TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/27 94/07/0034

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Veröffentlicht am 27.09.1994
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/11 Grundbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

ABGB §364c;
GBG 1955 §29 Abs1;
GBG 1955 §9;
VVG §4;
VVG §8 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 31. Jänner 1994, Zl. III/1-33.411/6-94, betreffend einstweilige Verfügung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 31. Mai 1990 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 aufgetragen, den Westteil der N.-Deponie von bestimmten Ablagerungen zu räumen. Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1990, Zl. 90/07/0104, insoweit aufgehoben, als mit ihm die Frist für den dem Beschwerdeführer erteilten wasserpolizeilichen Auftrag aufrecht erhalten wurde; im übrigen - d.h. in bezug auf den wasserpolizeilichen Auftrag - wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Folge setzte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zunächst mit Bescheid vom 25. Juli 1991 die Frist für die Durchführung der angeordneten Deponieräumung neu fest. Nach Aufhebung dieses Bescheides durch das hg. Erkenntnis vom 10. März 1992, Zl. 91/07/0138, erfolgte eine neuerliche Fristbestimmung durch den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 23. März 1992. Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1993, Zl. 92/07/0158, aufgehoben.

Mit Schreiben vom 1. Juli 1993 drohte die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt (BH) dem Beschwerdeführer die Ersatzvornahme der Räumung des Westteils der N.-Deponie an und setzte ihm für die Durchführung der Räumung eine Frist bis 31. August 1993.

Der Beschwerdeführer beantwortete diese Androhung der Ersatzvornahme mit einem Antrag, die Paritionsfrist um vier Monate zu erstrecken. Dies begründete er damit, Finanzierungsgespräche über die Sanierung hätten sich nicht als erfolgversprechend herausgestellt, weshalb er den Versuch unternehme, durch eine Grundstücksveräußerung eine Finanzierung der zur Vollstreckung anstehenden Räumungsarbeiten zu erreichen, wobei mit einer Verhandlungsdauer von rund vier Monaten zu rechnen sei. Eine Aufschiebung der Vollstreckung hätte auch den Vorteil, die öffentliche Hand spürbar finanziell zu entlasten.

Daraufhin erließ die BH eine mit 20. September 1993 datierte einstweilige Verfügung gemäß § 8 Abs. 1 VVG, mit der sie anordnete, der Beschwerdeführer dürfe ab sofort keine Verfügungen, die über den normalen täglichen Gebrauch hinausgehen, über Gegenstände und Rechte seines Vermögens, insbesondere keine Veräußerungen, Belastungen oder Übereignungen von Grundstücken, Baulichkeiten oder sonstige Vereinbarungen mit dritten Personen über seine Vermögenswerte treffen. In der Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, die Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Beseitigung der Ablagerungen aus dem Westteil der N.-Deponie stehe fest; die Exekution sei bereits eingeleitet worden, wobei schon große Geldbeträge zur ersatzweisen Realisierung der Beseitigungsverpflichtung aufgewendet worden seien. Diese Beträge seien auf den Beschwerdeführer umzulegen und von ihm zu tragen; ein diesbezügliches Kostenvorschreibungsverfahren laufe derzeit. Dieses Kostenverfahren sei aber noch nicht abgeschlossen. Die Verpflichtung des Beschwerdeführers sei aber auf Grund der Leistungsverpflichtung als sicher zu qualifizieren. Der Beschwerdeführer habe aber mitgeteilt, daß er eine Grundstücksveräußerung beabsichtige, ein Rechtsgeschäft also, welches ihn - und damit die Exekutionsbehörde "im gesamten Vermögen des Verpflichteten" - von der Vermögenslage her schlechter stellen könne, weil die privatrechtlichen Dispositionen auch dies ermöglichten und diese Umstände nicht abgeschätzt werden könnten. Es bestehe daher die Möglichkeit, durch eine Grundstücksveräußerung Vermögenswerte, die durch eine Exekution in das Vermögen für die Vollstreckungsbehörde greifbar seien, dem Zugriff der Behörde zu entziehen und dadurch die Vollstreckung der Kostenbescheide zu vereiteln.

Der Beschwerdeführer berief.

Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer auf, bekanntzugeben, wieweit die Gespräche über den Verkauf seiner Liegenschaften zur Finanzierung der Räumung bereits gediehen seien.

Der Beschwerdeführer teilte der belangten Behörde mit, er habe die Verkaufsverhandlungen schon vor Zustellung der einstweiligen Verfügung endgültig abgebrochen und werde sie auch nicht wiederaufnehmen. Sowohl die Eintragung im Altlastenkataster als auch die vollstreckbaren Räumungsaufträge machten die Liegenschaft EZ. 1.022, KG T, völlig unverwertbar.

Mit Bescheid vom 31. Jänner 1994 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die einstweilige Verfügung der BH ab.

In der Begründung heißt es im wesentlichen, der Einwand des Beschwerdeführers, es liege keine Gefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 VVG vor, und die BH habe auch nicht begründet, inwiefern eine solche Gefahr gegeben sei, gehe ins Leere. Dem Einwand, die bloße Veräußerung stelle ohne Hinzutreten eines weiteren Verhaltens des Schuldners noch keine subjektive Gefahr dar, sei entgegenzuhalten, daß schon allein durch das Führen von Verkaufsgesprächen über die einzige im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Liegenschaft die Hereinbringung der Kosten für die Ersatzvornahme gefährdet sei. Die subjektive Gefährdung liege schon darin, daß eine dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 VVG entsprechende Handlung gesetzt werde, was unbestritten der Fall sei. Dazu komme noch, daß keine anderen Vermögenswerte vorhanden seien, die dem berechtigten Zugriff der Behörde ausgesetzt seien. Eine subjektive Gefährdung werde nicht erst durch das Hinzutreten eines weiteren Verhaltens, wie z. B. das vom Beschwerdeführer in der Berufung genannte Beiseiteschaffen des Erlöses ins Ausland ausgelöst, zumal diese Absicht wohl nicht im vorhinein nachgewiesen oder mit Sicherheit angenommen werden könne, ohne sich in den Bereich von Unterstellungen oder Verleumdungen zu begeben. Dem Einwand, daß durch den Verkauf der Liegenschaft nicht Werte der Vollstreckung entzogen, sondern gerade die Kosten der Räumungsexekution finanziert werden sollten, sei entgegenzuhalten, daß nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers die Liegenschaft schon vor Erlassung der einstweiligen Verfügung als völlig unverwertbar gegolten habe. Daraus resultiere nun die Frage, welchen Erfolg (Erlös) der Beschwerdeführer von einer Veräußerung erwartet habe bzw. inwieweit durch den Verkaufserlös eine Räumung finanzierbar geworden wäre. Dies, sowie die Tatsache, daß der erste Abschnitt der N.-Deponie bereits im Auftrag der Behörde im Wege der Ersatzvornahme geräumt worden sei, wofür beträchtliche Kosten aufgelaufen seien, rücke die Absicht, die Liegenschaft zu verkaufen und mit Hilfe des Erlöses die Räumung für den dritten Abschnitt zu finanzieren, in ein anderes Licht. Das entscheidende Kriterium liege also darin, ob schon durch das Führen von Verkaufsverhandlungen eine subjektive Gefahr bestanden habe, daß Vermögenswerte der Vollstreckung entzogen werden könnten. Die subjektive Seite einer Handlung könne nur auf Grund des äußeren Erscheinungsbildes, so wie sie in der Außenwelt sichtbar werde, erschlossen werden. Es sei also die Handlung in bezug zur handelnden Person und der übrigen Situation zu setzen, um auf die Bedeutung des Verhaltens und die davon ausgehende mögliche Gefahr schließen zu können. Genau das habe die Behörde erster Instanz getan. Als Ergebnis sei festzuhalten, daß durch das Führen von Verkaufsverhandlungen - zusammen mit der übrigen Sach- und Rechtslage - die Gefahr einer Vollstreckungsvereitelung ausreichend dokumentiert gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei nicht gerechtfertigt gewesen, weil keine Gefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 VVG vorgelegen sei. Außerdem sei die erlassene einstweilige Verfügung überschießend, weil sie dem Beschwerdeführer sämtliche Verfügungen, die über den normalen täglichen Gebrauch hinausgehen, über Gegenstände und Rechte seines Vermögens, insbesondere Veräußerungen, Belastungen oder Übereignungen von Grundstücken, Baulichkeiten oder sonstige Vereinbarungen mit dritten Personen über seine Vermögenswerte verbiete. Außerdem erweise sich der Spruch der einstweiligen Verfügung als völlig unbestimmt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Steht die Pflicht zu einer Leistung fest oder ist sie wahrscheinlich, so kann nach § 8 Abs. 1 VVG die Vollstreckungsbehörde zur Sicherung der Leistung einstweilige Verfügungen treffen, wenn die Gefahr besteht, daß sich der Verpflichtete durch Verfügungen über Gegenstände seines Vermögens, durch Vereinbarungen mit dritten Personen oder durch andere Maßnahmen der Leistung entziehen und deren Vollstreckung vereiteln oder gefährden werde.

Die belangte Behörde begründet das Vorliegen des strittigen Tatbestandsmerkmales des Bestehens einer Gefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 VVG mit der Absicht des Beschwerdeführers, ein ihm gehöriges Grundstück zu verkaufen.

Die Absicht, ein Grundstück zu verkaufen, könnte zwar diese Gefahr begründen; ob dies aber der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer nach der Androhung der Ersatzvornahme durch die BH um Erstreckung der Leistungsfrist ersucht und dies damit begründet, er wolle den Versuch unternehmen, durch eine Grundstücksveräußerung eine Finanzierung der zur Vollstreckung anstehenden Räumungsarbeiten zu erreichen. Schon der Umstand, daß der Beschwerdeführer als Reaktion auf die ihm angedrohte Ersatzvornahme der BH mitteilte, er wolle versuchen, sein Grundstück zu veräußern, um Mittel für die Durchführung der Räumung zu erhalten, spricht nicht für die Absicht des Beschwerdeführers, sich durch die Veräußerung des Grundstückes der Leistung des Kostenersatzes für die Ersatzvornahme zu entziehen. Vor allem aber läßt die belangte Behörde den Umstand unberücksichtigt, daß der Beschwerdeführer auf Anfrage der belangten Behörde, wie weit die Verkaufsverhandlungen bereits gediehen seien, mitgeteilt hat, diese seien bereits vor Erlassung der einstweiligen Verfügung abgebrochen worden und er beabsichtige auch nicht mehr, sie wiederaufzunehmen, weil sich das Grundstück wegen der Eintragung im Altlastenatlas und wegen der Räumungsverpflichtung als unverwertbar erwiesen habe. Schließlich ließ die belangte Behörde auch den ebenso gegen die angenommene Gefahr sprechenden Einwand des Beschwerdeführers außer acht, eine dem nunmehr im Grundbuch eingetragenen Veräußerungsverbot im Range vorangehende Rangordnung der beabsichtigten Veräußerung nicht ausgenützt zu haben.

Die Umstände des Beschwerdefalles lassen daher nicht den Schluß zu, es habe die Gefahr bestanden, daß sich der Beschwerdeführer durch Verfügungen über Gegenstände seines Vermögens, durch Vereinbarungen mit dritten Personen oder durch andere Maßnahmen der Leistung (Kostenersatz für die Ersatzvornahme) entziehen und deren Vollstreckung vereiteln gefährden werde. Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung erfolgte daher zu Unrecht.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994070034.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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