TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/26 94/10/0066

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Veröffentlicht am 26.09.1994
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Index

80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §172 Abs6;
ForstG 1975 §34;
ForstG 1975 §35 Abs2;
ForstG 1975 §35;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des T in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 16. Februar 1994, Zl. 958/1, betreffend einen forstpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 24. Juni 1992 bewilligte die Bezirkshauptmannschaft (BH) dem Beschwerdeführer unter Berufung auf § 7 Abs. 4 des Tiroler Jagdgesetzes 1983 die Errichtung eines Geheges auf den Parzellen Nr. 90, 91, 94, 102/2 und 103/1, im Ausmaß von 1 ha 56 ar 45 m2 zur Haltung von 10 Stück Rotwild und 10 Stk. Rehwild. In diesem Bescheid findet sich der Hinweis, diese jagdrechtliche Genehmigung ersetze nicht eine allenfalls erforderliche Genehmigung nach dem Forstgesetz 1975 (ForstG); das Gehege dürfte daher erst errichtet und betrieben werden, wenn die forstrechtlichen Voraussetzungen vorlägen. Es sei ein eigener Antrag bei der BH einzubringen.

In der Folge wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer das Gehege errichtet hatte, ohne um forstrechtliche Bewilligung anzusuchen.

Mit Eingabe vom 29. Oktober 1992 beantragte der Beschwerdeführer die Rodungsbewilligung für die Parzellen Nr. 90 und 102/2.

Nach Einholung einer Stellungnahme der Bezirksforstinspektion und Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies die BH mit Bescheid vom 29. Dezember 1993 den Rodungsantrag - und zwar gegenüber dem Waldeigentümer A.W - ab. (Spruchabschnitt I). Unter Spruchabschnitt III wurde dem Beschwerdeführer unter Berufung auf § 172 Abs. 6 ForstG zur umgehenden Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes aufgetragen, die auf den Parzellen Nr. 90 (Wald) und 102/2 (Schutzwald) ohne forstrechtliche Genehmigung errichtete Einzäunung des Wildgatters (Wildgehege) zu entfernen.

Der Beschwerdeführer berief und machte geltend, seiner Bitte um Besichtigung an Ort und Stelle (mündliche Verhandlung), an der auch "der Forst" anwesend sein sollte, sei nicht entsprochen worden. Die in Frage stehende Waldparzelle sei ein "Tobel", in den das über dem Gehege abrutschende Waldstück hineinrutsche. Dieser Tobel werde als Waldparzelle geführt, sei aber unproduktiver Grund. Der Beschwerdeführer nehme keine Rodung vor; er habe im Gegenteil nachweislich "vom Forst" viele Bäume gekauft und eingesetzt. Laut dem österreichischen Wörterbuch sei "Roden": Einen Holzschlag roden, aus ihm Ackerland machen. Was an Nadelhölzern vorhanden sei, sei vom Beschwerdeführer gegen Wildschäden geschützt worden. Die vorhandenen Erlen, die am und seitlich vom Tobel stünden, würden trotz Wild immer wieder im Frühjahr neu ausschlagen und seien nicht gefährdet.

Mit Bescheid vom 16. Februar 1994 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen Spruchpunkt III des erstinstanzlichen Bescheides (forstpolizeilicher Auftrag) als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, die Grundstücke Nr. 90 und 102/2 seien im Grenzkataster der Benützungsart Wald zugeordnet. Nach § 3 Abs. 1 ForstG 1975 gelte eine Grundfläche als Wald im Sinne des ForstG, wenn sie im Grenzkataster oder im Grundsteuerkataster der Benützungsart Wald zugeordnet sei und eine Rodungsbewilligung für diese Grundfläche nicht erteilt worden sei und solange die Behörde nicht festgestellt habe, daß es sich nicht um Wald handle. Eine Rodung im Sinne des § 17 Abs. 1 ForstG setze eine Schlägerung nicht voraus. Es könne demnach unter Umständen auch dann vom Vorliegen einer Rodung gesprochen werden, wenn nicht einmal ein einziger Baum geschlägert worden sei. Die Forstbehörde könne eine Bewilligung zur Rodung nur erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiege. Die Einbeziehung von Waldflächen (Waldboden) als Unterstandsmöglichkeit für Wildtiere bei der Anlage von Fleischgattern sei in der Folge mit Waldverwüstung verbunden. Darüberhinaus diene diese Verwendung von Waldboden überwiegend zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur und zwar der Massentierhaltung. Die Einbeziehung von Waldflächen (Waldboden) in Fleischgatter sei daher grundsätzlich nur nach erfolgter Interessenabwägung und einer Rodungsbewilligung möglich. Der Beschwerdeführer habe auf den Grundstücken Nr. 90 und 102/2, welche Wald seien, ein Wildgehege ohne Rodungsbewilligung errichtet. Somit habe der Beschwerdeführer forstrechtliche Vorschriften außer acht gelassen. Die Vorschreibung der Entfernung des Wildgatters (Wildgehege) durch die Forstbehörde sei deshalb zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird.

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe um die Bewilligung zur Errichtung eines Wildgeheges in P angesucht. Es sei selbstverständlich, daß die BH dieses Ansuchen von allen Seiten zu untersuchen gehabt habe, und zwar nicht nur nach den Bestimmungen des Jagdgesetzes, sondern auch des ForstG, eingeschlossen auch die Vorfrage einer allfälligen Rodungsbewilligung. Wenn auch die Auffassung der belangten Behörde, daß eine Rodungsbewilligung auch dann nötig sei, wenn nicht einmal ein einziger Baum geschlägert worden sei, sehr überspitzt erscheine, so habe jedenfalls das Ansuchen des Beschwerdeführers um die Bewilligung zur Errichtung eines Wildgeheges auch bereits das forstrechtliche Verfahren inkludiert. Es möge auch sein, daß dem Beschwerdeführer bei aufmerksamer Lektüre des jagdrechtlichen Bescheides hätte auffallen müssen, daß auf das Erfordernis einer eigenen forstrechtlichen Bewilligung hingewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe aber als Laie davon ausgehen müssen, daß der Bescheid der BH vom 24. Juni 1992 ihm die Errichtung eines Geheges bewillige. Der jagdrechtliche Bewilligungsbescheid schreibe vor, die Umzäunung des Geheges müsse ständig so erhalten werden, daß Tiere weder ein- noch auswechseln könnten. Der angefochtene Bescheid verlange jedoch vom Beschwerdeführer, gegen diese Auflage des jagdrechtlichen Bewilligungsbescheides zu verstoßen. Bei einer Entfernung der Umzäunung würden die Tiere sofort das Weite suchen. Wenn die Behörde dem Beschwerdeführer auferlege, die errichtete Einzäunung des Wildgatters zu entfernen, so müßte ihm zumindest eine Übergangsfrist eingeräumt werden. Der Beschwerdeführer sei jedoch überhaupt der Meinung, das ForstG sei unrichtig angewendet worden. Wie er schon nachgewiesen habe, sei eine Rodung für die Errichtung des Wildgeheges nicht nötig gewesen. Darüberhinaus fehle eine Interessenabwägung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer unter Berufung auf § 172 Abs. 6 ForstG die Beseitigung der Einzäunung des Wildgatters (Wildgeheges) aufgetragen. Diese Umzäunung umfaßte (auch) Waldgrundstücke. Es handelt sich demnach um eine Sperre im Sinne der §§ 34 und 35 ForstG. Da § 35 Abs. 2 ForstG eine abschließende Regelung für die dort vorgesehenen Fälle von forstpolizeilichen Aufträgen (Zulässigkeit von Sperren) enthält, ist die Behörde dann, wenn der festgestellte Sachverhalt als Sperre zu beurteilen ist, zu einem auf § 172 Abs. 6 ForstG gestützten, von Amts wegen erlassenen forstpolizeilichen Auftrag nicht ermächtigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1993, Zlen. 90/10/0186, 0187).

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994100066.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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