze anrechnete. Diese Vollanrechnung wurde im wesentlichen damit begründet, laut Tätigkeitsbeschreibung der Firma M. sei der Beschwerdeführer in den beiden genannten Zeiträumen (nach Absolvierung der HTL-Matura) als technischer Angestellter beschäftigt gewesen. Sein Aufgabengebiet habe das Anfertigen von Entwürfen, die Planung, das Erstellen von Kostenvoranschlägen, von statistischen Berechnungen sowie die Kalkulation und das Ausfüllen von Ausschreibungsunterlagen über die Bauleitung bis hin zur Herstellung der Bauabrechnung und zwar besonders im Hochbau, aber auch im Tiefbau, umfaßt. Der Beschwerdeführer habe diese Tätigkeiten selbständig ausgeführt. Im Beschäftigungsnachweis der Firma J. werde festgestellt, daß der Beschwerdeführer mit der Herstellung von Entwürfen, der Planung, Ausschreibung und Abrechnung verschiedener Bauvorhaben (insbesondere Wohnbau), der Erstellung von Geländeaufnahmen, dem Vermessen an baulichen Anlagen im Hoch- und Tiefbau sowie mit dem Zeichnen technischer Pläne aller Art befaßt gewesen sei und die ihm übertragenen Arbeiten selbständig durchgeführt habe. Bei der Stadtgemeinde sei der Beschwerdeführer als Techniker für den Hochbau für die Planung und Ausschreibung und Abrechnung verschiedenster Bauvorhaben in diesem Bereich zuständig sowie als Bausachverständiger in baurechtlichen Verfahren tätig. Bei Bedarf werde er auch mit der Ausschreibung und Abrechnung von Straßenbau- und Straßensanierungsarbeiten betraut. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liege aber im Hochbaubereich. Das in einschlägiger Tätigkeit in der privaten Bauwirtschaft auf seiten des Auftragnehmers spezifisch erworbene Fachwissen versetze einen Techniker in die Lage, Ausschreibungen in diesem Bereich so zu gestalten, daß spekulative Angebote möglichst ausgeschlossen würden. Auch bei der Wahl der bei Bauvorhaben zu verwendender Materialien und der Ausführungsart habe die spezifische praktische Erfahrung außerordentlich große Bedeutung. Das als Bauleiter bei bauausführenden Firmen gesammelte Fachwissen ermögliche es einem Techniker, eine ihm übertragene Bauaufsicht auf seiten des Auftraggebers äußerst effektiv und zu dessen Vorteil auszuführen, da er eben gewisse Eigenheiten der Bauwirtschaft kenne. Dadurch könnten Nachteile für den Auftraggeber (z.B. Materialeinsparungen zu seinen Lasten) bereits während der Ausführung eines Baues vermieden und ein späteres mühsames Klären von Mängelfragen verhindert werden. Auch könne ein Techniker mit entsprechend spezifischer Erfahrung die bei der Abrechnung von Bauvorhaben immer wieder vorkommenden Rechen- und Ausmaßfehler erkennen. Der Beschwerdeführer habe sich jene speziellen Kenntnisse und jenes fachspezifische Wissen für Planung, Ausschreibung, Bauaufsicht und Abrechnung von Bauvorhaben in seiner Tätigkeit als technischer Angestellter bei den Firmen M. und J. angeeignet. Die Aneignung dieses speziellen Wissens sei nur möglich, wenn man einschlägig in diesem Bereich der privaten Bauwirtschaft auf seiten des Auftragnehmers und daher im Interesse desselben tätig sei. Dieses spezielle Fachwissen und gegebene Eigenheiten in der Bauwirtschaft könne der Beschwerdeführer zum Vorteil der Stadtgemeinde als Auftraggeber von Bauvorhaben einsetzen, was er auch getan habe (wird anhand eines konkreten Projektes näher ausgeführt). Der Beschwerdeführer habe sich das angeführte spezifische Fachwissen auch nicht in seiner Verwendung als Vertragsbediensteter der Stadtgemeinde aneignen können: Ein solches Vorwissen könne nur erworben werden, wenn man tatsächlich in der privaten Bauwirtschaft auf seiten des Auftragnehmers, und damit in dessen Interesse tätig geworden sei. Die Tätigkeit als Vertragsbediensteter im technischen Bereich für eine Gebietskörperschaft bringe eine bestimmte Erfahrung mit sich, könnte aber dieses in der privaten Bauwirtschaft angeeignete spezifische Wissen auf keinen Fall ersetzen. Es seien daher die oben angeführten Zeiten des Beschwerdeführers in der Privatwirtschaft für seine erfolgreiche Verwendung als Techniker der Stadtgemeinde von besonderer Bedeutung und daher gemäß § 145 Abs. 3 DRG zur Gänze anzurechnen gewesen.

Mit dem an die Stadtgemeinde und den Beschwerdeführer gerichteten Schreiben vom 4. Juni 1992 teilte die belangte Behörde jene Bedenken mit, die der Pensionsfonds in seiner umfangreichen Mitteilung vom 22. Jänner 1992 gegen diese Vollanrechnung geäußert hatte (im wesentlichen: keine besondere Bedeutung der gegenständlichen Vortätigkeiten in der Privatwirtschaft wegen der mehr als elf Jahre dauernden Tätigkeit des Beschwerdeführers als Vertragsbediensteter mit den gleichen Aufgaben, die er nunmehr als Beamter zu erfüllen habe; keine Vollanrechnung der strittigen Zeiten im Vertragsbedienstetenverhältnis nach § 26 VBG; kein Nachweis einer besonderen Qualifikation durch die Arbeitsbestätigungen der Firmen M. und J., weil der Beschwerdeführer schon durch seinen HTL-Abschluß die als besonders wertvoll hervorgehobene Qualität aufgewiesen habe; keine ausreichende Begründung für Vollanrechnung). Die belangte Behörde teile diese Bedenken und beabsichtige daher diesen Bescheid des Bürgermeisters von Amts wegen nach § 100 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982, LGBl. Nr. 8, aufzuheben.

Dazu nahmen sowohl die Stadtgemeinde als auch der Beschwerdeführer ausführlich Stellung.

In seiner Stellungnahme vom 24. Juni 1992 wies der Beschwerdeführer auf die Begründung des Bescheides des Bürgermeisters vom 18. Dezember 1991 hin, in der die besondere Bedeutung seiner strittigen Vortätigkeiten dargelegt worden sei. Die besondere Bedeutung seines Wissens sei durch die nachfolgende Tätigkeit als Vertragsbediensteter nicht aufgehoben worden. Aus dem Personalakt sei nicht ersichtlich, ob die Möglichkeit einer Vollanrechnung der fraglichen Zeiten bei seiner Anstellung als Vertragsbediensteter überhaupt geprüft worden sei. Er habe dies nicht beantragt, weil er von dieser Möglichkeit bislang gar nicht gewußt habe. Die fast ausschließlich theoretische Vorbildung in der HTL könnte seine einschlägige Praxis bei bauausführenden Firmen und deren besondere Bedeutung nicht beseitigen.

In ähnlicher Weise äußerte sich auch die Stadtgemeinde (Stellungnahme vom 24. Juni 1992), die neuerlich hervorhob, die nachfolgende Tätigkeit als Vertragsbediensteter habe die Wertigkeit der Erfahrung und Kenntnisse aus den Vortätigkeiten des Beschwerdeführers in der Privatwirtschaft nicht derart verringert, daß deren allfällige besondere Bedeutung aufgehoben worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. Februar 1992 (richtig: 1993) hob die belangte Behörde von Amts wegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde vom 18. Dezember 1991, mit dem für den Beschwerdeführer der 10. März 1974 als Vorrückungsstichtag festgesetzt worden war, gemäß § 100 der Allgemeinen Gemeindeordnung auf. In der Begründung stellte die belangte Behörde das bisherige Verwaltungsgeschehen dar (insbesondere wörtliche Wiedergabe der Mitteilung des Pensionsfonds vom 22. Jänner 1992 und Zusammenfassung der hiezu erstatteten Stellungnahmen des Beschwerdeführers und der Stadtgemeinde). Im Erwägungsteil wies die belangte Behörde darauf hin, die Anwendung des § 145 Abs. 3 DRG stelle eine Ermessensentscheidung der jeweils zuständigen Dienstbehörde dar. Im Interesse einer Gleichbehandlung der Bediensteten aller Kärntner Gemeinden und Gemeindeverbände habe die belangte Behörde als zuständige Aufsichtsbehörde speziell Ermessensentscheidungen darauf zu überprüfen, ob bzw. inwieweit sie im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben ihre rechtliche Deckung fänden. Die Landesregierung selbst übe nicht Ermessen, wenn sie Überprüfungen anstelle, ob § 145 Abs. 3 DRG von einer Gemeinde berechtigt oder unberechtigt angewendet worden sei; ein aufsichtsbehördliches Einschreiten verfolge auch nicht den Zweck, den Gemeinden Entscheidungen praktisch vorzugeben.

Im Beschwerdefall sei es Aufgabe der belangten Behörde gewesen zu prüfen, ob die Entscheidung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde vom 18. Dezember 1991 noch in dem von der Rechtslage vorgegebenen Rahmen ihre Deckung fände oder nicht, insbesondere ob der Bürgermeister zu Recht von einer besonderen Bedeutung der privaten Vortätigkeiten des Beschwerdeführers bei den Firmen M. und J. für seine erfolgreiche Verwendung als Beamter der Stadtgemeinde ausgegangen sei oder ob der Bürgermeister bei seiner Entscheidung das ihm vom Kärntner Dienstrechtsgesetz eingeräumte Ermessen überschritten habe. Als Maßstab für die Beurteilung habe die belangte Behörde die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum inhaltsgleichen § 12 Abs. 3 des Gehaltsgesetzes 1956 (GG) herangezogen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließe eine mehrjährige Tätigkeit als Vertragsbediensteter, die unmittelbar der Tätigkeit, die der Beamte bei Antritt seines Dienstes ausübe, vorangegangen und mit dieser im wesentlichen gleichartig gewesen sei, von vornherein aus, daß eine weiter zurückliegende Tätigkeit in der Privatwirtschaft für den Erfolg der Verwendung als Beamter von besonderer Bedeutung sei. Der Beschwerdeführer sei vor seiner Ernennung zum öffentlich-rechtlichen Gemeindebeamten elf Jahre und acht Monate als Vertragsbediensteter tätig gewesen. Die Tätigkeit bei Antritt des Dienstes als Beamter sei völlig ident mit jener als Vertragsbediensteter gewesen, die für die Dauer von mehr als elf Jahren unmittelbar vorangegangen sei. Im Hinblick auf Art und Schwierigkeitsgrad dieser Tätigkeit einerseits und die dazu in seiner langen ununterbrochenen und einschlägigen Verwendung als Vertragsbediensteter gesammelten Erfahrungen andererseits könne an und für sich bereits von vornherein ausgeschlossen werden, daß der Verwendungserfolg des Beschwerdeführers als Beamter von seiner relativ weit zurückliegenden Tätigkeit in der Privatwirtschaft abhängig gewesen sei. Es möge zwar durchaus sein, daß die private Vortätigkeit des Beschwerdeführers seine Verwendung als Beamter der Stadtgemeinde günstig beeinflußt habe. Von BESONDERER BEDEUTUNG FÜR seine VERWENDUNG ALS BEAMTER könnte sie aber nur sein, wenn sie der Sache nach unerläßlich wäre. Die der belangten Behörde vorliegenden Unterlagen ließen einen solchen Schluß jedoch nicht zu. Auch aus der Begründung des Vorrückungsstichtag-Bescheides vom 18. Dezember 1991 könne für das Vorliegen der "besonderen Bedeutung" nichts gewonnen werden, zumal die Dienstbehörde in Würdigung der ihrer Ansicht nach auf die privaten Vordienstzeiten zurückzuführenden besonderen Kenntnisse die damit verbundenen Leistungen und Verdienste des Bediensteten während der Zeit der Beschäftigung als Vertragsbediensteter besonders hervorgehoben habe. Maßgeblich für das Vorliegen der "besonderen Bedeutung" im Sinne des § 145 Abs. 3 DRG sei aber der Erfolg der Verwendung ALS BEAMTER, der ohne die Vortätigkeit nur in einem beträchtlich geringeren Ausmaß gegeben sein müßte.

Zur Vermeidung von Wiederholungen verwies die belangte Behörde im übrigen auf die Mitteilung des Pensionsfonds, die sie zum Bestandteil der Begründung ihres Bescheides erhob.

Der Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde vom 18. Dezember 1991 erweise sich demnach als gesetzwidrig. Einerseits seien vom Bürgermeister die im Zusammenhang mit der Anwendung des § 145 Abs. 3 DRG bestehenden Vorgaben verletzt worden, während andererseits die Beurteilung des Sachverhaltes durch die belangte Behörde zu dem Schluß geführt habe, daß der privaten Vortätigkeit des Beschwerdeführers bei der Firma T. keine besondere Bedeutung für seine erfolgreiche Verwendung als Beamter der Stadtgemeinde zugekommen sei, was durch entsprechende Erhebungen und Feststellungen schlüssig unter Beweis gestellt worden sei. Daher habe der Bürgermeister der Stadtgemeinde die ihm durch das Kärntner Dienstrechtsgesetz eingeräumte Ermessensausübungsbefugnis eindeutig überschritten.

In der Folge begründete die belangte Behörde ausführlich, warum sie von der Möglichkeit der Aufhebung und des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde gemäß § 100 Abs. 1 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982 in Verbindung mit § 96 Abs. 3 leg. cit. (Handhabung der Aufsichtsmittel unter möglichster Schonung der erworbenen Rechte Dritter) Gebrauch gemacht habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung nach § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen:

Nach § 30 Abs. 1 des Gemeindebedienstetengesetzes 1958, LGBl. Nr. 19, gelten hinsichtlich der Feststellung des Vorrückungsstichtages für die öffentlich-rechtlichen Gemeindebediensteten die Bestimmungen des § 145 des Kärntner Dienstrechtsgesetzes, LGBl. Nr. 35/1985.

Nach § 145 Abs. 1 DRG ist der Vorrückungsstichtag dadurch zu ermitteln, daß - unter Ausschluß der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten und unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Abs. 4 bis 8 - dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:

a)

die im Abs. 2 angeführten Zeiten zur Gänze;

b)

die sonstigen Zeiten zur Hälfte.

Nach Abs. 3 leg. cit. können Zeiten gemäß Abs. 1 lit. b, in denen der Beamte eine Tätigkeit ausgeübt oder ein Studium betrieben hat, von der Landesregierung insoweit zur Gänze berücksichtigt werden, als die Tätigkeit oder das Studium für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist.

Nach § 100 Abs. 1 der Allgemeinen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 8/1982, können außer den Fällen der §§ 95 und 99 rechtskräftige Bescheide sowie Beschlüsse oder sonstige Maßnahmen der Gemeindeorgane, die den Wirkungsbereich der Gemeinde überschreiten oder Gesetze oder Verordnungen verletzen, von der Aufsichtsbehörde von Amts wegen oder über Antrag aufgehoben werden.

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. im Ergebnis auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe mit Ausnahme der Einsichtnahme in die Stellenausschreibung vom 15. Jänner 1980 und die Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderates vom 8. Juli 1980 selbst keine Erhebungen gepflogen. Es sei daher nicht nachvollziehbar auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde zum Schluß gekommen sei, den privaten Vortätigkeiten des Beschwerdeführers bei den Firmen M. und J. komme keine besondere Bedeutung für seine Tätigkeit als Beamter für die Stadtgemeinde zu. Die belangte Behörde hätte sich z.B. durch Vernehmung des Beschwerdeführers und/oder des Bürgermeisters sicher ein besseres Bild über seine Qualifikation mit den von ihm wahrzunehmenden Tätigkeitsbereichen machen können. Außerdem habe sie selbst anstelle der Stadtgemeinde Ermessen geübt, was ihr als Gemeinde-Aufsichtsbehörde nicht zukomme. Die Kernaussage des angefochtenen Bescheides "im Hinblick auf Art und Schwierigkeitsgrad dieser Tätigkeit einerseits und die dazu in seiner langen ununterbrochenen und einschlägigen Verwendung als Vertragsbediensteter gesammelten Erfahrungen andererseits kann an und für sich bereits von vornherein ausgeschlossen werden, daß sein Verwendungserfolg als Beamter von seiner relativ weit zurückliegenden Tätigkeit in der Privatwirtschaft abhängig war bzw. ist" beruhe auf einer Einschätzung der belangten Behörde, was einer Ermessensübung gleichkomme. Im übrigen würde es bei der Argumentation der belangten Behörde im Belieben des Dienstgebers liegen, bei Aufnahme eines Bediensteten eine vorhandene besondere Bedeutung der Vortätigkeit durch die Vorschaltung einer entsprechend langen Zeit als Vertragsbediensteter auszuschalten.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Zwar fehlt im § 145 Abs. 3 DRG - anders als im § 12 Abs. 3 GG, der die Anordnung enthält, daß die Zeiten gemäß § 12 Abs. 1 lit. b, in denen der Beamte eine Tätigkeit oder ein Studium betrieben hat, mit Zustimmung bestimmter Bundesminister "im öffentlichen Interesse" zur Gänze berücksichtigt werden können - eine ausdrückliche Ermessensdeterminante; dennoch kann die Judikatur zu § 12 Abs. 3 GG zur Frage, wann eine Tätigkeit (Studium) von besonderer Bedeutung ist, auch im Falle des § 145 Abs. 3 DRG herangezogen werden, weil ansonst beide Normen wörtlich miteinander übereinstimmen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Vortätigkeit (das Studium) dann von einer so qualifizierten Bedeutung, wenn der dadurch verursachte Erfolg der Verwendung des Beamten ohne die Vortätigkeit (Studium) nur in einem beträchtlich geringerem Ausmaß gegeben wäre (vgl. dazu z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1976, Zl. 1312/76 = Slg. 9136/A, und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Prüfung ist auf den Zeitpunkt der Anstellung des Beamten - unter Berücksichtigung eines den Zeitraum eines halben Jahres ab Beginn des Dienstverhältnisses grundsätzlich nicht übersteigenden Beobachtungszeitraumes (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Mai 1988, Zl. 87/12/0035, sowie vom 29. November 1988, Zl. 86/12/0174, u.a.) - auf die Tätigkeit abzustellen, die der Beamte während dieses Zeitraumes auszuüben hatte. Solcherart ist der Behörde auch ein angemessener Zeitraum eingeräumt, um die Einsetzbarkeit und die Qualität der Leistung dahingehend zu prüfen, ob vom Ermessen positiv Gebrauch zu machen ist.

Gleichfalls in ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof daran festgehalten, daß eine mehrjährige Tätigkeit als Vertragsbediensteter, die unmittelbar der Tätigkeit, die der Beamte bei Antritt seines Dienstes ausübte, vorangegangen und mit dieser im wesentlichen gleichartig war, von vornherein ausschließt, daß eine weiter zurückliegende Tätigkeit in der Privatwirtschaft für den Erfolg der Verwendung als Beamter von besonderer Bedeutung ist (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 1984, Zl. 84/12/0001, sowie vom 11. April 1983, Zl. 82/12/0136, vom 7. März 1983, Zl. 82/12/0125, und 16. Dezember 1992, Zl. 91/12/0020).

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer elf Jahre und acht Monate vor dem Antritt seines Dienstes als Beamter am 1. Jänner 1992, nämlich in der Zeit vom 1. Mai 1980 bis 31. Dezember 1991 eine völlig gleichartige Tätigkeit als Vertragsbediensteter der Stadtgemeinde ausgeübt hat. Schon im Hinblick auf diese lange Dauer der völlig gleichartigen Vortätigkeit als Vertragsbediensteter entsprach es aber dem Gesetz, den strittigen Vortätigkeiten des Beschwerdeführers in der Privatwirtschaft keine besondere Bedeutung mehr im Sinne des § 145 Abs. 3 DRG für die am Beginn des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ausgeübte Tätigkeit als Bautechniker beizumessen, ohne daß es dazu weiterer Ermittlungen über den Inhalt des erworbenen Wissens aus den privaten Vortätigkeiten bedurfte. Damit beruhte aber die VOLLanrechnung dieser (weit zurückliegenden) Vortätigkeiten des Beschwerdeführers in der Privatwirtschaft im Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde vom 18. Dezember 1991 auf der rechtswidrigen Annahme, es seien alle Voraussetzungen nach § 145 Abs. 3 DRG erfüllt worden, die notwendig sind, damit die Dienstbehörde überhaupt eine Ermessensentscheidung treffen kann.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die belangte Behörde daher im Rahmen der ihr als Aufsichtsbehörde zustehenden Rechtmäßigkeitskontrolle geblieben und hat nicht ihre Ermessensübung im Sinne des § 145 Abs. 3 DRG an die des Bürgermeisters der Stadtgemeinde gesetzt: Denn fehlte es an einer Tatbestandsvoraussetzung nach § 145 Abs. 3 DRG, konnte die vom Gesetz gebotene Entscheidung nur in der Nichtvollanrechnung der im Beschwerdefall strittigen Vortätigkeiten liegen. Die Beurteilung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 145 Abs. 3 DRG selbst ist aber keine Kontrolle des der Gemeinde eingeräumten Ermessens, sondern die der Aufsichtsbehörde in vollem Umfang zustehende Überprüfung der Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes, allenfalls in Verbindung mit der Kontrolle der freien Beweiswürdigung.

Die vom Beschwerdeführer aufgezeigte Möglichkeit einer allenfalls nachteiligen Handhabung von Gestaltungsmöglichkeiten zu Lasten eines Bewerbers um eine Ernennung in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis ändert nichts an der oben dargestellten Auslegung des § 145 Abs. 3 DRG.

Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenzuspruch stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993120098.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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