TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/21 94/01/0444

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Veröffentlicht am 21.09.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art43;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/01/0569

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde 1. des B in T, und 2. der Z in T, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 20. Dezember 1993, Zl. 4.343.659/1-III/13/93 (betreffend den Erstbeschwerdeführer) und Zl. 4.343.659/2-III/13/93 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerden und den vorgelegten Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige der "jugosl. Föderation" sind am 22. November 1993 in das Bundesgebiet eingereist und beantragten am 23. November 1993, ihnen Asyl zu gewähren. Das Bundesasylamt hat mit Bescheiden vom 24. November 1993 die Asylanträge der Beschwerdeführer abgewiesen. Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 20. Dezember 1994 wurden die dagegen erhobenen Berufungen der Beschwerdeführer abgewiesen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen jeweils Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführer erachten sich in dem Recht auf Gewährung von Asyl verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführern deshalb kein Asyl gewährt, weil sie der Ansicht war, daß der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gegeben sei. Sie hat sich daneben nicht auch damit auseinandergesetzt, ob die Beschwerdeführer jeweils Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 seien.

Nach § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 wird einem Flüchtling kein Asyl gewährt, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Die belangte Behörde nahm aufgrund der niederschriftlichen Befragungen am 23. November 1993 - von den Beschwerdeführern nicht bestritten - an, daß sich diese vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet in Ungarn aufgehalten hätten und es ihnen möglich gewesen wäre, dort um Asyl anzusuchen. Ungarn sei seit dem 14. März 1989 Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention und es spreche nichts dafür, daß es die aus dieser Mitgliedschaft sich ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot, etwa vernachlässige. Die Beschwerdeführer seien in Ungarn keinerlei Verfolgungen ausgesetzt gewesen und hätten nicht befürchten müssen, ohne Prüfung ihrer Fluchtgründe abgeschoben zu werden. Biete ein Zufluchtsstaat von seiner geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz (wie dies im Falle Ungarn anzunehmen sei), so sei Sicherheit im Augenblick des Betretens dieses Staates als gegeben anzunehmen und könne die einmal erreichte Verfolgungssicherheit durch Verstreichen von Zeit nicht wachsen. Die relative Kürze des Aufenthaltes des Beschwerdeführers könne daher an diesem Ergebnis nichts ändern. Es sei durchaus legitim, davon auszugehen, daß in einem Staat, dessen Rechts- und Verfassungsordnung im großen und ganzen effektiv sei, auch größere Teilbereiche - wie das "Nonrefoulementrecht" - effektiv in Geltung stünden. Nach § 2 Abs. 3 Asylgesetz reiche dabei eine generalisierende Betrachtungsweise aus. Die Beschwerdeführer hätten nicht darzutun vermocht, daß sie keinen Rückschiebeschutz genossen hätten.

Wenn die Beschwerdeführer ins Treffen führen, sie hätten keine Kenntnis davon gehabt, daß sie in Ungarn Asyl hätten beantragen können, und sie seien darüber hinaus nur durch Ungarn durchgefahren, ist ihnen entgegenzuhalten, daß gemäß den Gesetzesmaterialien zu § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 (vgl. RV 270 BlgNR 18.GP) das Sicherheitsbedürfnis als Voraussetzung der Asylgewährung in dem Fall entfällt, wenn der Flüchtling in einem anderen Nichtverfolgungsstaat (Drittstaat) Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Dies ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe insbesondere das hg. Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG des näheren verwiesen wird) dann der Fall, wenn sich der Asylwerber nach Verlassen seines Heimatlandes, in dem er verfolgt zu werden behauptet, in einem anderen Staat - selbst nur im Zuge der Durchreise - befunden hat und diese Sicherheit bereits dort hätte in Anspruch nehmen können. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen, weshalb bloß subjektive Gründe - wie etwa die Unkenntnis des Asylwerbers über die gegenüber Flüchtlingen geltende Rechtslage im Drittstaat -, die die betreffende Person veranlaßt haben, in diesem Staat nicht länger zu bleiben und nicht dort einen Asylantrag zu stellen, ohne Bedeutung sind. Für die Annahme der Verfolgungssicherheit ist entscheidend, daß der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr der Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor einer Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256).

Da die Beschwerdeführer nicht behaupten, daß Ungarn, das der Genfer Flüchtlingskonvention am 14. März 1989 mit Wirksamkeit für den 12. Juni 1989 (siehe Art. 43 der Genfer Flüchtlingskonvention) und mit der Maßgabe, daß es hinsichtlich seiner Verpflichtungen aus dieser Konvention die Alternative a des Abschnittes B des Art. 1 (betreffend Ereignisse, die in Europa eingetreten sind) anwenden wird, beigetreten ist (vgl. BGBl. Nr. 260/1992), die sich daraus ergebenden Verpflichtungen nicht einhalte und daher die aus einem europäischen Land geflohenen Beschwerdeführer in Ungarn nicht vor Verfolgung und vor Abschiebung in ihr Heimatland sicher gewesen wären, kann im Hinblick auf die bereits zitierte hg. Judikatur zur "Verfolgungsicherheit" der Annahme der belangten Behörde, der Ausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 liege vor, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über die Anträge, den Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994010444.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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