TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/23 93/17/0099

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Veröffentlicht am 23.09.1994
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1002;
AVG §10 Abs1;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AVG §63 Abs1;
AVG §8;
BAO §115;
BAO §243;
BAO §83 Abs1;
BAO §83;
BAO §93 Abs2;
BAO §93;
LAO Wr 1962 §189;
LAO Wr 1962 §57 Abs1 idF 1992/040;
LAO Wr 1962 §57;
LAO Wr 1962 §67 Abs2;
LAO Wr 1962 §67;
LAO Wr 1962 §90;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der K-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien vom 12. März 1993, Zl. MD-VfR - B 31 u. 32/92, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Herabsetzung der Abwassergebühr und Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Unbestrittenermaßen ist die Beschwerdeführerin Eigentümerin des Hauses Wien, G-Gasse 11.

I. Mit Schriftsatz vom 22. September 1989 erhob "Immobilienverwalter Ps Sohn B" gegen einen die genannte Liegenschaft betreffenden Gebührenbescheid vom 8. September 1989 (i.A. Wasser- und Abwassergebühr) Berufung.

Mit weiterem Schriftsatz vom 27. November 1989 erstattete B, nunmehr vertreten durch den auch im Beschwerdeverfahren einschreitenden Rechtsanwalt, ein ergänzendes Vorbringen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 7. März 1990 entschied der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4 - Referat 6, "über die von der K-Gesellschaft m.b.H., vertreten durch den Anwalt Dr. M, eingebrachte Berufung gegen den Gebührenbescheid vom 8.9.1989" dahin, daß die Berufung als unbegründet abgewiesen wurde.

Mit Schriftsatz vom 12. April 1990 sandte die genannte "Rechtsanwaltskanzlei" die Berufungsvorentscheidung an den Magistrat der Stadt Wien mit dem Bemerken zurück, daß die "Firma K-Gesellschaft m.b.H., vertreten durch den Anwalt Dr. M", keine Berufung erhoben habe. Vorsichtshalber werde namens des Berufungswerbers B beantragt, die Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen. Weiters heißt es in diesem, von Dr. X für den "Rechtsanwalt Dr. M und B" gefertigten Schriftsatz:

"Die Position Abwassergebühr ist unbeschadet unseres obigen Vorbringens zu streichen, weil das Wasser ungebraucht in den Boden eingesickert wäre und nicht in das Kanalnetz."

Mit weiterem Schriftsatz vom 10. März 1992 brachte der genannte Rechtsanwalt vor, in der gegenständlichen Gebührensache sei im Antrag auf "Vorlage der Berufungsvorentscheidung" vom 12. April 1990 vorsichtshalber auch die Herabsetzung der Abwassergebühr für den Zeitraum vom 23. Jänner 1988 bis zum 27. Juli 1989 beantragt worden.

Mit Bescheid vom 22. April 1992 wies der Magistrat der Stadt Wien, MA 4/6,

1. "die Berufung des Herrn B", vertreten durch den genannten Rechtsanwalt, gegen den Gebührenbescheid vom 8. September 1989 als unzulässig zurück;

2. den "Antrag des Herrn B, vertreten durch den unter 1. genannten Rechtsanwalt" auf Vorlage der Berufung gegen den Gebührenbescheid vom 8. September 1989 an die Abgabenbehörde zweiter Instanz zurück;

3. den "Antrag des Herrn B, vertreten durch den unter 1. genannten Rechtsanwalt" auf Herabsetzung der Abwassergebühr für die Zeit vom 23. Jänner 1988 bis 27. Juli 1989 zurück.

Zur Begründung führte die Abgabenbehörde erster Instanz im wesentlichen aus, der mit der vorliegenden Berufung angefochtene Bescheid sei deshalb nicht rechtswirksam erlassen worden, weil er an "P, Geb.Verw." adressiert und daraus nicht eindeutig zu erkennen sei, an wen das Leistungsgebot dieses Bescheides sich richte. Die Berufungsvorentscheidung vom 7. März 1990 sei nicht gegen den Berufungswerber, sondern an eine dritte Person, den tatsächlichen Gebührenschuldner, ergangen. Der vorliegende Herabsetzungsantrag schließlich betreffe das Haus Wien, G-Gasse 11, für das B nicht Wasserabnehmer sei.

Nur gegen Punkt 3. dieses Bescheides erhob B, vertreten durch den genannten Rechtsanwalt, Berufung und brachte darin im wesentlichen vor, daß bei einem Antrag eines Hausverwalters von vornherein anzunehmen sei, er stelle den gegenständlichen Herabsetzungsantrag nicht für sich selbst, sondern für die Eigentümer der von ihm verwalteten Liegenschaft. Außerdem hätte die Behörde gemäß § 59 Abs. 4 WAO den offensichtlich im Interesse des Liegenschaftseigentümers eingebrachten Antrag, bei dem sich der Einschreiter nicht durch eine schriftliche Vollmacht ausgewiesen habe, gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle zur Verbesserung zurückstellen müssen. Ein solcher Verbesserungsauftrag sei nicht erfolgt.

II. Mit "Gebührenbescheid" vom 22. April 1992 schrieb der Magistrat der Stadt Wien, MA 4/6, der Beschwerdeführerin "z.H. B" Wassergebühr und Abwassergebühr im Gesamtbetrag von

S 314.886,-- zur Zahlung vor.

Dagegen erhob B, vertreten durch den genannten Rechtsanwalt, mit Schriftsatz vom 30. April 1992 Berufung. Am Ende dieses Schriftsatzes heißt es:

"Dr. X

Für B als Hausverwalter

des Hauses Wien, G-Gasse 11"

Mit Bescheid vom 10. November 1992 wies der Magistrat der Stadt Wien, MA 4/6, die Berufung des "Herrn B" gegen den "Gebühren- und Abgabenbescheid" vom 22. April 1992 als unzulässig zurück. Der genannte Bescheid sei an die Beschwerdeführerin ergangen und dem B als bevollmächtigtem Vertreter dieser Gesellschaft zugestellt worden. Die vorliegende Berufung sei jedoch eindeutig B zuzurechnen.

Auch dagegen erhob B Berufung; ihre Begründung deckt sich im wesentlichen mit jener in der Berufung gegen Punkt 3. des Zurückweisungsbescheides vom 22. April 1992.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien beide Berufungen als unbegründet ab. Unbestritten stehe fest, daß der Gebührenbescheid der MA 4/6 vom 22. April 1992 an die Beschwerdeführerin ergangen sei. Die Berufung vom 30. April 1992 führe als Einschreiter "B" an. Da er rechtsfreundlich vertreten sei, sei ein Vergreifen im Ausdruck auszuschließen. Dazu komme, daß er im Schriftsatz vom 12. April 1990 - ebenfalls rechtsfreundlich vertreten - hinsichtlich der Beurteilung einer gleichartigen Eingabe ausdrücklich angeführt habe, daß ER Berufungswerber sei und der angeführte Rechtsanwalt für die Beschwerdeführerin keine Berufung erhoben hätten. Im Hinblick auf die vorliegende Sachlage könne daher weder die Berufung vom 10. April 1992 noch die Eingabe vom 12. April 1990 dem Gebührenschuldner zugerechnet werden. Da nur die Beschwerdeführerin zur Erhebung einer Berufung bzw. zur Stellung eines Antrages nach § 13 Abs. 1 Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz 1978 als Gebührenpflichtige berechtigt sei, fehle dem Berufungswerber B die Legitimation, die angeführten Rechtshandlungen zu setzen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach ihrem Vorbringen erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem subjektiven öffentlichen Recht auf sachliche Behandlung sowohl des am 20. April 1990 gestellten Antrages auf Herabsetzung der Abwassergebühr als auch der Berufung gegen den Gebührenbescheid vom 22. April 1992 verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig bzw. ihre Abweisung als unbegründet beantragt.

Die Beschwerdeführerin replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründet ihren Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde im wesentlichen damit, der angefochtene Bescheid sei nur gegen B erlassen worden. Die Beschwerdeführerin sei daher nicht Partei des Verfahrens und es fehle ihr daher die Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Verwaltungsgerichtshof.

Auszugehen ist davon, daß der Spruch des vorliegenden Bescheides nicht isoliert zu betrachten, sondern im Zusammenhang mit seiner Begründung auszulegen ist. Daraus ergibt sich eindeutig der Bescheidwille der belangte Behörde, die vorliegenden Berufungen nicht der Beschwerdeführerin, sondern dem B zuzurechnen und aus diesem Grunde zurückzuweisen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es - wie oben dargestellt - ausdrücklich, nur die Beschwerdeführerin sei zur Erhebung einer Berufung bzw. zur Stellung eines Antrages nach § 13 Abs. 1 Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz 1978 berechtigt gewesen. Das bedeutet aber weiters, der Spruch des angefochtenen Bescheides auch die Entscheidung darüber enthält, der genannte Herabsetzungsantrag sowie die Berufung gegen den Gebührenbescheid vom 22. April 1992 seien nicht der Beschwerdeführerin zuzurechnen. Durch diesen Teil des (auf die genannte Weise auszulegenden) Spruches konnte die Beschwerdeführerin in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt werden (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg. Nr. 11625/A).

In dem zuletzt genannten Erkenntnis, auf das die Beschwerdeführerin mit Recht verweist, hat der Verwaltungsgerichtshof weiters im wesentlichen dargetan, die Frage der Zurechnung einer Verfahrenshandlung sei im AVG 1950 nicht geregelt. Im damaligen Beschwerdefall habe die belangte Behörde Zweifel daran hegen müssen, wem die vorliegende Berufung zuzurechnen sei. Ebenso wie die Behörde verpflichtet sei, den Sinn eines mehrdeutigen Parteienantrages durch Herbeiführung einer entsprechenden Parteienerklärung festzustellen, sei sie auch verpflichtet, in einem Zweifelsfall wie dem damals vorliegenden sich Klarheit darüber zu verschaffen, WER Rechtsmittelwerber sei.

Diese Ausführungen haben auch für vorliegenden, nach den Verfahrensvorschriften der WAO zu beurteilenden Beschwerdefall entscheidende Bedeutung. Auch die WAO kennt keine ausdrückliche Regelung über die Zurechnung von Verfahrenshandlungen. Nach dem Akteninhalt war der Abgabenbehörde erster Instanz bekannt, daß die Beschwerdeführerin Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft und damit Gebührenschuldnerin, sowie daß B Verwalter dieser Liegenschaft sei. Dies geht insbesondere daraus hervor, daß sie die Berufungsvorentscheidung vom 7. März 1990 und den Abgabenbescheid vom 22. April 1992 an die Beschwerdeführerin (im ersten Fall vertreten durch den nunmehr einschreitenden Anwalt, im zweiten Fall vertreten durch B) adressiert hat. Zutreffend verweist die Beschwerdeführerin auch darauf, daß die Berufung vom 30. April 1992 gegen den Bescheid vom 22. April 1992 ausdrücklich "für B als HAUSVERWALTER des Hauses Wien, G-Gasse 11" erhoben wurde. Sie ist weiters im Recht, wenn sie auf die Lehrmeinung Gameriths (in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch1 II, Rz. 5 zu § 837) verweist, wonach ein Hausverwalter, wenn er sich als solcher ausreichend zu erkennen gibt, direkter Stellvertreter der (Mit)eigentümer ist. Auch die belangte Behörde konnte daher keinen Zweifel daran hegen, daß der mit Schriftsatz vom 10. März 1992 verdeutlichte Herabsetzungsantrag vom 12. April 1990 sowie die Berufung gegen den Abgabenbescheid vom 22. April 1992 in Wahrheit der Beschwerdeführerin zuzurechnen waren.

Die belangte Behörde vermag sich zur Untermauerung ihrer Auffassung auch nicht wirksam auf den Passus im Schriftsatz der Beschwerdevertreter vom 12. April 1990 zu berufen, wonach die Beschwerdeführerin keine Berufung erhoben habe. Denn dieser Hinweis bezog sich lediglich auf die Berufung gegen den Bescheid vom 8. September 1989, den die belangte Behörde selbst als Nichtbescheid qualifiziert hat. Der im selben Schriftsatz enthaltene, oben wörtlich wiedergegebene Herabsetzungsantrag wiederum ist nach seiner Formulierung von der Aussage, die Beschwerdeführerin habe keine BERUFUNG erhoben, nicht umfaßt.

Etwaige noch bei der belangten Behörde bestehende Zweifel darüber, wem die genannten Prozeßhandlungen zuzurechnen seien, waren jedoch im Sinne des mehrfach erwähnten Erkenntnisses spätestens durch den Inhalt der beiden Berufungsschriften ausgeräumt, in denen ausdrücklich klargestellt wird, daß die genannten Prozeßhandlungen der Beschwerdeführerin zuzurechnen seien. Der belangten Behörde wäre es lediglich freigestanden, im Sinne des § 57 Abs. 1 letzter Satz WAO idF LGBl. Nr. 40/1992 den Einschreiter aufzufordern, die Vertretungsbefugnis für die Beschwerdeführerin durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen.

Da die belangte Behörde die Rechtslage im aufgezeigten Sinne verkannte, war ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen.

Schlagworte

Einhaltung der Formvorschriften Grundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur Rechtsverletzungsmöglichkeit Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des Parteiwillens Spruch und Begründung Vertretungsbefugter juristische Person Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungslegitimation Person des Berufungswerbers Zurechnung von Bescheiden Intimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993170099.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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