TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/27 93/17/0104

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Veröffentlicht am 27.09.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5 idF 1990/357 ;
AVG §71 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 8. März 1993, Zl. UVS-05/14/00072/93, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.A. Übertretung des § 19 Abs. 1 Vergnügungssteuergesetz für Wien 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem von der Beschwerde bekämpften Spruch II wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Das an den Beschwerdeführer gerichtete und mittels RSb zugestellte Straferkenntnis vom 31. August 1992 übernahm ein Arbeitnehmer des Beschwerdeführers am 8. September 1992, dem Beschwerdeführer wurde es am 9. September 1992 vorgelegt.

Die mit 22. September 1992 datierte, an den Magistrat - im Schriftsatz und auf dem Kuvert - adressierte Berufung wurde am 23. September 1992 erst nach Ablauf der Berufungsfrist zur Post gegeben und langte beim Magistrat am 24. September 1992 ein.

Nach Vorhalt durch den UVS Wien stellte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 16. Oktober 1992 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, den er an den Magistrat richtete und mit einem an den UVS adressierten Kuvert zur Post gab. Eine "Stellungnahme" vom 16. Oktober 1992 mit einem im wesentlichen mit dem Wiedereinsetzungsantrag übereinstimmenden Inhalt richtete der Beschwerdeführer an den UVS und gab diese mit einem an den Magistrat adressierten Kuvert zur Post. Der Wiedereinsetzungsantrag langte beim UVS ein, die Stellungnahme wurde vom Magistrat an den UVS weitergeleitet.

Mit dem in einer Erledigung vom 8. März 1992 zusammengefaßten Berufungsbescheid (Spruch I) hat der UVS die Berufung vom 22. September 1992 als verspätet zurückgewiesen und mit Bescheid (Spruch II) den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen. Zu Spruch II heißt es in der Begründung, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Ersatzzustellung eines Bescheides dessen verspätete Übergabe an den Adressaten diesem zur Last falle. Der Adressat sei demnach gehalten, sich nach der Ausfolgung des Bescheides verläßlich zu vergewissern, an welchem Tag die Ersatzzustellung vorgenommen worden sei. Er dürfe sich nicht darauf verlassen, daß die Ersatzzustellung am selben Tag erfolgt sei, an dem ihm der Bescheid tatsächlich zugekommen sei. Der Umstand, daß sich der Antragsteller nach Erhalt des Schriftstückes nicht durch ausdrückliches Befragen des Ersatzempfängers vergewissert habe, wann die für ihn bestimmte Sendung eingelangt sei, sei als eine über einen minderen Grad des Versehens hinausgehende Form des Verschuldens - im Sinne einer auffallenden Sorglosigkeit - zu qualifizieren.

Gegen den Spruch II, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde, richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren und damit zusammenhängend in seinem Recht verletzt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist betreffend das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien bewilligt zu erhalten.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird auch die Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht und damit begründet, die Berufung sei bei der Behörde eingebracht worden, die den Bescheid in erster Instanz erlassen habe. Diese Behörde sei zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuständig gewesen und nicht die belangte Behörde. Damit ist die Beschwerde im Recht.

Gemäß § 63 Abs. 5 AVG in der Fassung der Novelle, BGBl. Nr. 357/1990 (wiederverlautbart mit Kundmachung BGBl. Nr. 51/1991) ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat.

Nach § 71 Abs. 4 AVG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Handlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 24. Juni 1994, G 20-23/94-6, die Wortfolge", oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat" im ersten Satz des § 63 Abs. 5 AVG in der bereits genannten Fassung als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 1995 in Kraft tritt (vgl. die Kundmachung BGBl. Nr. 686/1994). § 63 Abs. 5 AVG war im Beschwerdefall daher in der angeführten Fassung anzuwenden.

Der Beschwerdeführer hat die Berufung bei der Behörde, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, unbestritten allerdings verspätet, eingebracht. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag nach § 71 Abs. 4 AVG war aber durch das ausgeübte Wahlrecht für die Einbringung der Berufung nach § 63 Abs. 5 AVG schon festgelegt. Zuständig zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung war die Behörde, bei der die Berufung eingebracht worden war, im vorliegenden Beschwerdefall somit die Behörde erster Instanz und nicht die Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hatte.

Da die belangte Behörde dies verkannte, war, ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen, der angefochtene Bescheid in seinem Spruch II wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist damit gegenstandslos geworden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens bezieht sich auf nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993170104.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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